Das Birdrace 2020 – ein außergewöhnliches Rennen

Das DDA Birdrace 2020 war anders als alle seine Vorgänger: Die durch die Corona-Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen ließen keinen Wettbewerb nach alter Manier zu. So war es nicht erlaubt, wie bisher mit bis zu fünf Personen gemeinsam unterwegs zu sein, um dann möglichst viele verschiedene Vogelarten aufzuspüren.

Die Spielregeln mussten den geltenden Kontaktbeschränkungen angepasst werden: jeweils nur maximal zwei Personen oder aber auch mehrere Mitglieder eines gemeinsamen Haushalts durften zusammen auf Beobachtungstour gehen. Die bisherigen Teams konnten dabei bestehen bleiben, teilten sich aber in kleine erlaubte Gruppen auf, die dann auch in verschiedenen Regionen Deutschlands unterwegs sein konnten. Sämtliche notierte Arten wurden am Ende dem gesamten Team gutgeschrieben. In der so entstandenen Kategorie “deutschlandweit” konnten neue Rekorde aufgestellt werden, was aber nicht bedeutete, dass insgesamt mehr Vögel gesichtet wurden.

Regional ging es aber wie in den Jahren zuvor wieder darum, wer macht das Rennen in Süd-Niedersachsen…

Abb. 1: Beobachten in diesem Jahr nur mit Abstand, hier ein Bild vom Seeburger See. Foto: M. Siebner

In den beiden Landkreisen Göttingen und Northeim traten stolze 17 Teams zum Birdrace an. Auch ein neuer Rekord, der einerseits daher rührt, dass niemand an diesem Tag verreisen durfte, andererseits mit den geänderten Spielregeln zu tun hat. Die Teams konnten nämlich verteilt auf mehrere Landkreise antreten.

Team-NamenArtenzahl
regional
Artenzahl
bundesweit
Al-Leinehänfling112 (GÖ)112
Asmelglotzer59 (GÖ)76
Aufilaufi84 (GÖ, NOM)84
Barfußkäuze118 (GÖ)155
Chickendales38 (GÖ)76
Der alber Tross88 (GÖ)136
Die Fuchbinken80 (GÖ)80
Dynamo Avigoe109 (GÖ)109
Elbspötter81 (GÖ)173
Fichtensaufschnäbel106 (GÖ)106
Göttinger Sozialbrachvögel144 (GÖ, NOM)164
Das Maskeneulen-Quintett59 (NOM)104
Ostwestbirders38 (GÖ)136
Peacemätze90 (GÖ)90
Robins on Cruise60 (GÖ)90
Watt’N Säger72 (GÖ)100
Wattnspaß bis Bodensee110 (NOM)162
Tabelle: Übersicht über die Ergebnisse aller in der Region (GÖ oder NOM) angetretenen Teams.
Abb. 2: Die meisten Göttinger Teams haben auch im Seeanger beobachtet. Foto: M. Siebner

Eindrücke vom außergewöhnlichen Rennen

Das Team “Chickendales” (Volker, Leo und Anna Hesse; Frithjof & Wigbert Vogeley) teilte sich strategisch auf. Anna überwachte den heimischen Futterplatz, nachdem sie auf die dort auftretenden Arten Gimpel, Haubenmeise und Waldbaumläufer trainiert worden war.
Frithjof und Wigbert starteten im Raum Hann. Münden. Dort gab es für die beiden mit Rotschenkel (seit ca. 30 Jahren der erste Nachweis in der Kiesgrube Ballertasche) und Sandregenpfeifer wertvolle Bonus-Arten. Exklusiv hatten die beiden dann einen Drosselrohrsänger auf ihrer Regio-Liste. Ein heftiges und anhaltendes Gewitter zwang das Team für längere Zeit zunächst ins Auto und schließlich an den heimischen Kaffeetisch. Als das himmlische Nass wieder in nur vertretbaren Mengen herunterkam, ging es auf die Suche nach Uferschwalben, leider vergeblich in den Meensener Sandgruben – die saßen vermutlich warm und kuschelig in ihren Röhren und dachten gar nicht daran, ihr warmes Plätzchen zu verlassen.
Für Volker und Leo wurde es nicht nur von oben nass, da eine Grabenüberquerung für einen Feldschwirl mit vollgelaufenen Gummistiefeln endete. Danach ging es barfuß weiter. Die Strategie sowohl morgens als auch abends nach Seeburg zu fahren zahlte sich aus: Sandregenpfeifer, Kampfläufer, Dunkler Wasserläufer, Wiesenpieper und – am See – Flußseeschwalbe wurden später am Tag nicht mehr gesehen. Als Leo und Volker auf dem Heimweg noch einen Haken bei ‚Waldohreule‘ machen konnten, kam das Team “Chickendales” insgesamt auf insgesamt stolze 130 Arten.

