Warum in die Ferne schweifen? Wir fliegen doch so nah! Heimzug und Brutzeit 2012 in Süd-Niedersachsen

Das Wetter in den Monaten März bis Juni wies keine erwähnenswerten Besonderheiten auf. Mal war es zu kühl, mal zu warm, mal zu trocken, oft zu nass, das Übliche halt. Deshalb können wir ohne Umschweife ins volle Vogelleben der Landkreise Göttingen und Northeim greifen und hoffen, dass die geneigte Leserschaft daraus einen wie immer gearteten Nutzen zieht. Es gibt eine Menge zu berichten!

In Göttingen schritten drei Paare des Höckerschwans zur Brut: Im Levin-Park (sechs Junge), im Rückhaltebecken Grone (neun Junge, darunter fünf weiße Ind. der immutabilis-Variation) und am Kiessee (vier Junge). Drei von sechs Jungen eines Brutpaares am Seeanger waren ebenfalls reinweiß. Die Zahl der Jungen des Kiessee-Paares reduzierte sich auf zwei, weil die Hälfte der Sprösslinge im Abstand von drei Tagen in den reißenden Sog des Abflusses in der Nordostecke geriet und unter dem Sandweg hindurch in die Leine gespült wurde. Diese Gefahrenquelle für kleines Wassergeflügel befindet sich ausgerechnet an der beliebten Enten- und Schwanenfütterung mit dem Schild „Füttern nicht erwünscht“. Dass die beiden Jungschwäne die unterirdische Schussfahrt überlebt haben, ist erstaunlich. Nach dem Malheur schwammen sie zwar, ab und an in Gesellschaft eines Altvogels, auf der Leine umher, wurden aber bald darauf nicht mehr gesehen. Ende offen…

Höckerschwan
Abb. 1: Huckepack in eine unbekannte Welt. Foto: M. Siebner.

Von den 15 Singschwänen, die den Winter im Leinepolder Salzderhelden verbracht hatten, hielten es sieben (vier ad., drei vorj. Ind.) bis Mitte März dort aus.

Wie üblich trieben sich bis Ende Mai ein bis zwei Weißwangengänse in der Region herum.
In Göttingen belief sich die Zahl erfolgreicher Bruten der Graugans auf sieben (sechs am Kiessee und eine auf dem Stadtfriedhof mit insgesamt 15 bzw. vier Gösseln).

Von einer rasanten Ausbreitung der Nilgans im Siedlungsbereich ist Göttingen immer noch weit entfernt. Auch 2012 blieb es beim einzigen Brutvorkommen im Levin-Park. Dort erlangten neun Jungvögel die Flugfähigkeit.

Ein bis zwei Brandgänse hielten sich vornehmlich am Seeanger und an der Geschiebesperre Hollenstedt auf, lediglich am 9. Juni fanden sich im letztgenannten Gebiet gleich zehn Ind. ein.

Wie in den vergangenen Jahren traten an der Geschiebesperre Hollenstedt und im Seeanger ein bis zwei Rostgänse in Erscheinung; auch der Expansionsdrang dieser Art hält sich offenkundig in Grenzen.

Im Leinepolder Salzderhelden herrschten im März/April wegen eines Vollstaus nach Regenfällen und dem Anstau von Gräben aus Naturschutzgründen optimale Bedingungen für rastende Gründelenten. Schnatterenten erreichten am 6. April mit 115 Ind. das Maximum.

Trotz Brutzeitbeobachtungen an der Geschiebesperre Hollenstedt und am Seeanger liegen keine Hinweise auf Bruten vor. Bis zu 300 Pfeifenten wurden im März im Leinepolder gezählt. Von der Krickente konnten ebenda am 4. April außergewöhnliche 800 (!) Ind. notiert werden. Im zweiten traditionellen Rastgebiet, dem Seeanger, gerieten hingegen im März/April die üblichen 40 bis 60 Ind. ins Blickfeld. Von dort liegen auch

Brutzeitbeobachtungen von bis zu drei Paaren vor, die nicht als Brutverdacht interpretiert werden sollten. Am 2. März bedeckten ungewöhnliche 280 Spießenten die Wasserflächen im Leinepolder. Ein Paar hielt sich bis in den Juni am Seeanger auf.

110 Knäkenten, die am 26. März im Leinepolder gezählt wurden, stellen, wenn man die bislang veröffentlichten Rastzahlen zum Maßstab nimmt, ein neues regionales Maximum dar. In der ersten Aprilhälfte rasteten im Leinepolder bis zu 170 Löffelenten. Entsprechend gering fiel am Seeburger See das Maximum mit 36 Ind. am 11. April aus. Mitte März verweilten am Seeburger See für mehrere Tage bis zu zwei Paare der Kolbenente.

Männliche Einzelvögel wurden am 3. Juni im Seeanger und zwei Tage später am Göttinger Kiessee gesehen.

Am 7. März rasteten, als lokaler Erstnachweis, am Seeanger drei Bergenten (zwei M., ein W.). Aus dem regionalen Zeitfenster fiel am 5. und 15. Mai an den Northeimer Kiesteichen eine weibliche Schellente, der am 21. Mai auf dem Seeburger See zwei Männchen folgten, die noch später dran waren.

Am 15. März zeigte sich auf dem Göttinger Kiessee ein Paar des Mittelsägers – die letzte Lokalbeobachtung liegt 17 Jahre zurück! -, das praktisch unablässig tauchte und entsprechend schwer zu orten war.

Am 4. März bedeckten 90 Gänsesäger den Seeburger See. Übel dran ist ein Artgenosse, dem ein halber Flügel fehlt. Er wurde zuerst am 30. April auf der Leine südlich von Göttingen bemerkt und hält sich seitdem zwangsweise dort auf.

Mittelsäger - Siebner
Abb. 2: Weiblicher Mittelsäger auf dem Göttinger Kiessee Foto: M. Siebner.

