Heimzug und Brutzeit 2022 – die Vögel singen weiter

Abb. 1: Kuhreiher im Prachtkleid an der Geschiebesperre Hollenstedt Foto: M. Göpfert

Wie schön ist es, den Vögeln nachzuspüren, fernab vom Getriebe einer Welt, die immer dramatischer aus den Fugen gerät. Dass auch die Gefiederten, neben Fledermäusen, Schweinswalen und zahllosen anderen Lebewesen, einen hohen Preis zahlen müssen, um die „Rettung des Weltklimas“ und die Abkehr von einem skrupellosen Autokraten zu bewerkstelligen, mit dem eine auf grenzenloses Wachstum ausgerichtete Wirtschaft und ihre politischen Handlanger jahrzehntelang gute Geschäfte gemacht haben, scheint unausweichlich. „Energiewende“, Krieg gegen die Ukraine, die immer noch grassierende Coronakrise, globale Lieferengpässe, steigende Inflation, weltweite Verteilungskämpfe und die rasante Zuspitzung von Spannungen in den Krisenregionen der Welt sind Symptome, die das Ende des herkömmlichen Macht- und Herrschaftsgefüges einläuten. Wie es in den kommenden Monaten und Jahren gerade den Menschen ergehen wird, die jetzt schon von akuter Armut betroffen sind, kann man sich ausmalen. Nur so viel: Neun Euro-Ticket, Tankrabatt und 300 Euro Einmalzahlung werden an der Misere nichts ändern…
Der Natur- und Artenschutz wird seit Kurzem ungeniert zur Disposition gestellt, wenn es darum geht, die Reste unserer Kulturlandschaft in gigantische, nunmehr auf „grün und nachhaltig“ getrimmte Industriegebiete zu Land und zu Wasser zu verwandeln. Der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien, um der drohenden Knappheit von Öl und Gas zu begegnen – wohlgemerkt bei fehlenden Speicherkapazitäten für überschüssigen Strom aus Wind und Sonne! – ist eine teure Schnapsidee. Das Flehen von Natur- und Vogelschutzorganisationen, diesen Prozess – bei allgemeiner Zustimmung zu dessen Zielen! – irgendwie „naturverträglich“ zu gestalten, belegt nur, wie zahnlos diese staatlich subventionierten Verbände sind. Folgerichtig werden sie, wie jüngst bei der Errichtung des neuen Flüssiggas-Terminals bei Wilhelmshaven, erst gar nicht gefragt und die Dinge nehmen ihren Lauf…
Soll man es halten wie Karl Kraus, der größte Satiriker deutscher Sprache, zum Beginn des 1. Weltkriegs: „Wer jetzt etwas zu sagen hat, der trete vor und schweige“?

Abb. 2: Von Windrädern getötete Rotmilane dürften an Zahl weiter zunehmen Foto: M. Siebner

Das Wetter im Berichtszeitraum März bis Juni 2022 gestaltete sich, mit einer Ausnahme, nicht besonders wechselvoll. Die Temperaturen lagen im März im normalen Bereich, die Niederschläge waren mit 11 l/m² weit unterdurchschnittlich. Im April fielen ca. 35 l/m² Niederschlag, auch nicht gerade üppig. Die Höchsttemperaturen blieben, nach einem kalten Monatsbeginn mit Schneefall in den Hochlagen, eher moderat und überschritten an keinem Tag die Grenze von 24°C. Der Mai war insgesamt warm, während Regen mit ca. 27 l/m² sich wiederum rar machte. Zum Monatsende gab es einen kleinen Kälteeinbruch mit maximal 13°C. Am 20. brachte der Sturm „Emmelinde“ bei uns nur wenig Regen. Dafür pflügte er als Windhose eine sieben Kilometer (!) lange und 250 Meter breite Schneise durch den Solling. Danach verwüstete er das idyllische Dorf Mackensen – Vogelkundigen durch die Nachweise von Zwerg- und Kappenammer bekannt – und den Nachbarort Merxhausen. Im Juni war es ähnlich trocken und wiederum recht warm. Am 18. sorgte eine kleine Hitzewelle für die Höchsttemperatur von 33,3°C in diesem Frühjahr.
Die aus dem Winter stammenden Überschwemmungs- und Anstauflächen blieben im Leinepolder Salzderhelden bis weit ins Jahr erhalten und boten zahlreichen Wasservögeln und Limikolen optimale Rast- und Nahrungsbedingungen.
Genug der Präliminarien: Jetzt kommen die Vögel zu Wort, die eine ganze Menge zu berichten haben!

Phänologische Besonderheiten des Heimzugs gab es, bis auf späte Bergfinken (siehe im Text), wohl keine. Die Referenzarten Kuckuck (Erstbeobachtung am 20. April), Nachtigall (13. April) und Dorngrasmücke (15. April) traten an eher traditionellen Daten auf. Wahrscheinlich verhinderte der kalte Monatsbeginn im April das aus den letzten Jahren bekannte frühe Vorpreschen. Überregional wurde von verspäteten Ankünften von Seglern und Schwalben berichtet.

Erfolgreiche Bruten des Höckerschwans gab es am Böllestau bei Hollenstedt (acht Kleine), an den Northeimer Kiesteichen (sieben Kleine), am Göttinger Levin-Park (sieben Kleine, darunter vier immutabilis), am Rückhaltebecken in Gö.-Grone (sechs Kleine, darunter zwei immutabilis, später von der Tierrettung an den Kiessee verfrachtet, danach nur noch fünf), nach zwei Anläufen im Seeanger (fünf Kleine), an der Kiesgrube Ballertasche (fünf Kleine) und an der Werra beim Letzten Heller (zwei Kleine). Über den Ausgang von zwei Bruten im Leinepolder Salzderhelden ist nichts bekannt.

Im Leinepolder Salzderhelden verlief eine Brut der Kanadagans mit (letztlich) drei flügge gewordenen Kleinen erfolgreich. Der Goliath unter den gefiederten Neozoen scheint sich in der Region zu etablieren.
Die niedliche Zwergkanadagans „Candy“, ein kapriziöses Persönchen sondergleichen, das seit dem September 2019 in Göttingen einen großen Freundeskreis um sich versammeln konnte, ist leider tot. Sie wurde um den 30. Mai von einem Auto überfahren. Dies geschah an der Bürgerstraße nahe dem Kreishaus, wo sie vermutlich wieder einer weiblichen Stockente bei der Brut assistiert hatte. Wegen Coronarestriktionen konnte dies aber nicht weiter verfolgt werden. Zuvor hatte sie in waghalsigen Aktionen die Bürgerstraße unsicher gemacht. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Jetzt ist die Trauer groß. Am Kiessee, ihrem bevorzugten Aufenthaltsort mit vielen ihr wohlgesinnten Besucherinnen und Besuchern, wird sie besonders schmerzlich vermisst. Gleichwohl: Göttingen ist berühmt für seine gefiederten Maskottchen, die Schneegans „Susi“, die Mandarinerpel „Cheech & Chong“, die Brautentenerpel „Guido & Klaus“, die Warzenente „Claudia“ oder das flugunfähige Gänsesägerweibchen „Wilma“: Sie alle haben unsere Stadt mehr bereichert als irgendwelche Marketing-Events. Auch die Malaienente „Agathe“ und die weiße Hausente „Flittchen“ (samt ähnlich gefärbten Sprösslingen) am Seeburger See und Seeanger bleiben in guter Erinnerung. Vielleicht bzw. hoffentlich ist bald ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin von „Candy“ in Sicht…

