Der Vogelwinter 2024/2025 in Süd-Niedersachsen – eigentlich wie immer…

Wer, sagen wir mal, jetzt zur Naturbeobachtung nach Spanien oder Portugal reist, ist bass erstaunt über die Unmenge an Vögeln, die es dort auf weiten Flächen immer noch gibt: Die Felder wimmeln nur so von Lerchen, große Trappen plustern sich auf und kleine Trappen furzen versteckt, aber unüberhörbar vor sich hin. In der Luft karriolen Greifvögel aller Größenklassen und in den gut gefüllten Feuchtsenken explodiert das Wat- und Wasservogelleben. Aber kann das eigentlich sein?! Schließlich leben wir in einer Klimakatastrophe, und auf der Iberischen Halbinsel ist es im Schnitt noch mindestens zwei bis drei Grad wärmer als bei uns. Schlimmer noch: Die Furcht erregenden Sendboten der Apokalypse sind schon längst in unseren Breiten angekommen! Sie heißen: Bienenfresser, Seiden- und Zistensänger. Doch was geschieht? Jetzt brettern Hunderte Fotografen zum Kaiserstuhl, in die wärmste Ecke Deutschlands, um dort, bei Strafe des finalen Hitzschlags, Bienenfresser für das Foto des Jahrhunderts einzufangen. Ist das nicht irgendwie pervers? Von den Millionen Touristen, die sich an mediterranen Stränden freiwillig grillen lassen, ganz zu schweigen.
Wie geht es weiter in Deutschland? Bringt uns die globale Erderhitzung den Vogelreichtum des 19. Jahrhunderts zurück? Schließlich haben damals auch bei uns Schlangenadler, Blauracke und Rotkopfwürger, die heute im Mittelmeerraum bestaunt werden, in erklecklichen Zahlen gebrütet. Das war allerdings – man lese und staune – noch während der so genannten Kleinen Eiszeit. Sind es vielleicht gar nicht so sehr die Temperaturen allein, die den Unterschied machen? Bei der Antwort auf diese Frage haben unsere Agraringenieure und Energiemanager noch ein paar Wörtchen mitzureden…
Was haben diese lichtvollen Auslassungen in einem vogelkundlichen Bericht aus Süd-Niedersachsen für den Zeitraum Dezember 2024 bis Februar 2025 zu suchen? Nichts, nada! Umso schneller wird jetzt systematisch losgelegt.

Das Wetter im Berichtszeitraum ist rasch erzählt: Wetterkapriolen blieben weithin aus. Mit einer Ausnahme: Am 9. Januar lähmten enorme 16 cm Neuschnee das Leben in unserer Stadt, Busse fuhren nicht, die Schulen blieben geschlossen und die B 27 in den Harz war dicht. Katastrophe! Immerhin brachten die Schneefälle etwas Dynamik in die Vogelwelt.

Interessanter sind vielleicht die spärlichen Überwinterer, deren Auftreten traditionell in jedem Bericht dieser Art dokumentiert wird.
Beginnen wir mit der Feldlerche. Im Leinepolder Salzderhelden belief sich im Dezember ihr Maximum auf 50 Ind. Deutlich mehr waren es in den Feldmarken Reinshof und Niedernjesa südlich von Göttingen, wo Mitte Januar nach Schneefällen 120 bis 200 Vögel ausharrten, deutlich mehr als im lerchenarmen Januar 2024.
34 Wahrnehmungen des Zilpzalps sind weniger als im Vorjahr. Nur am Northeimer Freizeitsee und in der Suhleaue hielten es ein bis zwei Vögel etwas länger aus.

Ein überwinternder Zilpzalp
Abb. 1: Zilpzalp am Freizeitsee. Foto: Hannes Dettmer

Vier Mönchsgrasmücken ließen sich blicken, darunter ein Ind. an einer Fütterung im Göttinger Ostviertel, das vom 18. Januar bis zum 8. Februar Überwinterungsambitionen zeigte, aber später nicht mehr auszumachen war. Kein Vergleich mit dem vorangegangenen Winter, in dem gleich neun Ind. zu Gast waren.
Satte 52 Beobachtungen des Sommergoldhähnchens liegen vor, die aber möglicherweise nur um die 40 Vögel betreffen. Im Ostviertel existierte vermutlich sogar ein kleiner Schlafplatz, der von bis zu drei Vögeln angeflogen wurde. Ansonsten wurde ein dichter Forsythienstrauch als Ruhestätte genutzt. Nach dem Schneefall am 9. Januar waren die Kerlchen wieder verschwunden.