Für ein abschließendes Urteil über das Auftreten der Wachtel in unserer Region ist es noch zu früh. Bis dato deutet aber nichts auf ein ausgesprochen „gutes Jahr“. In den regelmäßig von Beobachter/innen aufgesuchten Göttinger Feldmarken Reinshof, Geismar-Süd und Diemardener Berg lagen die Gesamtzahlen pro Tag durchweg bei weniger als zehn rufenden Männchen. Dies trifft auch auf die mehrfach begangene Feldmark um Sattenhausen zu.

Im westlichen Göttinger Stadtgebiet ist das Rebhuhn eine mittlere Seltenheit, im Süden sieht es (noch) besser aus (vgl. den Sammelbericht zum vergangenen Winter auf dieser Homepage). Insofern ist ein ortsfestes Paar an den ehemaligen Tongruben Siekgraben an der Grenze zum Landkreis bemerkenswert.

Von den Husumer Teichen bei Hammenstedt liegen Hinweise auf ein Revierpaar des Zwergtauchers vor. Möglicherweise bahnt sich dort eine Brut an oder findet bereits im Verborgenen statt. Zudem können Zwergtaucher noch bis weit in den August brüten. Darüber hinaus gibt es in der Region keine Anzeichen für eine Brutansiedlung, auch nicht am Seeanger und an den Sandgruben Meensen, wo Zwergtaucher in den vergangenen Jahren unregelmäßig zur Brut geschritten sind.

Am Göttinger Kiessee konnte sich bis dato nur eines von drei Paaren des Haubentauchers reproduzieren. Die vier Jungvögel haben eine Regatta und den täglichen Ansturm von Paddlern, Kanuten und Tretbootfahrern gut überstanden und sind fast selbständig, was sie jedoch nicht vom penetranten Anbetteln ihrer Eltern abhält.
Am Seeburger See dümpeln die meisten der ca. 20 bis 25 ansässigen Paare lustlos vor sich hin. Alle Bruten und Brutversuche im Bereich der beiden Stege im Umfeld des „Graf Isang“ wurden aufgegeben. Bis zum 20. Juni konnte kein Jungvogel ausgemacht werden. Dieses lokale Phänomen ist nicht neu, harrt aber immer noch einer schlüssigen Erklärung. Ob Nistplatzmangel, (gestiegener?) Prädationsdruck, geringe Sichttiefe, Veränderungen der submersen Vegetation mit Auswirkungen auf die Populationen kleiner Fische oder anthropogene Störungen durch Erholungssuchende und Angler die Ursachen sind oder eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren, muss vorerst offen bleiben. An den Seggenbülten im Bereich der Stege fand ein gleichermaßen permanenter wie fruchtloser Kampf mit Blässhühnern und Lachmöwen um die vergleichsweise sicheren Brutplätze statt. Immerhin konnte in den vergangenen Jahren der Ausfall von Erstbruten durch Zweit- und/oder Ersatzbruten zumindest teilweise wettgemacht werden. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich im Sommer die negative Wirkmächtigkeit eines oder auch mehrerer Faktoren abschwächt. Fragt sich nur, welche das sind…

Vom Rothalstaucher liegen zwei Nachweise vor: Ein Ind. ließ sich am 3. Mai auf dem Seeburger See ausmachen. Wesentlich fotogener war ein Vogel am 12. Mai auf dem Göttinger Kiessee.

Rothalstaucher
Abb. 3: Rothalstaucher auf dem Göttinger Kiessee Foto: M. Siebner.

Schwarzhalstaucher traten ab dem 28. März an mehreren Stillgewässern in Erscheinung. 11 der insgesamt ca. 55 Vögel zeigten am 27. April auf dem Seeburger See das Tagesmaximum an, immerhin sieben waren dort noch am 14. Juni präsent.

Am 5. Mai beglückte ein als adult bestimmter Sterntaucher auf dem Großen Freizeitsee bei Northeim die Birdracer des Teams „Leinehänflinge“. Noch unzeitgemäßer verhielt sich ein Ind. im Schlichtkleid, das am 18. Juni am Seeburger See für eine Überraschung sorgte und auch am Folgetag noch anwesend war. Möglicherweise derselbe Vogel hielt sich ab dem 22. Juni an den Koldinger Kiesteichen bei Hannover auf.

Das Frühjahr 2012 stand im Zeichen einiger, teils spektakulärer Beobachtungen diverser Reiherarten, die auf dieser Homepage noch mit einem Spezialbeitrag gewürdigt werden. An dieser Stelle nur ein kurzes Resumée: Am 18. März ließ sich eine Rohrdommel nächtens über Einbeck-Drüber akustisch vernehmen. Am 17. Juni hielt sich an der Kiesgrube Reinshof eine (für dieses Gebiet lang ersehnte) Zwergdommel, wohl ein adultes Weibchen, auf.

Am 27. Mai rastete am Göttinger Kiessee ein adulter Nachtreiher. Unbestrittener Starvogel war jedoch ein Rallenreiher (M. Siebner) im zweiten Kalenderjahr, der sich vom 26. Mai bis zum 6. Juni dort aufhielt, etliche Beobachter/innen von außerhalb anzog und es sogar in die Tagespresse schaffte. Die dort kolportierte Aussage, der Vogel sei „kleiner als eine Stockente“, mag befremdlich klingen, entspricht aber den Tatsachen. Wer’s nicht glaubt, kann es im Svensson nachlesen.

Rallenreiher
Abb. 4: Rallenreiher am Göttinger Kiessee Foto: W. Kühn.