Abb. 3: Lebewohl, „Candy“. Foto: A. Bischoff

Im zeitigen Frühjahr patrouillierten bis zu drei Weißwangengänse an den Feuchtgebieten der Region. Später war es nur noch ein Einzelvogel, der die Gesellschaft von Graugänsen suchte.
Das Frühjahrsmaximum der Tundrasaatgans wurde am 8. März mit bis zu 1200 Ind. an der Geschiebesperre Hollenstedt erreicht. Ein Bummelant ließ sich noch am 11. Mai im Leinepolder zwischen Graugänsen ausmachen.
Von den drei bis vier verbliebenen Kurzschnabelgänsen (vgl. den Winterbericht) hielt es ein Vogel bis zum 15. April im Leinepolder aus.
Am 24. März bevölkerten ca. 4000 Blässgänse als Maximum auf dem Heimzug den Leinepolder. Ein Ind. blieb bis weit in den Mai.
Bruten der Graugans mit Schlupferfolg gab es im Leinepolder Salzderhelden (fünf), am Böllestau bei Hollenstedt (eine), an der Geschiebesperre Hollenstedt (vier), an den Northeimer Kiesteichen (eine), am Northeimer Freizeitsee (drei), an der Rhumeaue bei Katlenburg-Lindau (eine), am Seeanger (zwei), am Seeburger See (vier), am Göttinger Levin-Park (drei), am Göttinger Kiessee (sieben), am Rasespring bei Mengershausen (eine), am Wendebachstau bei Reinhausen (sechs) und an der Sandgrube Meensen (eine). Die Übersicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unvollständig. Doch deuten 39 Bruten darauf hin, dass die Zeiten starker Zunahme wohl vorbei sind. Grund dafür ist die gestiegene Prädation von Waschbär, Wildschwein und Co., die den Vögeln das Leben schwer macht.
Die letzte der ursprünglich drei Pommerngänse präsentierte an der Geschiebesperre Hollenstedt bis zum 13. Mai ihr ausladendes Hinterteil, in der einschlägigen Fachliteratur „Brazilian Butt“ genannt.
Die Nilgans hatte Schlupferfolg am Sollingrand nahe Delliehausen, am Denkershäuser Teich (Baumbrut in Lagershausen), an der Geschiebesperre Hollenstedt (zwei Paare, eines führte zwei offenbar adoptierte Kleine), an der Kiesgrube Angerstein, im Seeanger (zwei Paare), am Göttinger Stadtfriedhof (Premiere), am Göttinger Kiessee (zwei Paare), am Rasespring bei Mengershausen, an der Sandgrube Meensen und in Hann. Münden. In Gillersheim gab es eine Brut in einem Schleiereulen-Nistkasten. Im Nistkasten an der Göttinger Johanniskirche lagen, neben vier Turmfalkeneiern, zehn erkaltete Nilganseier. Der Betreuer verkleinerte daraufhin das Einflugloch. Dies war sicher auch im Interesse der Vögel, denn Nilgansbruten dürften in der Innenstadt kaum von Erfolg gekrönt werden. 13 erfolgreiche Bruten (plus zwei aus dem Winter) belegen, selbst bei Erfassungslücken vor allem im ländlichen Raum, für unsere Region keineswegs eine rasante Zunahme. Das hinderte den Vorgänger der amtierenden Göttinger Oberbürgermeisterin am 3. Juli anlässlich einer PR-Veranstaltung zur Eröffnung des neuen Biotops südlich vom Flüthewehr nicht, bar jeder Sachkenntnis von „500 Nilgänsen“ zu schwadronieren, die am Kiessee einheimische Arten verdrängen…
Zehn bunte Brandgänse, die am 28. April auf dem Northeimer Freizeitsee einfielen, zeigten das Maximum für diese Art an.
Am 19. Juni schmückten acht Rostgänse (vier Männchen und vier Weibchen) den Göttinger Kiessee. Aus lokaler und auch regionaler Sicht ist das eine bemerkenswerte Zahl und das Maximum für den Berichtszeitraum. Anderswo gab es die üblichen Einzelvögel und kleinen Trupps von bis zu fünf Ind. zu sehen.

Die Mandarinente, ein von einigen Vogelenthusiasten heiß ersehnter Brutvogel, war in diesem Frühjahr vergleichsweise gut vertreten. Am 6. März zierte ein Weibchen die Rhumequelle bei Rhumspringe. In Duderstadt ließ sich im März zweimal ein Männchen blicken. Am 21. März sorgte ein Männchen bei Mengershausen am Rasespring nahe der Asklepios-Klinik für therapeutisches Wohlbehagen. Bei einem Paar an der Weser bei Bursfelde wurde ein Entweichen aus Gefangenschaft vermutet, das letztlich auch auf die anderen hier vorgestellten Vögel zutrifft. Die von uns nächsten Paare mit Bruterfolg siedeln als etablierte Neubürger in Hannover.
Zwei schmucke Brautenten, ein Männchen und ein Weibchen, gaben sich in Göttingen die Ehre: Das Weibchen machte am 11. und 12. April im Levin-Park sowie am 27. April am Rasespring bei Mengershausen auf sich aufmerksam, das Männchen (mit Züchterring) hielt sich vom 27. April bis zum 5. Mai am Levin-Park sowie vom Abend des 5. Mai bis zum 29. des Monats am Kiessee auf. Am 28. April waren beide im Levin-Park kurzzeitig verpaart, konnten aber letztlich nicht zueinander finden.

Abb. 4: Männliche Brautente im Göttinger Levin-Park. Foto: M. Siebner

Am 26. Juni wurde im Seeanger, einem mittlerweile traditionellen Brutplatz, ein Weibchen der Schnatterente mit acht Kleinen entdeckt. Im März rasteten bis zu 200 Ind. auf den ausgedehnten Wasserflächen im Leinepolder Salzderhelden. Die Zahl von 180 Ind. am 18. Mai ebenda ist ebenfalls eine Erwähnung wert.
Die Rastzahlen der Pfeifente bewegten sich im Polder auf einem ähnlichen Niveau wie bei der vorgenannten Art. Durchaus bemerkenswert ist ein Männchen am 12. Juni in diesem Gebiet.
Etwas zahlreicher war die Krickente im zeitigen Frühjahr mit bis zu 450 Ind. ebenda vertreten.
Heimziehende Spießenten fanden mit bis zu 120 Ind. vor allem im Polder optimale Bedingungen vor. Ein Männchen, das im Juni über Wochen im Seeanger präsent war, kann nicht als Hinweis auf eine Brutansiedlung gewertet werden.
Bemerkenswerte 77 Knäkenten bevölkerten am 27. März den Leinepolder.
Im April kulminierten die Heimzugzahlen der Löffelente im Polder am 25. des Monats in beachtlichen 210 Ind. Am Seeburger See und Seeanger lagen die Zahlen durchweg im zweistelligen Bereich.
Ein Paar der Kolbenente glänzte am 5. März auf dem Seeburger See, am 18. des Monats tat dies dort ein Männchen. Ob ein Vogel am selben Tag am Northeimer Freizeitsee gleichen Geschlechts war, ist offen. Einzelne Männchen (vielleicht immer dasselbe) gerieten am 15. April im Leinepolder sowie am 22. April und am 1. Mai am Seeburger See in den Blick.
Ein sonderbarer Tauchenten-Hybrid sorgte am 10. und 11. Mai an der Geschiebesperre für Irritationen. Vom Experten J. Lehmhus (Braunschweig) ließ er sich als Hybrid Kolben- x Reiherente bestimmen, eine seltene Kombination.