Ein singendes Männchen vom Sommergoldhähnchen.
Abb. 2: Winterliches Sommergoldhähnchen im Göttinger Levin-Park. Foto: Mathias Siebner

44 Beobachtungen des Hausrotschwanzes sind eine mehr als im vorangegangenen Winter. Das Maximum von fünf Ind. wurde am 5. Dezember am Klärwerk in der Göttinger Weststadt erreicht. Dieser traditionelle Überwinterungsplatz erwies sich am 14. Januar (typisch nach Schneefällen) als geräumt.
Von der Singdrossel gibt es normale sechs Beobachtungen, erheblich weniger als im letzten Winter (21).
93 Sichtungen der Heckenbraunelle hören sich üppig an, belaufen sich aber auf deutlich weniger Vögel. Am Northeimer Freizeitsee hielten von anfangs zehn Ind. am 1. Dezember bis zu sieben durch, erwähnenswert sind auch sechs Ind. auf einer Schadfläche im Langenholtenser Wald am 13. Dezember.
68 Meldungen vom Wiesenpieper betrafen vermutlich mehr als 200 Ind. Am Northeimer Freizeitsee waren sie über einen längeren Zeitraum bis Ende Februar präsent, zumeist in geringer ein- bis zweistelliger Zahl. Bemerkenswert sind überdies 50 Ind. am 17. Januar in der Feldmark Niedernjesa sowie 70 Ind. am 24. Februar im Leinepolder Salzderhelden.
94 Meldungen der Gebirgsstelze (im Vorjahr 104) betreffen vermutlich weit weniger Vögel, vor allem im Göttinger Stadtgebiet dürften es nicht mehr als drei bis vier gewesen sein. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie – trotz leichter Erholung nach dem Einbruch im Spätwinter 2021 -, auf niedrigem Niveau vor sich hindümpelt. Warum, muss offen bleiben.
80 Beobachtungen der Bachstelze (gegenüber 235 im Vorjahr) beziehen sich zu weit mehr als der Hälfte der Ind. auf den traditionellen Schlafplatz in der Göttinger Weststadt, der von etwas mehr als 40 Vögeln angeflogen wurde.

Eine winterliche Bachstelze.
Abb. 3: Bachstelze an der Kiesgrube Reinshof. Foto: Mathias Siebner

47 Meldungen der Rohrammer liegen vor, im Wesentlichen von Einzelvögeln an den Feuchtgebieten der Region. Sieben Ind. am 23. Februar am Northeimer Freizeitsee sind die große Ausnahme.
Damit endet die Übersicht über die spärlichen Überwinterer. Fazit: alles im bekannten Rahmen…
Und weiter geht’s Art für Art, mal gucken ob’s was Spannendes gab.

Bis zu sieben adulte Singschwäne verbrachten den Winter im Leinepolder Salzderhelden. Das traditionelle Winter-Tagesquartier bei Nörten-Hardenberg blieb verwaist. Junge Singschwäne gab es wohl keine, das Alter wurde allerdings oft nicht vermerkt.
Der bekannte Bernshausener Schwarzschwan genoss bis Mitte Februar seine Freiheit auf dem Seeburger See. Eine Artgenossin (wohl „Melanie“, von Bernshausen zunächst nach Göttingen umgesiedelt) saß am 1. Dezember bei Nörten-Hardenberg unter 56 Höckerschwänen (drei im 1. Kalenderjahr und 53 adulte, na, Altersangaben gehen doch!).

