Das Jahr 2006 klang in ornithologischer Hinsicht recht ruhig aus. Die außergewöhnlich milde Witterung in den letzten Monaten des Jahres ließ kaum Zugdynamik entstehen, so dass einige regelmäßige Wintergäste entweder ganz ausblieben oder nur in geringeren Zahlen die Region erreichten. Gleichzeitig veranlassten die hohen Temperaturen einige Zugvögel zum Ausharren.
Aber der Reihe nach: Mitte September beehrte der zweite Seidenreiher des Jahres die Northeimer Kiesteiche und ein junger Mornellregenpfeifer rannte über die plateauartigen Äcker bei Wolbrechtshausen. Der im letzten Bericht beklagte schwache Durchzug des Fischadlers normalisierte sich in der zweiten Septemberhälfte. Auffällig war, dass die Vögel bei der Jagd im Seeanger erfolgreicher waren als am benachbarten Seeburger See.
Der recht gute Zug von Singvögeln setzte sich im Oktober leider nicht fort. Die Zahlen von Buch- und Bergfinken sowie Rot- und Wacholderdrosseln blieben erheblich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Dies traf auch auf den Ringeltauben-Wegzug zu. Dagegen ist aus Göttingen ein überdurchschnittlicher Rast- und Winterbestand des Rotkehlchens zu vermelden. Der sonst in unserer Region an einzelnen Tagen spektakuläre Massenzug von Kranichen blieb aus ungeklärten Gründen weitgehend aus, selbst auf der bewährten Kranichzug-Exkursion der Biologischen Schutzgemeinschaft konnte kein einziger der erhabenen Großvögel entdeckt werden…
Von Seetauchern und Meeresenten wurden bis Jahresende keine Meldungen eingereicht. So müssen zwei Mittelsäger Anfang November am Seeburger See und ein Seeadler am 10.12. an der Geschiebesperre Hollenstedt als Glanzlichter herhalten. Für das Göttinger Stadtgebiet bemerkenswert sind bis zu 40 Saatkrähen, die es bis Weihnachten im Stadtteil Weende aushielten. Vergleichsweise hohe Zahlen liegen auch vom Kormoran vor, allein am kleinen Göttinger Kiessee hielten sich bis zu 40 Individuen dieser sympathischen Vogelart auf. Am Seeburger See zeigten ca. 70 Gänsesäger und 10 Zwergsäger einen normalen Winterbestand an.
Dezember-Beobachtungen im Göttinger Stadtgebiet von mindestens acht ausharrenden Sommergoldhähnchen, einer Mönchsgrasmücke und einer Singdrossel sowie von Weißstorch und Flussuferläufer an der Geschiebesperre Hollenstedt sind immer noch als ungewöhnlich zu bewerten. Sie kommen angesichts von Wärmerekorden im November und Dezember aber nicht sehr überraschend und trösten nur wenig über das Ausbleiben charismatischer Wintergäste hinweg.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Überwinterungsversuche nicht mit plötzlichen Kälteeinbrüchen ein jähes Ende finden, doch ein solcher scheint im Moment noch in weiter Ferne zu liegen.
Aber nach dem nicht enden wollenden Winter 2005/2006 sollte man den Vögeln ruhig einmal mildere Temperaturen gönnen.
C. Grüneberg