Heimzug und Brutzeit 2020 – kein Stubenarrest für freie Vögel

„Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“. Dieses legendäre Diktum des französischen Großdenkers Blaise Pascal (1623-1662) erfuhr durch einen aggressiven Winzling ungeahnte Aktualität und Wirkmächtigkeit. Als Folge der Corona-Pandemie erstarrte ab dem 21. März das öffentliche Leben in Deutschland. Eine strikte Ausgangssperre wie in Italien, Frankreich oder Spanien gab es aber nicht, dagegen Appelle der Bundesregierung, den Aufenthalt außerhalb der Wohnung auf ein Minimum zu reduzieren. Waren die Vogelfreunde folgsam und sind zu Hause geblieben? Eher nicht. In unserer Beobachtungsplattform ornitho.de gingen die bundesweiten Meldungen für März, April und Mai mit jeweils mehr als einer Million durch die Decke. Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) hatte eilfertig dazu aufgerufen, daheim zu bleiben und so genannte „Corona-Gartenlisten“ aus dem Fenster zu erstellen (#StayHomeAndWatchOut). Mit 476 Teilnehmern (von mehr als 20.000 Aktiven) fand die Aktion nur mäßigen Zuspruch. Dagegen waren Vogelbücher gefragt wie nie. Im Internet wurden für vergriffene Gebiets-Vogelführer Apothekenpreise verlangt und Naturschutzverbände mit Anfragen bombardiert, wo man die neuen Freunde am besten beobachten könne. Fazit: Pascal war weit weniger gefragt als Rousseau. Über die indirekten Auswirkungen von Covid-19 auf Vogelpopulationen wird man hoffentlich bald mehr erfahren. Besonders an den menschenleer gehaltenen Küsten könnten sich positive Effekte ergeben haben, die nach der Lockerung vom trostlosen Normalniveau anthropogener Störungen vermutlich großteils zunichte gemacht wurden. In Stadt und Landkreis Göttingen hatte die um sich greifende Naturbegeisterung auch negative Folgen: Der Göttinger Wald ist jetzt noch dichter von illegalen Rennstrecken für Mountainbiker durchzogen. Am Naturschutzgebiet Seeanger bei Seeburg mussten Vogelfotografen mit einer Absperrung davon abgehalten werden, ihren Objekten allzu nahe zu kommen und sie beim Brüten und Füttern zu stören. Dieses Fehlverhalten war in dem viel besuchten Gebiet aber schon vor der Pandemie virulent.

Das Frühjahr 2020 erwies sich als sehr trocken. Während zum Beginn die Vegetation noch von den starken Niederschlägen im Februar profitieren konnte, war Regen in den Folgemonaten Mangelware. Im Juni entspannte sich mit ca. 125 l/m² die Situation etwas, am 14. wurde mit knapp 65 l/m² das Tagesmaximum erreicht. Derzeit sieht es nicht nach einer neuerlichen Dürre aus.

Über phänologische Besonderheiten des Heimzugs gibt es nur wenig zu berichten. Ein Kiebitzregenpfeifer war am 3. April im Leinepolder aus regionaler Sicht singulär früh zugegen.

Ein Mauersegler, der am 2. April, also außergewöhnlich früh, in der Göttinger Nordstadt tot gefunden wurde, eröffnete den Heimzug unter traurigen Umständen. In den Wochen danach stellte sich heraus, dass unser Göttinger Charaktervogel offenbar mit noch mehr Problemen zu kämpfen hat – zumindest in der Innenstadt und Teilen des Kerngebiets waren viele Brutplätze verwaist. Genaueres wird sicher im Bericht der beim BUND angesiedelten Arbeitsgruppe zu den Gebäudebrütern mitgeteilt.

Wie im Vorjahr trafen einige Gartenrotschwänze verspätet an ihren Brutplätzen ein, z.T. erst in der zweiten Maidekade.

Eine Dorngrasmücke war in der Feldmark Gö.-Geismar bereits am 8. April aktiv, drei Tage später als ein Artgenosse im Vorjahr ebenda.

Bei der Nachtigall (8. April am Northeimer Freizeitsee) verfestigt sich der Trend zur früheren Heimkehr.

Abb. 1: Nachtigall an der Kiesgrube Reinshof. Foto: A. Stumpner

Dagegen erfolgte die Erstbeobachtung eines Kuckucks (17. April auf dem Kerstlingeröder Feld) an einem durchschnittlichen Zeitpunkt.

Doch jetzt (endlich) zur systematischen Auflistung einiger Vogelarten, die von März bis Juni in unserer Region gesehen wurden. Es gibt einiges zu berichten…

Am 3. Mai stattete eine weibliche Schwarzkopf-Ruderente dem Seeburger See einen Kurzbesuch ab. Damit liegt für den Landkreis Göttingen der erste Nachweis dieser ursprünglich nordamerikanischen Entenart vor. Ihre westeuropäischen Populationen, die Aussetzungen oder Gefangenschaftsflüchtlingen entstammten, wurden dezimiert, um einer potentiellen Hybridisierung mit der gefährdeten Weißkopf-Ruderente vorzubeugen. Entsprechend stark sind die Beobachtungen zurückgegangen. Der regionale Erstnachweis gelang am 19. März 1998 mit zwei weibchenfarbenen Vögeln im Leinepolder Salzderhelden (DSK 2002).

In der Nordwestecke des Leinepolders schritten drei Paare des Höckerschwans zur Brut. Ob zumindest mit Schlupferfolg, muss offen bleiben. An den Northeimer Kiesteichen konnte sich ein Paar mit zwei Jungvögeln reproduzieren. An einem Kleingewässer in der Rhumeaue bei Elvershausen saß am 2. Mai ein Altvogel auf dem Nest. Von fünf Jungvögeln des heillosen Paars am Göttinger Levin-Park (das zwischenzeitlich wohl wieder auf Abwege geraten war) waren im Juni nur noch zwei übrig. Am Rückhaltebecken Gö.-Grone sah es mit sechs Kleinen (darunter zwei weiße immutabilis) besser aus.
Am Seeanger brüteten gleich zwei Paare. Das eine verlor seinen einzigen Nachkömmling, während das andere immerhin drei von vier Kleinen hochbringen konnte. Das Paar am Wendebachstau bei Reinhausen musste sich mit einem Jungvogel begnügen. Am 30. Mai geriet an der Werra am Letzten Heller bei Hann. Münden ein Paar mit sechs Kleinen in den Blick. Eine Brut im Lutteranger scheiterte offensichtlich, während eine am Seeburger See anfangs mit zwei Jungen erfolgreich verlief. Später waren diese nicht mehr aufzufinden. Gescheiterte Bruten sind an diesem Gewässer die Regel. Das traditionelle Paar am Böllestau bei Hollenstedt war ebenfalls erfolglos.
Am Göttinger Kiessee gab es Hinweise auf eine Brut. Später war der Brutplatz auf der Insel wieder verwaist, nun schon das zweite Jahr in Folge.
Auch eine Brut an der Kiesgrube Ballertasche wurde aufgegeben.

Abb. 2: Höckerschwanpaar am Kiessee: Wieder ohne Nachwuchs. Foto: S. Hillmer

Eine Ringelgans der Nominatform („Dunkelbäuchige Ringelgans“) weilte vom 23. bis 28. März im Leinepolder Salzderhelden. Am 14. April tauchte an der Kiesgrube Reinshof ein Ind. der Unterart hrota („Hellbäuchige Ringelgans“) in Gesellschaft von Nilgänsen auf (die sich erheblich wachsamer verhielten als ihr Kumpan). Das seltene Vorkommen dieser u.a. auf Spitzbergen brütenden Unterart ist in Deutschland auf die Küsten und küstennahen Bereiche beschränkt. Obwohl der Vogel unberingt war und keine auffälligen Gefiederschäden aufwies, wurde er als Gefangenschaftsflüchtling eingestuft. Damit liegt der zweite regionale Nachweis dieser Unterart vor. Der erste betraf einen Artgenossen, der sich vom 16. April bis zum 7. Juli 1974 an den Northeimer Kiesteichen aufhielt (Schmidt 1979). Auch dieser Vogel war wenig scheu und wurde als Gefangenschaftsflüchtling klassifiziert.