Das außergewöhnlich kopfstarke Auftreten winterlicher Silberreiher in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck (vgl. den Sammelbericht zum vergangenen Winter auf dieser Homepage) setzte sich bis in den März fort. Am 2. dieses Monats ließen sich im Leinepolder Salzderhelden noch 114 Ind. zählen. Danach gingen die Zahlen zurück. Aus dem Rahmen fielen später allenfalls sieben Ind., die am 7. Mai im Trupp über den Göttinger Kiessee nach Norden zogen.

Den Göttinger Graureihern geht es bestens. Ihre Kolonie im Levin-Park ist auf 14 bis 15 beflogene Nester angewachsen, die sich, bis auf eins auf einer Erle am Teichufer, alle in der Weide auf der kleinen Insel befinden. Ca. 30 Jungvögel sind bereits ausgeflogen. Darüber hinaus kam es auf der Insel im Kiessee zur erfolgreichen Ansiedlung eines aktuell noch fütternden Brutpaars. Der alte Baumbestand dort ist als Koloniestandort langfristig besser geeignet als die Weide im Levin-Park. Wie lange der betagte Baum die Belastung durch viele Nester mit gewichtigem Inhalt plus zentnerweise Kot noch aushält, ist ungewiss. Deshalb ist der Kiessee eine echte Alternative, zumal die Vögel im Levin-Park gelernt haben, dass sie vom Menschen nichts zu befürchten haben und eine entsprechende Toleranz gegenüber Störungen entwickeln konnten.

Graureiher
Abb. 5: Graureiher-Nachwuchs im Levin-Park Foto: M. Siebner.

Die kleine Kolonie an der Rhume bei Bilshausen ist ebenfalls wieder besetzt; die genaue Zahl der Nester konnte in dem dichten Fichtenbestand aber nicht ermittelt werden.
Am 8. Mai absolvierte ein Seidenreiher eine lokale Erkundungsreise, die ihn vom Seeanger über den Lutteranger zum Seeburger See führte, wo er einen Schlafplatz bezog.

Vom Schwarzstorch liegen knapp 30 Beobachtungen vor. Besonders interessant sind Brutzeitbeobachtungen, die keinem der bekannten Brutplätze zugeordnet werden können. So wurden, wie in den Vorjahren, Einzelvögel regelmäßig bei Waake gesehen. In der Suhleaue bei Landolfshausen traten im Juni bis zu vier Ind. in Erscheinung. Bemerkenswert sind auch zweimal im Mai über das Göttinger Ostviertel fliegende Vögel. Ob sich die Beobachtungen auf bisher unentdeckte Brutpaare beziehen, ist eine spannende Frage.
Im Mai kam es im Leinepolder Salzderhelden und seiner engeren Umgebung zu einer für die Heimzugperiode regional beispiellosen Ansammlung von Weißstörchen. Bei ornitho.de wurden bis zu 36 Ind. eingegeben, die von einem lokalen Storchenfreund bei naturgucker.de am 10. Mai mit 46 Ind. noch übertroffen wurden. Eine faktische Neuansiedlung fand jedoch nur am Ortsrand von Lütgenhausen in der Rhumeaue (Landkreis Göttingen) statt.
Derzeit werden alle möglichen Dörfer von einer Allianz aus Jägerschaft, Freiwilliger Feuerwehr und einzelnen Landwirten mit (noch mehr) Nisthilfen bestückt. Wenn sich, wie in Obernfeld geschehen, ein oder zwei Vögel kurzzeitig für das Angebot zu interessieren scheinen, tritt sofort die Tagespresse in Aktion, um die frohe Botschaft vom „Storchenparadies Eichsfeld“ (Göttinger Tageblatt vom 4.5.2012) in die Welt zu posaunen. Aus fachlicher Sicht fast schon makaber anmutend sind die, sicherlich gut gemeinten, Aktionen im Leinetal, z.B. in Groß Schneen und Stockhausen, wo die industrialisierte Landwirtschaft dafür gesorgt hat, dass Grünland nur noch in winzigen Resten zu finden ist und öde Maisschläge zunehmend dominieren. Wie auch immer: zumindest die Nilgans wird sich freuen und die eine oder andere Nisthilfe begeistert in Beschlag nehmen…

Ca. 20 Beobachtungen des Fischadlers liegen vor, darunter eine recht späte vom 5. Juni, einen über den Hohen Hagen/Dransfelder Stadtwald ziehenden Vogel betreffend.

Missing Link, Irrläufer der Evolution oder bedauernswertes Opfer gentechnischer Versuche der Einbecker Bayer-Tochter Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS)? Bei Begegnungen im Landkreis Northeim drängen sich solche Mutmaßungen mitunter auf. Ob sie auch bei einem Riesenvogel angestellt wurden, der am 1. Juni auf einem Scheunendach der Domäne Wetze bei Northeim saß, muss offen bleiben. Die Herkunft des Fabelwesens, das sich als zweijähriger Bartgeier (A. Engel) entpuppte, konnte schnell geklärt werden. Es handelte sich um das Weibchen „Scadella“ aus einem andalusischen Nachzuchtprogramm. Sie wurde 2011 in der Schweiz ausgewildert und mit einem Sender versehen. Ende Mai 2012 unternahm sie, von zwei oder drei Flügelschlägen pro Tag angetrieben, eine gemächliche Tour d’Horizon über Süd-, Mittel- und Westdeutschland. Am 9. Juni war sie wieder im sicheren Hafen Schweiz. Ein Foto und Näheres zu dem mobilen Vogel findet sich unter der Adresse www.nwo-avi.com.

Männliche Wiesenweihen begeisterten die Beobachter am 29. April über dem Kerstlingeröder Feld in Göttingen, am 11. Mai in der Feldmark Sattenhausen und am 18. Mai am ehemaligen Grenzstreifen bei Ecklingerode.

Wiesenweihe
Abb. 6: Wiesenweihe bei Ecklingerode Foto: M. Siebner.