Schwarzschan unter Höcherschänen auf einem Acker.
Abb. 4: „Melanie“ in strahlendweißer Gesellschaft, Foto: Andreas Stumpner

Kanadagänse zeigten sich sporadisch allein oder zu zweit an verschiedenen Gewässern, darunter ein weißköpfiger Vogel am 8. Dezember an der Geschiebesperre Hollenstedt. Derartig gefärbte Individuen gibt es mitunter; ihr weißer Kopf ist kein Hinweis auf Hybrideinfluss, sondern eine Färbungs-Anomalie.
Der größte Weißwangengans-Trupp umfasste bis zu sechs Vögel im Februar an selbigem Ort. Eine der Gänse war mit einem gelbem Fußring („S72“) markiert, den sie als Pullus im Juni 2022 in North Yorkshire/Großbritannien erhalten hatte.
Im Leinepolder Salzderhelden traten bis zu 2000 Tundrasaatgänse auf (Maximum, 4. Dezember).
Dort gab es auch vierstellige Blässgans-Zahlen, anderswo lagen diese durchweg im dreistelligen Bereich.

Eine seltene Zwerggans
Abb. 5: Zwerggans in der Feldmark Reinshof. Foto: Friedemann Arndt

Dass uns auch diesen Winter wieder Zwerggänse besuchen würden, schien am 13. Januar so klar wie Kloßbrühe. An diesem Tage fielen zwei schwedische Projektvögel unweit von uns am Ohnestau Birkungen im Thüringer Eichsfeldkreis ein, unsere Bekannte („G0WA“) vom vorhergehenden Winter und, sehr wahrscheinlich, ihr Partner („N 6N“). Tatsächlich ließen sich die beiden drei Tage später unter Blässgänsen in der Suhleaue bei Rollshausen finden. Bis zum 3. Februar pendelten sie zwischen Suhleaue, Seeanger und Seeburger See, bis die Gewässer zugefroren waren. Die „6“ von „N 6N“ ließ sich im Feld ablesen und auch die Verteilung der Bauchflecken stimmte, also ziemlich eindeutig „unser“ Schweden-Paar. Noch Mitte Dezember 2024 hatten sich die beiden in einem Trupp von 70 Zwerggänsen in den Niederlanden aufgehalten. Auf ihrem Weg sind sie dann ganz offensichtlich versehentlich zu weit geflogen und mussten zu uns umdrehen. Eine dritte adulte Zwerggans gab es, erstmals im Göttinger Umland, ab dem 21. Februar an der Kiesgrube Reinshof als Häppchen obendrauf, wo sie bis zum 30. Januar blieb. Diese dritte Zwerggans war unberingt und möglicherweise russischer Herkunft. Laut Gänsespezialist Kees Koffijberg vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) sind „schwedische Vögel doch meist eher paarweise unterwegs“, wie eben das Seeburg-verliebte Schweden-Paar.
Dessen Ankunft in der Suhleaue am 16. Januar fiel mit dem Aufschlagen zweier adulter Kurzschnabelgänse zusammen, die nicht nur unweit im selben Gänsetrupp saßen, sondern auch genau solange wie ihre Zwerggans-Begleiter bei uns blieben.

Zwei Kurzschnabelgänse im Winter
Abb. 6: Kurzschnabelgänse in der Suhleaue. Foto: Martin Göpfert

Nilgans-Truppstärken lagen meist unter zehn, mit Ausnahme eines 175er-Trupps in der letzten Januardekade, dem es im Gänsegetümmel in der Feldmark Reinshof offensichtlich gut gefiel.
Fünf Rostgänse gesellten sich zeitweise ihnen dazu. Am 20. Dezember besuchten neun Rostgänse den Seeburger See.
Dort hielten sich den gesamten Winter über ein bis drei Brandgänse auf. Waren sie mal nicht vor Ort, ließen sie sich zuverlässig im Seeanger finden.

162 Schnatterenten tummelten sich am 1. Dezember im teilweise vereisten Seeanger. So viele gab es dort wohl bislang nie. Mindestens 300 Schnatterenten wurden am 8. Februar im Leinepolder Salzderhelden geschätzt, wo die Zahlen der Pfeifenten mit mindestens 250 Vögeln am 8. Februar, die der Krickenten mit 215 Vögeln am 23. Februar und die der Spießenten mit 50 Vögeln am 11. Februar kulminierten.
Am 28. Dezember schlabberten 25 Löffelenten auf dem Seeburger See, neben dem aus dem Vorbericht bekannte Moorenten-Männchen (gelb „3U“), das bis zum 21. Januar blieb, bevor es das verbleibende eisfreie Wasserloch dann doch verließ.