Abb. 3: Hellbäuchige Ringelgans zusammen mit mehreren Nilgänsen. Foto: M. Siebner

Kanadagänse waren im Berichtszeitraum durchgehend präsent. Ihr Maximum erreichten sie mit 14 Ind. am 29. Mai am Seeburger See. Am Göttinger Kiessee machten sie sich vor allem im April mit bis zu fünf Ind. bemerkbar. Auf der Insel könnte es zu einem Brutversuch gekommen sein. Vielleicht dürfen wir demnächst einen neuen Göttinger Stadtbrutvogel begrüßen…

Mit Jauchzen und Frohlocken wurde die possierliche Zwergkanadagans „Candy“ in Empfang genommen, die am 6. April nach dreimonatiger Abwesenheit an der Kiesgrube Reinshof auftauchte. Ab dem 13. hatte sie wieder ihren Kernlebensraum, den Göttinger Kiessee, bezogen. Die Revierbesetzung drückte sich auch im Blockieren des Verkehrs am Sandweg aus. Bedauerlicherweise zeigte die Miniaturgans in der Folgezeit ein Verhalten, das zwar ethologisch erklärbar ist, aber so gar nicht zu ihrem freundlichen Wesen passen wollte: Vom gelben Neid auf das Mutterglück weiblicher Stockenten getrieben, hetzte sie Weibchen und Küken und versuchte diese zu beißen. Das ging so weit, dass sie entlang der Leine bis in die Göttinger Weststadt patrouillierte, immer auf der Suche nach Opfern. Eine empörte Entenfreundin konnte gerade noch davon abgehalten werden, sie mit Steinwürfen zu vertreiben. Immerhin: Bevor sie sich um den letzten Kredit gebracht hatte, graste sie wieder friedlich an ihrem Lieblingsplatz. Nach dem 3. Juni wurde „Candy“ nicht mehr gesehen. Bleibt nur zu hoffen, dass die kleine Diva irgendwo in Ruhe mausert und irgendwann wieder die Bühne betritt…

Im März und Mai traten die üblichen Weißwangengänse in Erscheinung, zumeist einzeln oder zu zweit. Ein kleiner Trupp von fünf Ind. am 23. Mai im Seeanger war die Ausnahme.

Die aus dem Vorbericht bekannte Kurzschnabelgans hatte sich nach dem 17. März aus dem Seeanger verabschiedet.

Bruten der Graugans mit Schlupferfolg gab es im bzw. am Leinepolder (2), an der Geschiebesperre (3), am Böllestau bei Hollenstedt (1), am Northeimer Freizeitsee (1), in der Rhumeaue bei Katlenburg/Lindau (2), an den Thiershäuser Teichen (1), in Bodensee (1), am Seeburger See (3), im Seeanger (3), in der Schwülmeaue bei Adelebsen (1, wohl Neuansiedlung), im Göttinger Levin-Park (3), an den Tongruben Ascherberg (1), am Göttinger Kiessee (8), auf dem Asklepios-Gelände in Tiefenbrunn (mind. 1), an der Kiesgrube Reinshof (1) und am Wendebachstau bei Reinhausen (5).Ein Kuriosum verdient besondere Beachtung: Die coronabedingte Schließung des Alten Botanischen Gartens in der Göttinger Innenstadt machten sich gleich zwei Grauganspaare zunutze. Sie konnten unbehelligt am kleinen Teich brüten. Die sieben Küken des einen Paars wurden nach kurzer Zeit vermutlich von einer Waschbärenfamilie verspeist, das andere blieb ohne Schlupferfolg.

Abb. 4: Seltenes Fotodokument, vom Stadtwall aufgenommen: Graugansfamilie im abgesperrten Alten Botanischen Garten. Ob es im kommenden Jahr dort wieder zu Bruten kommt? Besser nicht… Foto: S. Böhner

Mit ca. 38 erfolgreichen Paaren gegenüber 54 im Vorjahr musste erneut ein Rückgang der regionalen Brutpopulation registriert werden. Besonders augenfällig ist er in der Leineniederung nördl. Northeim mit insgesamt nur noch sieben erfolgreichen Paaren. Bemerkenswert ist auch der Totalausfall an der Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden, wo im Vorjahr noch neun Paare gebrütet hatten. Am Denkershäuser Teich saß ein Brutvogel auf dem Nest. Der Ausgang dieser Brut muss offen bleiben.
Am 3. Mai machte sich in der Feldmark Reinshof eine alte Bekannte bemerkbar, die am 17. Juni 2014 auf der ungarischen Seite des Neusiedler Sees mit einem Halsring (H 588) markiert worden war. In der Region wurde sie zuletzt am 3. September 2015 abgelesen.

Die drei dicken Hausgänse der Zuchtform „Pommerngans“ erfreuten sich von März bis Juni an der Geschiebesperre bester Gesundheit.

Die im Vorbericht erwähnte Brut der Nilgans vom 29. Februar am Göttinger Kiessee scheiterte. Alle sechs Jungvögel fielen Prädatoren zum Opfer. Anfang Juni gab es eine weitere Brut mit zunächst zwei Kleinen, von denen bis dato eins überlebt. Am Böllestau bei Hollenstedt wurden vier Jungvögel flügge. An der Geschiebesperre hatten zwei Paare mit jeweils vier Kleinen Schlupf- bzw. Ausfliegeerfolg. An einem Kleingewässer bei Eberhausen konnte sich ein Paar mit sechs Jungen reproduzieren. An der Kiesgrube Angerstein wurde ein Paar von einem Jungvogel begleitet. In der Soolbachaue bei Fuhrbach gelangte erstmals eine Brut (vier Kleine) zur Beobachtung. Das traditionelle Paar am kleinen Dorfteich in Bodensee brachte sechs Kleine hoch. Am Seeanger waren es sechs. Im Göttinger Levin-Park erreichten sieben Sprösslinge ein flugfähiges Alter. Den Schlusspunkt setzte bis dato ein Paar am Wendebachstau bei Reinhausen, wo neun Küken schlüpften.
Obwohl es sicher Erfassungslücken im ländlichen Raum gibt, zeigen zwölf Bruten (darunter eine gescheiterte) alles andere als eine Bestandsexplosion an. Über die Jahre ist der Brutbestand auf vergleichsweise niedrigem Niveau stabil. Bei der Graugans scheint sich sogar ein negativer Trend abzuzeichnen. In der Tagespresse werden immer wieder Verlautbarungen von Agraringenieuren und den mit ihnen verbündeten „grünen Abiturienten“ (mit Bestnoten im Pflichtfach Jägerlatein) von einer „Gänse-Massenvermehrung“ kolportiert. Die Realität sieht anders aus.

Brandgänse waren bis auf den April durchgehend anwesend. Der größte Trupp umfasste am 27. Juni zehn kurz auf dem Göttinger Kiessee rastende Vögel.

Ein ähnliches Muster des Auftretens zeigte die Rostgans. Bei ihr lag die maximale Truppgröße bei drei Ind.

Bei den Entenvögeln gab es keine phänologischen Besonderheiten; die Heimzugzahlen bewegten sich durchweg im herkömmlichen Rahmen. Ob der gestiegene Wasserstand im Leinepolder nach den starken Regenfällen Mitte Juni zur Aufgabe von Bruten geführt hat kann nur vermutet werden.

Männliche Mandarinenten gerieten am 3. und 4. März am Obertorteich in Duderstadt, am 4. April am Göttinger Kiessee und an der Kiesgrube Reinshof (wohl identisch) sowie am 4. Juni auf dem für Menschen gesperrten großen Steg am Seeburger See in den Blick.

Abb. 5: Mandarinerpel auf dem Göttinger Kiessee Foto: M. Siebner

Im Leinepolder und im Seeanger zeigten Schnatterenten bei abendlichen Verfolgungsflügen brutverdächtiges Verhalten an, Weibchen mit Jungen konnten aber bis zum Ende des Berichtszeitraums nirgendwo ausgemacht werden.

Ähnliches gilt für die Knäkente. Allerdings sind Junge führende Weibchen dieser Art noch schwerer zu entdecken, weil sie praktisch unsichtbar in vegetationsreichen Gräben brüten kann. Deshalb musste man sich mit den verdächtigen Verfolgungsflügen und in einem Fall (im Leinepolder) mit dem „mate guarding“, d.h. einem wachsamen Männchen, das seine Partnerin nie aus dem Blick ließ, begnügen.

Am 13. März schwamm eine männliche Kolbenente auf den Northeimer Kiesteichen. Gleichen Geschlechts waren drei Vögel im Übergangskleid am 23. Juni auf dem Göttinger Kiessee.
Die anhängliche männliche Moorente hielt sich bis zum 16. März am Göttinger Kiessee auf.

Das von 2012 bis 2014 an der Leine in Göttingen präsente Gänsesäger-Weibchen wurde wegen seines verkrüppelten linken Flügels „Wilma“ getauft – in etwas ungalanter Anlehnung an den letzten deutschen Kaiser, der eine ähnliche Behinderung aufwies. Da es in diesem Flussabschnitt keine nennenswerten Barrieren gibt, konnte sie 2014 ungehindert die Geschiebesperre Hollenstedt erreichen. Dort wurde sie im späten Frühjahr 2020 wieder ausgemacht. Wurde sie zwischenzeitlich übersehen? Hat sie sich in all den Jahren an der nahen Rhume aufgehalten? Wie auch immer: Für einen invaliden Vogel ist ihr Alter bemerkenswert.

Abb. 6: „Wilma“ an der Geschiebesperre Hollenstedt. Foto: B. Riedel

Am 7. Mai spielte am Seeburger See ein Quartett des Mittelsägers auf (drei M., ein W.) Ein Paar, das sich am 21. Mai an den Angelteichen Höckelheim, auch „Wunderteiche“ genannt, eingefunden hatte, wurde schnell von missgünstigen Haubentauchern vertrieben. Ohne Partner war ein Weibchen am 26. Juni an der Geschiebesperre.