Im EU-Vogelschutzgebiet V 19 „Unteres Eichsfeld“ sind in diesem Jahr auf ca. 130 km² 19 Reviere des Rotmilans besetzt, exakt so viele wie im Vorjahr.

Die letzten Rauhfußbussarde aus dem spektakulären Einflug im vergangenen Winter wurden am 10. März im Leinepolder Salzderhelden und in der ersten Aprildekade in der Feldmark östl. Moringen gesehen.

Am 30. April flog ein weiblicher Rotfußfalke über den Seeburger See.

Die Göttinger Wanderfalken von St. Johannis konnten sich mit mindestens zwei flügge gewordenen Jungvögeln fortpflanzen. Über den Bruterfolg der Paare am Fernsehturm auf dem Osterberg bei Gö.-Deppoldshausen und im Reinhäuser Wald – dieser Brutplatz ist nach zehn Jahren Uhu-Dominanz wieder besetzt – liegen keine Angaben vor.

Wanderfalke
Abb. 7: Junger Wanderfalke in Göttingen Foto: M. Siebner.

Augenscheinlich ist 2012 ein gutes Jahr für den Turmfalken. Dies belegen nicht nur zahlreiche Hinweise auf erfolgreiche Bruten, sondern auch Anrufe besorgter Bürger/innen, die in ihrem engeren Lebensumfeld mit tapsigen, „aus dem Nest gefallenen“ Jungfalken konfrontiert werden. Ihnen wurde in der Regel der Rat zuteil, die nur scheinbar hilflosen Kerlchen auf das nächstgelegene Dach bzw. auf einen entsprechend hohen Ast zu setzen – Hauptsache weit weg von den überall marodierenden Katzen…

In der ersten Märzdekade zogen mehr als 5000 Kraniche über die Region. Danach gingen die Zahlen zurück, der Zug hielt aber noch bis in den April an. In diesem Monat wurde der Leinepolder Salzderhelden auch von bis zu 400 Ind. für mehrere Tage als Rastplatz genutzt. Ende April hielt sich noch die mittlerweile übliche Handvoll zumeist immaturer Vögel dort auf. Am Seeanger zeigten sich, auch dies nicht mehr ungewöhnlich, bis Mitte Mai ein bis zwei Bummelanten. Bemerkenswert spät war jedoch ein Ind. am 28. Mai an der Geschiebesperre.

Am 10. April wurde einem Jäger im Leinepolder Salzderhelden die Beobachtung einer Großtrappe vergönnt, die von einem kleinen Beobachterkreis bestätigt und auch fotografisch belegt werden konnte (Foto bei naturgucker.de). Interessanterweise war der Vogel unberingt, seine Herkunft aus einem der drei ostdeutschen Reservate ist daher nicht zwingend anzunehmen. Vermutlich war es dasselbe Ind., wohl ein vorjähriges Männchen, das am 30. März im nordhessischen Ringgau (Werra-Meißner-Kreis) eine Rast eingelegt hatte (vgl. dazu den Beitrag der HNA).

Im Leinepolder Salzderhelden ließen sich ab Ende Mai bis zu fünf Wachtelkönige vernehmen, die allerdings nur einen Bruchteil der ansässigen Vögel in einem Gebiet ausmachen dürften, das für die Allgemeinheit nicht zugänglich ist.

Rallen gehen manchmal rabiat zu Werke, nicht nur in Neuseeland, wo sich die stämmige Wekaralle einen Namen als berüchtigter Eier- und Jungvogelräuber erarbeitet hat. Auch das heimische Blässhuhn neigt manchmal zu robusten Aktionen. Dies belegt das Foto eines Vogels am Seeburger See, der sich an einem Lachmöwengelege schadlos hält.

Blässhuhn
Abb. 8: Räuberisches Blässhuhn Foto: M. Siebner.

Trotz des brachial vorgenommenen Rückschnitts ihrer Lieblingsweide (in der ein Paar jedoch wieder unverdrossen zur Brut schritt) ist die Brutsaison für die zwei bis drei Paare des Teichhuhns im Göttinger Levin-Park bislang gut verlaufen. Ca. 12 Junge aus vier Bruten, darunter eine Schachtelbrut, rennen und schwimmen frohgemut und immer hungrig der Selbständigkeit entgegen. Auch anderswo in der Stadt scheint die Art, nach Jahren des schleichenden Rückgangs, wieder vergleichsweise gut vertreten zu sein. Am Rückhaltebecken in Grone und auf dem Friedhof Junkerberg fanden erfolgreiche Bruten statt, im Pfingstanger herrscht Brutverdacht und am Kiessee sowie an der Leine im südlichen Stadtgebiet sind insgesamt mindestens sechs (heimliche) Paare präsent. Der über viele Jahrzehnte besetzte Brutplatz auf dem Stadtfriedhof ist hingegen immer noch verwaist, weil mit der Ufervegetation des kleinen Teichs ähnlich rücksichtslos verfahren wurde wie mit der Weide im Levin-Park.

Teichhuhn
Abb. 9: Dem Fachdienst Stadtgrün wacker trotzend: Brütendes Teichhuhn im Levin-Park. Foto: M. Drüner.

Ein Austernfischer beehrte am 4. April den Seeanger nur kurz. Am 19. April rasteten drei Säbelschnäbler an der Geschiebesperre Hollenstedt. Ein Einzelvogel sorgte am 21. April am Seeburger See für den lokalen Erstnachweis, um sich danach für zwei Tage im Seeanger aufzuhalten.

Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der Kiebitz endgültig als Brutvogel aus dem Landkreis Göttingen verschwunden ist. Die einzige Brut, auf einem kahlen Maisacker nahe dem Seeanger, wurde nach Regenfällen vor dem 5. Mai aufgegeben. Ob ein reviertreues Paar in der Feldmark Wollbrandshausen sich fortpflanzen konnte, bleibt ungewiss. Im Seeanger selbst ist die Vegetation mittlerweile auf den meisten Flächen zu hoch und zu dicht für das Brüten.