Eine beringte Moorente auf dem Seeburger See
Abb. 7: Moorente „3U“ am Seeburger See. Foto: Martin Göpfert

Regionaler Tafelenten-Hotspot war der Seeburger See mit sehr überschaubaren 15 Vögeln, bis zu 450 Reiherenten bevölkerten zeitweise den Northeimer Freizeitsee. Zwischen beiden Gewässern pendelte der Anfang Oktober eingetroffene Tafel- x Reiherenten Hybrid-Erpel hin und her, den gesamten Winter über. Einzelne Bergenten besuchten den Freizeitsee am 4. und 18. Januar. Am 9. Januar verschlug es zudem einen Trupp sechs vorjähriger Bergenten an den Seeburger See. Mit zunehmender Vereisung verschwanden sie peu à peu; nach dem 15. Januar waren auch die letzten beiden weg.
Ähnlich schrittweise gestaltete sich dort der Abschied des Samtenten-Neunergespanns aus dem Vorbericht. Am 1. Dezember waren es noch acht, am 6. Dezember noch mindestens sechs, von denen die letzte am 13. Dezember den See verließ. Eventuell wechselte diese zum Freizeitsee. Dort traf am selben Tag eine einzelne Samtente ein, die dort über einen Monat lang, bis zum 18. Januar, verblieb.

Bis zu 29 Zwergsäger wurden auf dem Seeburger See gezählt und bis zu 19 auf dem Freizeitsee. Auch bei den Gänsesäger-Zahlen hatte das „Auge des Eichsfelds“ die Nase vorne, wobei allerdings auch dort das Maximum (33 Ind. am 23. Februar) mäßig ausfiel.

Von jeher ist die Wasserralle praktisch in allen Feuchtgebieten der Region ein spärlicher Wintergast, zumeist mit ein bis zwei Ind. Am Seeburger See und am Denkershäuser Teich wurden in diesem Winter sogar vier bis fünf gezählt. Etwas aus dem Rahmen fielen Nachweise am Gillersheimer Bach bei Lindau und an der Grone (Überschwemmungsfläche) in der Göttinger Weststadt.
Maximale 670 Blässhühner bedeckten am 26. Januar den Northeimer Freizeitsee.
Kraniche waren den ganzen Winter unterwegs, zumeist in ein- bis zweistelligen Zahlen. Nennenswerter Heimzug wurde am 20. Februar registriert, wohl mit mehreren Tausend Vögeln. Doppel- bis Vierfachmeldungen identischer Trupps lassen eine verlässliche Quantifizierung jedoch nicht zu. Zudem machen sich ziehende Kraniche im Frühjahr bei uns in der Dunkelheit zumeist nur akustisch bemerkbar.

Das Maximum überwinternder Zwergtaucher wurde in diesem Winter am Northeimer Freizeitsee am 19. Februar  mit bemerkenswerten 49 Ind. erreicht.
Vom 3. Dezember bis zum 4. Februar weilte ein Rothalstaucher an der Northeimer Seenplatte.
Maximal 150 Haubentaucher konzentrierten sich auf dem Freizeitsee.
Winterliche Schwarzhalstaucher sind in unserer Region keine Besonderheit mehr. Den Schwerpunkt des Vorkommens stellte wiederum der Northeimer Freizeitsee, wo vom 1. Dezember bis zum 19. Januar bis zu sechs Ind. anzutreffen waren. Am Seeburger See waren es bis zu vier.