In der Rhumeaue, bei Vogelbeck und im Seeanger wurden Fasane („Jagdpapageien“) gesehen, zumeist Einzelvögel. Drei Ind. bei Vogelbeck waren die Ausnahme.

Die alljährliche Zählung von Rebhühnern mittels Klangattrappen im östlichen Landkreis Göttingen durch die Abteilung Naturschutzbiologie der Uni erbrachte 159 Ind. Damit liegt ein weiterer Rückgang vor. Allerdings waren es, ein schwacher Trost, nur 18 Vögel weniger als beim Beginn der Erfassung 2006. Im optimierten Referenzgebiet Geismar/Diemarden wurden 26 Hähne gezählt, doppelt so viele wie im Vorjahr.

Rothalstaucher waren ausschließlich dem Göttinger Kiessee vorbehalten. Einem Vogel am 28. März folgten zwei Artgenossen am 19. April.

Zwei schlicht gewandete Sterntaucher fühlten sich am Seeburger See denkbar wohl, denn sie blieben vom 25. April bis zum 6. Mai. Möglicherweise konnten sie von den coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens profitieren, die sich u.a. im geringeren Bootsverkehr manifestierten.

Die komplette Überwinterung des vorjährigen Eistauchers am Northeimer Freizeitsee war nach dem 13. März beendet.

Ein adulter Löffler schmückte am 24. Juni den Leinepolder Salzderhelden.

Der einzige Nachweis der Rohrdommel im Berichtszeitraum betrifft einen in der Nacht am 15. März über Gö.-Nikolausberg rufenden Vogel.

Vom 9. bis zum 12. Juni trat eine männliche Zwergdommel an den Northeimer „Wunderteichen“ nordöstlichen von Höckelheim in Erscheinung. Das Datum lässt einen späten Heimzügler vermuten. Nichtsdestotrotz stellen die Angelteiche mit wachsendem Schilfbestand ein geeignetes Habitat für die Art dar, was auch die Verweildauer von immerhin vier Tagen verdeutlicht.

Abb. 7: Zwergdommel-Männchen. Foto: L. Söffker

Ein rufender Nachtreiher konnte nach dem allabendlichen Schlafplatzeinflug der Stare von einigen Beobachtern auf der Insel des Kiessees vernommen werden. Gegen 23 Uhr zog der Vogel Richtung Osten ab. Um zwei Uhr wurde ein Ruf auf einem Aufnahmegerät bei Gö.-Nikolausberg archiviert. Was der Vogel (wenn es denn derselbe war) in der Zwischenzeit gemacht hat wird wohl nur sein Geheimnis bleiben.

Sommerbeobachtungen des Silberreihers gelangen am Seeanger, Luttteranger und im Leinepolder Salzerhelden. Im letztgenannten Gebiet inklusive der überschwemmten Leineaue nördlich bis Olxheim konnte am 7. März die auf dem Heimzug maximale Summe von 209 Ind. erfasst werden.

In der bekannten Graureiher-Kolonie in Hybrid-Pappeln am Göttinger Kiessee wurden mindestens zwölf Nester beflogen. Am Sultmerberg bei Northeim wuchs die Kolonie auf 19 Nester an. Am Seeanger entstand eine kleine Kolonie, während am Seeburger See ein Nest bezogen wurde. Erfolgreiche Bruten gab es in beiden Fällen nicht.

Ein vorjähriger Purpurreiher besuchte am 23. Mai den neuen Hotspot für seltene Reiher an den „Wunderteichen“ nordöstlich Höckelheim.

Vom Weißstorch gab es im Landkreis Göttingen gleich vier neue Brutansiedlungen: in Esplingerode, in Rollshausen, in Bilshausen und in Bodensee (Spätbrut). Bemerkenswert ist bei erstgenanntem Ort der Neststandort auf einem Baum, hier gab es offenbar im letzten Jahr schon Bauversuche auf einer gekappten Linde. Ebenfalls als Niststandort gegenüber den vielen Nisthilfen bevorzugt wurde eine Pappel im Seeanger. Das Paar stammt aus dem Ortskern von Seeburg, wo seine Nisthilfe offenbar recht dilettantisch „saniert“ wurde. Die letzte Baumbrut in der Region fand 1989 auf einer Fichte bei Bernshausen statt. Die erfolgreiche Brut wurde maßgeblich durch das Zufüttern von Labormäusen, die in einer Badewanne angeboten wurden, begünstigt.

Es liegen sechs Junibeobachtungen von Fischadlern vor, welche sich auf die Feuchtgebiete rund um Seeburg verteilten sowie eine Beobachtung am 24. Juni an der Geschiebesperre Hollenstedt. Insgesamt waren es zwischen März und Ende Juni 50 Beobachtungen inklusive Doppelmeldungen.

Bemerkenswerte 21 Beobachtungen von Kornweihen gelangen auf dem Heimzug, davon fünf Männchen. Sie ergänzen die 18 Winternachweise aus dem Vorbericht. Das Auftreten der Vögel war recht heterogen über das behandelte Gebiet verteilt.

Ein leicht vermehrtes Auftreten ist auch von der Wiesenweihe zu vermerken. Es gelangen insgesamt sechs Nachweise von Einzelvögeln. Den Auftakt machte je eine Wiesenweihe am 22. April an den Northeimer Kiesteichen (Weibchen) und bei Ossenberg-Fehrenbusch (Männchen). Ein weiterer Vogel zog am 7. Mai nahe Duderstadt vorbei, sowie ein Weibchen am 14. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt. Gleich zweimal wurden vermutlich unterschiedliche, nicht ausgefärbte Männchen in der Nähe von Adelebsen am 14. und 30. Mai beobachtet.

Seeadler waren in dem Berichtszeitraum ausgesprochen zahlreich vertreten. Zwischen dem 15. März und 3. April waren maximal drei dieser imposanten Vögel gleichzeitig im Leinepolder Salzderhelden anwesend. Am 3. und 6. Mai konnte erneut ein Altvogel an der Geschiebesperre beobachtet werden.

Zwischen dem 1. März und dem 15. April konnten insgesamt sechs Merline festgestellt werden. Das Auftreten beschränkte sich auf den Leinegraben zwischen Göttingen und Einbeck.

Der Nachweis eines Rotfußfalken am 23. Mai am Seeanger blieb singulär. Das Weibchen zog zielstrebig Richtung Südost.

Beim alljährlichen Ausschwärmen der Junikäfer an der Drachenwiese am südlichen Göttinger Stadtrand gelangen Beobachtungen von maximal vier Baumfalken. Trotz des üppigen Nahrungsangebots waren die überwiegende Zeit aber deutlich weniger Falken unterwegs.

Abb. 8: Baumfalke. Foto: B. Bartsch

Sichere Bruten des Wanderfalken gab es  im Norden Göttingens mit zwei Jungvögeln, in und in der Umgebung von Hann-Münden mit zwei und einem Jungvogel, sowie mit drei Jungvögeln in Duderstadt. Im Rheinhäuser Wald war ebenfalls eine Brut recht wahrscheinlich.

Sommerbeobachtungen von Kranichen gelangen, mit Unterbrechungen, von einem vorjährigen Vogel am Seeanger und, wie alljährlich, im Leinepolder Salzderhelden.

Ein vermehrtes Auftreten vom Wachtelkönig in der Schweiz und auch lokal in Deutschland griff offenbar nicht auf Süd-Niedersachsen über. Nachweise gab es lediglich aus dem Leinepolder Salzderhelden und aus einem Feuchtgebiet südlich von Lödingsen, wo ein Rufer mindestens 38 Tage anwesend war. Er dürfte unverpaart geblieben sein. Zwei durchziehende Vögel, welche vermutlich dieser Art zuzuordnen sind, konnten am 12. und 17. Juni nachts über Gö.-Nikolausberg aufgenommen werden.

Abb. 9: Wasserralle im Seeanger. Foto: V. Hesse

Neben dem bekannten Brutvorkommen im Leinepolder Salzderhelden gelang die Beobachtung eines rastenden Tüpfelsumpfhuhns am Seeanger zwischen dem 26. und 30. April.

Ein Säbelschnäbler konnte vom 29. April bis 1. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt beobachtet werden. Diesem folgten am 2. Juni zwei Ind. ebenda.

Neben dem in der Einleitung erwähnten sehr frühen Kiebitzregenpfeifer liegen zwei weitere Nachweise vor: Am 13. April rastete ein Vogel an der Geschiebesperre Hollenstedt (derselbe?). Am 23. April bereicherten zwei Ind. die Vogelwelt des Seeangers.

Insgesamt zehn Meldungen von Goldregenpfeifern gelangen im März. Maximal waren es 28 Ind. am 7. März in der Feldmark Reinshof.

