Eine Zwergdommel, die sich am 7.8. im Schilfgürtel des Seeburger Sees nur für wenige Sekunden zeigte, trug zur leichten Zunahme der regionalen Nachweise bei. 2007 und 2005 ließ sich diese in ganz Deutschland hochgradig gefährdete kleine Reiherart ebenfalls dort blicken. Die Beobachtungen fielen jedoch allesamt in den Hochsommer oder das Ende der Brutzeit und betrafen unverpaarte Einzelvögel.
Die grotesk anmutende „Zutraulichkeit“ einiger junger Schwarzstörche ist in unserer Region mehrfach dokumentiert worden. Besonders krass führte sich ein Jungstorch auf, der sich 2004 bei Volpriehausen mit Schnecken fütterten ließ und sogar bis zur Rezeption im Inneren einer Hotelanlage vordrang. Damit verglichen zeigte der Vogel, der am 6.9. in Lödingsen auf Hausdächern stand und die Straße nach Adelebsen entlangstolzierte, ein fast normales Verhalten. Zu seinem Glück wurde er weder angefahren noch von übermotivierten Vogelschützern in Gewahrsam genommen und in einen Storchenhof bei Magdeburg verbracht, wie es 2004 leider der Fall war.
Graugänse erreichten am 29.8. mit ca. 1600 Ind. an der Geschiebesperre Hollenstedt ein neues Maximum. Ein mit gelben Halsmanschetten (N90, N92) versehenes Altvogelpaar, das Ende Juni 2008 auf Rügen markiert worden war und sich seit Ende Oktober in der Feldmark Reinshof zusammen mit ca. 350 Kollegen durchfrisst, belegt einen Zuzug aus dem Nordosten Deutschlands.
Göttingens erste Nonnengans traf am 11.7. zusammen mit Graugänsen am Kiessee ein und hielt sich dort, immer zahmer werdend, einsam bis Anfang September auf. Später schloss sie sich wieder Graugänsen an und tauchte am Wendebachstau bei Reinhausen und in der Feldmark Reinshof auf. Seit dem 24.11. kann sie sich der Gesellschaft zweier Artgenossen erfreuen.
Einzelne Trauerenten ließen am 16.11. an den Northeimer Kiesteichen und am 24.11. am Göttinger Kiessee die hellen Backen leuchten. Der Kiessee-Vogel war der erste dort seit mehr als 25 Jahren.
Ziehende Wespenbussarde wurden vom 14.8. bis 3.9. am Diemardener Berg südlich von Göttingen mit insgesamt 26 Ind. in leicht überdurchschnittlicher Zahl notiert.
Im EU-Vogelschutzgebiet „Unteres Eichsfeld“ gelangte eine weitere Mischbrut von Rot- und Schwarzmilan ins Blickfeld, und zwar an der Retlake nahe dem Seeanger. Auch diese Brut verlief mit einem Jungvogel erfolgreich. Der Sprössling sah phänotypisch eher wie ein Rotmilan aus, rief aber wie ein Schwarzmilan. 61 am 8.10. über die Göttinger Nordoststadt ziehende Rotmilane signalisierten ein in den vergangenen fünf Jahren nicht erreichtes Maximum.
Seeadler scheinen (auch) in Süd-Niedersachsen zu alljährlichen Gästen zu werden, was angesichts der rasanten Zunahme des deutschen Brutbestands nicht weiter verwunderlich ist. Die Verweildauer eines diesjährigen Vogels am 14.10. am Seeburger See war jedoch nur kurz.
Sieben Fischadler, davon fünf stationäre Ind., zeigten am 12.9. für den Seeburger See ein Maximum an.
Sonderbar gestaltete sich am 26.8. der Anblick eines toten diesjährigen Rebhuhns auf dem Gleis 8 des Göttinger Bahnhofs. Es darf vermutet werden, dass der Vogel nicht dort zu Tode gekommen ist, sondern sein bereits in Verwesung übergehender Leichnam von einem Zug mitgeschleift worden war.