Wie es scheint konnte sich der Flussregenpfeifer nur auf der Glunz-Brache im Gö.-Groner Industriegebiet fortpflanzen. Dort hatten zwei Paare Schlupferfolg, (mindestens) ein Jungvogel erreichte die Flugfähigkeit. Die „Renaturierungsflächen“ im kanalisierten Leinebett und die Kiesaufschüttungen an der „Meyerwarft“ südl. des Kiessees wurden mehrfach von interessierten Vögeln aufgesucht; ihre Verweildauer fiel jedoch immer nur sehr kurz aus, weil sie dem regen Besucherverkehr von Mensch und Hund weichen mussten. Ein Brutversuch an den ehem. Tongruben Siekgraben scheiterte. An der Kiesgrube Reinshof balzten bis zu zwei Paare, im Steinbruch bei Emmenhausen eins und an der Geschiebesperre Hollenstedt bis zu drei. Sie alle blieben erfolglos (das Emmenhauser Paar wurde nicht kontrolliert).
Mögliche Gelege an der Geschiebesperre dürften den Regenfällen in der ersten Maidekade, die den Wasserstand schnell steigen ließen, zum Opfer gefallen sein. Die von lokalen Vogelfreunden landseitig angelegten kleinen Kiesbänke konnten ihren gut gemeinten Zweck nicht erfüllen, weil schneller Pflanzenbewuchs sie für die auf Freiflächen angewiesenen Trippelbrüder entwertete.
Obwohl einige (potentielle bzw. jahrweise besetzte) Brutplätze wie die Kiesgrube Ballertasche, die Kiesgrube Angerstein, der Steinbruch bei Elvese oder der Northeimer Freizeitsee nicht auf Brutvorkommen untersucht wurden, fällt das Ergebnis äußerst mager aus und lässt die Zukunft der regionalen Brutpopulation in einem düsteren Licht erscheinen.

Flussregenpfeifer - M.Siebner
Abb. 10: Diesj. Flussregenpfeifer an der Kiesgrube Reinshof, dort leider nicht erbrütet Foto: M. Siebner.

Am 18. Mai wurde ein nachts über Ebergötzen gehörter Flugruf dem in Niedersachsen nicht mehr meldepflichtigen Mornellregenpfeifer zugeschrieben.

Am 23. März, d.h. für diese Art recht früh, hielt sich ein rastender Regenbrachvogel im Leinepolder Salzderhelden auf. Ihm folgten am 13. April Einzelvögel im Seeanger und an der Kiesgrube Reinshof sowie zwei Ind. am 25. April an der Geschiebesperre Hollenstedt. Den späten Heimzug-Schlusspunkt setzte ein Ind. am 15. Mai am Seeburger See.
Im März/April verweilten bis zu fünf Uferschnepfen im Leinepolder.

Aus dem Solling (z.B. nahe Winnefeld und dem Neuen Teich) liegen Beobachtungen von bis zu vier balzenden Männchen der Waldschnepfe vor. Im Landkreis Göttingen konnte das Vorkommen im Bramwald (bis zu zwei balzende M. an der Langen Bahn) bestätigt werden.
Der Leinepolder Salzderhelden stellte in der diesjährigen Heimzugperiode einen optimalen Rastlebensraum für verschiedene Limikolenarten dar, allen voran die Bekassine, die am 6.4. mit mindestens 200 Ind. gut vertreten war. Im Mai zelebrierten balzende Einzelmännchen dort ihr eindrucksvolles Flugritual. Dagegen gab es am Seeanger erneut keine Anzeichen für eine Brutansiedlung. Grund dafür ist, trotz eines recht hohen Wasserstands, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verdichtung der bodennahen Vegetation, die diesem Wiesenvogel abträglich ist. Hinzu kommt vermutlich ein gestiegener Prädationsdruck, der gerade bei wiedervernässten Gebieten in Insellage unausweichlich zu sein scheint.

Ein Teichwasserläufer im Prachtkleid, der sich bereits am 8. April, dem frühesten jemals in Deutschland dokumentierten Heimzugdatum, an der Geschiebesperre Hollenstedt eingefunden hatte, blieb dort drei Tage und ließ sich von vielen Beobachter/innen bestaunen.

Teichwasserläufer
Abb. 11: Teichwasserläufer an der Geschiebesperre Hollenstedt Foto: W. Kühn.

Ein prächtig gewandeter Steinwälzer verlieh der Kiesgrube Reinshof am 15. Juni den ihr gebührenden Glanz und konnte optimal abgelichtet werden.

Steinwälzer
Abb. 12: Steinwälzer an der Kiesgrube Reinshof Foto: M. Siebner

Sanderlinge traten am 29. April einzeln und am 6. Mai zu zweit an der Geschiebesperre Hollenstedt auf.

Eine Zwergmöwe, die am 27. April mit drei Artgenossen über dem Seeburger See umherflog, sorgte bei den Beobachtern anfänglich für Irritationen. Sie trug nämlich das sehr seltene, weithin unbekannte erste Winterkleid mit dunklen Flügeldecken. Solche Vögel können auch erfahrene Beobachter ins Bockshorn jagen, weil sie andere Möwen- oder Seevogelarten vortäuschen.

Zwergmöwe
Abb. 13: Zwergmöwe mit einfarbig dunklen Flügeln am Seeburger See. Foto: M. Schuck.

Derzeit brüten am Seeburger See maximal drei Paare der Lachmöwe auf vorgelagerten Seggenbülten und Teichrosen. Die Kolonie am Lutteranger ist, trotz lärmender Brutvorbereitungen, wieder einmal verwaist.

Schwarzkopfmöwen machten sich eher rar, denn es liegen nur Beobachtungen eines Altvogels vom 3. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt und eines ins erste Sommerkleid mausernden Ind. vom 31. Mai am Seeburger See vor.

