Der folgende Nachruf ist nicht dem Verfasser dieser Zeilen gewidmet, sondern einem sympathischen Kobold, der als Brutvogel von 1985 bis in die jüngste Vergangenheit die gefiederte Welt unserer Stadt und Region bereichert hat. Jetzt scheint er, zumindest in der warmen Jahreshälfte, weithin wieder verschwunden zu sein. Die Rede ist vom Birkenzeisig, einem kleinen Finkenvogel, dessen Balzgehabe so auffällig wie sein Brutgeschäft heimlich ist.
Aus der Liste verschwunden
Bevor wir uns in Einzelheiten vertiefen, wird es etwas kompliziert: In der aktuell gültigen Artenliste der Vögel Deutschlands (Barthel & Krüger, Vogelwarte 56: 171-203 (2018) taucht der Birkenzeisig unter diesem Namen nicht mehr auf. Dagegen firmieren unter dem Gattungsnamen Acanthis gleich drei Arten: Alpenbirkenzeisig Acanthis cabaret, Taigabirkenzeisig A. flammea und Polarbirkenzeisig A. hornemanni. Dieses Trio bevölkert mit fünf Unterarten ein riesiges holarktisch-zirkumpolares Areal, das von den Britischen Inseln ostwärts bis Grönland und Nordkanada reicht. Dabei ist die morphologische Variationsbreite der Vögelchen enorm. Generell gilt: Je weiter nördlich eine Population siedelt desto heller kann ihr Gefieder ausfallen. Mittel- und westeuropäische cabaret-Birkenzeisige wirken eher rotbräunlich, besonders Weibchen und Vögel im ersten Kalenderjahr. Ihre grönländischen Verwandten sind als unwirklich weiße Spatzen der Arktis besonders eindrucksvoll gefärbt (vgl. die atemberaubenden Fotos von C. van Rijswijk in Dutch Birding 42:40-47). Allen gemeinsam sind eine rote Stirn und ein schwarzer Kehlfleck als diagnostische Merkmale.

In der Praxis gestaltet sich die Unterscheidung von cabaret und weiter nördlich brütenden flammea so manches Mal schwieriger als man denkt. Heute verzichten bei der Dateneingabe auf unserer Meldeplattform ornitho.de immer mehr Beobachterinnen und Beobachter auf eine klare Zuordnung. Begünstigt wird diese Vorgehensweise dadurch, dass bei der Eingabe Alpen- und/oder Taigabirkenzeisig als erste Option zusammen aufpoppen. Im Herbst und Winter sind gemischte Trupps aus beiden Formen nicht ungewöhnlich. Zudem werden immer wieder Vögel gesehen, die gleichermaßen Merkmale von cabaret und flammea aufweisen. Spricht dies für Hybridisierung? Überdies: In Göttingen wurden vom Verfasser auch zur Brutzeit phänotypisch an flammea erinnernde Vögel festgestellt. Aktuell herrscht (vgl. die Anmerkung in Vogelwarte 56: 207 (2018)) unter Fachleuten hinsichtlich Taxonomie und Namensgebung immer noch Uneinigkeit: Handelt es sich bei den drei oben genannten Formen um geografisch klar abgrenzbare Populationen oder geht es lediglich um klinale Varianten von Gefieder (und Schnabel) in einem riesigen, auf weiten Flächen avifaunistisch kaum erforschten Kontinuum, d.h. letztlich nur um eine Art? Fest zu stehen scheint nunmehr, dass sich die drei Taxa molekulargenetisch nicht unterscheiden lassen, was gegen ihren Status als Spezies nach den Vorgaben des Biological Species Concepts spricht. Warten wir es ab. Für unser Thema ist die Problematik ohnehin von sekundärer Relevanz. Sorgen machen müsste sich allenfalls der Entdecker und Melder des einzigen Polarbirkenzeisigs der Region vom 23. Dezember 2018 bei Gö.-Nikolausberg (von der für Seltenheiten zuständigen Deutschen Avifaunistischen Kommission anerkannt), dessen Liste um eine Art schrumpfen würde…