Abb. 3: Rotschenkel wurde schon lange nicht mehr im Raum Hann. Münden gesehen. Foto: W. Vogeley

Als neues Team kamen 2020 die “Barfußkäuze” dazu, von denen Anne und Phil in Göttingen unterwegs waren. Das Team hatte noch Verstärkung von der Vogelwarte Helgoland, die auf der Hochseeinsel beobachtet haben. Gestartet wurde in Göttingen bereits um vier Uhr Richtung Bramwald, wo die beiden gleich zwei “Göttinger Sozialbrachvögel” auf ihren flotten Fahrrädern antrafen. Nach kurzem Schlagabtausch und der Beobachtung weiterer Waldarten, bis auf die Haubenmeise, behinderte eine Wildschwein-Familie mit sieben Frischlingen die weitere Untersuchung des Waldabschnitts. Für die Haubenmeise musste dehalb später ein Abstecher zum Göttinger Friedhof gemacht werden. Dort wurde das Team ordentlich von einem Gewitter erwischt – und aus der Haubenmeise wurde wieder nichts! Die Pechsträhne endete erst auf dem Rückweg vom Kerstlingeröder Feld: sowohl die Haubenmeise als auch Wendehals und Neuntöter haben auf den letzten Drücker doch noch mitgespielt. Beim Eintreffen am Seeanger waren die Energiereserven langsam aufgebraucht, auch wenn Temminckstrandläufer, Baumfalke und Regenbrachvogel kräftig die Motivation steigerten. Leider konnte am Ende trotz des Namens “Barfußkäuze” keine einzige Eule verzeichnet werden. Mit 117 Arten im Landkreis Göttingen schloss das Team zufrieden am Ende ab.

Das Team die “Fuchbinken” war ebenfalls ein ganz neues Team im Kreis Göttingen mit den neuen Beobachtenden Kari Steinbrink und Jakob Demmer. Eines ihrer Highlights war die allseits beliebte und bekannte Zwergkanadagans „Candy“, welche immer wieder den den ganzen Tag vorbeikommenden Birdrace-Teilnehmenden ermutigend entgegen hupte. Außerdem konnten als weitere Arten Eisvogel und Alpenstrandläufer notiert werden. Das Göttinger Newcomer-Team war positiv angetan von vielen Arten in der Umgebung aber auch der netten Community der Göttinger Ornithologen. Mit 80 Arten haben sie schließlich glücklich ihren Tag beendet.

Auch das Team der “Elbspötter” hatte sich dieses Jahr strategisch aufgeteilt: an der Elbe, im Havelland, auf der Greifswalder Oie und in Göttingen, vertreten durch Joy Opitz. Hier wurde am Morgen auf den Göttinger Stadtwald und die Schillerwiesen gesetzt, wo sich unter anderem ein Mittelspecht blicken ließ. Die Birdrace-Strecke musste sich nach einer durchzuführenden Datenaufnahme für die Uni richten, sodass vormittags „Candy“ am Kiessee dran war und am Nachmittag dem Eisvogel im Gartetal ein Besuch abgestattet wurde. In der Mittagspause ging es zum ruhigen Stadtfriedhof und an der Grone entlang nach Norden, wo sich Wasseramseln und Gebirgsstelzen gemeinsam blicken ließen. Abends ließen sich zum Glück noch zwei Wohnungsteilende überreden, mit dem Auto nach Seeburg zu fahren, um den Sonnenuntergang zu genießen. Diese konnten zwar dem Sterntaucher nicht so viel abgewinnen, freuten sich aber über ein „knuffiges“ Blaukehlchen.  Als um 23:30 Uhr das Birdrace für die meisten Teams schon beendet war, ging es noch zum Alten Botanischen Garten, wo als finale Art Waldkauz abgeholt wurde. Fazit: es war ein schöner Tag mit 81 Arten in Göttingen und 173 Arten deutschlandweit.