Jahreszeitlich ziemlich spät wurde am 28.9. eine Wachtel in der Feldmark Sattenhausen gesehen.
Recht merkwürdig war es im Herbst 2008 um die Kraniche bestellt. Bereits in der dritten Septemberdekade wurde, für unsere Region sehr früh, im Seeanger ein kleiner rastender Trupp festgestellt. Am 24.10. erfolgte mit 3800 Ind. ebendort starker Zug. Später wurden, zumindest nach den bislang vorliegenden Daten, nur geringe Zahlen notiert – der typische zweite Gipfel Anfang November machte sich kaum bemerkbar. Ist ein Großteil der Vögel auf einer weiter nördlich liegenden Route in die Diepholzer Moorniederung geflogen, wo sich bis zu 50.000 Ind. aufhielten? Vielleicht bahnt sich eine Abänderung des Zugwegs an – zum „Nachteil“ Süd-Niedersachsens. Diese hätte jedoch weniger mit der vieldiskutierten Klimaerwärmung zu tun, sondern wäre vor allem mit der Ausweitung des Maisanbaus und der Einrichtung von opulenten Ablenkungsfütterungen zu erklären.
Waren die am 26.6. im Seeanger beobachteten vier Säbelschnäbler bereits auf dem Wegzug oder hat es sich bei ihnen um vagabundierende Nichtbrüter bzw. erfolglose Brutvögel gehandelt?
Klarer zu deuten ist das Auftreten zweier adulter Mornellregenpfeifer, die vom 19. bis 20.8. zum arttypischen Wegzuggipfel auf dem Diemardener Berg rasteten.
Ein am 16.9. über den Seeburger See fliegender Kiebitzregenpfeifer war nicht nur eine lokale Besonderheit, sondern der einzige im süd-niedersächsischen Vogeljahr 2008.
Er hatte weniger Probleme als eine Waldschnepfe, die am 31.10. frühmorgens auf dem Bürgersteig der Jüdenstraße in der Göttinger Innenstadt saß, vermutlich nach einem Scheibenanflug. Nach einer kurzen Rekonvaleszenzphase flog der Vogel nach Norden ab – hoffentlich nicht gegen die nächste Glasfront oder, außerhalb der Stadt, vor die Flinten lodengrüner Feinschmecker, die ihre absonderliche Vorliebe für den gebratenen kotgefüllten Enddarm einer Waldschnepfe, den sogenannten „Schnepfendreck“, am fernen Rand unserer Zivilisation ausleben.
Im Vergleich mit der norddeutschen Wattenmeerküste sicherlich eine Petitesse, aber aus regionaler Sicht geradezu spektakulär gestaltete sich das Auftreten des Großen Brachvogels: Am Seeanger bezogen im September/Oktober bis zu 48 Ind. einen Schlafplatz, später bröckelte ihre Zahl merklich auf aktuell noch zwei Vögel.
Ab Mitte November wurde an der Geschiebesperre Hollenstedt ein Flussuferläufer gesehen: Ist es derselbe robuste Wintercamper, der bei uns seinen dritten oder vierten Abenteuerurlaub in Folge angetreten hat? Nach dem vom Sturmtief „Irmela“ ab dem 22.11. herbeigeführten Wintereinbruch kann man ihm nur alles Gute wünschen.
Ein diesjähriger Steinwälzer, der es sich am 6.9. auf dem Badesteg des Seeburger Sees gemütlich machte, repräsentiert den zweiten oder, wenn man ein undatiertes Stopfpräparat aus der im Infozentrum ausgestellten Vogelsammlung Ripping einbezieht, dritten Lokalnachweis für das nährstofftrübe Auge des Eichsfelds.
Die beiden adulten Odinshühnchen, die am 25. und 26.7. ebendort kreiselten und hektisch umherflogen, waren für das Gebiet die ersten seit 1980.