Vom Kiebitz gibt es Erfreuliches zu berichten. An der Geschiebesperre hatten drei Paare Schlupferfolg mit einem, zwei und drei Jungvögeln, welche vermutlich alle die Flugfähigkeit erreichten. Eine weitere Brut (Nachgelege oder gar Zweit- bzw. Schachtelbrut) wurde durch ein Hochwasser am 14. Juni vereitelt. Im Seeanger hatte ein Brutpaar maximalen Bruterfolg und konnte alle vier Jungvögel bis zur Selbständigkeit bringen. Aus dem dritten Brutgebiet, dem Leinepolder Salzderhelden, liegen für den Bericht keine Angaben zum Bruterfolg vor.

Flussregenpfeifer hatten lediglich an der Geschiebesperre Hollenstedt Schlupferfolg. Am 21. Mai konnten vier frische Jungvögel beobachtet werden. Diese wurden auch noch am 3. Juni bestätigt und von drei kleinen Jungvögeln eines weiteren Paares ergänzt. Spätestens das Hochwasser am 14. Juni (siehe Kiebitz) dürften die Jungvögel des zweiten Paares nicht überlebt haben. Die älteren Jungvögel könnten mit 24 Tagen womöglich gerade so die Flugfähigkeit erreicht haben. Die Beobachtung von vier flüggen Jungvögeln am 26. Juni gibt zumindest Hoffnung, dass es alle Jungvögel der früheren Brut geschafft haben könnten. Des Weiteren wurde ein Gelege am 22. Mai am Großen Freizeitsee gefunden, mit ungewissen Brutverlauf, sowie ein weiteres warnendes Paar ebenda. Ebenfalls warnend verhielt sich ein Paar an den Northeimer Kiesteichen. An der Kiesgrube Reinshof, der ehemaligen Tongrube Siekgraben, der Rosdorfer Tongrube, der Kiesgrube Ballertasche und am Seeanger waren durchweg Flussregenpfeifer präsent, ein konkreter Bruthinweis gelang jedoch nicht.

73 Meldungen vom Sandregenpfeifer im Zeitraum vom 13. März bis 30. Mai betrafen vermutlich 18 Exemplare. Nachweise gelangen vor allem am Seeanger, an der Geschiebesperre Hollenstedt, an der Kiesgrube Reinshof, sowie jeweils einmal am Großen Freizeitsee und im Leinepolder Salzderhelden und zweimal im Luftraum des Göttinger Stadtgebiets.

Einer der seltenen Heimzugnachweise des Mornellregenpfeifers, womöglich der vierte Frühjahrsnachweis für Süd-Niedersachsen, gelang am 3. Mai auf dem Wüsten Berg. Der ursprüngliche 9er Trupp verringerte sich im Laufe des Vormittags auf acht Vögel.  Am Folgetag konnten noch vier Vögel auf der Ackerfläche vorgefunden werden. Viele Beobachter sahen diese prächtige Art zum ersten Mal in voller Montur und nicht im Herbst- oder Jugendkleid.

Abb. 10: Mornellregenpfeifer auf dem Wüsten Berg. Foto: V. Hesse

Vom Regenbrachvogel gelangen zwischen dem 8. April und 6. Mai 59 Beobachtungen (inklusive Doppelmeldungen) mit zum Teil relativ langer Verweildauer am Seeanger und im Leinepolder Salzderhelden. Am letztgenannten Ort waren es maximal vier Vögel.

Die größere Verwandtschaft eröffnete den Heimzug am 13. März mit vier Vögeln an der Geschiebesperre Hollenstedt. Weitere Nachweise des Großen Brachvogels gelangen im Leinepolder Salzderhelden, am Seeanger, sowie erneut an der Geschiebesperre. Drei Ind. ab dem 22. Juni über Gö.-Nikolausberg, im Leinepolder Salzderhelden, sowie im Seeanger dürften schon dem frühen Wegzug zuzurechnen sein.

Von der Uferschnepfe lagen erneut relativ viele Nachweise vor. Im Seeanger konnten zwischen dem 13. März und dem 17. Mai neun verschiedene Vögel beobachtet werden, maximal waren es drei. Wie schon vor zwei Jahren entzückte hier eine Uferschnepfe kurzzeitig mit Flugbalz. Im Leinepolder Salzderhelden waren es sieben (max. vier Ind. gleichzeitig), an der Geschiebesperre ein Exemplar.

Im Kaufunger Wald gab es Hinweise auf zwei Reviere der Waldschnepfe. Der Balzflug wurde außerdem an vier verschiedenen Stellen im Solling, mit mehreren Exemplaren im Rheinhäuser Wald und Northeimer Wald, sowie mit einem Vogel im Langenholtenser Wald wahrgenommen.

Größere Ansammlungen der Zwergschnepfe waren auf dem Heimzug Fehlanzeige. Einige traditionelle Rastplätze sind mittlerweile als Rasthabitat nur noch unzureichend geeignet. Nachweise von Einzelvögeln gelangen dennoch an der Geschiebesperre Hollenstedt, im Seeanger, am Westrand von Göttingen sowie mit maximal zwei Ind. in der Rhumeaue bei Lindau.

Die Maximalzahl der Bekassine auf dem Heimzug fiel mit 19 Ind. am 19. März an der Geschiebesperre Hollenstedt äußerst dürftig aus. Bodenbalz wurde lediglich vom einzigen Brutplatz, dem Leinepolder Salzderhelden, bekannt.

Das Auftreten von Vertretern der Gattung Tringa verlief zum Teil sehr gegenläufig. Als durchschnittlich  sind maximal zehn Dunkle Wasserläufer am 13. April im Seeanger zu nennen, sowie maximal elf Ind. des Waldwasserläufers an mehreren Orten. Besonders bemerkenswert sind hingegen 34 Rotschenkel am 12. März im Leinepolder Salzderhelden, welche zugleich einen neuen Allzeitrekord für Süd-Niedersachsen darstellen. Auch sonst war das Auftreten gut, so waren es im Seeanger am 7. Mai maximal fünf Exemplare. Nachweise gelangen außerdem aus fünf weiteren Gebieten. Ebenfalls als gut ist die Höchstzahl von 36 Grünschenkeln am 24. April im Seeanger zu werten. Im Leinepolder Salzderhelden und an der Geschiebesperre Hollenstedt waren es immerhin jeweils 20 Exemplare. Das Auftreten vom Bruchwasserläufer fiel hingegen recht mager aus. Mit maximal 45 Ind. am 25. April im Leinepolder Salzderhelden fiel der Kontrast zu Normaljahren, in denen in der Regel eine niedrige dreistellige Zahl erreicht wird, deutlich auf. Im Seeanger waren maximal 41 Bruchwasserläufer am 5. Mai eher normal.

Abb. 11: Rotschenkel am Flüthewehr. Foto: M. Siebner

Kampfläufer bevölkerten den Leinepolder lange Zeit in niedriger dreistelliger Zahl. Maximal waren es hier 220 Ind. am 19. März. Im Seeanger lag das Maximum deutlich später am 25. April bei 41 Vögeln.

Ein prächtiger Steinwälzer besuchte die Geschiebesperre Hollenstedt am 16. und 17. Mai. Ein Zwergstrandläufer wurde am 7. Mai am Seeanger beobachtet. Ihm folgte am 11. Mai ein weiteres Exemplar. Ob Beobachtungen am 15. und 16. Mai ebenda selbiges Ind. betreffen muss offen bleiben.

Temminckstrandläufer gerieten in den üblichen Gebieten mit maximal vier Ind. an der Geschiebesperre (4. Mai), drei Ind. im Seeanger (10. Mai) und maximal zwei Ind. an der Kiesgrube Reinshof (5. Mai) in den Blick.

Abb. 12: Temminckstrandläufer an der Kiesgrube Reinshof. Foto: M. Siebner

Vom Alpenstrandläufer gelangen für den Heimzug passable Maxima aus elf Ind. am 12. März im Leinepolder Salzderhelden sowie zehn Ind. am 13. April im Seeanger.

Eine Raubmöwe am 22. und 23. Juni an der hessischen Grenze entlang der Weser bei Bad Karlshafen blieb bedauerlicherweise unbestimmt. Sie soll an dieser Stelle als Mahnmal der durch hiesige AvifaunistInnen sehr vernachlässigten Weser dienen. Ein Fregattvogel, ebenfalls unbestimmt, der im Januar 1792 auf der Weser bei Hann. Münden geschossen wurde, ist wohl ein eindrücklicher Beleg dafür, was hier möglich sein kann…

Verstärkte Zugaktivität der Zwergmöwe war nur an zwei Tagen zu registrieren. Ein Trupp aus 46 Vögeln (inklusive eines vorjährigen Vogels) wurde am Mittag des 25. April am Großen Freizeitsee beobachtet. Derselbe Trupp wechselte später zum Seeburger See, wo er am Abend bis auf ein Ind. auch schon wieder verschwunden war. Am Folgetag gelang am Seeburger See die Beobachtung eines Trupps aus 23 Exemplaren. Ansonsten waren es kleinere Trupps und Einzelvögel, welche zwischen dem 19. März und 28. Mai in Erscheinung traten.

