Am 8.11. und vom 16. bis 29.11. gerieten am Seeburger See diesjährige Sterntaucher ins Visier. An den Northeimer Kiesteichen und an der Kiesgrube Reinshof hielt sich vom 15. bis 22.11. bzw. vom 19. bis 25.11. je ein Prachttaucher auf.
An der Leine am südlichen Göttinger Stadtrand betrug der traditionelle Rastbestand des Zwergtauchers nicht mehr als sechs Ind. und lag damit um 50 Prozent unter den langjährig ermittelten Zahlen. Dies könnte mit dem gebietsweise strengen Winter 2008/2009 zusammenhängen, der für erhebliche Verluste bei dieser empfindlichen Art gesorgt hat.
Am Göttinger Kiessee fiel der Ausfliegerfolg von vier Haubentaucher-Paaren wiederum sehr mäßig aus: Nur zwei Jungvögel aus einer von drei Bruten mit Schlupferfolg wurden selbständig.
Die maximalen Rastzahlen des Kormorans, Vogel des Jahres 2010, lagen bis dato am Lutteranger bei ca. 100 Ind. und am Göttinger Kiessee bei 55 Ind. Zu allem Überfluss wird dem verhassten Konkurrenten von Sportanglern und Binnenfischern jetzt auch noch eine Mitschuld für den dramatischen Bestandsrückgang des Aals angedichtet (vgl. „Göttinger Tageblatt“ vom 27.11.). Der Aal ist ein Wanderfisch, der sich wegen der Verriegelung der Fliessgewässer mit Stauwehren und Wasserkraftanlagen kaum noch reproduzieren kann und dessen Nachwuchs („Glasaale“) im Atlantik tonnenweise von asiatischen Trawlern abgefischt wird. Man fragt sich, was diesem gefiederten Sündenbock in Zukunft noch alles aufgebürdet wird…
Eine Rohrdommel ließ sich am 18.8. am Seeburger See kurz blicken, desgleichen eine Zwergdommel am 30.7. ebenda. Am Seeburger See traten Zwergdommeln in vier der letzten fünf Jahre auf; die Art nähert sich dem Status eines jährlichen Gastvogels – eine erfreuliche Entwicklung, die, so steht zu hoffen, bald (wieder) in der einen oder anderen Brut mündet.
An der Geschiebesperre Hollenstedt begeisterte ein Seidenreiher von Anfang Oktober bis Anfang November die zahlreichen Beobachter. Im November hielten sich im Leinepolder Salzderhelden um die 50 Silberreiher auf.
Dort haben erneut zwei Weißstörche die Überwinterung angetreten – dies dürfte jedoch weniger mit der Klimaerwärmung zu tun haben (die zudem in Deutschland seit 1998 eine Pause eingelegt hat), sondern vielmehr mit dem steigenden Anteil von Nachfahren sogenannter „Projektstörche“ aus fragwürdigen Wiederansiedlungsvorhaben in der Schweiz und Süddeutschland, die unter anderem mit algerischen Störchen, die keine Weitstreckenzieher sind, vorgenommen wurden.
2200 Graugänse zeigten am 5.10. an der Geschiebesperre Hollenstedt eine neue Höchstzahl an, eine solche lag auch am 19.11. mit 467 Ind. an der Kiesgrube Reinshof vor.
Die Nilgans-Zahlen erreichten Anfang November mit knapp 200 Ind. im Leinepolder Salzderhelden ein neues Rekordniveau, gingen danach aber wieder zurück auf aktuell ca. 30 Ind. Weil dort nur drei bis vier Paare brüten und auch der regionale Brutbestand lediglich bei knapp über zehn Paaren liegt, dürfte es sich bei den meisten Vögeln um Zuzügler gehandelt haben. Woher diese im einzelnen stammen, bleibt unklar. Bislang existiert nur die Beobachtung einer höchstwahrscheinlich in Nordrhein-Westfalen beringten Nilgans aus dem Jahr 2002, die einen Hinweis auf die Herkunft zuwandernder Vögel liefert. Interessant ist das Phänomen allemal, zeigt es doch, dass auch exotische Neubürger nach relativ kurzer Zeit ein arttypisches, den klimatischen Gegebenheiten des „Gastlandes“ angepasstes Weg- oder Zwischenzugverhalten entwickeln.
Aus Göttingen wurde nur eine einzige Brut der Reiherente mit Schlupferfolg bekannt. Zudem waren die drei Jungen bereits nach einem Tag nicht mehr aufzufinden. Am 22.11. beehrte eine Samtente den Wendebachstau bei Reinhausen. Weitere vier Vögel schwammen am 12. Dezember auf dem Seeburger See.
Ein flügger Wespenbussard mit Bettelrufen könnte am 28.8. in der Straut bei Groß Ellershausen ein bislang unbekanntes Brutvorkommen im Göttinger Stadtgebiet angezeigt haben. 17 Ind. zogen am 29.8. über den Göttinger Kiessee.
Bis zu vier Kornweihen gaukelten ab Anfang November über dem Leinepolder Salzderhelden, etwas mehr als in den vergangenen Jahren. Wiesenweihen erfreuten am 12.8. am Diemardener Berg (ziehendes Weibchen) und am 30.8. am Steinberg oberhalb des Seeangers (rastendes Männchen) die Beobachter.
Ein Rauhfußbussard lieferte am 1.11. in der Feldmark Klein Wiershausen einen der ganz wenigen Nachweise abseits des Leinepolders Salzderhelden – aber auch dort tritt diese regional seltene Art nur alle paar Jahre auf.
Vom 4.8. bis zum 20.8. ließen sich am Seeanger bis zu drei Tüpfelsumpfhühner pro Tag erspähen.