Abb. 5: Seltene Kolben- x Reiherente an der Geschiebesperre. Foto: B. Riedel

Eine weibchenfarbene Moorente fiel Anfang März im Leinepolder auf und wurde später von einem Männchen abgelöst, das bis zum 14. des Monats blieb.
Die Rastzahlen der Tafelente, einer im Bestand stark rückläufigen Art, bewegten sich fast immer im zweistelligen Bereich. Nur am 5. März wurde im Polder die Grenze von 100 Ind. erreicht.
Etwas besser war die Reiherente mit bis zu 350 Ind. im Polder vertreten. Am 13. Juni machte sich, aus regionaler Sicht recht früh, an der Leine bei Bovenden ein Weibchen mit drei Kleinen bemerkbar.
Der anhängliche Hybrid Tafel- x Reiherente tat seine Begeisterung für die Northeimer Kiesteiche und den Leinepolder bis zum 23. April kund.
Das Maximum von 13 Ind. der Schellente stammt interessanterweise vom Seeburger See am 17. März. An der Geschiebesperre Hollenstedt waren bis zu zwölf Ind. präsent.

Zwergsäger waren nur noch im niedrigen einstelligen Bereich vertreten, zumeist am Seeburger See. Der letzte Vogel der Saison hielt sich bis zum 3. Mai dort auf.
Ähnlich schwach waren Gänsesäger zugegen. Hinweise auf Bruten im Umfeld der Geschiebesperre gab es im Berichtszeitraum nicht, nur die üblichen Übersommerungen mausernder Vögel.
Am 18. April rasteten fünf weibchenfarbene Mittelsäger auf dem Northeimer Freizeitsee, am 22. April ein Paar ebenda.

Über das Auftreten der Wachtel wird im Folgebericht Auskunft gegeben.
Bedauernswerte Fasane (mit hoher Wahrscheinlichkeit von Jägern ausgesetzt) vegetierten am 20. April bei Gerblingerode, am 25. Mai westlich Bischhagen, am 1. Juni in der Feldmark Rollshausen sowie am 2. und 10. Juni in der Rhumeaue bei Bilshausen dem späteren Abschuss entgegen.
Die alljährlich im Frühjahr stattfindende Zählung von Rebhühnern auf 90 Kontrollflächen im Landkreis Göttingen durch die Naturschutzbiologie der Uni Göttingen ergab einen langfristig stabilen Bestand. Das Projektgebiet Gö-Geismar/Diemarden mit vielfältigen Habitataufwertungen steht mit 40 Hähnen recht gut da.

Abb. 6: Langfristige Entwicklung der Rebhuhnbestände im Landkreis Göttingen. Grafik: E. Gottschalk

Ein Ohrentaucher im Prachtkleid brachte am 30. April das „Auge des Eichsfelds“ zum Leuchten.
Maximal sechs Schwarzhalstaucher hielten sich am 23. März auf dem Northeimer Freizeitsee und am 14. April auf dem Seeburger See auf.
Die Ergebnisse für die beiden brütenden Lappentaucherarten werden im Folgebericht mitgeteilt.

Der einzige Seetaucher der Saison, ein schlicht gewandeter Sterntaucher, harrte vom 1. bis 5. Mai auf dem verrummelten Northeimer Freizeitsee aus.

Am 19. und 20. Juni delektierte sich ein Löffler an den offenen Wasserflächen im Leinepolder Salzderhelden.
Rohrdommeln waren vergleichsweise gut vertreten: Vom 4. bis 8. März am Hotspot Denkershäuser Teich (dort im Winter bis zu drei Ind.), am 16. des Monats ein weiterer (?) Vogel, erneut (?) am 12 April ebenda, am 5. März am Seeburger See sowie am 28. März im Leinepolder (abends vielleicht dasselbe Ind. über den Polder 2 fliegend) und am 26. April erneut im Polder.
Ganz erstaunlich und sehr erfreulich ist das Auftreten von Zwergdommeln in der Region. In den letzten Jahren war, anders als bei einigen anderen Langstreckenziehern, ein positiver Trend unverkennbar. Jetzt hagelte es fast schon Nachweise. An insgesamt vier Kleingewässern im Göttinger Stadtgebiet, im (erweiterten) Landkreis Göttingen und im Landkreis Northeim traten die Minireiher auf, an einem Northeimer Gewässer waren sogar zwei Männchen und ein Weibchen zugegen. Die Verweildauer reichte von einem Tag bis (in einem Fall) zu einigen Wochen.
Die Zwergdommel rangiert in der neuen Roten Liste der Brutvögel Niedersachsens in der Kategorie 1 („Vom Aussterben bedroht“), mit gerade einmal einem Revier landesweit. Auch weil das Vorkommen in kleinen Röhrichtbeständen (in der Regel außerhalb von Naturschutzgebieten mit Betretungsverboten oder auf Privatgelände) typisch ist, wurden alle Beobachtungen bei ornitho.de geschützt eingegeben. Sie werden auch hier nicht konkretisiert. Dies dient dem Ziel, schwarze Schafe unter den Fotografen, für die Zwergdommeln (auch und gerade die niedlichen, als Punks in Erscheinung tretenden Jungvögel) lohnende Objekte sind, nicht auf die Spur zu locken. Leider gibt es immer wieder Fälle, wo für ein tolles Foto alles in Kauf genommen wird, bis zum Scheitern von Bruten. Bedauerlicherweise wird der Schutz von Daten extrem gefährdeter Rote-Listen-Arten in diversen WhatsApp-Gruppen und anderen Foren unterlaufen. Das wächst sich leider zum Problem aus, auch aus regionaler Sicht.
Nachtreiher ließen sich am 1. Juni an den „Wunderteichen“ bei Höckelheim ausmachen, am 5. Juni am Göttinger Kiessee (vorjähriger Vogel, auf den Tag genau wie 2021) und am 21. Juni über den Polder 2 des Leinepolders fliegend.

Abb. 7: Nachtreiher am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Knuffige Kuhreiher (bei Anerkennung durch die AKNB dritter bzw. vierter Regionalnachweis) konnten im Landkreis Northeim bestaunt werden: Vom 25. März bis zum 5. April tummelte sich ein Vogel im Schlichtkleid im Leinepolder. Am 8. April trat erstaunlicherweise ein weiterer, sehr scheuer Vogel an der Geschiebesperre in Erscheinung, diesmal im Prachtkleid. Beide Vögel waren unberingt. Die Annahme einer Herkunft aus der frei fliegenden Population im Zoo Hannover ist alles andere als zwingend. Kuhreiher verfügen über ein enormes Dispersionspotential, das nicht nur zur Eroberung Südamerikas auf eigenen Schwingen, sondern auch zu Bruten in den Niederlanden und in England geführt hat.
Silberreiher erreichten am 7. März mit ca. 200 Ind. im Polder ein beeindruckendes Maximum. Sogar Anfang Mai waren sie noch in zweistelliger Zahl zugegen. Nachweise im Juni sind mittlerweile Normalität.
Die Graureiher-Kolonie am Göttinger Kiessee bestand in diesem Jahr aus 17 bis 18 Brutpaaren, ein sehr gutes Ergebnis. Über den weiteren Verlauf der Bruten ist nichts bekannt, obwohl das Gebiet täglich von mehreren Beobachterinnen und Beobachtern begangen wird. Die neue Kolonie am Seeburger See umfasste sechs intakte Nester, die von fünf Paaren frequentiert wurden. Zur Kolonie bei Northeim liegen leider keine Angaben vor.
Wie vor zwei Jahren gaben Purpurreiher an den Northeimer „Wunderteichen“ am 30. Mai (zweites Kalenderjahr) und am 31. Mai (drittes Kalenderjahr) ein eher kurzes Gastspiel.