Abb. 4: Junge Wasseramseln haben Hunger. Foto:J. Opitz

Das alteingesessene Traditions-Team „Göttinger Sozialbrachvögel“ ging in Göttingen mit Béla Bartsch und Mathias Siebner an den Start, während Malte Georg und Ole Henning mit dem Fahrrad Northeim unsicher machten. Weitere Unterstützung gab es durch Christoph Grüneberg, langjähriges Mitglied der “Göttinger Sozialbrachvögel“, in diesem Jahr in Brandenburg.
Für Malte und Ole im Northeimer Land ging es bereits um 1:50 Uhr los. Die Schlafsäcke wurden bei Rufen vom Raufußkauz zusammengepackt. Im Wald lief es sehr gut, auch Sperlingskauz war dabei. Lediglich der Erlenzeisig fehlte wieder einmal. Die durch den Regen etwas gedämpfte Stimmung  konnte später wieder aufgeheitert werden, mit Temminckstrandläufer, Blässgans, Tafelente, Zwergtaucher, Waldwasserläufer und Pfeifente, für die noch fleißig in die Pedale getreten werden musste. Bemerkenswert waren 19 Feldschwirle, die das Team im Laufe des Tages hören konnte. Insgesamt kamen die beiden auf beachtliche 123 Arten und 100 km Fahrradstrecke. Ein Bachneunauge bot noch einen schönen Bonus in der Kategorie ‚Fisch‚.
Béla und Mathias waren mit Auto und Rädern unterwegs. Dabei wurde im wesentlichen einer über die Jahre bewährten Strecke gefolgt. Und Vorarbeit zahlte sich aus: weil das Team wusste, dass in einem Feld neben der Kiesgrube Reinshof in den letzten Tagen Rebhühner gesichtet wurden, dauerte es nur Sekunden bis Béla diese auch schon entdeckt hatte. Am Siekgraben erspähte er dann souverän jeweils einen vorüberziehenden Habicht und Sperber, von denen die anderen dort anwesenden Teams nicht einmal etwas ahnten. Die Information über einen Gelbspötter im Lutteranger wurde dem Team via WhatsApp zugetragen und die Art dort prompt abgeholt. Später am Seeanger knallten die Arten nur so rein und zwar ausschließlich von der “Schießbude” aus, dem Beobachtungsstand oberhalb des Gebietes. Verspätete Highlights waren hier Bergpieper und Zwergschnepfe. Damit ging der Regio-Pokal 2020 mit 131 Arten in einem Landkreis mal wieder an die “Göttinger Sozialbrachvögel”. Mit 144 Arten in GÖ und NOM zusammen konnte das Regional-Team abräumen.
In der bundesweiten Singvogelwertung erreichte das Gesamt-Team sogar einen ersten Platz. Zusammen mit den in Brandenburg beobachteten Arten wie Raubwürger, Grauammer und Wiedehopf kam das Team auf eine noch nie dagewesene Gesamtzahl von 164.

Abb. 5: Gelbspötter im Lutteranger für die „Göttinger Sozialbrachvögel“ bereits am Morgen ausgekundschaftet. Foto: M. Göpfert

Insgesamt konnten in Göttingen und Northeim an diesem Tag 149 Arten entweder gesehen oder zumindest gehört werden.
In Nachhinein war das Birdrace 2020 mit geänderten Regeln erfrischend anders, wenn auch das gemeinsame Team-Erlebnis, das diesen Wettbewerb sonst ausmachte, zu einem großen Teil fehlte. So hoffen wir, dass es beim Birdrace 2021 wieder möglich sein wird, gemeinsam zu starten!

Phil Keuschen

Dank an diejenigen, die ihre Beiträge zur Verfügung gestellt haben.

Abb. 6: Früh morgendliche Rad-Tour durch den Bramwald. Foto: M. Siebner