Je eine Mittelmeermöwe im zweiten Kalenderjahr ließ sich am 29. Mai auf dem Göttinger Kiessee und am 7. Juni am Seeburger See blicken.

Der süd-niedersächsische Frühling 2012 präsentierte sich nicht nur als bemerkenswertes Reiher-Spektakel – auch die Seeschwalben waren mit einem Gutteil ihrer in Mitteleuropa vorkommenden Arten vertreten.
Der Reigen wird von einer Zwergseeschwalbe eröffnet, die am 12. Mai über dem Seeburger See ihre Kreise zog.
Vom 5. bis 7. Mai hielten sich ebenda zwei Weißbart-Seeschwalben auf (immer dieselben?). Ihnen folgte am 10. und 12. Mai ein Einzelvogel. Am 21. Juni fanden sich erneut zwei Ind. ein.

WBSS
Abb. 14: Weißbart-Seeschwalbe am Seeburger See Foto: M. Siebner.

Eine Weißflügel-Seeschwalben schmückte das Eichsfeldmeer am 1. Mai, gleich vier waren es am 14. Juni.
Trauerseeschwalben erreichten am 10. Mai ebendort mit nicht gerade üppigen 15 Ind. das Maximum.
Flussseeschwalben traten am Seeburger See vergleichsweise zahlreich auf. Vom 24. bis 25. April hielt sich ein Ind. dort auf, ein weiterer Vogel am 30. dieses Monats. Zwei Ind. waren es am 7. und 8. und bis zu vier vom 10. bis 12. Mai. Am 17. und 18. Mai gab sich ein Einzelvogel die Ehre, dem am 17. Juni zwei Ind. folgten. Den (vorläufigen) Schlusspunkt setzte ein Ind. am 22. Juni am Göttinger Kiessee, wo die Art eine mittlere Rarität ist. Bei ca. 12 Ind. kann man fast von einem Einflug sprechen.

Fussseeschwalbe
Abb. 15: Flussseeschwalbe am Seeburger See Foto: M. Siebner.

Dagegen liegen (nur) drei Beobachtungen einzelner Küstenseeschwalben vor, und zwar vom 6. Mai von der Geschiebesperre Hollenstedt sowie, recht spät für diese Art, vom 14. und 19. Juni vom Seeburger See.

Von der Türkentaube gibt es aus dem engeren Göttinger Stadtgebiet weniger als 15 Beobachtungen, von denen sich zudem etliche nur auf ein bis zwei Vögel im Bereich Rosdorfer Weg/Klinkerfuesstraße beziehen. Hinweise auf Vorkommen von Einzelpaaren liegen aus Geismar und Grone sowie aus der Nord- und Weststadt vor. Damit zeichnet sich ab, dass der Brutbestand wahrscheinlich nur noch aus fünf bis sechs Paaren bestehen könnte. Wenn der Niedergang anhält, kann man diesem seit ca. 50 Jahren in Göttingen ansässigen Neubürger bald nur noch ein elegisches „Güle, güle“ nachrufen…

Von der Turteltaube wurden ganze zehn Sichtungen bzw. akustische Gesangswahrnehmungen bekannt, die sich im wesentlichen auf die wenigen Offenflächen und Lichtwaldhabitate der großen Waldgebiete Kaufunger Wald, Bramwald, Reinhäuser Wald und Solling beziehen. Mit Ausnahme eines Paars bei Dassel am 7. Juni gerieten nur Einzelvögel ins Blickfeld.

Auf dem Plateau des Reinhäuser Walds nahe der Hesse-Straße ließ sich am 26. Februar und am 4. März ein singendes Männchen des Rauhfußkauzes vernehmen. Zwischen den beiden Rufplätzen liegen ca. 1000 m. Ob es sich um einen oder zwei Sänger gehandelt hat muss offen bleiben. Spätere Kontrollen verliefen erfolglos. Immerhin liegt jetzt für dieses Waldgebiet der erste, lange überfällige Nachweis vor.

In dem oben genannten Bereich des Reinhäuser Walds waren zwei Reviere des Sperlingskauzes besetzt, im Umfeld des Hurkutsteins möglicherweise sogar ein drittes. Mindestens eine Brut scheint erfolgreich verlaufen zu sein.

Der mittlerweile traditionelle Brutplatz der Waldohreule im Göttinger Stadtteil Treuenhagen war wieder besetzt. Erfolgreiche Bruten konnten auch in der Gö.-Weender Feldmark nördl. der Otto-Hahn-Straße und in Ballenhausen dokumentiert werden. Im Tegeler Weg (Lohberg oberhalb von Geismar) rief am 1. April ein Männchen.

Waldohreule
Abb. 16: Junge Waldohreule in Treuenhagen Foto: M. Siebner.

In der ersten Aprilwoche wurde in der Feldmark östl. Moringen noch eine Sumpfohreule gesehen. Zum Beginn ihrer Brutzeit ließen sich im Reinhäuser Wald bisweilen rufende Uhus vernehmen. Zur Fortpflanzung scheint es aber nicht gekommen zu sein, zumindest nicht am traditionellen Brutplatz, der später vom Wanderfalken besetzt war.

Um den regionalen Brutbestand des Eisvogels ist es nach drei nicht gerade milden Wintern schlecht bestellt. Die weitaus meisten Beobachtungen betreffen einen Einzelvogel im Göttinger Süden. Nur am 1. April wurden an der Alten Rosdorfer Tongrube zwei Ind. gesehen, die später wieder verschwunden waren. Immerhin: Der traditionelle Brutplatz an der Hahle bei Mingerode ist wieder besetzt.