Über die Entwicklung der Bestände von Weißstorch und Schwarzstorch wird im Folgebericht Auskunft gegeben.

Vom Fischadler gibt es 40 Beobachtungen. Im Juni ließ sich keiner mehr blicken.
Weitaus seltener wurde der Wespenbussard wahrgenommen. Ganze 18 Sichtungen belegen, wie unbekannt das Vorkommen immer noch ist. In der Regel gerieten Einzelvögel ins Visier, nur am 21. Juni waren es im Friedrichshäuser Bruch/Hochsolling zwei Vögel.
Einen imposanten Anblick boten sieben Gänsegeier, von denen am 12. Mai an der Geschiebesperre sechs recht niedrig nach Nordosten und einer eher nach Südosten zogen. Schnelle Kommunikation durch den Entdecker machte es möglich, dass zwei andere Beobachter die Riesenvögel fast zeitgleich auch von den Northeimer Kiesteichen und von Hohnstedt aus sehen konnten.

Abb. 8: Einer von sieben Gänsegeiern. Foto: V. Hesse

17 Beobachtungen der Kornweihe beziehen sich mehrheitlich auf den Leinepolder (sechs Sichtungen weibchenfarbener Ind.).
Wiesenweihen gab es am 4. Mai bei Hedemünden (Männchen), am 8. Mai am Seeanger (altes Weibchen), am 3. Juni in der Feldmark Gö.-Geismar („immatur“) und am 5. Juni über dem Göttinger Neuen Botanischen Garten (vorj. Vogel).
Am 2. März zog ein Seeadler über den Reinhäuser Wald. Am 3. März flog ein „immaturer“ Artgenosse über die Göttinger Innenstadt nach Nordosten. Unreif war auch ein Vogel am 24. März und am 1. April im Seeanger, desgleichen einer am 2. April über dem Göttinger Neuen Botanischen Garten, der nach Norden zog. Ab dem 2. April bis zum Ende des Berichtszeitraums dirigierte (mindestens) ein Seeadler im 2. Kalenderjahr („immatur“) im Leinepolder das Panikorchester aus flüchtenden Wasservögeln. Ein Vogel, dessen Alter am 22. Juni mit K3 angegeben wurde, war wohl ein anderer. Am 11. und 15. April gingen sie sogar zu zweit ans Werk. Daraus ergibt sich eine Mindestzahl von drei Vögeln. Auf eine Brutansiedlung muss man wohl noch ein paar Jährchen warten. Sie scheint aber angesichts der spektakulären Bestandszunahme und einer landesweiten Population von nunmehr 82 Brut- und Revierpaaren (2020) nicht unwahrscheinlich. Mittlerweile haben Seeadler begonnen, das nördliche Weserbergland zu besiedeln. Als Brutvögel fehlen sie nur noch im Harz und in den baum- und gewässerarmen Börden. Brutbäume gibt es (inzwischen) im Polder und seiner näheren Umgebung genug…
Bruterfolg von Rotmilan und Mäusebussard gab es, selbst nach Kontrollen etlicher bekannter Brutplätze in der Region, so gut wie gar nicht. Eine erfolgreiche Brut am südlichen Göttinger Stadtrand war die Ausnahme. Der überwiegende Teil der Vögel hat offenbar die Brut vorzeitig aufgegeben. Wie es in anderen Landesteilen aussieht, ist unbekannt. Hierzulande schien die Nagetiersituation jedenfalls dramatisch schlecht zu sein – was nach Jahren mit Gradation aber durchaus normal ist.
Ein adulter männlicher Raufußbussard zog am 24. März über den Seeanger nach Nordosten.
Den gleichen Kurs verfolgte der einzige Merlin des Heimzugs, ein Männchen, gut einen Monat später nahe Hedemünden.
Obwohl an der Göttinger Drachenwiese Ende Juni das Angebot von Gerippten Brachkäfern („Junikäfern“) durchaus gut war, hatten sich nur maximal zwei Baumfalken eingefunden, um diese zu jagen Am südlichen Göttinger Stadtrand geriet zum ersten Mal seit Jahren eine Brut in den Blick; warnende Altvögel fanden sich zusätzlich an zwei Stellen des Bramwalds und im Nörtener Wald.
Im Landkreis Northeim war eine Brut des Wanderfalken mit zwei Jungvögeln erfolgreich. Das traditionelle Göttinger Brutpaar brachte drei Junge zum Ausfliegen. Anfang Juni saß ein flügger Jungvogel vor einem Nistkasten im Norden des Stadtgebiets. Dort wurden regelmäßig zwei Altvögel beobachtet, aber keine Fütterungen. Gleichwohl ist es möglich, dass der Jungvogel hier erbrütet worden ist. In einem Steinbruch südlich von Göttingen wurde ein Jungvogel flügge, knapp jenseits der Stadtgrenze zwei und im Ostkreis vier. Auch diese Angaben werden nicht konkretisiert, weil es immer noch Verfolgungen durch fanatische Taubenzüchter gibt. Diese operieren sogar mit vergifteten Tauben, die sie in der Nähe der Brutplätze freilassen, wo sie, weil nur bestimmte Körperteile mit Gift imprägniert werden, noch eine Zeitlang überleben. Nicht nur in West- und Süddeutschland, sondern auch im nahen Eichsfeldkreis wurden so schon ganze Wanderfalken-Familien ausgerottet.

Rückwirkend und in Anbetracht seiner hohen Anpassungsfähigkeit, die (neben weiteren populationsfördernden Prozessen wie dem exzessiven Anbau der sogenannten “Bioenergiepflanze” Mais, die an ökologischer Wertlosigkeit kaum zu übertreffen ist, aber deren Stoppeläcker Tausenden Kranichen ein sorgenfreies Überwintern in Deutschland ermöglichen) in den letzten Jahrzehnten zu einer starken, von Nordostdeutschland ausgehenden Ausbreitung des imposanten Vogels geführt haben, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch im südlichen Niedersachsen soweit ist. Drei Brutnachweise wurden 2022 in der Region erbracht, davon einer mit zwei Jungvögeln im Landkreis Northeim im Leinepolder Salzderhelden (wo die Art es vermutlich schon in den vergangenen Jahren versucht hatte) sowie gleich zweimal im Landkreis Göttingen; dort hatte es ebenfalls bereits im letzten Jahr den Startschuss gegeben. Die diesjährige Neuansiedlung fand faszinierenderweise im Kaufunger Wald auf über 500 m ü. NN statt, dort wurde die Art erst ganz zum Ende des Berichtszeitraums, sprich zur Monatswende Juni-Juli, entdeckt und der frische Schlupf eines Jungvogels dokumentiert. Da es sich eigentlich um eine typische Art des Tieflands handelt, wo moorige Standorte als Bruthabitat (und Maiswüsten zur Überwinterung) noch weit häufiger die Regel sind als in den Mittelgebirgen, lässt sich hier ein interessanter Prozess verfolgen – zumal auch die Hochlagen des Sollings bereits auf Holzmindener Seite vom Kranich besiedelt sind.