Von der Lachmöwe gibt es wenig Erwähnenswertes zu berichten. Brutnachweise gab es keine. Ein nicht vollständig abgelesener Farbring eines Vogels am 22. Mai an der Geschiebesperre zeigte typischerweise eine östliche Herkunft aus Polen an.

Schwarzkopfmöwen gerieten am 14. und 17. März im Leinepolder, am 17. März am Seeburger See (ad.), am 2. April erneut im Leinepolder (ein ad., ein K3), am 10. April am Göttinger Kiessee (zwei ad.), am 24. und 27. April am Seeburger See (jeweils ad.) und am 1. Mai an der Geschiebesperre (ein K2) in den Blick. Ein vorjähriger Vogel an der Kiesgrube Reinshof ebenfalls am 1. Mai verriet seine Herkunft durch einen Ring, den er am 11. Juni 2019 als Jungvogel am Kiestagebau Rebach bei Leipzig bekommen hatte. Komplettiert wurde das Vorkommen durch je einen Vogel am 8. Mai im Seeanger (K2), am 9. Mai an der Geschiebesperre (K2), am 13. Mai sowohl an der Geschiebesperre als auch am Seeburger See (K2), am 17. Mai an der Geschiebesperre (ein ad., ein K2), sowie am 25. Mai und 13. Juni ebenda (K2).

Abb. 13 : Vorjährige Schwarzkopfmöwe neben einem Höckerschwan. Foto: M. Siebner

Von der Silbermöwe gelangen zwei Beobachtungen von drei Vögeln. Ein Vogel am 16. März an der Geschiebesperre (K2), sowie zwei Vögel am 22. März am Großen Freizeitsee (ein ad., ein K3).

Mittelmeermöwen waren etwas häufiger mit sechs Beobachtungen von acht Ind., die am 1. März am Seeburger See (K4), am 7. März am Großen Freizeitsee (zwei Ind.), am 25. April am Seeanger (K3), am 6. Mai an der Geschiebesperre (K2), am 16. Mai im Seeanger (K3) sowie am 10. Juni bei Meensen (zwei Ind.) in Erscheinung traten.Die Riege der Großmöwen wurde, wie mittlerweile die Regel, von der Steppenmöwe dominiert. Insgesamt 76 Beobachtungen wurden bekannt. Maximal waren es acht Ind. am 1. März im Seeanger.

Eine am 18. März im Leinepolder nach Nord ziehende Heringsmöwe startete den üblicherweise individuenschwachen Durchzug in der Region. Ihr folgte am 20. März ein Vogel am Seeburger See (ad.), sowie ein Vogel am 22. März an der Geschiebesperre (ebenfalls ad.). Komplettiert wurde das Auftreten von einer Heringsmöwe am 30. April in der Feldmark Reinshof (K3).

Eine Zwergseeschwalbe am 28. Mai im Seeanger blieb lediglich einem Beobachter vergönnt.

Das fast alljährliche Auftreten der Raubseeschwalbe wurde auch in diesem Jahr bestätigt. Begünstigt durch einen verregneten Tag am 14. Juni rastete ein Ind. im Seeanger, allerdings nur kurz.

Von der Weißbart-Seeschwalbe gab es gleich mehrere Nachweise. Sieben Ind. am 21. Mai  im Leinepolder Salzderhelden machten den Auftakt. Ihnen folgten Vögel am 28. Mai am Seeburger See, drei Ind. am 9. Juni ebenda, sowie am 14. Juni zeitgleich je ein Ind. am Göttinger Kiessee und am Großen Freizeitsee.

Abb. 14: Weißbart-Seeschwalbe. Foto: M. Siebner

19 Trauerseeschwalben stellten am 9. Mai am Seeburger See ihr saisonales Maximum.

Flussseeschwalben waren mit mind. 17 Ind. im Zeitraum vom 24. April bis 29. Juni sehr gut vertreten. Drei Nachweise von insgesamt vier Küstenseeschwalben sind hingegen eher guter Durchschnitt. Die Nachweise verteilten sich auf den 26. April am Großen Freizeitsee, den 2. Mai am Seeburger See (zwei Ind.) und den 3. Mai am Göttinger Kiessee.

Mit nur acht Beobachtungen von Turteltauben scheint man sich in Süd-Niedersachsen langsam aber sicher vom Vogel des Jahres 2020 verabschieden zu müssen. Vom 27. bis 29. April an den Northeimer Kiesteichen anwesende Vögel betrafen rastende Durchzügler, ebenso ein am 1. Mai in der Feldmark nördl. Katlenburg Nahrung suchendes Exemplar sowie überfliegende Vögel vom 12. und 13. Mai bei Seulingen und Seeburg. Bruthinweise gibt es lediglich aus dem Bramwald (10. Mai) und Reinhäuser Wald (24. Mai), wo jeweils eine singende Turteltaube hoffen lässt. Weitere Beobachtungen gab es aus beiden Gebieten bislang leider nicht. Ebenfalls interessant ist ein am 19. Juni in der Feldmark bei Gladebeck auffliegender Vogel – aus jüngerer Vergangenheit bekannte Vorkommen liegen sehr weit entfernt, sodass möglicherweise über ein bislang unbekanntes oder aufgrund von in jüngerer Zeit entstandener Windwurfflächen neues Vorkommen in der Umgebung spekuliert werden kann.

Ob die seit nunmehr fünf (Früh-)Jahren in Folge am Göttinger Kiessee ihr Dasein in verzweifelter Eremitage fristende Hohltaube wohl jemals ihr Glück finden wird? Man kann es ihr nur wünschen.

Schleiereulen konnten im Leinepolder Salzderhelden sowie in den Ortschaften Esebeck, Eberhausen, Seeburg, Germershausen, Moringen und Hann. Münden nachgewiesen werden. Nach Jahren der Flaute scheinen sich die Nachweise wieder zu häufen, was sicher auch mit dem vergangenen Rekordjahr (2019) mit mehr als 2000 Jungvögeln allein in Nord-Niedersachsen zusammenhängt. Die Schleiereule ist dennoch eine Art, die hierzulande völlig unter dem Radar fliegt. Über den Brutbestand kann man folglich nur spekulieren.

Große Freude kam auf, als aus dem Landkreis Northeim eine erfolgreiche Brut des Steinkauzes bekannt wurde, die erste seit Jahrzehnten. Eine Zuwanderung aus dem Westen ist wahrscheinlich, denn im Landkreis Höxter brüten mittlerweile ca. 20 Paare. Im benachbarten Landkreis Holzminden konnte ebenfalls eine Ansiedlung dokumentiert werden. Sehr erfreulich. Für den Landkreis Northeim ist die historische Datenlage eher dünn. Weigold (1952) berichtet über Vorkommen an den Husumer Teichen und bei Moringen. Die insgesamt milderen Winter dürften die Ausbreitung befördert haben. Früher fielen ganze Populationen Kältewintern zum Opfern. Über die Situation im Landkreis Göttingen, die lange von sinnfreien, aber publikumswirksamen Experimenten mit ausgesetzten Volierenvögeln geprägt war, kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Abb. 15: Steinkauz im Landkreis Northeim. Foto: V. Hesse

Immerhin acht Raufußkäuze gerieten im Solling zu Gehör, neben dem Kaufunger Wald ein Hauptverbreitungsgebiet der Art. Eine Beobachtung aus dem Bramwald ist eine besondere Erwähnung wert, hier gab es in der jüngeren Vergangenheit nur sporadische Nachweise. Von der Annahme, dass der „Rauz“ in den Landkreisen Göttingen und Northeim nur die Höhenlagen von Solling und Kaufunger Wald besiedelt, müssen wir uns möglicherweise zunehmend distanzieren. Aktuelle Nachweise singender Räuze aus vergleichsweise kleinen Waldgebieten in tieferen Lagen (Langenholtenser Wald, Reinhäuser Wald, Staatsforst Radolfshausen) lassen auf bislang unbekannte Vorkommen abseits des Kernverbreitungsgebietes schließen. Ob es sich hierbei um neue Vorkommen handelt oder der Grund viel mehr in der erhöhten Beobachtungsdichte einzelner, motivierter OrnithologInnen zu finden ist, soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Offen bleibt auch die Frage, ob es sich bei diesen Vögeln um umherstreifende Männchen handelt, die sich wegen negativer Populationsentwicklungen z.B. im Harz (Weibchenmangel aufgrund erhöhter Prädation) nicht verpaaren konnten.

Ebenfalls dem Solling entspringen sieben Sperlingskauz-Beobachtungen. Nach einem augenscheinlich guten vergangenen Jahr und zahlreichen Herbstnachweisen beispielsweise im Reinhäuser Wald konnte im Frühjahr ebenda nur noch ein revieranzeigender Vogel festgestellt werden. Ein neues Vorkommen fand sich im Langenholtenser Wald – damit hätte man auch nicht unbedingt gerechnet.