Drei Schwarzhalstaucher, die auf dem Northeimer Freizeitsee schwimmen
Abb. 8: Schwarzhalstaucher am Freizeitsee. Foto: Bernd Riedel

Im Hochwinter bevölkerte wie immer die buchstäbliche Handvoll Kiebitze die Geschiebesperre Hollenstedt. Am 23. Februar indizierten knapp 1000 heimziehende Ind. am Freizeitsee das Maximum für diesen Bericht.
In der Feldmark Reinshof südlich von Göttingen rasteten am 3. Januar drei Goldregenpfeifer. 23 waren es zum Beginn des Heimzugs im Leinepolder.
Elf Beobachtungen der Waldschnepfe, zumeist aufgescheuchte Einzelvögel, konnten verbucht werden. Drei Ind. am 19. Januar im Reinhäuser Wald sind eine besondere Erwähnung wert.
Gut vertreten war in diesem Winter die Bekassine. An der Geschiebesperre Hollenstedt hielten sich im Januar bis zu 23 Ind. auf, die sich um die Monatsmitte wohl auch aus Schneeflüchtern rekrutierten.
Am Hotspot überwinternder Zwergschnepfen, dem Northeimer Freizeitsee, konnten dank Verwendung von Wärmebildkameras bis zu zwölf Ind. ausgemacht werden. Wahrscheinlich waren es sogar ein paar mehr. Wie dicht sie perfekt getarnt nebeneinander hocken können, konnte mit vier Ind. auf ganzen zwei m² dokumentiert werden.

2 Waldwasserläufer an der Geschiebesperre Hollenstedt
Abb. 9: Zwei überwinternde Waldwasserläufer an der Gechiebesperre Hollenstedt. Foto: Helmut Rumpeltin

An der Geschiebesperre Hollenstedt, einem traditionellen Überwinterungsgebiet, gab es bis zu sechs Waldwasserläufer zu sehen, darunter waren im Januar wohl auch ein paar Schneeflüchter von anderswo.

Eine Silbermöwe im 1. KJ zierte am 16. Dezember den Seeburger See, zwei Ind. waren es am 1. Januar ebenda. Drei Ind. am 21. Februar sind für den Göttinger Kiessee bemerkenswert.
Steppenmöwen traten in eher geringer Zahl auf und blieben in der Regel einstellig.
Einzelne adulte Mittelmeermöwen konnten am 19. Januar am Seeburger See und am 16. Februar am Northeimer Freizeitsee bestimmt werden.
Eine Heringsmöwe konnte sich am 30. Januar am Freizeitsee der Alterbestimmung entziehen. Einer adulten Artgenossin ebenda wurde am 23. Februar diese Vorzugsbehandlung zuteil.

Vom 14. bis 15. Dezember brachte ein Prachttaucher das Wasser des Seeburger Sees in Wallung.

203 regionale Winterbeobachtungen des Weißstorchs hätte man vor 20 Jahren wohl kaum für möglich gehalten. Die Brutpaare in Seeburg, Bernshausen, Gieboldehausen, Rittmarshausen, im Umfeld des Seeangers, in der Suhleaue, bei Ellensen und im Leinepolder Salzderhelden (zwei bis drei) trotzten stoisch den winterlichen Unbilden, die sich dieses Mal eher mäßig gestalteten. Sind sie wirklich Kronzeugen des Klimawandels? Gute Frage…

Am 15. Dezember stand eine Rohrdommel dekorativ im Schilf des Seeburger Sees, desgleichen eine am 22. des Monats und am 23. sogar zwei. Am 8. Februar machte sich erneut (?) ein Vogel dort bemerkbar, während eine nachts rufende Artgenossin am 20. Dezember den Göttinger Nobelvorort Geismar schnell hinter bzw. unter sich ließ.

Eine gut im Schilf getarnte Rohrdommel
Abb. 10: Rohrdommel am Seeburger See. Foto: Volker Hesse

Seit einiger Zeit ist der Seeburger See bevorzugter Schlafplatz winterlicher Silberreiher. Am 11. Januar leuchteten hier maximal 63 Ind. Das waren auch schon mal mehr…