Abb. 9: Familiäre Zärtlichkeiten im Leinepolder Salzderhelden. Foto: M. Göpfert

Ebenfalls drei Brutnachweise (Seeanger, Seeburger See, Rhumeaue) sind für die Wasserralle erwähnenswert. Die aus dem Vorbericht bekannte Flüthewehr-Ralle verkrümelte sich bis Mitte März, vielleicht aufgrund lokaler wasserbaulicher Arbeiten und den damit verbundenen Wasserstandsregulierungen. Weiterhin geriet ein durchziehender Vogel über dem Göttinger Stadtgebiet am 12. Juni zu Gehör, sowie etliche rufende oder singende Vögel in den bekannten Brutgebieten.
Immerhin 35 Meldungen des Wachtelkönigs betreffen mindestens 17 Ind. und entstammen, mit einer Ausnahme (Rhumeaue), allesamt dem Leinepolder Salzderhelden, dem südniedersächsischen Verbreitungsschwerpunkt dieser Art. Eine erfreuliche Anzahl nach einem sehr schwachen Vorjahr in dem Gebiet.
Neben drei Sichtbeobachtungen offenbar während des Durchzugs rastender Tüpfelsumpfhühner bezogen auch zwei Männchen in der ersten Maihälfte im Leinepolder Salzderhelden ihr Revier. Ihr nächtlicher, peitschender Gesang schien einer nachbarlichen Singdrossel zu gefallen und wurde sogleich in ihr Repertoire aufgenommen. Das Ausbleiben weiterer akustischer Beobachtungen in der späteren Brutzeit ließ auf eine erfolgreiche Verpaarung der beiden hoffen.

Der einzige Austernfischer des Heimzugs wurde am 12. April per Tonaufnahmegerät (“Nocmig”) über Göttingen-Weende auf Band gespeichert.

Weniger flüchtig waren dagegen drei Stelzenläufer (ein Männchen, zwei Weibchen), die am 22. und 23. April durch den Leinepolder Salzderhelden tänzelten und dabei nicht nur bei Fans des klassischen Balletts Begeisterung auslösten.
Wiederum kurz war die Verweildauer zweier Säbelschnäbler, die nur am 18. März die Geschiebesperre Hollenstedt besuchten.

Von insgesamt drei Kiebitzregenpfeifern zeigten sich zwei Einzelgänger im Leinepolder Salzderhelden (26./27. April; 8. Mai) und einer am Northeimer Freizeitsee (6. Mai).
Deutlich früher endet klassischerweise der Durchzug des Goldregenpfeifers. Zwischen dem 3. und 17. März hielten sich vermutlich drei verschiedene Trupps aus 40, 25 und 43 Ind. bei Rosdorf auf. Ein frisch umgebrochener Acker nahe der örtlichen Kiesgrube lud zur Rast ein. Bis zu 40 Ind. verweilten im selben Zeitraum im Leinepolder Salzderhelden; nur wenige Nachzügler folgten ihnen bis zum 8. April ebenda. Ein Vierergespann rastete am 22. März nahe Gieboldehausen – in unmittelbarer Nähe zum Windpark “Höherberg” (der bereits wegen einer dokumentierten Häufung von Rotmilan-Schlagopfern Aufmerksamkeit erhielt). Die weitere Entwertung der Landschaft, nicht nur als Rastlebensraum für stark gefährdete Vogelarten, ist angesichts aktueller politischer Entwicklungen und anstehender Planungen zum Ausbau des “Parks” dennoch wahrscheinlich…

Abb. 10: Prächtiger Goldregenpfeifer zwischen Kampfläufern und Kiebitzen im Leinepolder. Foto: M. Göpfert

Der Durchzug vom Kiebitz kulminierte am 3. März mit 1900 Ind. im Leinepolder Salzderhelden sowie am 12. März mit 500 Ind. in der Feldmark Reinshof. Mehrere Vögel wagten an der Geschiebesperre Hollenstedt einen Brutversuch: Von drei Paaren hatten zwei sogar Schlupferfolg (drei und vier Kleine), ihre Anzahl reduzierte sich in den nächsten Wochen jedoch stetig. Ob überhaupt Jungvögel flügge wurden, ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist die Zahl erfolgreicher Brutpaare im Leinepolder Salzderhelden, dem letzten Verbreitungsschwerpunkt Südniedersachsens. Im Seeanger war zumindest ein Paar mit einem (flüggen) Jungvogel erfolgreich – zum Erhalt der Population reicht das nicht aus. Grund für geringen Bruterfolg, selbst in Schutzgebieten, ist oft Prädation. Mehrfach wurden Rotfüchse, selbst am Tag, in den Brutbereichen von Leinepolder und Geschiebesperre beobachtet. In letztgenanntem Gebiet konnten sich die kleinen Kiebitze nur durch Durchschwimmen der Leine in Sicherheit bringen. In eher schlechten Mäusejahren wie diesem ist der Prädationsdruck auf bodenbrütende Vogelarten besonders hoch, da etliche Nagetiere als wichtige Nahrungsgrundlage der Prädatoren fehlen.

Abb. 11: Kiebitzjunge (die zwei Pünktchen im Hintergrund) suchen ihr Heil in der Flucht. Foto: B. Riedel

Flussregenpfeifer siedelten am Northeimer Freizeitsee mit drei Revieren (zwei mit Schlupferfolg), im umgemodelten Bereich südlich des Flüthewehrs mit zwei Revieren, in Gö.-Grone in einer abgeriegelten Baugrube (Schlupferfolg mit vier Kleinen) sowie in der Kiesgrube Ballertasche mit ein bis zwei Revieren.
Dieses Frühjahr mit 57 Beobachtungen gut vertreten waren Sandregenpfeifer, die zwischen dem 11. März und 4. Juni die Region zur Rast aufsuchten. Die Höchstzahlen beliefen sich auf jeweils fünf Ind. im Leinepolder Salzderhelden und am Northeimer Freizeitsee; im Seeanger waren es maximal vier Vögel gleichzeitig. Weiterhin besuchte die Art, vorwiegend vertreten durch Einzelgänger, den südlichen Göttinger Stadtrand und die Geschiebesperre Hollenstedt.
Vertraut wird der Anblick des Regenbrachvogels. Vom 27. März bis 23. April war durchgehend im Leinepolder Salzderhelden ein Ind. anwesend. Dass es immer ein und derselbe Vogel war darf bezweifelt werden, zumal sich die Anzahl am 6. April und am 13. des Monats auf vier bzw. auf zwei Ind. erhöhte – jeweils aber nur für den einen Tag. Je ein (weiterer?) Vogel rastete am 8. April im Winterweizen der Feldmark Reinshof sowie an der Geschiebesperre Hollenstedt.