Am 30. Mai überflog ein Trupp von zehn Bienenfressern das Göttinger Industriegebiet Richtung Südost. Damit liegt der vierte Nachweis für das Göttinger Stadtgebiet seit 1997 vor. 2001 rasteten, ebenfalls am 30. Mai, sogar 11 Ind. für kurze Zeit in einem Neubaugebiet in Nikolausberg.

Heimziehende Wiedehopfe faszinierten die Beobachter am 26. und 27. April im Göttinger Neuen Botanischen Garten sowie am 27. April am Steinberg oberhalb des Seeangers.

Anders als im vergangenen Jahr, als dort ab April keine Beobachtungen mehr erfolgten, ist auf dem Kerstlingeröder Feld wieder ein im Duett singendes Wendehals-Paar dauerhaft präsent.
Im April/Mai wurde nahe dem ehem. Steinbruch oberhalb der Garte südl. von Göttingen jeweils über mehrere Tage ein singender Vogel vernommen. Eine Wiederbesetzung dieses historischen Brutplatzes ist jedoch eher unwahrscheinlich, denn nach dem 13. Mai herrschte dort Stille.
Dagegen verhielt sich ein Sänger in Hausgärten an der Holtenser Landstraße in Göttingen ausgesprochen standortsfest – er sang dort vom 21. Mai bis zum 15. Juni praktisch ununterbrochen. Ob sich schlussendlich noch ein Weibchen gefunden hat, das dem Leierzwang ein Ende setzte und die geplagten Anwohner aufatmen ließ, ist eher unwahrscheinlich, zumal in einem derart suboptimalen Lebensraum.
Singende Rastvögel hielten sich am Göttinger Kiessee, an der ehem. Bauschuttdeponie Gö.-Geismar, im Levin-Park, bei Waake und am Seeburger See auf.

Im eichenreichen NSG „Ossenberg – Fehrenbusch“ bei Dransfeld wurden am 10. April fünf rufende Mittelspechte registriert. Bei früheren Erfassungen konnte die Art dort nicht festgestellt werden, so dass wohl von einer Neuansiedlung auszugehen ist.

Südl. des Göttinger Flüthewehrs fand eine Brut des Kleinspechts statt. Kleinspechte verhalten sich aus Gründen der Vermeidung von Prädation z.B. durch den räuberischen Buntspecht während der Brut sehr heimlich. Daher liegen aus der Region nur wenige Nachweise dieser Art vor.

Auf dem Heimzug singende Pirole erfreuten die Beobachter am 17. Mai am Birkenberg bei Kerstlingerode, am 18. Mai im Lohholz bei Mingerode, am 25. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt sowie am 2. Juni am fast schon traditionellen Rastplatz an der Rasemündung südl. des Göttinger Flüthewehrs.

Eine am 8. Juni durchgeführte Zählung von Neuntötern auf dem Kerstlingeröder Feld (Göttinger Stadtgebiet) ergab bemerkenswerte 21 revieranzeigende Männchen und acht Weibchen. Das Ergebnis übertrifft die sieben M. und zwei W. aus dem sehr schlechten Vorjahr deutlich und liegt nur knapp unter der bisherigen Höchstzahl von 22 M. aus dem Jahr 2008. Der Brutbestand in diesem regionalen Verbreitungsschwerpunkt mit hoher Siedlungsdichte zeichnet sich bis jetzt durch eine langjährige Stabilität aus. Weite Bereiche des Kerstlingeröder Felds sind jedoch mittlerweile stark verbuscht und verfilzt, so dass optimale Bedingungen zur Nahrungsaufnahme am Boden vor allem an den zahlreichen vegetationsarmen Wegen existieren, an denen sich die Brutpaare folgerichtig konzentrieren.

Bis in den April hielten sich noch ca. sieben Raubwürger an ihren Überwinterungsplätzen auf, deren Position der Karte im Bericht über den vergangenen Winter entnommen werden kann. Sehr erfreulich ist ein Brutnachweis aus der Feldmark bei Varlosen, der erste dokumentierte seit 2005 (bei Rüdershausen).

Abseits des regionalen Verbreitungsschwerpunkts Northeimer Kiesteiche werden Bruten der Beutelmeise nur noch selten wahrgenommen. An der Kiesgrube Reinshof hielten sich zwei Paare auf. Der Brutverlauf eines der beiden ließ sich gut dokumentieren. Noch am 30. Mai wurden die schon recht großen Jungvögel im Nest gefüttert. Am 4. Juni hingegen war das Nest verwaist und kein Vogel mehr zu sehen. Wenn die Jungen nicht in der Zwischenzeit ausgeflogen waren, steht zu befürchten, dass sie Anfang Juni einer Kältephase mit Dauerregen zum Opfer gefallen sind.

Beutelmeise
Abb. 17: Nestbauende Beutelmeise an der Kiesgrube Reinshof Foto: W. Kühn.

Der Heimzug der Heidelerche war in der Region ungewöhnlich schwach wahrzunehmen. Aus dem Zeitraum vom 2. bis 16. März existieren ganze fünf Beobachtungen von insgesamt nur 11 Ind.

Vom Waldlaubsänger gelangten, wieder einmal, nur vergleichsweise wenige 15 Beobachtungen zur Kenntnis, die meisten aus der Heimzugperiode. An einer jährlich mehrfach begangenen Zählstrecke im Göttinger Stadtwald gab es keine Anzeichen für eine Revierbesetzung.

Aus der Rhumeaue bei Katlenburg-Lindau und Bilshausen liegen Hinweise auf insgesamt drei Reviere des Schlagschwirls vor. Einzelne Männchen ließen im Mai ihren betörenden Gesang am 17. in der Rhumeaue bei Wollershausen, am 20. und 21. am Seeburger See, nur sehr kurz am 22. am Göttinger Kiessee (seit 1997 der zweite Lokalnachweis) und am 28. in der Elleraue bei Hilkerode erschallen.