Zahlreiche Meldungen von revieranzeigenden Waldohreulen an knapp 30 Stellen stechen dieses Jahr heraus, vermutlich ebenfalls eine Folge des sehr guten vergangenen (Mäuse-)Jahres bei allen primär im Offenland Nahrung suchenden Eulen. Fiepsende Jungvögel wurden allerdings nur in der Göttinger Südstadt, bei Dransfeld, Duderstadt, Lödingsen, Löwenhagen und Scheden gehört.

Eine Sumpfohreule geriet zweimal zur Monatswende März-April in der Feldmark zwischen Esebeck und Emmenhausen zu Gesicht.

Abb. 16: Sumpfohreule. Foto: L. Söffker

An sieben Stellen wurde der Uhu nachgewiesen, darunter fallen möglicherweise zwei Neuansiedlungen. Der Brutbestand dürfte sich inzwischen im (niedrigen) zweistelligen Bereich bewegen. Eine erfolgreiche Balkonbrut in einem Northeimer Hochhaus im Sanierungszustand sei hier hervorgehoben – der Aussicht wegen wurde dieser Brutplatz sicher nicht gewählt.

Das seit 2017 im Stadtgebiet sesshafte Waldkauz-Paar brachte dieses Jahr vier Junge hervor. Dank der wochenlangen Sperrung des Brutbereiches kam es zu keinen erneuten Störungen seitens der Fotografenschaft oder (sicher stets gut gemeinten) Einsammlungen der gelegentlich am Boden sitzenden und dabei hilflos aussehenden Jungtiere. Hier nochmals die Bitte: Am Boden sitzende Jungeulen einfach in Ruhe lassen! Den Vögeln geht es in der Regel bestens und die Eltern werden es Ihnen danken.

Ein am 12. Mai beim Feldbornberg am Bratental vor dem Beobachter auffliegendes Ziegenmelker-Männchen stellt den fünften Nachweis seit 1980 dar.

Die einzigen Bienenfresser des Frühjahrs zierten kurzzeitig Anfang Mai bei Nörten-Hardenberg (drei Vögel) und Mitte Mai bei Seeburg den Himmel, als sie nach Norden übers Land zogen.

Zwischen Mitte April und Mitte Mai wurden sechs heimziehende Wiedehopfe gemeldet, davon besetzten drei Vögel für eine kurze Rast das Göttinger Stadtgebiet (Weststadt, Ostviertel, Norduni). Weitere drei Meldungen gab es aus Rosdorf, Tiftlingerode und Waake.

Der erste Wendehals kündigte am 5. April an der alten Rosdorfer Tongrube den Heimzug dieser in West- und Zentralafrika überwinternden Spechtart an. Ihm folgten 22 Beobachtungen kurzzeitig verweilender Vögel. Mehrwöchige Anwesenheit und Revierbesetzungen gab es in der Göttinger Südstadt (zwischen dem Kleingartenverein „Stegemühle“ und dem Kiessee), wo über mehrere Wochen das Liebesleben zweier Vögel mit Duettgesängen (und noch mehr) beobachtet wurde. Der Brutnachweis mit mindestens zwei ausgeflogenen Jungvögeln ließ nicht allzu lange auf sich warten. Weitere Reviere wurden an den „Wunderteichen“ bei Höckelheim, am Großen Freizeitsee, im Braten (ebenfalls Brutnachweis)- und Gartetal, in der Rhumeaue und bei Duderstadt bezogen. Das Traditionsvorkommen am Kerstlingeröder Feld war ebenfalls wieder besetzt, von zwei Paaren schritt mindestens eines erfolgreich zur Brut. Ein weiterer Brutnachweis in Gestalt von Futter tragenden Altvögeln wurde bei Deiderode (Friedland) erbracht. Duettgesang ließ sich bei Elkershausen und Niedergandern sowie an einer recht hoch aufgewachsenen Windwurffläche im Langenholtenser Wald vernehmen. Alles in Allem ein sehr gutes Jahr, das Anlass zur Hoffnung gibt.

Abb. 17: Flügger junger Wendehals in der Göttinger Südstadt. Foto: M. Siebner

Im Vorbericht erwähnte, im Stadtgebiet umherstreifende und fleißig singende Mittelspechte konnten teils bis weit in den April am Kiessee, in der südlichen Innenstadt am Stadtwall, am Cheltenhampark und am Hagenberg dokumentiert werden.

Brutverdächtige Kleinspechte fanden sich dieses Frühjahr in der Kiesgrube Ballertasche, am Großen Freizeitsee, am Göttinger Stadtfriedhof und am Kerstlingeröder Feld. Für diesen heimlichen Brutvogel keine schlechte Ausbeute.

Sehr bemerkenswerte 20 Pirole wurden im Berichtszeitraum in Süd-Niedersachsen beobachtet. Zunächst verblüffte ein singender Vogel im Göttinger (Nord-)Stadtgebiet, dann geriet im Gartetal westl. von Diemarden ein Flötist zu Gehör – auch drei Wochen später war ein Vogel an selber Stelle zugegen. Am 6. Juni präsentierte sich schließlich ein buntes Pärchen im Gartetal rund 2,5 km weiter östlich. Könnte hier aktuell eine Brut stattgefunden haben? Der Heimzug kann sich zwar bis Mitte Juni ziehen, aber geeignete Auwaldbereiche gäbe es schon. Konkrete Hinweise für Bruten gab es seit mindestens drei Jahrzehnten nicht mehr.
Zu ebenfalls möglichen Revierbesetzungen kam es weiterhin im Bereich der Geschiebesperre Hollenstedt und beim Westeroder Holz nahe Duderstadt, wo auch nach dem 20. Juni noch Vögel beobachtet werden konnten. Eindeutiger wurde es bislang leider nicht…

Zählungen auf dem Kerstlingeröder Feld zeigten mit 20 Revieren nach wie vor einen stabilen Neuntöter-Bestand an. An 40 weiteren Orten bestand Brutverdacht oder ergab sich ein entsprechender Brutnachweis, was, bei Erfassungslücken vor allem im Landkreis Northeim und auf den neu entstandenen Windwurfflächen, auf einen Regionalbestand von über 65 Brutpaaren hindeutet.

Abb. 18: Futtertragendes Neuntöter-Weibchen am Kerstlingeröder Feld. Foto: M. Siebner

34 Raubwürger-Meldungen betreffen lediglich zehn Vögel, vermutlich ausschließlich Wintergäste und Durchzügler. Das Duderstädter Winterrevier wurde in der dritten Märzdekade geräumt, ein Märzvogel von einer Windwurffläche im Kaufunger Wald verblieb ohne weitere Nachweise und ein über Wochen bei Adelebsen anwesender Vogel machte sich Mitte März dünne. Ein am Feldbornberg beobachteter Vogel ward ebenfalls Anfang März zuletzt gesehen, vermutlich handelte es sich dabei um den Wintervogel, der auch gelegentlich am Kerstlingeröder Feld beobachtet wurde. Die längste Verweildauer zeigte ein Raubwürger südlich von Lauenberg, doch auch hier fehlen weitere Nachweise ab Ende März. Seit nunmehr acht Jahren gab es keine dokumentierte Brut mehr in Süd-Niedersachsen!

Brütende Dohlen konnten im Hedemündener Gemeindewald (4), bei der Grefenburg bei Barterode (5), in Duderstadt (5), an den Kirchen in Wollbrandshausen (1) und in Bodensee (mind. 1) festgestellt werden. Die hiesige Population scheint erfreulicherweise weiter zu wachsen. Weitere Vorkommen in weniger häufig von VogelfreundInnen aufgesuchten Wäldern und Ortschaften sind wahrscheinlich – diesen Schluss lassen sich häufende, brutzeitliche Meldungen vereinzelter Vögel in diversen Teilen der Region zu.

Eine mögliche Nebelkrähe rastete am 8. März im Leidepolder Salzderhelden. Ein Hybrideinfluss mit Rabenkrähe ließ sich jedoch nicht endgültig ausschließen. „Reine“ Nebelkrähen sind in der Region sehr selten.

Neun Meldungen von Beutelmeisen betrafen erneut ausschließlich Durchzügler. Der letzte Vogel wurde am 3. Mai im Seeanger gesichtet. – Bruten? Keine.

Abb. 19: Beutelmeise. Nur noch seltener Durchzügler. Foto: M. Siebner

Ebenfalls selten dokumentierte, sehr erfreuliche Brutnachweise der Weidenmeise konnten dagegen am Großen Freizeitsee, an der Kiesgrube Reinshof, am Seeburger See und in der Suhleaue erbracht werden.

Sechs Beobachtungen von insgesamt nur zehn (!) durchziehenden Heidelerchen sind in ornitho.de hinterlegt – weniger geht eigentlich kaum.