Abb. 12: Bekommt man inzwischen häufiger zu Gesicht als seinen großen Vetter: Regenbrachvogel im Leinepolder Salzderhelden. Foto: A. Stumpner

Spärlich, und damit leider ganz im Trend, ließen sich Große Brachvögel sehen. Während des Frühjahrszugs waren es lediglich sechs… Nach einem Duo im Leinepolder Salzderhelden (9. bis 11. März) folgten drei weitere Einzeltiere dieser doch sehr bemerkenswerten Vogelart; sie legten im selben Gebiet und ein weiterer im Seeanger nur Stippvisiten ein. Darunter war auch ein farblich markierter Vogel, der am 20. April gleichzeitig das Ende des Heimzugs markierte. Den Wegzug läuteten zwei Ind. (24. und 27. Juni) vergleichsweise spät im Seeanger bzw. im Leinepolder Salzderhelden ein.
Auch mindestens 30 Uferschnepfen wussten auf ihrem Heimzug die feuchten Stellen des Leinepolders Salzderhelden zu nutzen. Leider waren sie alle bis zum 8. Mai wieder verschwunden. Eine Wiederbesiedelung dieses für diverse, teils stark gefährdete Brutvogelarten überregional bedeutsamen Gebiets wäre sehr zu wünschen – an geeigneten Strukturen scheint es eigentlich nicht zu fehlen. Sehr bemerkenswert bleibt ein einzelner Trupp von 20 Ind. (6. April): Eine Rekordzahl in einer Größenordnung, die bis dato in der Region nicht dokumentiert ist. Als gutes Zeichen darf es aber kaum dienen, denn mit wenigen Ausnahmen (z.B. am Dümmer, wo sich die Population dank intensiver Schutzbemühungen sehr positiv entwickelt) steht es um diese Vogelart nach wie vor sehr schlecht. Ab dem 12. Juni fand sich ein erster Wegzügler im zuvor genannten Gebiet ein und blieb eine gute Woche.
Brutverdächtige Waldschnepfen vollführten an jeweils zwei Stellen von Bramwald, Hedemündener Gemeindewald und Kaufunger Wald ihre drollige Flugbalz. Drei weitere Reviere kommen für den Solling dazu.
Heimziehende Zwergschnepfen fanden sich bei Duderstadt, am Northeimer Freizeitsee (bis zu vier Vögel), an der Geschiebesperre Hollenstedt, im Leinepolder Salzderhelden (zwei Vögel), am Denkershäuser Teich sowie im Seeanger. Die letzte geriet klassischerweise am 25. April vor den Schuh oder die Optik.
Nennenswerter Bekassinendurchzug fand zur Monatswende März-April statt mit Ansammlungen von jeweils mindestens 70 Ind. im Leinepolder Salzderhelden und im Seeanger, ansonsten fiel die Art nicht übermäßig auf. Balzverhalten wurde im Leinepolder Salzderhelden nicht wahrgenommen; ob die Reliktpopulation überhaupt noch existiert…?
Wie gewohnt erreichten die meisten Limikolen ihr Durchzugsmaximum zwischen Ende April und Anfang Mai, wo im Leinepolder Salzderhelden wie im Vorjahr ein aus regionaler Sicht sehr kopfstarker Mix verschiedener Watvogelarten die überschwemmten Bereiche zur Rast und Nahrungssuche aufsuchte. Wasserstand und Nahrungsangebot schienen zu stimmen! Hinzu trat vermutlich die Auflösung eines Zugstaus im Süden. Zu nennen sind bis zu 30 Dunkle Wasserläufer, 150 Grünschenkel und 750 Bruchwasserläufer. Acht Waldwasserläufer markierten genau einen Monat früher den regionalen Höhepunkt des Durchzugs. Gleiches trifft auf den Kampfläufer zu, dessen Rastbestände sich im höheren dreistelligen Bereich bewegt haben dürften. Derartige Ansammlungen gab es hier in den letzten Jahrzehnten nicht!

Abb. 13: Überstaute Wiesen als überregional wichtigster Limikolenrastplatz im Leinepolder Salzderhelden. Foto: A. Stumpner

Rotschenkel traten dagegen voll im Durchschnitt und ausschließlich einstellig in Erscheinung, mit maximal sieben Ind. am 22. Mai. Erwähnenswert verbleibt noch ein wiederholt singender Vogel am 27. März, ebenfalls im Leinepolder Salzderhelden.
Nicht nur der 350-Tonnen-Schwimmbagger gab am 17. Mai sein Bestes, um Steine am Northeimer Freizeitsee zu bewegen – zwei Steinwälzer taten es auch, wenngleich etwas weniger invasiv. Einer der zwei blieb noch drei weitere Tage.
Am selben Ort fanden sich auch insgesamt sechs, und damit aus regionaler Sicht vergleichsweise viele, Sanderlinge ein. Nach einem Duo am 14. und 15. Mai folgte am 25. des Monats ein Trio, dem sich am Folgetag ein vierter Vogel anschloss. Das Grüppchen  blieb noch bis zum 28.
Nicht weiter untypisch: Vier Zwerg– und mindestens 15 Temminckstrandläufer rasteten vorrangig im Mai an den traditionellen (und neuen) Feuchtgebieten der Region.
Nach einem ungewöhnlich zeitigen Einzelgänger am Northeimer Freizeitsee (26. April) gaben sich am umgestalteten Habitat beim Flüthewehr zu einem klassischeren Datum (20. Mai) gleich vier Sichelstrandläufer die Ehre. Vielleicht war es ihnen dort zu trubelig (an manchen Tagen ist hier das Aufkommen von Naherholungs- oder Was-auch-immer-Suchenden geradezu absurd hoch), am Abend saß die Truppe jedenfalls am Northeimer Freizeitsee.

Abb. 14: Sichelstrandläufer-Quartett erkundet das, was vorher Acker war. Foto: M. Siebner

Beim Alpenstrandläufer scheint alles beim Alten: Eine klassische Höchstzahl von zehn Ind. fand sich am 29. April im Seeanger ein, ansonsten wurden überwiegend Einzelvögel beobachtet.

Kaum erwähnenswerter Zug von Zwergmöwen erfolgte am 25. April (14 Ind.; nach Regenschauer) und am 29./30. April (zwölf Ind.) am Seeburger See, weitere zwölf Ind. flogen am 4. Mai am Northeimer Freizeitsee.
Bruten der Lachmöwe? Mal wieder Fehlanzeige…
Von insgesamt elf Schwarzkopfmöwen ließ sich bei dreien die Herkunft mittels Fußring ermitteln. Ein Altvogel, der am 3. Mai an der Kiesgrube Reinshof saß, wurde als Pullus am 11. Juni 2019 im Tagebau Rehbach bei Leipzig mit einem Farbring (gelb “AZET”) ausstaffiert. Danach ging der Vogel auf Erkundungstour: Es folgten Beobachtungen in Wales, Kent, Bretagne, wieder Kent und zuletzt am 15. März 2022 bei Portsmouth. Am 4. Mai 2022, also einen Tag nach der Beobachtung an der Kiesgrube Reinshof und drei Jahre nach seiner Beringung, ist der Vogel zum ersten Mal wieder in Rehbach gesichtet worden.
Von zwei beringten Altvögeln, die am 22. Juni am Göttinger Kiessee rasteten, stammt einer aus Frankreich (weiß “37HE”), genauer aus Hameau de Strouanne, Wissant, Pas-de-Calais (Kanalküste), wo er am 20. August 2020 beringt wurde. Die letzte Ablesung erfolgte am 26. Oktober 2021 in der Bretagne am Plage de Saint-Pabu, Erquy, Côtes d’Armor. Seine Begleitung am Göttinger Kiessee kam dagegen wahrscheinlich aus Serbien (rot “Y016”, beringt am 26. Mai 2018 am Palić-See nahe der Ungarischen Grenze).