Einst und jetzt
Von jeher ist der Birkenzeisig in Göttingen und Umgebung als Rastvogel und Wintergast bekannt, bis weit ins 20. Jahrhundert vermutlich auch als beliebter Käfigvogel. Schon der Biologe B. Merrem, ein Schüler des Anthropologen J.F. Blumenbach, führt ihn in seinem „Verzeichniß der rothbluetigen Tiere in den Gegenden um Goettingen und Duisburg, wahrgenommen“ aus dem Jahr 1789 als Carduelis flammea auf. Der „Kommentierten Artenliste“ (Dörrie 2010) ist zu entnehmen, dass bis vor ca. 50 Jahren sein regionales Auftreten durch Einflugwinter von Vögeln nördlich brütender Populationen geprägt war. Der (vorerst) letzte größere Einflug fand 2017/18 statt. Heutzutage können auch im Winter verbreitet bräunliche cabaret-Individuen angetroffen werden, deren Herkunft unklar ist. 2017/18 waren cabaret–Vertreter in etlichen Schwärmen ihren Vettern ebenbürtig bzw. dominierten diese sogar bisweilen. Cabaret brütet seit einiger Zeit auch in Südskandinavien und könnte im Winter nach Süden ausweichen. Wie groß das Streifgebiet der kleinen Nomaden sein kann, lässt sich daran ablesen, dass es dänische Wiederfunde von flammea-Zeisigen gibt, die zuvor in Nordost-China beringt worden waren!
Hierzulande umfassen die größten artreinen Birkenzeisg-Trupps selten mehr als 300 Vögel, kein Vergleich mit Bergfink, Stieglitz und Co. Ein Riesenschwarm aus ca. 1.200 Alpen-/Taigabirkenzeisigen vom 7. Januar 2018 nahe dem Seeburger See, in dem sich auch einige andere Finkenvögel bewegten, ist die singuläre Ausnahme.

Mit Beginn der 1980er Jahre mehrten sich in unserer Stadt die Brutzeitbeobachtungen. Auf dem Stadtfriedhof gelang 1985 der erste Brutnachweis. Dieses Ereignis war nur der lokale Ausdruck einer rasanten Ausbreitung, die in der Vogelwelt ihresgleichen sucht und höchstens von der Expansionsdynamik der Türkentaube seit den 1940er Jahren übertroffen wird.
Wie ist es dazu gekommen? Die folgenden Angaben stützen sich vor allem auf das brillante Artkapitel im Handbuch der Vögel Mitteleuropas (Band 14/II, Glutz von Blotzheim 1997).
Göttingen und Umgebung als Hochburg
Das Eiszeitrelikt Alpenbirkenzeisig war seit Olims Zeiten Brutvogel in zwei disjunkten Gebieten: auf den Britischen Inseln und im Alpenraum. Seit ~1950 geriet die britische Population in Bewegung. Der weiträumige Anbau von Fichten in England und Schottland zum Zweck der Holzgewinnung sowie das Anlegen von Küstenschutzstreifen mit Kiefern schufen neue Lebensräume. 1942 fand, ebenfalls in einem Küstenschutzstreifen, die erste Brutansiedlung in den benachbarten Niederlanden statt. Ab 1970 explodierte der Brutbestand förmlich, bis in den 1980er Jahren beide Areale miteinander verschmolzen waren. Die Einwanderung erfolgte in diesem Zeitraum auch aus den Gebirgsregionen im Süden, wo der Alpenbirkenzeisig traditionell ein Charaktervogel in Latschenkiefern ist. Das Erzgebirge z.B. wurde recht früh besiedelt.