Von der Kornweihe liegen 25 Beobachtungen vor, darunter von sieben prächtigen Männchen, von denen eines an zwei Januartagen in der Feldmark Gö.-Geismar gesehen wurde.  So wenige waren es seit dem Winter 2019/20 nicht mehr. Der hohe Altvogelanteil lässt auf einen geringen Bruterfolg der Herkunftspopulationen schließen.
Das Polder-Revierpaar des Seeadlers konnte den ganzen Winter über bestaunt werden. Später kam es sogar zum Nestbau, den sich vorerst allerdings ein rabiater Konkurrent, Nilgans genannt, zunutze machen wusste. Wegen der dichten Belaubung des Brutbaums ist das Nest nicht mehr sichtbar, sodass unklar ist, ob die Nilgänse sicht dort dauerhaft niedergelassen haben. Für die Aggro-Neubürger sind auch wesentlich größere Tiere kein Problem: Neulich war auf Arte zu besichtigen, dass sie an einem künstlich angelegten Wasserloch in der Serengeti nicht nur die Pionierart stellten, sondern sogar Giraffen vertreiben konnten! Wer sich für dieses kapriziöse Kleinod interessiert, sei auf das Porträt auf unserer Homepage verwiesen. Seeadler im 2. KJ tauchten ab und an ebenfalls auf und stellen vielleicht schon eine Brutreserve.

Ein Seeadlerpaar bei Northeim
Abb. 11: Jüngeres Seeadlerpaar in der Nähe des Autohofs an der A7 bei Northeim. Foto: Bernd Riedel

Am 1. Dezember saß eine Schleiereule südlich von Bernshausen auf einem Straßenschild.
Das Göttinger Uhu-Paar war im Berichtszeitraum nach wie vor an der Jacobi-Kirche präsent. Allerdings wurde, vorausschickend bemerkt, das Weibchen ab Ende März nicht mehr gesehen, sodass wir fürs erste dieses brütenden Neubürgers wieder verlustig gegangen sind.

Fünfmal gerieten Merline, die hier im Winter eher selten sind, vom 1. Dezember bis zum 11. Januar vor die Optik, darunter gleich viermal im Bereich Seeanger – Seeburger See. Ein Männchen und ein weibchenfarbener Vogel konnten präziser dokumentiert werden.

Bei den meisten Singvögeln fiel die Zahl der Winterbeobachtungen gegenüber 2023/2024 recht kümmerlich aus:

Sehr, sehr mau sah es mit dem Raubwürger aus. Einige aus den Vorjahren bekannte Überwinterungsareale, die dankenswerterweise kontrolliert wurden, erwiesen sich als verwaist. Längere Präsenz, nämlich vom 2. bis 25. Februar, zeigte lediglich ein aus den Vorwintern bekannter Vogel nahe der Siedlung Brunstein bei Langenholtensen.

Die winterliche Erfassung von Corviden bei ihrem Göttinger Schlafplatzflug erbrachte in ihrem 12. Jahr 1253 Dohlen, zwar weniger als im Vorjahr (1721 Ind.,-27 Prozent), aber im Vergleich zum Beginn der Zählung mit 300 Ind. eine gewaltige Zunahme. Vor kurzem hat sich diese kecke Art, nach 37 Jahren Pause, wieder in Göttingen (Ortsteil Nikolausberg) mit einem Paar als Brutvogel zurückgemeldet. Woher die vielen Vögel stammen, muss offen bleiben. In den umliegenden Wäldern brüten (wohl) weniger als 100 Paare in Schwarzspechthöhlen. Aus einigen Eichsfeldgemeinden sind Neuansiedlungen dokumentiert. Diese können aber die enorme Zunahme um das Vierfache nicht erklären. Dohlen verfügen über ein erheblich größeres Migrationspotential als die folgende Art. Ob sich unter den Göttinger Vögeln auch Angehörige osteuropäischer oder fennoskandischer Populationen befinden?
Bei ebendieser Zählung konnten auch 6956 Rabenkrähen verbucht werden, wie bei der Dohle weniger als im Vorjahr (7881 Ind., -12 Prozent). Ob diese Zahlen einen sinkenden Trend einleiten oder noch im Rahmen der jährlichen Schwankungen liegen, bleibt abzuwarten.
Woher die Rabenkrähen kommen, ist ebenfalls unklar. Zumindest nicht aus dem Osten oder Nordosten, denn da brüten Nebelkrähen…
Mit einiger Wahrscheinlichkeit hielten sich auch mindestens zwei Saatkrähen unter den über 8000 gezählten Rabenvögeln versteckt. Diese wurden einige Tage später am 18. Januar über der Göttinger Innenstadt gesehen. Am 8. Dezember wurden südlich von Erbsen bei Adelebsen 15 Ind. notiert. Ihre Ansiedlung als Brutvogel – an der Northeimer Seenplatte oder im grünlandreichen Leinepolder? – wird von ein paar Aficionados heiß ersehnt. Leider meidet diese hochsympathische Art, trotz Zuwachs in anderen Teilen Deutschlands, unsere Region bisher weitgehend.
Im Solling gelang die Beobachtung eines leuzistischen Eichelhähers.