Abb. 15: Bretonische und serbische Schwarzkopfmöwe am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Mit 35 Beobachtungen (vorrangig Einzelvögel) fanden Großmöwen, wie im Vorjahr, relativ häufig Bestimmung als Mittelmeermöwe. Nach dem 15. Mai erfolgte keine Beobachtung mehr.
Nahezu exakt doppelt so häufig war die Steppenmöwe das Taxon der Wahl; hierbei wurden auch regelmäßig Truppgrößen von bis zu acht Ind. dokumentiert.
Geradezu unbedeutend erscheint dagegen das regionale Auftreten der Heringsmöwe, welches mit fünf Vögeln aber im Mittel des letzten Jahrzehnts liegt.

Je eine Raubseeschwalbe hielt der Heim- (13./14. April) bzw. Wegzug (28. Juni) parat. Beide Altvögel wurden an Northeimer Feuchtgebieten beobachtet.

Abb 16: In manchen Fachkreisen auch “Möhrenseeschwalbe” genannt Foto: B. Riedel

Von ebenfalls arttypisch kurzer Verweildauer waren insgesamt elf Weißflügel-Seeschwalben, die am 7. und 15. Mai jeweils zu fünft im Leinepolder Salzderhelden, sowie am 12. Juni als Single am Northeimer Freizeitsee jagten.
Auch gut vertreten waren Trauerseeschwalben, die ihre Höchstzahl gewohnheitsgemäß am Seeburger See mit passablen 35 Ind. am 2. Mai erreichten. Fast alle weiteren Meldungen belaufen sich auf Zahlen im einstelligen Bereich.
Flussseeschwalben waren recht präsent, ab dem 24. April kam es zu insgesamt 24 Beobachtungen von schätzungsweise 20 verschiedenen Ind. Besonders am Northeimer Freizeitsee häuften sich Sichtungen – die neu installierten Brutflöße auf dem See nebenan blieben aber (noch?) unangetastet.
Gut vertreten war auch die Küstenseeschwalbe mit vermutlich acht verschiedenen Ind., die sich zwischen dem 16. April und 31. Mai an den üblichen größeren Feuchtgebieten der Region (Northeimer Seenplatte, Seeburger See) zeigten.

Geduld zahlt sich aus: Die Hohltaube am Göttinger Kiessee, die sechs Jahre lang in flüchtigen Liaisons mit Ringeltauben wenig Erfüllung fand, präsentierte sich nun – endlich – im siebenten Anlauf voller Stolz mit (gleichartiger) Partnerin! Wie ernst die zwei es miteinander meinen und ob es sogar schon zu einem Brutversuch am Ascherberg kam, ist allerdings unbekannt. Nach dem 30. April gab es keine Beobachtung mehr – genauer nachgeforscht hat aber niemand…
Geturtelt wurde auch im Bramwald bei Eberhausen. Von drei Vögeln waren zwei offenbar verpaart und ließen hoffen, dass auch wirklich gebrütet wurde. Dieser Waldbereich, geprägt durch große Offenflächen als Folge von Sturm und Insektenkalamitäten, war im Vorjahr noch nicht von Turteltauben besiedelt gewesen. Möglicherweise haben sich wichtige Habitatstrukturen hier nun erst ausgebildet. Ob es aber zum regionalen Fortbestehen dieser überaus reizvollen Vogelart, die in den meisten Teilen Niedersachsens kurz vor dem Aussterben steht und seit kurzem auch in der höchsten Gefährdungskategorie (Rote Liste 1) geführt wird, ausreicht, muss aktuell leider noch bezweifelt werden. Die Entwicklung der bestehenden Restpopulationen sollte aber so oder so unbedingt verfolgt werden!

Abb. 17: Lässt hoffen: brutverdächtige Turteltaube im Bramwald Foto: M. Jenssen

Die einzige Schleiereule hielt sich am 27. Juni im Leinepolder Salzderhelden auf. Gar nicht vertreten war der Raufußkauz, ebenfalls ein klares Indiz für eine schlechte Mäusesituation.
Die letzte Beobachtung der Northeimer Steinkäuze erfolgte am 13. März. Überraschend, wenngleich angesichts kräftig expandierender Bestände im nahen NRW nicht verwunderlich, war die April-Beobachtung eines Steinkauzes in der Gemeinde Scheden im Landkreis Göttingen. Einer kurzen Sichtbeobachtung folgte der Fund eindeutiger Speiballen am Tageseinstand, die sich bei dieser Art durch einen hohen Anteil von Chitinpanzern auszeichnen. Spätere Kontrollen verblieben ohne Erfolg. Möglicherweise handelte es sich hierbei für den Landkreis Göttingen um die erste Beobachtung eines wilden Steinkauzes seit gut 40 Jahren. In potentiell geeigneten Lebensräumen gezielt nach der Art Ausschau zu halten, besonders im Westteil des Bearbeitungsgebiets, kann sich also definitiv lohnen!

Abb. 18: Nachweis der absonderlichen Art: Steinkauz-Speiballen im Westen des Landkreises Göttingen. Foto: B. Bartsch

Auch eher dünn ist die Lage beim Sperlingskauz. Es wurden lediglich drei bekannte Vorkommen bestätigt, einmal jedoch mit Brutnachweis!
Hinweise auf besetzte Reviere der Waldohreule ergaben sich in Eberhausen, in Diemarden, in Mollenfelde und in Seeburg (2-3 singende Männchen). Dazu kommen drei Totfunde sowie Beobachtungen sitzender oder fliegender Vögel in der Göttingen Nordstadt und bei Rollshausen. Am Göttinger Kiessee jagte eine Waldohreule für längere Zeit Zwergfledermäuse aus der Luft – ob sie dabei erfolgreich war konnte nicht erkannt werden. Fiepsende Jungvögel? Keine einzigen!
Das Datum ist klassisch: Am 4. April flog eine Sumpfohreule in der Feldmark Angerstein und am Northeimer Freizeitsee. Zwischen den Beobachtungen lagen 25 Minuten, was für die kraftvollen Flieger aber eigentlich kein Problem darstellt.
Was Neues vom Göttinger Stadt-Uhu? Nachdem sich das Pärchen zuletzt vorrangig im Bereich der Norduni herumgetrieben hat, kam es tatsächlich im Bereich der Billingshäuser Schlucht zu einer Brut in einem Greifvogelnest (welches unter der Last von Alt- und Jungvögeln beinahe kollabierte). Ein weiterer, sehr skurriler Brutnachweis ergab sich in Northeim. Ein Junguhu, erbrütet auf einem Northeimer Fabrikgelände, geriet aus unerfindlichen Gründen auf die Ladefläche eines auf dem Fabrikgelände parkenden Müllwagens. Als der Wagen am Morgen losfuhr und in Wiebrechtshausen einige Kilometer später die ersten gelben Säcke einladen wollte, fiel dem aufmerksamen Mitarbeiter der Entsorgungsdienste glücklicherweise der blinde Passagier auf. Er wurde schließlich wohlbehalten zu seinem Herkunftsort zurückverfrachtet.

Abb. 19: Odyssee in der Müllabfuhr… Foto: M. Jahn

Unter dem Mäusemangel hat offenbar auch der Waldkauz gelitten. Von lediglich drei Brutnachweisen entfallen zwei auf das Göttinger Stadtgebiet (wo die Nahrungssituation bekanntlich eine ganz andere ist) – einmal mit zwei (Innenstadt) und einmal mit drei (Ostviertel) Jungvögeln. Bei einigen nächtlichen Kontrollen in verschiedenen Wäldern, auch in anderen Bereichen des Leine-Weser-Berglands, fanden sich keinerlei bettelnde Jungeulen!