Der Seeburger See beherbergte Anfang bis Mitte September auch bis zu zwei diesjährige Schwarzkopfmöwen. Zwei der in den vergangenen Jahren vermehrt auftretenden Raubseeschwalben rasteten am 8.7. im Seeanger offenbar nur für kurze Zeit, desgleichen eine Küstenseeschwalbe am 27.7. am nahen Seeburger See.
An der Langen Bahn im Bramwald, im Bodenhausener Forst und auf dem Plateau des Reinhäuser Walds ließen sich von Anfang September bis Anfang Oktober insgesamt vier singende Sperlingskäuze vernehmen, ab und an auch sehen. Es hat den Anschein, dass dieser hochcharismatische Kobold von den Offenflächen profitiert, mit denen die Orkane „Emma“ und „Kyrill“ die monotonen Fichtenbestände aufgelichtet haben.
Mauersegler fütterten in der Düsteren Straße noch bis Mitte August, die allermeisten verließen jedoch ihre Brutplätze zugplangemäß ab Mitte Juli.
Zwischen dem 30.8. und 5.9. wurden am südlichen Göttinger Stadtrand fünf Brachpieper notiert.
Spät dran war eine Rauchschwalbe am 27.10. im Leinepolder Salzderhelden.
Von der auf dem Wegzug traditionell spärlicher auftretenden Ringdrossel wurden immerhin neun Ind. beobachtet, darunter allein sechs Ind. vom 3. bis 4.10. am Rand des Göttinger Walds bei Herberhausen. 21 am 8.10. über den Kiessee ziehende Misteldrosseln zeigten für diese Art fast schon Massenzug an.
Bemerkenswert früh und nur einen Tag später als beim Masseneinflug 2004/05 gelangten am 7.11. neun Seidenschwänze in die Region, nach Eddigehausen.
Am 24.10. machten am Seeanger fünf Bartmeisen durch ihre charakteristischen Rufe auf sich aufmerksam. Im Unterschied zu ihnen waren zwei Beutelmeisen am 19.11. an den Northeimer Kiesteichen ziemlich spät unterwegs.
Ob der bereits in der Übersicht zur Brutzeit 2008 vermeldete phänomenale Bruterfolg einiger Sperlingsvögel, die sich einer Massenvermehrung der Blattlaus erfreuen durften, auch eine Ursache der ab Ende August bis Mitte Oktober über ganz Mittel- und Westeuropa flutenden Invasion von Tannenmeisen gewesen ist, muss offenbleiben. Die Mehrzahl der Vögel stammte nämlich, durch Ringfunde belegt, aus dem Nordosten Europas, wo andere ökologische Faktoren gewirkt haben könnten. Wie bei dieser und anderen Arten üblich, machte sich der Einflug im waldreichen süd-niedersächsischen Bergland nur abgeschwächt bemerkbar. Vormittagssummen von bis zu 65 der winzigen Wandervögel allein am Südufer des Göttinger Kiessees waren dennoch recht beeindruckend. Auch Kohl- und Blaumeisen zogen in überdurchschnittlichen Zahlen durch.
Kernbeißer traten vor allem Anfang Oktober mit bis zu 60 Ind. pro Vormittag am Kiessee in Erscheinung. Auch im engeren Göttinger Siedlungsbereich waren sie deutlicher häufiger als sonst, aber zumeist nur akustisch wahrnehmbar.
Dagegen verlief der Buchfinken-Zug mit maximal 1150 aktiv ziehenden Vögeln am 3.10. nahe Herberhausen im üblichen Rahmen.
Am Diemardener Berg zeigten einzelne Ortolane am 27. und 30.8. ein zahlenmäßig schwaches Auftreten an, das aber im Kontext der geringeren Erfassungsfrequenz betrachtet werden muss.
H. H. Dörrie und S. Paul
Nach Daten von R. Aramayo, U. Bade, G. Brunken, M. Corsmann, H. Dörrie, M. Hesse, H.-A. Kerl, S. Paul, D. Radde, M. Schuck, M. Siebner, G. Spließ, A. Stumpner, E. Tauer, N. Vagt, H.-W. Wolf, denen allen herzlich gedankt sei.