Schlagschwirl
Abb. 18: Schlagschwirl am Seeburger See Foto: V. Hesse.

Im Leinepolder Salzderhelden ist wiederum (mindestens) ein Revier des Rohrschwirls besetzt.
In der ersten Maihälfte versetzte ein singender Drosselrohrsänger für mehrere Tage die Wasser- und Schilfflächen des Seeburger Sees in Vibration. Zu einer echten Revierbesetzung scheint es aber nicht gekommen zu sein. Ein singender Rastvogel präsentierte sich am 28. Mai am Göttinger Kiessee.

Von der kleinen Population des Trauerschnäppers im Wildgehege nahe dem Hainholzhof (Göttinger Stadtwald) gibt es, trotz mehrfacher Kontrollen, keine Meldungen. Nachdem der Bestand in den letzten Jahren weiter geschrumpft war, könnte das Vorkommen jetzt endgültig erloschen sein.

Im Leinepolder Salzderhelden schritten (mindestens) zwei Paare des Braunkehlchens zur Brut, mit einiger Wahrscheinlichkeit die einzigen weit und breit.

Das Schwarzkehlchen befindet sich weiterhin im leichten Aufwind. In der Rhumeaue bei Bilshausen waren drei Brutpaare zugegen, von denen bis dato (mindestens) eins erfolgreich war. In der Feldmark südl. Hollenstedt bestand Brutverdacht und an der Geschiebesperre Hollenstedt hielt ein Männchen mit auffällig weißen Oberschwanzdecken von Ende März bis Mitte April ein Revier. Solche auf den ersten Blick an ein Sibirisches Schwarzkehlchen erinnernden Vögel treten in Deutschland mitunter auf, ohne aber echte Sibirjaken mit Westausbreitung zu sein.

Vom Gartenrotschwanz, dessen regionales Vorkommen sich im wesentlichen auf Göttinger Kleingärten konzentriert, liegt ein Brutnachweis aus Potzwenden vor.

Auf dem Kerstlingeröder Feld (Göttinger Stadtgebiet) wurden am 8. Juni 17 revieranzeigende Männchen des Baumpiepers gezählt, genau so viele wie im Vorjahr. Trotz jährlicher Schwankungen, die sich z.B. im guten Jahr 2010 (22 M.) und in den schlechten Jahren 2008 und 2009 (jeweils 11 M.) ausdrücken, scheint der langfristige Bestandsrückgang gegenüber den Anfangsjahren des 21. Jahrhunderts (30 bzw. 31 Rev. 2000 und 2001) evident zu sein. Um dies zweifelsfrei belegen zu können, müsste aber eine gründliche Kartierung mit mehreren Begehungen ab Anfang April vorgenommen werden.

Göttingens winzige Restpopulation von ein bis zwei Brutpaaren des Wiesenpiepers konnte sich in der Feldmark Geismar-Süd mit (mindestens) einer ausgeflogenen Erstbrut reproduzieren. Ansonsten liegen aus dem Landkreis Göttingen nur drei Brutnachweise aus der Feldmark Sattenhausen und der Leineniederung bei Bovenden vor. Östl. Gieboldehausen gab es starken Brutverdacht von bis zu drei Paaren, in der Feldmark Wollbrandshausen war zumindest ein Revier besetzt.

Vom Brachpieper wurden für den Zeitraum vom 1. bis 13. Mai (nur) drei Beobachtungen rastender Einzelvögel übermittelt, zwei aus den Feldmarken Sattenhausen und Landolfshausen sowie eine beim Birdrace (Team „Gänsewiesel“) an den ehem. Tongruben Siekgraben.

Von dem in Nordwesteuropa vorkommenden Taxon aus dem Schafstelzenkomplex, der Gelbkopf-Schafstelze, liegen zwei Beobachtungen vor, eine vom 16. April an der Geschiebesperre Hollenstedt und eine vom 7. Mai aus dem Leinepolder Salzderhelden.

Schafstelze
Abb. 19: Gelbkopf-Schafstelze im Leinepolder Foto: T. Matthies.

Am 29. Mai wurde ein Beobachter am Göttinger Kiessee durch einen Karmingimpel aufgeschreckt, der für kurze Zeit im Weidendickicht am Südufer sang. Nach Anerkennung durch die AKNB wäre dies der erste dokumentierte Nachweis für das Göttinger Stadtgebiet.

Am 1. Mai schmückten drei Ortolane die Feldmark Landolfshausen.

Mit dieser attraktiven Ammernart schließt der Bericht. Er stützt sich im wesentlichen auf Meldungen in der regionalen Newsgroup avigoe.de und der bundesweiten Datenbank ornitho.de. Seit der Inbetriebnahme im Oktober 2011 ist der Nutzerkreis von ornitho aus Stadt und Landkreis Göttingen auf mehr als 60 Beobachter/innen angewachsen, die bisher mehr als 21.000 Datensätze beisteuern konnten. Stellvertretend für alle geht ein Dank an die Melder: P.H. Barthel, B. Bierwisch, S. Böhner, G. Brunken, J. Bryant, T. Chrost, L. Demant, M. Deutsch, H. Dörrie, K. Dornfeldt, K. Dornieden, M. Drüner, J. Dyczkowski, M. Fichtler, J. Fleischfresser, M. Geb, K. Gimpel, M. Göpfert, E. Gottschalk, C. Grüneberg, W. Haase, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, S. Hohnwald, S. Holler, K. Jünemann, H.-A. Kerl, J. Kirchner, G. Köhler, V. Lipka, T. Matthies, T. Meineke, M. Otten, S. Paul, B. Preuschhof, D. Radde, H. Schmidt, A. Schröter, M. Schuck, M. Siebner, S. Stadtmann, F. Steinmeyer, K. Stey, A. Stumpner und D. Wucherpfennig.

Hans-Heinrich Dörrie