Ein leuzistischer Eichelhäher
Abb. 12: „Nein, dies ist kein Lachender Hans!“ Leuzistischer Eichelhäher im Solling. Foto: Mathias Siebner

Bis zu acht Bartmeisen bevölkerten über Wochen bis zum Ende des Berichtszeitraums den Seeanger. Daneben gerieten am Seeburger See und im Leinepolder Salzderhelden jeweils bis zu drei in den Blick/ins Ohr.

Ein durchziehender Einzelvogel (23. Februar über Gö.-Weende) und gleich 19 Rastvögel der Heidelerche am 28. Februar östlich der A 7 bei Wetenborn läuteten fristgerecht den Heimzug ein.

Wie es sich gehört, sind zwei Nachweise der nordöstlichen Nominatform der Schwanzmeise A. c. caudatus vom 2. Februar am Drakenberg bei Gö.-Nikolausberg (Einzelvogel) und vom 27. Februar vom Seeanger (unterartreiner Trupp von sieben Ind.) fotografisch belegt.

Bei der Corvidenzählung im Januar gerieten auch ca. 1.100 Stare in den Blick, die ebenfalls einem Schlafplatz, vermutlich im Garten der Reformierten Gemeinde (Kiefern) in der Unteren Karspüle, zustrebten.

Ein Star im Winter an der Vogelfütterung
Abb. 13: Geismaraner Winterstar. Foto: Mathias Siebner

Insgesamt gab es nur 35 Sichtungen der Rotdrossel. 40 Ind., die am 5. Januar über den Göttinger Kiessee nach Nordosten flogen, sind das magere Maximum.
Im südlichen Umfeld Göttingens haben knapp zehn robuste Schwarzkehlchen die kalte Jahreszeit überdauert. Gibt es anderswo keine geeigneten Winterhabitate (mehr)?

Westlich von Volkerode gelangten am 7. Dezember 20 Feldsperlinge ins Visier, ebenso viele waren es am 1. Februar in der Feldmark nordwestlich von Niedernjesa. 18 Ind. am 4. Februar an einer Fütterung in Eberhausen sind ebenfalls eine Erwähnung wert. Alle anderen Zahlen liegen weit darunter, in der Regel im niedrigen einstelligen Bereich. Winterdaten des Feldsperlings könnten für die Größe der Brutpopulation nur von bedingter Aussagekraft sein. Durch Ringfunde ist belegt (vgl. Bairlein et al., Atlas des Vogelzugs 2014), dass einige Vögel durchaus ziehen können, zumeist aber über eher kurze Strecken.
Der Feldsperling ist aus bislang ungeklärten Gründen dramatisch im Bestand zurückgegangen. Deshalb soll ihm zukünftig verstärkte Aufmerksamkeit zuteil werden. Sinnvoll wäre es, gezielt Gebiete aufzusuchen, am besten Streuobstwiesen mit Nistkästen, wo die Art in hohen Dichten gebrütet hat. Angaben dazu finden sich in den diversen Jahrgängen der „Naturkundlichen Berichte…“ auf dieser Website. Wie wär’s damit: Einmal auf den Ausflug ins Feuchtgebiet verzichten und im Agrarland nach Feldsperlingen suchen! Besten Dank im voraus…

Vom Bergpieper liegen ganze elf Wahrnehmungen vor, die sich vermutlich nur auf insgesamt sieben oder acht Vögel am Göttinger Kiessee, am Seeburger See, am Seeanger, an der Suhleaue und der Northeimer Seenplatte beziehen. Winterrevierverhalten zeigte nur ein Ind. am Northeimer Freizeitsee, das im Januar mehrfach notiert wurde. Diese Art ist in den letzten Jahren als Wintergast immer seltener geworden. Grund: unbekannt.