Bestehende Brutkolonien der Uferschwalbe waren erneut in der Sandgrube Meensen (mind. sieben beflogene Brutröhren), am Ortsrand Uslar (maximal 13 Vögel und 25 frische Röhren) und an den Northeimer Kiesteichen besetzt. In letzterem Gebiet konnte neben zwei alten Brutwänden (jeweils mind. fünf beflogene Röhren an Rhume und Großem Freizeitsee) auch eine neue Brutwand mit mind. 300 neu gegrabenen Brutröhren dokumentiert werden – in wie vielen davon letztlich gebrütet wurde, muss offen bleiben. Da die Männchen als Teil der Balz mehrere Höhlen graben können ist bei Röhrenzählungen ein Korrekturfaktor von 0,36 anzuwenden (Südbeck et al. 2005), was in einem Bestand von etwas mehr als hundert Paaren resultieren würde.

Zwischen dem 13. März und 3. April verweilten zwei Bartmeisen im Seeanger. Zuletzt geriet am 5. April ebendort ein Trio ins Blickfeld.

Auffallend viele bei einer gezielten Erfassung im Vorjahr festgestellte Waldlaubsänger-Reviere blieben in diesem Jahr ohne Nachweis. In zuvor weniger gut untersuchten, größeren Wäldern der höheren Lagen (Solling, Bramwald, Kaufunger Wald) war der Bodenbrüter dagegen durchaus gut vertreten.

Feldschwirle gerieten ab dem 19. April zu Gehör. Besonders Anfang Mai schien guter Durchzug stattzufinden; auf Windwurfflächen im Langenholtenser Wald sangen acht Männchen und im Bereich des Leinepolders Salzderhelden weitere 15. Am 19. Juni brachten sieben Vögel in der Rhumeaue ihre Brutwilligkeit singenderweise zum Ausdruck.

Typischerweise einen Monat später trudelten die ersten Schlagschwirle aus ihrem Winterquartier in Ostafrika bei uns ein. Mit 22 Sängern ist die Art dieses Jahr singulär gut vertreten, mindestens acht verweilten lang genug um einen Brutverdacht nahezulegen. Die meisten Meldungen stammten aus der Rhumeaue, wo sich Revier an Revier reihte.

Abb. 20: Schlagschwirl-Nachweise in Süd-Niedersachsen (zum Vergrößern bitte die Karte anklicken). Karte: B. Bartsch (© Openstreetsmap)

Dass Schwirle auch durchaus mal abseits gewohnter Habitate auftauchen können verdeutlicht ein am 10. April in einem Brombeergebüsch am Kiessee singender, von S. Hillmer beobachteter und dokumentierter Rohrschwirl. Hierbei handelt es sich um den ersten Nachweis für das Göttinger Stadtgebiet!
Zwei Reviere am Seeburger See waren besetzt, hier belegte am 9. Juni ein warnendes Paar erstmals einen (starken!) Brutverdacht. Im Seeanger verstummte ein verlässlicher Sänger Ende Mai plötzlich und begann erst drei Wochen später wieder das Feuchtgebiet (und die Zweitbrut?) zu besingen – ebenfalls überaus verdächtig. Aus dem Leinepolder Salzderhelden wurde zwar nie mehr als ein singendes Ind. vermeldet, doch ist hier angesichts des Lebensraumes und der Größe des Gebietes wohl mit weit mehr als nur einem Rohrschwirl zu rechnen.

Gleiches trifft auf den Schilfrohrsänger zu, von dem es in besagtem Gebiet dieses Frühjahr keine (in ornitho.de dokumentierten) Beobachtungen gab. Ansonsten ließen 67 Meldungen aber auf einen guten Durchzug schließen. Eine längere Verweildauer gab es erneut im Seeanger, der Vogel blieb aber offenbar Single und ward (trotz intensiver Beobachtertätigkeiten) seit dem 16. Mai nicht mehr gesehen oder gehört. Späte Durchzügler konnten am selben Tag in der Kiesgrube Ballertasche sowie am 22. Mai nahe Duderstadt beobachtet werden. Ein Schilfrohrsänger am 31. Mai in der Rhumeaue zwischen Lindau und Bilshausen, wo geeignete Bruthabitate durchaus denkbar sind, wäre eine genauere Untersuchung wert.

Ein am 29. Juni während Kartierungsarbeiten in der Suhleaue zwischen Landolfshausen und Seulingen von B. Bartsch entdeckter Buschrohrsänger stellt den zweiten Nachweis für den Landkreis Göttingen (und den dritten der Region) dar. Der faszinierende Gesang war den ganzen Tag (und Folgetage) über zu hören. Der Vogel könnte einem dennoch leid tun – derart entfernt vom eigentlichen Verbreitungsgebiet auf den letzten Drücker noch eine Partnerin zu finden, ist wohl reichlich unwahrscheinlich.

Abb. 21: Tonaufnahme vom Buschrohrsänger in der Suhleaue mit Sonagramm (erstellt mit Raven liteCornell Lab of Ornithology). Aufnahme: B. Bartsch

Vom Drosselrohrsänger liegen zwar beachtliche 161 Beobachtungen vor, Revierbesetzungen mit Brutverdachtpotential gab es aber nur im Seeanger (1), am Seeburger See (1-2) und an den „Wunderteichen“ bei Höckelheim (4). Die Kiesgrube Angerstein verblieb ohne Nachweise, hier hatte es vergangenes Jahr den ersten dokumentierten Brutnachweis für Süd-Niedersachsen gegeben.

Ganz gut vertreten waren Gelbspötter, die auch mit zwei Revieren wieder das Göttinger Stadtgebiet (Kiessee) besiedelten.

Die im Winterbericht bereits erwähnten Seidenschwänze des Göttinger Stadtgebietes hatten es offenbar eilig und machten sich bereits Mitte März wieder vom Acker.

An dem seit zwei Jahren bestehenden Staren-Schlafplatz in den im Jahr 2016 gepflanzten Haselbüschen nahe der „Meyerwarft“ südlich des Göttinger Kiessees fanden sich seit Mitte Juni bis zu 10.000 Stare ein – ein Spektakel, das nicht nur unter Vogelkundigen Begeisterung auslöste. Dies betraf auch den hohen Anteil von Jungvögeln (mind. 80 Prozent), der einen guten Bruterfolg dieses zunehmend spärlicher in Erscheinung tretenden ehemaligen Allerweltsvogels indizierte. Eigentlicher Starvogel war aber ein ebendort am 19. Juni von E. Gottschalk im Getümmel von schwarz, braun und grün entdeckter, pinkfarbener Rosenstar östlicher Herkunft („turkestanisches Faunenelement“), welcher den Erstnachweis für Stadt und Landkreis Göttingen darstellte. Bis zum Ende des Berichtszeitraums konnte der Vogel allabendlich aus geringer Entfernung bestaunt und studiert werden. Näheres zu unserem viel besuchten kleinen Ausnahmegast gibt es demnächst auf unserer Homepage zu lesen.

Abb. 22: Göttingens erster Rosenstar. Foto: M. Siebner

Bundesweit kennzeichnete den Frühjahrszug ein sehr starkes Auftreten nordischer Ringdrosseln. Zwischen dem 6. April und dem 23. Mai wurden in der Region ganze 74 Ind. beobachtet – weitaus mehr als in den letzten Jahren. Die Höchstzahl fand sich am 12. April mit acht Vögeln am Diemardener Berg ein, einem traditionellen Rastgebiet dieser Art.

Rotdrosseln machten sich dieses Frühjahr schnell rar. Heimziehende Vögel erreichten ihre Höchstzahlen mit 281 Ind. am 18. März im Reinhäuser Wald (viele singend) sowie ca. 250 Ind. am 3. April im Seeanger. Ab Mitte April gab es nur noch einstellige Zahlen von Nachzüglern zu verbuchen.

Nach zwei Jahren ohne Nachweis: Ein Zwergschnäpper machte am 14. Mai, aus regionaler Sicht recht zeitig, im Brackenberger Holz singend auf sich aufmerksam.

Ganz passable 30 Trauerschnäpper fanden Eingang in die Daten von ornitho.de, zu einer Revierbesetzung kam es allerdings nur an der Burg Plesse (wie im Vorjahr) und im Wildtiergehege am Göttinger Kehr (einem ehem. Verbreitungsschwerpunkt). Interessant sind weiterhin spät im Mai, aber leider ausschließlich singulär festgestellte Sänger am Ostrand des Göttinger Waldes (zwei Vögel), dem Hünstollen im Pleßforst sowie im Northeimer Stadtwald und an den Hardegser Köpfen, einem Sollingausläufer. Ob weitere Kontrollen keine Nachweise erbrachten oder einfach nicht durchgeführt werden konnten, ist unbekannt. Konkrete Hinweise auf Bruten fehlten wieder mal gänzlich, der letzte Brutnachweis stammt übrigens aus dem Jahr 2013.

146 Meldungen des Braunkehlchens betrafen nahezu ausschließlich Durchzügler, die ab dem 10. April und mit Maximalzahlen von 12 Ind. (ansonsten meist einstellig) ins Blickfeld regionaler VogelbeobachterInnen gerieten. Wenngleich sich der Durchzug dieser Art bis Ende Mai ziehen kann, so sind bis zu vier Vögel am 20. Mai im Leinepolder Salzderhelden vermutlich der letzten verbleibenden, kleinen Brutpopulation Süd-Niedersachsens ebenda zuzuordnen. Ein einzelnes Weibchen am 31. Mai am Gartetal ließ hoffen, konnte aber seither nicht bestätigt werden.

