Göttingen ist nicht nur eine quirlige Universitätsstadt, sondern – Kundige wissen es bereits – auch die Seidenschwanz-Metropole Süd-Niedersachsens. Seit dem Jahr 2000 haben die regionalen Nachweise dieses faszinierenden Gastvogels deutlich zugenommen. Grund dafür ist, neben gestiegener Aufmerksamkeit, das reiche Nahrungsangebot.
Im Spätwinter werden von den gefräßigen Invasoren vor allem Mistelbeeren verspeist. Die Früchte dieses Halbparasiten gedeihen zu einem Gutteil auf Hybridpappeln, deren Zahl in unserer Stadt jedoch nach planmäßig betriebenen Fällaktionen deutlich kleiner geworden ist. Dessen ungeachtet beherbergte Göttingen während des beeindruckenden Einflugs im Winter 2004/2005, der in Band 10 der Naturkundlichen Berichte zur Fauna und Flora Süd-Niedersachsens ausführlich gewürdigt wird (Dörrie 2005) Trupps von bis zu 500 Individuen. Für den darauf folgenden Winter 2005/2006 liegen für die Landkreise Göttingen und Northeim Beobachtungen von insgesamt „nur“ ca. 750 Vögeln vor. Trotz des frühen Wintereinbruchs in Skandinavien scheint sich der Seidenschwanz bislang in Mittel- und Westeuropa eher rar zu machen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass in den Brutgebieten bzw. in angrenzenden Regionen ein üppiges Nahrungsangebot zur Verfügung steht. Schnee und Kälte machen den Vögeln in der Regel nämlich wenig aus – Hunger schon.
Sollte es die Seidenschwänze auch in diesem Winter wieder in unsere Region ziehen, könnten sie sich an einem enormen Vorrat von Äpfeln und Ebereschen-Beeren satt fressen. Gerade die Fruktifikation der Eberesche ist im Herbst 2006 bei uns besonders üppig ausgefallen. Um das von allen Bombycilla-Fans erhoffte Auftreten verlässlich zu dokumentieren, sind alle Beobachtungen in den Landkreisen Göttingen und Northeim von großem Interesse. Zur Vermeidung von Verwechslungen mit Star und Wacholderdrossel wird das Studium der obigen Abbildung empfohlen. Zudem machen Seidenschwänze durch ihren charakteristischen Ruf, ein helles Klingeln, auf sich aufmerksam. Dieses kann eigentlich mit keiner Lautäußerung anderer Vögel verwechselt werden. Seidenschwanz-Meldungen können an unsere E-Mail Adresse info@ornithologie-goettingen.de oder telefonisch an H. Dörrie (Tel. 0551/47597) übermittelt werden. Vielen Dank im voraus! hd
Zum Weiterlesen:
- H.-H. DÖRRIE: Boombycilla! – Seidenschwänze in Süd-Niedersachsen im Winter 2004/2005, in: Naturkundliche Berichte zur Fauna und Flora in Süd-Niedersachsen, Bd. 10 (2005)
- Der Seidenschwanz bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia