Im Dezember 2017 und Januar 2018 war es dunkel, sehr dunkel. Und sehr, sehr nass. Nur ganz selten riss, zwischen zwei Regengüssen, das dichte Gewölk auf. Dann klammerten sich blasse Kleinkinder in Panik an ihre Eltern, weil sie plötzlich von einem Feuerball geblendet wurden. Gerüchten zufolge soll es sich dabei um ein Gestirn namens ” Sonne” gehandelt haben. Im Dezember schien sie nur 16 Stunden, im Januar war es ähnlich. Damit wurde der extrem trübe Winter 2012/13 noch unterboten. Was tun? Eine bewährte Antwort auf monatelange Dunkelheit kommt aus Finnland. Sie wird dort “Kalsarikännit” genannt, auf Deutsch ungefähr “sich allein zu Hause in Unterhosen betrinken”. Vermutlich hat sie im vergangenen Quartal auch in unseren Breiten einigen Anklang gefunden. Für Abwechslung im trostlosen Einerlei sorgten der Sturm “Burglind” am 2. und 3. Januar und der Orkan “Friederike” am 18. des Monats, der – exakt elf Jahre nach dem legendären “Kyrill” – im Solling und im Raum Einbeck etliche Fichtenplantagen rasierte. Im Nörtener Wald und im Bramwald mussten auch Laubbäume dran glauben, weil das völlig aufgeweichte Erdreich selbst tiefen Wurzeln keinen Halt mehr bot. Im Februar wurde es heller und kälter, viele Stillgewässer und Überschwemmungsflächen froren zum großen Teil zu – und es gab, zumindest für ein paar Tage, Vitamin D satt … In der letzten Dekade schlug die russische Frostknute richtig zu, mit tagelangem Dauerfrost, Nachttemperaturen bis -16°C, schneidendem Ostwind, viel Sonne und wenig Schnee. Zum Schluss wies unter den Stillgewässern nur noch der Northeimer Freizeitsee eisfreie Stellen von nennenswerter Ausdehnung auf, an denen sich Hunderte Wasservögel sammelten.
Die süd-niedersächsischen Vogelbeobachter/innen ließen sich, bis auf einen notorischen Wintermuffel, von diesen Widrigkeiten nicht verdrießen. Sie folgten tagaus, tagein den Spuren ihrer Lieblinge, auch wenn es oft immer dieselben waren. So kamen etwas mehr als 15.000 Beobachtungen für unsere Datenbank ornitho.de zusammen.
Unser treuer lettischer Singschwan mit der Halsbandmarkierung 2E94 ließ sich in seinem sechsten Winter Zeit: Den Dezember verbummelte er offenbar in Mecklenburg-Vorpommern. Im Leinepolder traf er erst am 4. Januar ein. Wenig später leistete ihm ein Paar dort Gesellschaft. Nach dem 27. Januar war das Trio wieder verschwunden. Ab Anfang Februar konnte er im Märkischen Oderland festgestellt werden, allerdings war der Halsring gebrochen. Wenn dieser abfällt bzw. nicht rechtzeitig ersetzt werden kann, wird man über das weitere Schicksal des Vogels vielleicht kaum noch etwas erfahren. Er trägt zwar auch einen Metallring (LVR-EP335), der aber schwerer abzulesen ist als das auffällige Halsband.
Ein kleiner Trupp von drei Kanadagänsen, möglicherweise das Brutpaar vom Lutteranger mit seinem Jungvogel, wurde Ende Dezember im Leinepolder und Mitte Februar im Seeanger notiert, ein Einzelvogel hielt sich im Februar über Tage an der Kiesgrube Reinshof auf.
Am 27. Januar standen sechs Weißwangengänse an der Geschiebesperre Hollenstedt, ansonsten gab es an den Feuchtgebieten die üblichen ein bis zwei herumstreifenden Vögel.
Das Maximum rastender Tundrasaatgänse konnte am 20. Januar mit ca. 3800 Ind. im Leinepolder dokumentiert werden. Bei der Blässgans waren es 1600 Ind. am 31. Dezember ebenda. Mit dem Kälteeinbruch Mitte Februar stiegen die Zahlen an der Geschiebsperre mit bis zu 2500 bzw. 1000 Ind. wieder an. Eine am 25. November 2011 in Noord-Brabant (Niederlande) halsbandmarkierte (schwarz 5VA) Blässgans konnte am 21. Januar im Seeanger abgelesen werden. Die meisten deutschen Winter-Wiederfunde stammen aus dem Osten. Über das Brutgebiet des Vogels ist (noch) nichts bekannt.
Winterliche Brandgänse sind mittlerweile Normalität, aber gleich 15 Ind. am 3. Januar im Seeanger einer besonderen Erwähnung wert.
Das Winter-Maximum von 220 Schnatterenten am 20. Januar im Polder ist durchaus beachtlich.
Bis zu ihrem Zufrieren waren die angestauten Polderflächen auch für Pfeifenten sehr attraktiv. Sie erreichten am 31. Dezember mit mindestens 900 Ind. ein Maximum, das bis dato nur auf dem Heimzug 1999 mit insgesamt ca. 1300 Vögeln am Seeburger See und an der Geschiebesperre übertroffen wurde.
Auch Krickenten waren im Polder mit bis zu 700 Ind. am 7. Januar gut vertreten. Dies betrifft auch den Seeanger und Seeburger See, wo sich im Januar mit bis zu 180 Ind. ungewöhnlich viele aufhielten.
Eine männliche Moorente geriet am 10. Dezember an den Northeimer Kiesteichen und ab dem 19. Februar an der Geschiebesperre in den Blick. Ein gelbes Steinhuder Stigma war bei den schwimmenden Vögeln nicht zu erkennen.
Der seit dem 30. Oktober am Seeburger See präsente männliche Hybrid Tafel- x Reiherente konnte dort nach dem 28. Januar nicht mehr festgestellt werden. Möglicherweise wechselte er auf den Northeimer Freizeitsee, wo ab dem 24. Februar ein Vogel der gleichen Kombination bestimmt wurde.
Am 2. Dezember rastete eine junge Bergente auf dem Seeburger See. Ihr folgte am 19. des Monats im Leinepolder ein gleichaltriger Artgenosse. Von Ende Dezember bis zum 9. Februar (weitgehende Vereisung des Gewässers) hielten sich am Seeburger See ein bis (meistens) zwei Ind. auf, darunter ein junges Männchen. Am 3. und 4. Februar wurden drei Vögel gemeldet. Der Besuch eines weibchenfarbenen Vogels am 1. Januar auf dem Northeimer Freizeitsee war offenbar nur kurz. Am 20. Januar ließ sich an der Geschiebesperre ein weibchenfarbener Vogel bestimmen, am 27. des Monats im Leinepolder ein junges Weibchen. Ein weiterer Vogel ebenda am 7. Februar war nicht identisch mit einem Artgenossen, der ab dem 13. Februar, also nach der Vereisung der angestauten Wasserflächen im Polder, zwischen der Geschiebesperre und dem Freizeitsee pendelte. Dieser sah jedoch dem Poldervogel vom 19. Dezember recht ähnlich.
Am 19. Dezember bereicherten sechs Trauerenten die Vogelwelt des Polders ungemein.
Vom 26. Dezember bis zum 7. Februar zeigten sechs Samtenten, darunter ein junges Männchen mit temporärem Balzgehabe, am Seeburger See eine recht lange, aber für diese Art nicht untypische Verweildauer. Nach der weitgehenden Vereisung reduzierte sich ihre Zahl am 9. Februar auf zwei Ind., danach gab es keine Nachweise mehr.
Auf dem Northeimer Freizeitsee überwintern bis zu drei Rothalstaucher. Zwei Ind., die sich ab dem 10. Januar auf dem Seeburger See eingefunden hatten, mussten nach dem 7. Februar dem Eis weichen.
Anders als bei der vorgenannten Art sind Überwinterungen des Schwarzhalstauchers in unserer Region die große Ausnahme. Insofern sind zwei robuste Vögel vom 23. Dezember bis Ende Februar auf dem Northeimer Freizeitsee eine besondere Erwähnung wert.
In der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck lagen die Maximalzahlen überwinternder Silberreiher bei 35 bis 40 Ind., besonders nach dem Polderstau im Frühwinter. Im Landkreis Göttingen waren es weitaus weniger. Elf Vögel, die am 2. Dezember am Göttinger Kiessee für kurze Zeit auf den Naturschutzbalken balancierten, sind sowohl ein neuer Rastvogel-Lokalrekord als auch eine Höchstzahl für diese Strukturelemente von hoher ökologischer Wertigkeit. Der regionale Winterbestand dürfte sich auf einem mittleren zweistelligen Niveau bewegt haben. Im letzten Winter sah es ähnlich aus. Daraus eine negative Trendwende abzulesen wäre jedoch verfrüht. Wenn es mehr Mäuse gibt, könnten die Zahlen wieder steigen.
Am 4. Februar gelangte, laut “Göttinger Tageblatt”, ein angeschossener Graureiher in eine Auffangstation in Hilkerode, wo er verstarb. Die Straftat geschah bei Westerode. Ob man den Kriminellen, der “aus dem Jagdbereich” stammen soll, dingfest machen wird? Darauf wetten sollte man besser nicht…
Milde Temperaturen bis Ende Januar, wenig Schnee und das opulente Angebot von Überschwemmungsflächen ermöglichten der Rekordzahl von mindestens zehn Weißstörchen die erfolgreiche Überwinterung, vor allem im Leinepolder Salzderhelden und Umgebung sowie im Umfeld des Seeburger Sees. Es dürfte sich mehrheitlich um ansässige Revierpaare gehandelt haben. Im Februar waren auch andere Brutplätze recht früh besetzt. Über Abwanderungen in der klirrenden Frostwoche zum Ende des Monats ist nichts bekannt.
Nur drei Kornweihen wurden gemeldet: Ein Weibchen am 26. Dezember im Polder und je ein Männchen am 9. Februar in der Feldmark Relliehausen und am 25. Februar in der Feldmark Moringen. Damit bestätigte sich der Status als (in der Regel) eher seltener Wintergast.
Fast schon Normalität: In der letzten Februardekade mischte ein junger Seeadler die Wasservögel am Freizeitsee und an der Geschiebesperre auf.
Noch seltener als Kornweihen traten winterliche Merline in Erscheinung: Am 26. Dezember hielt sich im Polder ein junges Weibchen auf.
Bedingt durch die milde Witterung stotterte der Wegzug der Kraniche vor sich hin. Am 21. Dezember rasteten noch 500 Ind. im Leinepolder. In der ersten Januardekade belebte sich das Zuggeschehen mit knapp 2000 Kälte-/Schneeflüchtern aus dem Nordosten. Bereits ab dem 1. Februar konnten erste Heimzugaktivitäten notiert werden. Bis zum 20. des Monats zogen mindestens ca. 2700 Ind. nach Nordosten – kühn der Kälte entgegen. In dieser Summe sind akustische Wahrnehmungen in der Dunkelheit nicht enthalten, daher könnten es auch einige mehr gewesen sein.
Wasserrallen sind auch im Winter an einigen Gewässern (vor allem am Seeburger See, wo heuer bis zu sechs vernommen wurden) nicht selten anzutreffen. Dagegen fiel je ein rufender Vogel am 2. Januar in der Schwülmeaue bei Adelebsen und am 30. Januar in der Göttinger Weststadt, in einem Brombeergebüsch neben einer überschwemmten Wiese, aus dem Rahmen.
Im Dezember ließen sich verbreitet noch Trupps des Kiebitz’ ausmachen. Die größte Anzahl wurde am 18. mit mindestens 220 Ind. am Seeanger registriert. Auch im Januar waren sie noch präsent, im Polder und an der Geschiebesperre Hollenstedt hielten sich Gruppen von knapp 40 Vögeln auf. Im kalten Februar war es ähnlich. Größere Heimzugbewegungen waren bis zum Ende des Berichtszeitraums nicht zu vermelden.
Am 10. Januar erschien an der Geschiebesperre ein Flussregenpfeifer, der dort bis (mindestens) zum 26. Februar ausharrte. Eine Überwinterung hat es in unserer Region noch nie gegeben, auch deutschlandweit war dieser optimistische Vogel einzigartig! Gleichwohl steht zu befürchten, dass er es nicht geschafft hat. Bei den extremen Wetterbedingungen dürfte sich das Nahrungsangebot weiter verschlechtert haben.
Am 29. Dezember zogen sechs Große Brachvögel aus dem Polder nach Nordwesten ab, am 20. Januar geriet ebenda noch ein Einzelvogel in den Blick.
Eine Waldschnepfe wurde am 19. Dezember am Westberg bei Harste hochgemacht. Ein weiterer Vogel flog am 31. Januar an der Rase bei Tiefenbrunn auf. Am 22. Februar gerieten in der Dämmerung nahe Eberhausen zwei umher fliegende Ind. in den Blick, am 25. Februar ein Einzelvogel ebenda.
Im Februar konnten in einem Sumpf im westlichen Landkreis Göttingen bemerkenswerte sieben Zwergschnepfen gezählt werden. Am 24. des Monats wurde ein Ind. an einem Graben südlich der Gartemühle bei Göttingen aufgescheucht.
Die Höchstzahlen überwinternder Bekassinen liegen von der Geschiebesperre mit bis zu 16 Ind. vor. Das Ausharren in der kalten Jahreszeit ist in unseren Gefilden, trotz “globaler Erwärmung”, gerade für Feuchtgebietsarten immer mit Risiken behaftet und kann jederzeit ein fatales Ende nehmen. Sind die Überlebenschancen unter wärmeren Bedingungen besser? Nicht unbedingt: Allein in Frankreich wurden in der Jagdsaison 2013/14 neben 43.183 Zwergschnepfen unfassbare 177.888 Bekassinen abgeknallt – als beliebter Volkssport und ganz legal…(Dutch Birding 40: 48).
An der Geschiebesperre überwinterte ab dem 14. Januar ein Waldwasserläufer.
Von der Steppenmöwe gab es zwölf Beobachtungen, die meisten vom Seeburger See, wo am 26. Dezember gleich drei Vögel notiert wurden. Die anderen stammten vom Göttinger Kiessee und der Geschiebesperre. Fast alle waren Altvögel.
Ringeltauben waren häufiger unterwegs als in anderen Wintern, teils in größeren Schwärmen. Mit 800 Ind. wurden die meisten am 23. Januar bei Obernjesa gezählt.
Aus lokaler Sicht sind 15 Türkentauben am 18. Dezember in Harste erwähnenswert.
Vom Eisvogel liegen 84 Beobachtungen vor. Das sind nur etwa halb so viele wie im letzten Winter (156 Beobachtungen). Möglicherweise haben wiederholte Starkregenereignisse und Hochwasserlagen Bruterfolg und Überleben beeinträchtigt.
Am 26. und 30. Januar quäkte an der Leine am Rand der Göttinger Weststadt ein Mittelspecht, nicht weit entfernt von dem urwüchsigen Wäldchen zwischen Leine und Gronemündung, das durchaus zum Brüten geeignet wäre. Der einzige bekannt gewordene Nachweis aus diesem Bereich liegt jedoch lange zurück und stammt aus dem Frühjahr 1996. Ob es sich bei einem Artgenossen, der im Februar mehrfach am Göttinger Kiessee gesehen und gehört wurde (vgl. auch eine Beobachtung vom 22. Oktober ebenda im vorigen Bericht) um denselben Vogel gehandelt hat, muss offen bleiben. Auf jeden Fall liegen, als regionale Novität, erste Hinweise auf Winterreviere in einiger Entfernung zu geschlossenen Waldgebieten vor.
Vom Raubwürger kaum Neues: Er konnte als standortstreuer Winter-Reviervogel (mindestens drei Beobachtungen) auf dem Kerstlingeröder Feld, in der Feldmark östlich von Tiftlingerode sowie am ehemaligen Grenzstreifen bei Duderstadt ausgemacht werden. Am Diemardener Berg und in der Feldmark Atzenhausen ließ er sich zweimal blicken. Einzelbeobachtungen kommen aus dem Bratental, aus der Feldmark Gö.-Deppoldshausen und aus dem Hochsolling (Neuer Teich).
Saatkrähen waren, sehr erfreulich, deutlich besser vertreten als in anderen Wintern. In der südlichen Göttinger Feldmark bis kurz vor Niedernjesa überwinterten ca. 35 Vögel, im Februar konnten dort sogar bis zu 70 Ind. gezählt werden.
Das Januar-Maximum von 43 Feldlerchen am 26. des Monats in der Feldmark Gö.-Geismar fiel angesichts der milden Temperaturen eher mager aus.
Am Seeanger flogen am 23. Dezember mindestens zehn Bartmeisen umher.
Von der nordöstlichen, bei uns sehr selten in Erscheinung tretenden Nominatform der Schwanzmeise (nicht zu verwechseln mit weißköpfigen Vertretern der hier vorkommenden Unterart) liegen drei Beobachtungen von zwei Vögeln vor, beide fotografisch dokumentiert: Vom 1. und 5. Januar in Hann. Münden sowie vom 13. Februar im Forstbotanischen Garten im Göttinger Norden. Sie waren ohne Artgenossen unterwegs (in Münden zusammen mit Blaumeisen), was für das regionale Auftreten typisch ist.
Rekordverdächtige 25 Zilpzalpe sorgten für Aufmerksamkeit. Hinweise auf durchgehende Überwinterungen (bei uns sehr selten) gab es von der Kläranlage in der Göttinger Weststadt. An diesem neu erschlossenen Hotspot konnten am 17. Dezember bis zu fünf Ind. ausgemacht werden, auch im Januar/Anfang Februar hielten sich dort noch bis zu drei Vögel auf. Vom Seeburger See gibt es Anzeichen für das Durchhalten von ein bis zwei Ind. Wie es den zarten Insektenfressern ab Mitte Februar ergangen ist bleibt ungewiss.
Gab es, wie mancher vermuten würde, ähnlich viele ausharrende Mönchsgrasmücken? Von wegen! Ganze zwei Männchen wurden notiert, am 2. Januar in Duderstadt und am 14. Januar an einem Rosdorfer Meisenknödel.
Vom Sommergoldhähnchen existieren fünf Beobachtungen von insgesamt sieben Ind. Diese Zahl bewegt sich ungefähr in der Größenordnung des vergangenen Winters. Ob sich ein anhaltend positiver Trend abzeichnet bleibt abzuwarten.
Am 11. Januar suchten vier Seidenschwänze die Nähe des Polizeireviers in Gö.-Weende. Das war’s auch schon mit dem von einigen erhofften Masseneinflug…
Am 20. Januar wurden, als große Ausnahme, im Leinepolder 400 Stare gezählt. Ansonsten war der “Vogel des Jahres 2018″ im Hochwinter nur im niedrigen zweistelligen Bereich vertreten. Damit bestätigte sich erneut, dass das Ausharren von Vogelarten nicht allein von den Temperaturen bestimmt wird, sondern genauso von einer Vielzahl anderer Faktoren (vgl. das Starenporträt auf dieser Homepage).
Anders als in klimatisch milderen Regionen Westdeutschlands weist die Chronik unserer Vogelwelt über Jahrzehnte nur die buchstäbliche Handvoll Hochwinterbeobachtungen der Singdrossel auf. Auch in diesem Winter gab es keinen Nachweis, nicht einmal von einem verbummelten Dezember-Vogel. Im starken Kontrast dazu wurden bei der NABU-”Stunde der Wintervögel” Anfang Januar aus 599 Gärten in den Landkreisen Göttingen und Northeim 33 Singdrosseln gemeldet. Obwohl nicht auszuschließen ist, dass sich darunter der ein oder andere korrekt bestimmte Futterhausbesucher befunden haben könnte, sind Verwechslungen mit anderen Drosselarten, speziell mit dem verbreiteten Wintergast Misteldrossel, um einiges wahrscheinlicher. Solche Mondzahlen sind der Aussagekraft dieses als “wissenschaftliches Erfassungsprogramm” beworbenen Events kaum förderlich. Auch dienen sie leider häufig als pauschaler Beleg, dass “Zugvögel immer mehr zu Standvögeln werden”…
Wie im letzten Winter überwinterte in der Feldmark südlich von Göttingen ein Schwarzkehlchen, diesmal vor allem auf einem großen Rübenacker, der wegen der Nässe nicht abgeerntet werden konnte und später nur die Biogasanlage befeuterte.
So viele Hausrotschwänze gab es noch nie in einem Winter: Es liegen Meldungen zu mindestens 30 verschiedenen Ind. vor. Die meisten Dezember-Vögel im Offenland (z.B. bis zu neun Ind. in der Feldmark Rosdorf) betrafen wohl den späten Wegzug. In Göttingen gab es einmalige Konzentrationen an einigen günstigen Ecken. Auf dem aus dem letzten Winterbericht bekannten begrünten Flachdach (mit “Fußbodenheizung”) in der Göttinger Weststadt verweilten über Wochen bis zu fünf Ind. Ähnlich sah es an der Kläranlage im Göttinger Westen aus, wo sich ebenfalls bis zu fünf Vögel einfanden. An der JVA Rosdorf, einem weiteren beliebten Winter-Luftkurort, ließen sich bis zu drei ausmachen. Hinweise auf einen ausharrenden Vogel stammten wie im letzten Jahr von der Norduni. Im weiteren Verlauf gingen die Zahlen aber zurück. Am Klärwerk wurde nach dem 17. Januar kein Hausrotschwanz mehr gesehen. Die Flachdach- und Knastpopulationen schrumpften im Februar auf jeweils ein bis zwei Vögel, so dass sich am vertrauten Regionalbild von Überwinterungen, die selten erfolgreich verlaufen, letztlich kaum etwas änderte. Gleichwohl ist ein positiver Trend bei den Zahlen, in schneearmen Wintern wohlgemerkt, unverkennbar.
Aus dem Januar gibt es bemerkenswerte 23 Beobachtungen von insgesamt 29 Heckenbraunellen. Wie viele länger verweilten ist wegen ihres heimlichen bzw. unauffälligen Verhaltens schwer zu sagen. Immerhin: In den beiden Göttinger Botanischen Gärten überwinterte je ein Vogel. Auch das traditionelle Überwinterungsareal am Northeimer Freizeitsee war wieder besetzt. Hinweise auf ein langes Ausharren lagen auch von der Göttinger Norduni vor.
Der am 2. Oktober 2016 von M. Mooij mit einer Tonaufnahme belegte Waldpieper über dem Kerstlingeröder Feld ist von der Deutschen Avifaunistischen Kommission (DAK) anerkannt. Damit steht die regionale Artenliste jetzt bei 331 Arten/Taxa.
Nennenswerte hochwinterliche Ansammlungen des Wiesenpiepers gab es nur am 13. Januar in der “Kalahari” (GVZ III) im Göttinger Westen sowie am 21. Januar am Seeanger, mit jeweils 15 Ind.
Mehr vom Winter- und Heimzugvorkommen des Bergpiepers im nächsten Bericht.
Am Göttinger Klärwerk überwinterten ca. zwei bis drei Gebirgsstelzen. Das ortsfeste Ausharren ist durchaus ungewöhnlich. Meist fliegen die Vögel weit umher, was eine Quantifizierung des Winterbestands schwierig macht. Dieser dürfte in Göttingen (Kiessee, Flüthewehr, Leinekanal, Levin-Park) grob geschätzt bei ca. fünf Ind. gelegen haben, mit den Klärwerkern also um die acht, was einen Bestand im guten Durchschnitt anzeigt.
Sehr ungewöhnlich sind bis zu 100 wagemutige Bachstelzen, die sich im Januar peu à peu an Überschwemmungsflächen in der Feldmark Reinshof versammelten. Zunächst machten sie einen munteren Eindruck. Dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Anfang Februar trat die berüchtigte Gülle-Bewegung auf den Plan und verwandelte die Felder in Kloaken, über denen ein beißender Gestank von Ammoniak hing. Die Vögel waren zum Ausweichen gezwungen. Ende Februar konnten in der Feldmark Geismar noch ca. 30 Ind. ausgemacht werden, denen es bei zunehmender Vereisung, strengem Frost und einem grimmigen Ostwind alles andere als gut ging… Immerhin wärmte, bei mäßigen Minusgraden tagsüber, die Sonne schon etwas.
Vom gigantischen Herbsteinflug von Kernbeißern nach Mittel- und Westeuropa ist unsere Region allenfalls gestreift worden. Nur der Göttinger Stadtfriedhof, wo bis zu 60 Ind. herumzickten, lieferte einen matten Abglanz.
Über das Auftreten nordischer “Trompetergimpel“, deren Aufenthalt sich bis Ende März hinziehen kann, wird im nächsten Bericht Auskunft gegeben.
An der Otto-Hahn-Straße in Gö.-Weende überwinterten, wie in den Jahren zuvor, bis zu elf Girlitze.
Wie diffizil sich die Einordnung mancher Beobachtungen gestalten kann, zeigt das folgende Beispiel: Am 30. Januar geriet in der Feldmark Wiershausen ein hektischer Schwarm von ca. 40 Finkenvögeln ins Blickfeld eines Beobachters. Die perfekt verfasste Beschreibung mit Auflistung buchstäblich aller Bestimmungsmerkmale (einschließlich des Gesangs!) kann eigentlich nur den Schluss zulassen, dass es sich um Berghänflinge gehandelt hat. Fotos und/oder Tonaufnahmen, die letzte Zweifel hätten ausräumen können, liegen leider nicht vor. Einen Schwarm in dieser Größenordnung hat es in unserer Region zuletzt vor mehr als 30 Jahren gegeben. Mittlerweile ist die Art hier eine echte Rarität. Der jüngste Nachweis (von zwei Ind.) stammt aus dem November 2013 aus der Feldmark Behrensen. Auch der Aufenthaltsort der Vögel im waldreichen Bergland fällt aus dem Rahmen: Bis dato wurden Berghänflinge fast nur auf ausgedehnten Offen-/Ruderalflächen im Leinetal oder im Eichsfeld beobachtet.
Der imposante, bereits im Vorbericht erwähnte Einflug von östlichen Birkenzeisigen hielt auch im Winter unvermindert an. Er kulminierte am 7. Januar am Seeburger See mit einem kolossalen Schwarm von ca. 1200 Vögeln, unter denen sich auch ein paar andere Finken verborgen haben könnten. Die größte beim Einflug 1995 notierte Ansammlung war weniger als halb so groß.
Der Fang eines in Nordostchina (Provinz Heilongjiang) beringten “Taigabirkenzeisigs” am 24. Dezember in Dänemark beleuchtet eindrucksvoll, aus welchen Großräumen zumindest einige dieser Vögel nach Europa geflogen sind. Singulär sind solche Nomaden nicht: Mittlerweile liegen seit 1985 mindestens sieben Wiederfunde vor (vgl. V. van der Spek in www.turnstones.org), sowohl von in Nordostchina beringten Vögeln in Westeuropa als auch umgekehrt. Zwischen Beringungs- und Wiederfundort lagen jeweils 6000 bis mehr als 7000 km. Die Zeitspanne schwankte zwischen ungefähr einem Jahr und mehr als vier Jahren. Man kann staunend nachvollziehen, wie die agilen Kerlchen munter durch den endlosen eurasischen Waldgürtel stromern und vermutlich, je nach Nahrungsangebot, irgendwo auch Zeit zum Brüten finden.