Bergfinken am Schlafplatz im Solling
Abb. 14: Gewaltige Anzahl Bergfinken am Schlafplatz im Solling Anfang Januar. Foto: Mathias Siebner

Nach der Besetzung eines riesigen BergfinkenSchlafplatzes vor zwei Jahren, kehrten die nordischen Gäste erstaunlicherweise in den Solling zurück. Wiederum wohl Millionen Vögel wählten vom 1. Dezember 2024 bis zum 11. oder 12. Januar 2025 zum Nächtigen ein Waldstück in unmittelbarer Nachbarschaft zum damaligen Schlafplatz aus. Die vergleichsweise rasche Wiederbesetzung eines Massenschlafplatzes ist sehr ungewöhnlich und vermutlich für Deutschland singulär.
Am 10. Januar gab es dann Schneefälle mit Schneehöhen von 15 cm und mehr. Das veranlasste die Nordlichter auszuweichen. Am 13. Januar patrouillierten an der Stelle zwar noch etliche Prädatoren (ein Wanderfalke, zwei Habichte und drei Sperber), die Finken waren aber bis auf wenige Hundert verschwunden.
Dagegen tauchten weiter westlich, wo es weit weniger geschneit hatte, in Ostwestfalen und am Teutoburger Wald, gewaltige Finkenschwärme auf.
Einem Großteil der Finken hatte der Solling aber wohl so gut gefallen, dass sie, als der Schnee nach circa einer Woche wegtaute, an ihren angestammten Platz zurückkehrten. Nach ein bis zwei Wochen löste sich auch diese Versammlung wieder langsam auf.

Schneeflucht der Bergfinken
Abb. 15: Schneeflucht der Bergfinken Richtung Westen vom Schlafplatz im Solling aus (grüner Punkt). Zusammenstellung von Daten von ornitho.de mit einer Schneehöhenkarte vom 13. Januar 2025 von kachelmannwetter.com

Auch dem nordischen „Trompetergimpel“, der seit 2004 unsere Region im Winter beschallt hat, scheint die Puste auszugehen, denn er wurde nur sechsmal vernommen. Ein Ind. in Gö.-Weende wurde an selber Stelle zweimal gesehen, daher sind wohl nur fünf Ind. involviert gewesen.
Der Bluthänfling trat auf einer Brache am Feldbornberg bei Gö.-Nikolausberg mit 200 Ind. in Erscheinung, anderswo fielen die Zahlen deutlich geringer aus.
120 Stieglitze am 1. Januar im Gartetal südlich von Göttingen stellten ein einsames Maximum dar.
Das traditionelle Winterareal des Girlitz’ in Gö.-Weende wurde von einem Einzelvogel frequentiert. Am Göttinger Waldrand nahe dem Bismarckstein sang am 23. Februar ein Männchen.

Ein Girlitz sitzt auf einem Zaun.
Abb. 16: Girlitze nehmen derzeit in unserer Gegend im Bestand stark ab. Foto: Mathias Siebner

Am 15. Dezember flogen in der Suhleaue bei Seulingen zwei Grauammern aus einem Ackerrandstreifen auf. Bei dieser Art tut sich was…
Natürlich ist man hocherfreut, wenn von der legendären Brache in Gö.-Weende bis zu bemerkenswerte 465 Goldammern gemeldet werden. Andererseits spricht dies auch für den trostlosen Zustand unserer Agrarlandschaft, wenn sich die Vögel mangels Alternative derart kleinflächig konzentrieren (müssen).
Damit schließt dieser Winterbericht, verbunden mit einem dicken Dankeschön an die Hunderte Beobachterinnen und Beobachter, die mit ihren mehr als 22.000 Datensätzen zu ihm beigetragen haben.

Hans H. Dörrie, Martin Göpfert, Ole Henning und Mathias Siebner

Ein Bergfink sitzt im Schnee.
Abb. 17: Bergfink harrt mit vielen anderen Artgenossen im Schnee aus bevor er Richtung Westen ausweicht. Foto: Mathias Siebner