Knapp zehn Jahre später konnte S. Zillich in seiner beeindruckenden Diplomarbeit (komprimierte Fassung in den Beitr. Naturk. Niedersachs. 50 (1997): 53-72) zu drei Neubürgern der Göttinger Avifauna (Wacholderdrossel, Girlitz, Birkenzeisig) eine auf Kartierarbeiten in einem Großteil des Göttinger Stadtgebiets sowie eine umfangreiche Literaturrecherche gestützte Schätzung vornehmen. Sie belief sich 1994 auf 74-121 Reviere an 42 Orten. In Teilen des Ostviertels, das zur Zeit von Zillichs Untersuchung kaum besiedelt war, konnten 2002 auf 33 Hektar fünf Reviere notiert werden (Dörrie, Naturkdl. Ber. Fauna Flora Süd-Nieders. 7: 104-177 (2002)). Die Kartierung des 320 Hektar großen historischen Kerngebiets der Stadt durch den Arbeitskreis Göttinger Ornithologen (AGO) in den Jahren 2005/2006 erbrachte 40 Reviere, wobei anzumerken ist, dass sich das von Zillich ermittelte Vorkommen auf das Areal westlich der Leine konzentrierte, das nicht im Kerngebiet liegt. Dies legt eine weitere Zunahme nach 1994 nahe. Aus regionaler Sicht scheinen die 1990er und frühen 2000er Jahre für unseren Helden eine besonders gute Zeit gewesen zu sein, denn neben dem kopfstarken Vorkommen in Göttingen lagen auch Meldungen aus etlichen Dörfern im Landkreis Göttingen vor (vgl. die vermutlich unvollständige Aufzählung in der „Kommentierten Artenliste“). Mit einem Bestand von 51-150 Revierpaaren während der Kartierphase für den deutschen Brutvogelatlas ADEBAR 2005-2009 wies der TK 25-Quadrant im Göttinger Raum neben dem Wendland die höchste Siedlungsdichte in Niedersachsen auf. Gleichwohl wurde der Art, sobald sie zum gefiederten Inventar zählte, von Avifaunisten (zu) wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Man hakte beim Birdrace die traditionellen Brutpaare am Seeburger See ab, nahm am Kiessee, auf dem Stadtfriedhof, am Gauss-Weber-Wall oder auf dem Grünstreifen vor dem Hauptbahnhof die wilden Balzflüge der Männchen zur Kenntnis und widmete sich dann vermeintlich interessanteren Vögeln. Dabei hatte im Nordwesten unseres Bundeslandes der Abwärtstrend schon längst eingesetzt.

Wenn der Singflug zum Sinkflug mutiert
Das schrittweise Verschwinden auch bei uns, mit einem deutlichen Einbruch zwischen 2013 und 2014 lässt sich mit den Daten bei ornitho.de vergleichsweise gut dokumentieren.

Gewertet wurden nur Vögel (Mehrfachmeldungen eingeschlossen) mit dem Brutzeitcode A2 („mögliches Brüten“) bis C („sicheres Brüten“) im Zeitraum vom 1. April bis 30. September des jeweiligen Jahres. Der „Ausrutscher“ von 2022 betrifft 14 Paare/Reviere, davon allein acht im Klosterpark in Gö.-Weende, offenbar seine letzte Trutzburg.
Der dramatische Rückgang hat dazu geführt, dass der Birkenzeisig aus weiten Teilen seines nach 1970 erobertem Brutareals wieder verschwunden ist. Das verdeutlichen die Karten in ornitho.de mit Nachweisen zur Brutzeit 2020 und 2024. Wie viele Vögel wirklich übrig geblieben sind können die Karten nicht oder nur sehr rudimentär wiedergeben, weil sie lediglich auf Zufallsbeobachtungen basieren. Bei dieser Art Wahrnehmungen geraten große und auffällige Nichtsingvögel eher in den Blick als kleine Federbälle. Ist es ein Artefakt, dass es im Primärlebensraum Alpen nur noch wenige Birkenzeisige zu geben scheint?! Gleichwohl ermöglicht der Vergleich der beiden Karten einen Einblick in den enormen Bestandsrückgang, wohlgemerkt bei gleichzeitigem Anwachsen der Beobachterzahlen.
In Norddeutschland, vor allem in den dichten Gehölzen der Dünentäler auf den Nordseeinseln, in Küstenschutzanpflanzungen an der Ostsee sowie in Teilen des hessisch-westfälischen Berglands und in der deutsch-belgischen Grenzregion scheint er sich in geringer Zahl zu behaupten.
In den Niederlanden ist die Entwicklung zur westfriesischen „Inselart“ ganz ähnlich verlaufen, während in Großbritannien (220.000 Paare) und Irland, also seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet, die Situation wesentlich entspannter ist.