Interessant ist auch der vergleichsweise hohe Anteil von “Alpenbirkenzeisigen”. Sie traten zwar deutlich spärlicher als ihre hellen Artgenossen in Erscheinung, bildeten aber ebenfalls ansehnliche Schwärme wie z. B. mit mindestens 180 Ind. am 18. Dezember am Seeburger See. Das Verbreitungsgebiet des “Alpenbirkenzeisigs” ist, verglichen mit den Taigabewohnern, recht klein und im Wesentlichen auf Teile Mittel- und Westeuropas beschränkt. Woher stammten diese Vögel? Wurden sie erst in Mitteleuropa mitgerissen? Oder gibt es auch im Osten Birkenzeisige, die so dunkel sind?
Bei der schieren Masse der Invasoren war es fast schon unvermeidlich, dass einige sehr helle Individuen vor die Optik gerieten. Einer dieser als “Polarbirkenzeisig” gemeldeten Kandidaten vom 22. und 23. Dezember nahe dem Seeanger wies Merkmale auf, die in dieser Kombination nicht zu einer der bislang bekannten Formen passten. Ein weiterer vom 1. und 10. Februar am Seeburger See wirkte auf den (”miesen”) Fotos sehr hell (”Schneeball”). Hier gingen namhafte, vom Beobachter angefragte Experten von einem sicheren “Polarbirkenzeisig” aus. In den Augen anderer, bei weitem nicht so prominenter Vogelkenner lassen Fotoqualität und Beobachtungsumstände eine sichere Diagnose nicht zu. Die DAK, die als letzte Instanz über die Validität der Nachweise zu befinden hat, ist wahrlich nicht zu beneiden…
Eine Grauammer hielt sich am 14. Februar in der Feldmark Atzenhausen in einem Schwarm Goldammern auf. Im vergangenen Winter gab es Nachweise aus der Feldmark Reinshof und vom Northeimer Freizeitsee. Bahnt sich hier eine interessante Entwicklung an?
An den ehemaligen Tongruben Siekgraben überwinterten, aus regionaler Sicht bemerkenswert, zwei Rohrammern.
Damit schließt dieser Bericht, der nahezu komplett auf Angaben in unserer Datenbank ornitho.de beruht.
Hans H. Dörrie
Ein herzlicher Dank geht an die Beobachterinnen und Beobachter:
P.H. Barthel, B. Bartsch, R. Bayoh, S. Böhner, J. Bondick, M. Borchardt, G. Brunken, J. Bryant, A. Delius, H. Dörrie, K. Dornieden, M. Drüner, M. Fichtler, M. Georg, K. Gimpel, M. Göpfert, F. Grau, C. Grüneberg, W. Haase, F. Hadacek, A. Hartmann, F. Helms, O. Henning, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, S. Hörandl, S. Hohnwald, D. Jákli, M. Jenssen, A. Juch, K. Jünemann, R. Käthner, H.-A. Kerl, P. Kerwien, P. Keuschen, J. Kirchner, F. Kleemann, A. Krätzel, M. Kuschereitz, V. Lipka, G. Mackay, T. Meineke, H. Meyer, S. Minta, M. Mooij, M. Otten, S. Paul, F. Petrick, B. Preuschhof, J. Priesnitz, S. Racky, D. Radde, U. Rees, B. Riedel, H. Rumpeltin, C. Schmidt, H. Schmidt, D. Schopnie, M. Schulze, L. Sebesse, M. Siebner, A. Stumpner, A. Sührig, D. Trzeciok, F. Vogeley, W. Vogeley, K. Wagner, C. Weinrich, J. Weiss, A. Wiedenmann, D. Wucherpfennig und andere.