Deutlich besser geht es dem Schwarzkehlchen, das ziemlich genau doppelt so häufig beobachtet wurde als die zuvor genannte Art. Viele bekannte Brutplätze waren besetzt, in fast 30 Fällen bestand Brutverdacht und Brutnachweise liegen sechs vor (Feldmark Gladebeck, südl. Lödingsen, nördl. Denkershausen, Seeanger, 2x Rhumeaue). Eine Vogelart im Aufwind, deren Anblick in der Feldmark mehr und mehr zur Gewohnheit wird.

Die bekannten Blaukehlchen-Vorkommen im Leinepolder Salzderhelden, an der Geschiebesperre Hollenstedt, im Seeanger, am Seeburger See, in der Suhle- und Rhumeaue sowie am Denkershäuser Teich fanden Bestätigung – teils mit üppiger Besetzung. Allein der Seeanger quoll förmlich über vor blau, sodass Spätankömmlinge in umliegende Habitate (z.B. Rapsfelder) ausweichen mussten. Die Beobachtung zweier singender Männchen im Gillersheimer Bachtal vom 19. Mai erhärtet den Verdacht, dass auch hier seit längerem ein Brutvorkommen besteht. Für die Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden liegt ein vermutlicher Erstnachweis (inkl. Revierbesetzung) vor.

Abb. 23: R(h)apsodie in Blau-Gelb. Foto: B. Bartsch

Der seit Herbst 2018 bekannte (und seit 2019 beringte) Hybrid aus Haus- x Gartenrotschwanz wurde dieses Jahr nicht gesehen, trotz intensiver Suche motivierter Vogelkundler. Ein seit dem 8. April anwesender, mit einem Hausrotschwanz-Weibchen verpaarter Hybridrotschwanz im Altdorf in Weende könnte potentiell ein naher Verwandter des oben genannten Vogels sein. Ob es hier zu einer erfolgreichen Brut kam, ist (noch?) nicht klar.

Während im letztjährigen Steinschmätzer-Hotspot am „Jägerparadies“/Diemardener Berg (23 Ind. am 24. April 2019) in diesem Jahr bloß ein Viertel jener rastete, sorgten mind. 18 Ind. in der Feldmark-Ödnis nördlich von Varlosen am 6. Mai diesen Jahres für reichlich Gewusel. Die immerhin 155 Steinschmätzermeldungen beliefen sich ansonsten auf Zahlen im niedrigen einstelligen Bereich.

Der Brachpieper war während des Frühjahrszuges mit neun Ind. gut vertreten, ein Vogel am Mausberg nahe Weißenborn sang sogar.

Regionale Hochburg des Baumpiepers war und ist das Kerstlingeröder Feld, wo dieses Jahr etwa 31 Reviere bezogen wurden. Neuansiedlungen gab es erfreulicherweise auf zahlreichen jüngeren Windwurfflächen, beispielsweise im Nörtener und Langenholtenser Wald sowie im Gillersheimer Forst mit insgesamt mindestens 17 singenden Männchen. Das Bratental (>10 Reviere) und der Altendorfer Berg (>7 Reviere) können ebenfalls als bedeutsame Brutgebiete hervorgehoben werden. Kleine, isolierte Vorkommen bestehen weiterhin am Drakenberg (5), im NSG Weper nördlich Hardegsen (>4), am NSG Hühnerfeld (>4), in der Sandgrube Meensen (4), in der Rhumeaue (>3) sowie, ebenfalls auf neuen Windwurfflächen, im Bramwald (>4).

Maximalzahlen rastender Wiesenpieper wurden im Seeanger erreicht, wo am 11. April ca. 110 Ind. präsent waren. Ansonsten bewegten sich die Zahlen durchziehender Vögel im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich. Und die Brutvögel? In der Feldmark zwischen Bovenden und Angerstein waren wieder einzelne Brutpaare, auch fütternd, anwesend. Mindestens sechs Reviere bestätigten sich im Polder II des Leinepolders Salzderhelden. Und das wars…

Zwei Nachweise vom Rotkehlpieper wurden Ende April an der ehem. Tongrube Siekgraben sowie im Seeanger erbracht.

Die einzige größere Ansammlung von Bergpiepern gab es am Seeanger mit 15 Ind. am 15. März. Ansonsten ließen sich die zumeist an den bekannten Feuchtgebieten der Region beobachteten Vögel mit einer Hand zählen – bei nur 36 Feststellungen ein insgesamt eher schlechtes Frühjahr. Der letzte Durchzügler war am 2. Mai bereits recht spät dran.

Ausgesprochen wenige (max. drei), rastende Thunbergschafstelzen gerieten vorrangig zwischen Ende April und Mitte Mai an den von VogelbeobachterInnen mit Vorliebe aufgesuchten Feuchtgebieten ins Blickfeld. Bemerkenswert ist ein sehr später Vogel vom 14. Juni im Seeanger.

Abb. 24: Thunbergschafstelze. Foto: M. Siebner

Sechs Beobachtungen letzter heimziehender „Trompetergimpel“ mit insgesamt acht trötenden Vögeln konnten vorrangig im Göttinger Stadtgebiet festgehalten werden. Bis Anfang April scheinen sie in Süd-Niedersachsen stets das Feld zu räumen.

Drei Wochen früher als im Vorjahr, aber nach wie vor bemerkenswert ist das kurzzeitige Auftauchen einer singenden Grauammer im Juni auf dem Kerstlingeröder Feld. Ob diese nachbrutzeitlichen Beobachtungen hier nun die Regel werden, wird sich zeigen. Sie könnten mit Zunahmen im nördlichen Harzvorland korrelieren, wo beispielsweise im Landkreis Helmstedt im Umfeld grenznaher Tagebaufolgelandschaften und Sandgruben eine leichte Ausbreitungstendenz erkennbar ist. Auch im näher gelegenen Thüringer Eichsfeld mehren sich die Nachweise.

Die Bedeutung von Ackerbrachen als bedeutsames Nahrungshabitat verdeutlicht die Beobachtung eines (in Niedersachsen stark gefährdeten) Ortolans vom 14. Mai am Ortsrand Roringen, wo der Vogel gemeinsam mit einem Trupp Goldammern bei der Nahrungssuche dokumentiert werden konnte. Leider blieb er der einzige auf dem Heimzug.

Béla Bartsch, Hans H. Dörrie und Malte Georg

Dieser Bericht basiert auf ca. 41.700 Meldungen (zum Vergleich: 2019 28.832 Einträge) der Plattform ornitho.de. Der Dank geht an die Beobachter/innen:

P.H. Barthel, B. Bartsch, K. Beelte, L. Bergschmidt, A. Bischoff, S. Böhner, L. Bolte, J. Bondick, M. Borchardt, G. Brunken, J. Bryant, J. Bunk, M. Corsmann, J. Demmer, H. Dörrie, K. Dornieden, M. Drüner, L. Dumpe, M. Fichtler, T. Gawlig, M. Georg, M. Göpfert, E. Gottschalk, C. Grüneberg, F. Hadacek, K. Hagenow, A. Hartmann, F. Helms, D. Herbst, M. Herkel, J. Herrmann, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, F. Hirschauer, S. Hohnwald, M. Hoppe, M. Jenssen, K. Jünemann, R. Käthner, H.-A. Kerl, P. Kerwien, P. Keuschen, I. Lilienthal, V. Lipka, D. Mederer, T. Meineke, K.-F. Merten, H. Meyer, M. Mooij, P. Motzkau, F. Nieporte, D. Nolte, F. Oertel, J. Opitz, S. Paul, G. Peters, B. Preuschhof, J. Priesnitz, S. Racky, D. Radde, B. Riedel, T. Rohde, H. Rumpeltin, H. Schmidt, M. Schulze, J. Schwickardi, M. Siebner, D. Singer, L. Söffker, F. Specht, T. Stemmler, N. Straßburger, A. Stumpner, A. Sührig, D. Trzeciok, F. Vogeley, W. Vogeley, H. Vollstaedt, J. Weiss, M. Wimbauer, D. Wucherpfennig und viele andere.

Literatur

Deutsche Seltenheitenkommission (DSK) (2002): Seltene Vogelarten in Deutschland 1998. Limicola 16: 113-184.

Schmidt, F.U. (1979): Rastbestände von Wasservögeln in Südniedersachsen: Untersuchungen über Erfassungsmethoden, Diversität und Störung durch den Menschen. Schriftliche Hausarbeit, Universität Göttingen.

Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schröder, K., Schikore, T. & C. Sudfeldt (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Eigenverlag, Radolfzell.

Weigold, H. (1952): Tierwelt. In: Eggeling, H. (1952): Der Landkreis Northeim. Die Landkreise in Niedersachsen, Reihe D, Bd. 8: 58-62. Bremen.

Abb. 25: „Candy“, wohin bist du entschwunden?