Lebensraum
Bei der Habitatwahl ist der Birkenzeisig flexibel. In Göttingen zeigte er nach Zillich eine Vorliebe für Parkanlagen und Friedhöfe, wo sich 1994 etwas mehr als 50 Prozent der Reviere konzentrierten. Ähnlich dicht besiedelt waren Gehölzstrukturen am Ufer der Leine. Insgesamt ist festzuhalten, dass die expandierenden Vögel bei ihrer Ansiedlung in Mitteleuropa eine deutliche Präferenz für den menschlichen Siedlungsbereich und dessen engere Umgebung zeigten. Das unterschied sie signifikant von ihren Artgenossen in den Primärhabitaten (lichte Nadelwälder und Moore) und könnte zur Erklärung beitragen (?), warum diese Brutplätze letztendlich wieder aufgegeben wurden. Der in Göttingen vielerorts anzutreffende Mix aus Koniferen und Birken als ferner Widerschein ihres ursprünglichen Lebensraums hat sicher eine gewisse Anziehungskraft ausgeübt.


Fortpflanzung im Sauseschritt
Die quirligen Gesellen brüten oftmals in kleinen Kolonien und (1994 in Göttingen mit mehr als der Hälfte aller Paare!) gern in unmittelbarer Nachbarschaft zu wehrhaften Wacholderdrosseln, die mit ihren Kotattacken aus der Luft gefiederte Prädatoren wie Rabenkrähe und Elster in Schach halten. Zwei Jahresbruten sind die Regel, es kommen sogar drei Bruten oder Schachtelbruten vor. Junge Birkenzeisige sind schon nach elf Tagen flügge, bei ebenso langer Nestlingszeit. Ist die Reproduktion im Turbomodus ein Garant gegen Verluste und Bestandseinbrüche? Offenbar nicht…
Die Männchen zelebrieren auffällige Singflüge mit einem diagnostischen metallischen Schwirren und eingestreuten „tschet, tschet“-Elementen. Ihr hektisches Treiben, so auffällig es ist, erschwert quantitative Angaben. Ist es jetzt derselbe Vogel wie der vor fünf Minuten, der gerade über mich hinweg geflogen ist? Insofern kann der Birkenzeisig getrost als Kartiererschreck bezeichnet werden. Ein sicheres Indiz für eine Brut sind die leisen „ze, ze, ze“-Bettelrufe der Weibchen am Nest, das in bis zu zehn Metern Höhe dicht am Stamm eines Baums angelegt wird. Die muss man aber auch erstmal hören.
Das Verschwinden – ein Enigma
Die Gründe für das weitgehende Verschwinden unseres Porträtvogels sind vermutlich sehr komplex. Parallelen zu Vogelarten mit großflächig ähnlicher Populationsdynamik wie Karmingimpel, Beutelmeise und, abgeschwächt, Türkentaube drängen sich auf. Trotz guter Datenlage – die Ausbreitung der Türkentaube in Europa von einer kleinen Population auf dem Balkan bis nach Island ist nahezu minutiös dokumentiert – gibt es immer noch viel Raum für Spekulationen.
Hat die eutrophierungsbedingte Verdichtung und Verdunkelung der Vegetation, die auch anderen primären Lichtwaldarten wie Gartengrasmücke oder Baumpieper zu schaffen macht, zum Rückgang zumindest beigetragen? Könnte der Birkenzeisig, andererseits, von den so genannten Waldschadensflächen in einem seiner Ursprungshabitate profitieren, die vielerorts entstanden sind? Konkurrenz mit anderen Vogelarten? Prädation? In Göttingen existieren genügend Habitate, die immer noch für eine Ansiedlung geeignet zu sein scheinen. Das macht die Sache umso rätselhafter und ist ein Indiz für die Tiefe des Bestandseinbruchs. Am Kiessee z.B. hat sich aus Sicht des Birkenzeisigs wenig geändert, auch die Wacholderdrossel brütet als Schutzpatronin weiterhin hier. Auf dem Stadtfriedhof sieht es eigentlich, bis auf die Verminderung von Fichten zugunsten von Birken, so aus wie immer. Andererseits: Im Siedlungsbereich sind Nadelbäume mächtig aus der Mode gekommen, und wer heute eine Birke pflanzt, kann sicher sein, dass ihm die pollenallergisch geplagte Nachbarin auf den Pelz rückt mit der Aufforderung, den Baum sofort abzuhacken. Der Aufruf des NABU Jena, zum Erhalt der Zeisige wieder Fichten und Birken zu pflanzen, dürfte daher auf eine geringe Resonanz stoßen. Im Göttinger Ostviertel lässt sich der Wandel in der Vegetationsstruktur gut belegen.