Der Kranich-Wegzug ließ wie im Vorjahr zum Bedauern vieler Fans dieses majestätischen Großvogels wiederum sehr zu wünschen übrig. Beeindruckende Zugtage mit 5000 Ind. und mehr scheinen fürs erste der Vergangenheit anzugehören. Dies dürfte mit dem neuen Massenrastplatz in der Diepholzer Moorniederung zusammenhängen, der nordwestlich von Göttingen liegt und von 50.000 Vögeln angeflogen wird. Wer von den zahlreichen Kranichbetreuern und –fütterern in Meck-Pomm und Brandenburg überzeugt die Vögel vor ihrem Abflug, netterweise einen Umweg über Süd-Niedersachsen einzulegen – „altruistischer Schleifenzug“ ist das Stichwort)!
Ein nordamerikanischer Grasläufer in der Feldmark Wollbrandshausen (bei Anerkennung durch die Deutsche Seltenheitenkommission erst der zweite regionale Nachweis nach einem Ind. vom Frühjahr 1996 an der Geschiebesperre Hollenstedt) versetzte die Szene ab dem 30.8. für einige Tage in Aufruhr. Leider konnte der Seltling, der von einem einzigen Beobachter gesehen wurde, nicht mehr aufgefunden werden.
Am Seeanger rasteten ab Mitte August bis zu 33 Große Brachvögel. Vermutlich einer von ihnen wurde am 21.10. tot in einem Vorgarten in Esplingerode gefunden, seine Verletzungen deuteten auf die Attacke eines gefiederten Prädators („Göttinger Tageblatt“ vom 23.10.). Für süd-niedersächsische Verhältnisse recht früh, nämlich am 15.9., hielt sich die erste Zwergschnepfe des Wegzugs an der Geschiebesperre Hollenstedt auf. Gleich acht Ind. drückten sich am 28.11. in feuchten Bereichen der Sandgrube Meensen herum.
Als Bummelant wurde ein Dunkler Wasserläufer am 4. und 6.12. an der Geschiebesperre Hollenstedt fotografisch durch W. Kassebeer in naturgucker.de dingfest gemacht.
Dagegen erschien ein Teichwasserläufer am 6.8. am Seeanger genau zur richtigen Zeit.
Von Anfang August bis Anfang September tummelten sich am Seeburger See bis zu drei Schwarzkopfmöwen im schmucken Kleid des ersten Kalenderjahrs.
Die von einer versprengten Minderheit hymnisch verehrte Mittelmeermöwe „Michaela“ (vgl. den Bericht zum Heimzug auf dieser Homepage) hielt es bis zum 14.8. dort aus. Einzelne Steppenmöwen brachten am 4.8. (adult) und am 8.11. (K 3) das Auge des Eichsfelds zum Blinzeln. Gleich fünf adulte Heringsmöwen beehrten am 15.9. die Geschiebesperre Hollenstedt.
Nur mutmaßen lässt sich, ob ein rufender Sperlingskauz am 19.10. im Bodenhausener Forst mit dem Brutvorkommen auf dem nahegelegenen Plateau des Reinhäuser Waldes in Verbindung zu bringen ist. Mit zwei rufenden Männchen wurde am 26.9. an der Langen Bahn im Bramwald das traditionelle Vorkommen bestätigt.
Eisvögel ließen sich ab Ende Juli am Göttinger Kiessee und in der Innenstadt (Leinekanal und Schwänchenteich), an der Geschiebesperre Hollenstedt, am Wendebachstau bei Reinhausen und am Seeburger See vermehrt blicken. Dies bietet Anlass zum Optimismus – sofern nicht ein zweiter Kältewinter in Folge ihnen den Garaus macht.
Am 18.10. zogen 96 Heidelerchen am Waldrand westl. Herberhausen. Bei morgendlichen Wegzug-Planbeobachtungen am Diemardener Berg (18 Begehungen zwischen dem 4.8. und 11.9.) wurden nur fünf Brachpieper registriert. 107 ziehende Baumpieper am 8.9. am Waldrand westl. Herberhausen sind eine regional bemerkenswerte Tagessumme.
Am 20.8. wurde am Seeanger ein gerade flügges Blaukehlchen notiert. Vielleicht entstammte es der Zweitbrut eines vielfotografierten Paares am Wegesrand, das sich klugerweise in ruhigere Gefilde verzogen hatte.
45 Kolkraben zeigten am 5.12. am Seeburger See die höchste jemals dort beobachtete Zahl an.
In den Wäldern der Region wimmelt es derzeit nur so von Fichtenkreuzschnäbeln, die von der außergewöhnlich ergiebigen Fruktifikation ihrer Nahrungsbäume profitieren. Auf dem Göttinger Stadtfriedhof, dem besten Beobachtungsort für diese Art, sind sie bislang nur sehr spärlich in Erscheinung getreten. Kein Wunder, denn anderswo gibt es noch ordentlich was zu knacken…
Überfliegende Schneeammern, die sich durch ihren Zugruf verraten, sind in Südniedersachsen eine mittlere Rarität. Noch seltener bekommt man sie am Boden sitzend zu Gesicht. Umso erfreulicher ist, dass ein solches Ind. am 15.11. im Leinepolder Salzderhelden fotografisch belegt werden konnte.
Die oben erwähnten Wegzug-Planbeobachtungen am Diemardener Berg erbrachten nur zwei ziehende Ortolane.
H. H. Dörrie und S. Paul
Dieser Bericht basiert auf Daten von: S. Böhner, H. Dörrie, K. Dornfeldt, M. Drüner, C. Grüneberg, V. Hesse, S. Paul, D. Radde, M. Siebner & H. Weitemeier