Ist es, wie Zeitgeistbewegte vermuten könnten, wieder einmal der Klimawandel? Wohl kaum: Die auf Millionen Daten gestützte Metastudie eines Forscherteams an der britischen Universität Durham (vgl. die DDA-Meldung vom 24. Juli 2023) hat ergeben, dass sich Ansiedlungen und Aussterben europäischer Vögel nur schlecht mit Klimafaktoren erklären lassen. Wie wichtig dagegen kopfstarke Quellpopulationen für die Ausbreitung von Vogelarten sind, lässt sich aktuell am Seidensänger (vgl. den Artikel auf der AGO-Homepage) belegen, der von den Niederlanden aus nach Deutschland vordringt und in den teils neu entstandenen Optimalhabitaten Kältewinter offenbar besser überstehen kann als früher. Vermutlich gibt es solche Populationen des Birkenzeisigs nicht mehr. Warum, muss vorerst offen bleiben. Überhaupt nicht ins Bild von der globalen Erwärmung als Artenkiller passt auch, dass der Girlitz, eine wärmeliebende Lichtwaldart aus dem Südwesten Europas, bei uns der nächste Aussterbekandidat ist – knapp 150 Jahre nach seiner Ansiedlung als Göttinger Brutvogel.

Artenschwund
Ist das Verschwinden des Birkenzeisigs als Brutvogel ein Beleg für den allseits beklagten Artenschwund? Ja und nein. Vogelarten sterben aus. Entgegen landläufig verbreiteter Meinung nicht ganz so viele wie im 18. und vor allem 19. Jahrhundert, aber immer noch viel zu viele. Der Hauptgrund dafür nennt sich Homo sapiens. Artenschwund meint aber auch den Rückgang von (Vogel-)Artenzahlen in einem bestimmten Gebiet. Hier gilt zumeist: Der Verlust einer Art wird, rein numerisch betrachtet, schnell durch die Einwanderung einer anderen wettgemacht, so dass die Zahl der Brutvögel über die Jahrzehnte in einer Region erstaunlich konstant bleiben kann. Hat der Uhu in Göttingen den Birkenzeisig als Brutvogel ersetzt oder wird demnächst die Mandarinente den verschwundenen Girlitz kompensieren? Wird es beim Gelbspötter mit dem Seidensänger ähnlich verlaufen? Die Vögel kommen und gehen. Und singen weiter… Auf einem anderen Blatt steht die erschreckende Monotonisierung unserer Vogelwelt, besonders im Agrarland. Das heißt, etliche Arten werden immer seltener und behaupten sich, desperat von Naturschutzmaßnahmen abhängig, nur noch in kläglichen Restbeständen, während eine Handvoll Ubiquisten wie die Ringeltaube die meisten Brutpaare stellt. Soll man sich jetzt, unterstützt von geldschweren Lobbyverbänden aus dem Energie- und Agrarsektor, einer innovativen Disziplin, der Tonnenfetisch-Vogelkunde, zuwenden und die Biomasse allein der Ringeltauben, die in den letzten Jahren als Brutvögel hinzugekommen sind, mit derjenigen der verschwundenen Singvögel verrechnen? Ein überaus positives Ergebnis zugunsten der Erstgenannten wäre garantiert. Als Glanzlicht im Natur- und Artenschutz ließe sich so etwas aber kaum verkaufen…
Wie auch immer: Jetzt bleiben nur noch Herbst und Winter, wenn wir uns weiterhin am munteren Treiben der Birkenzeisige erfreuen wollen. Schade, aber immerhin…
Hans H. Dörrie