Nach dem Zusammenbruch der Eisvogelpopulation zeichnet sich eine Erholung der Bestände ab. Immerhin lassen 141 Meldungen (letztes Jahr nach Wintereinbruch 62, davor 214) diesen Schluss zu.

Insgesamt neun durchziehende Trupps, die aus mind. 24 Bienenfressern bestanden, sorgten zwischen dem 9. und 30. Mai für etwas Farbe. Wie gewohnt konnten oft nur die charakteristischen Rufe oder bestenfalls ein kleiner Teil der Vögel gesehen werden. Nichtsdestotrotz waren sie dieses Frühjahr gut vertreten und unterstreichen den bundesweiten positiven Bestandstrend.

Fast schon wenig wirken dagegen die vier Wiedehopfe, die in Gö.-Weende (14. April), in Rosdorf (23. April), am Freizeitsee (28./29. April) und in Niedernjesa (29. April) kurz zur Rast verweilten.

Abb. 20: Kein Frühjahr ohne P(r)unk! Foto: M. Göpfert

Nicht gerade überpünktlich kehrten ab dem 13. April Wendehälse aus den afrikanischen Winterquartieren zu uns zurück. Hinweise auf Bruten liegen von der Rhumeaue, vom Huhnsberg bei Scheden (zwei Reviere), von ihrer Hochburg Kerstlingeröder Feld (mindestens drei Reviere, einmal mit Brutnachweis), aus der Göttinger Südstadt, vom Neuen Botanischen Garten Göttingen, von der ehemaligen Bauschuttdeponie Geismar, vom Hühnerfeld im Kaufunger Wald, von der Ellerniederung bei Hilkerode, aus Duderstadt, vom Northeimer Freizeitsee und aus dem Leinepolder Salzderhelden vor. Weiterhin lassen zahlreiche Beobachtungen im Umfeld des Altendorfer Bergs bei Salzderhelden auf ein Vorkommen schließen. Auch für diese Art scheint es nach wie vor aufwärts zu gehen.

Abb. 21: Art mit Aufwind – Wendehals im Göttinger Süden. Foto: M. Siebner

Dem positiven Trend der letzten Jahre folgend sind 20 Beobachtungen des Pirols eine durchaus ansehnliche Zahl. Nachdem der erste singende Vogel am 3. Mai am Seeanger entdeckt wurde, folgten bis zum 11. Juni an mindestens elf Orten weitere Sichtungen. An den Kiesteichen Northeim inkl. Geschiebesperre, den Seeburger Feuchtgebieten und bei Immingerode konnte die Anwesenheit der Tiere (sofern es dieselben waren) auch einige Wochen später noch bestätigt werden, sodass hier möglicherweise von Revierbesetzungen ausgegangen werden kann.

Für den Neuntöter lagen bis zum Ende des Berichtszeitraumes (wegen ausstehender Kontrollen) noch keine genauen Daten für das südniedersächsische Dichtezentrum, das Kerstlingeröder Feld, vor. Es deutete sich jedoch ein recht gutes Jahr an – näheres folgt im nächsten Bericht. Dafür konnten andernorts bereits verhältnismäßig hohe Revierzahlen ermittelt werden. Auf dem Huhnsberg bei Scheden hielten fünf Paare ein Revier besetzt und auf Windwurfflächen im Nörtener Wald und im Solling bei Derental jeweils sieben Paare.

Abb. 22: Dem Neuntöter scheint es, wohl auch dank neuer großer Windwurfflächen, in Südniedersachsen gut zu gehen. Foto: M. Siebner

Beobachtungen des Raubwürgers gelangen im Berichtszeitraum an nur fünf Orten. Diese niedrige Zahl lässt sich gut von dem ebenfalls sehr gering ausgefallenen Winterbestand ableiten. Am Seeanger und bei Klein Wiershausen sind aus diesem Winter bekannte Reviere bis in den März hinein besetzt geblieben. Beobachtungen im Leinepolder I bei Salzderhelden, dem Kaufunger Wald und dem Kleinen Kerstingeröder Feld betreffen wohl einzelne heimziehende Vögel.

Im Bramwald konnten im Mai zwei frisch flügge Tannenhäher einen selten erbrachten Brutnachweis liefern; der einzige weitere Vogel dieses Frühjahrs hielt sich am Hühnerfeld im Kaufunger Wald (22. Mai) auf und war offenbar nur zu Gast.
Brutverdacht für die Dohle kann in Seeburg, Duderstadt und Wollbrandshausen angenommen werden. Weitere Ansiedlungen wurden aber sicher übersehen.
Ein aus regionaler Sicht bemerkenswerter Hybrid zwischen Raben- und Nebelkrähe ließ sich am 10. Juni im Göttinger Süden beobachten. Diese Hybriden sind im Überschneidungsbereich der Brutgebiete beider Arten entlang der Elbe ein alltäglicher Anblick, werden in Südniedersachsen allerdings nur sehr sporadisch entdeckt.

Beutelmeisen auf dem Durchzug wurden am 27. März und 2. April mit zwei bzw. einem Individuum am Seeanger gesehen. An Weidenkätzchen gütlich taten sich am 13. April zwei „Meisen“ auf dem Göttinger Friedhof Junkerberg und einen Tag später wurden drei Individuen an der Kiesgrube Angerstein entdeckt. Am 31. Mai, und damit bereits für einen durchziehenden Vogel reichlich spät, zeigte sich ein Männchen an den „Wunderteichen“.

Die im letzten Jahr entdeckten Brutvorkommen der Heidelerche im Kaufunger Wald konnten dieses Jahr trotz einer gezielten Nachsuche nicht erneut festgestellt werden, dafür bezogen nicht allzu weit entfernt am Hühnerfeld zwei Männchen ihr Revier. Es ist davon auszugehen, dass die Vögel der Windwurfflächen wegen der hohen Sukzessionsdynamik ohnehin zwangsläufig auf alljährliche, großräumigere Umsiedlungen angewiesen sind. Weiterhin kam es zu einer Ansiedlung auf Windwurfflächen im Bramwald, wo am 21. Mai an fünf verschiedenen Stellen Revier anzeigende Heidelerchen entdeckt werden konnten. Die Gelegenheiten, sich mit dem wunderschönen Gesang und den Kontaktrufen dieser spannenden und äußerst lieblichen Art vertraut zu machen, waren in der Region nie günstiger…

Abb. 23: Mit “lü-lü-lü” über´s Hühnerfeld, das bringt Freude! Foto: B. Bartsch

Die bekannten Brutstandorte der Uferschwalbe waren auch in diesem Jahr wieder beflogen. In der Sandgrube Meensen sind mindestens 30 beflogene Röhren und an den Northeimer Kiesteichen (inkl. Freizeitsee) wurden an drei Steilwänden mindestens 110 beflogene Röhren gezählt.

Bis zu 14 singende Feldschwirle wurden im Mai im Leinepolder I bei Salzderhelden gehört. Diese Anzahl stellt eine Verdreifachung des letztjährigen Bestandes dar, ist aber vermutlich alles andere als vollständig.

Abb. 24: Selten lässt sich der Feldschwirl derart gut beobachten. Foto: M. Göpfert

Mehrwöchige Revierbesetzungen wurden beim Rohrschwirl im Leinepolder I bei Salzderhelden, dem Seeburger See und dem Seeanger festgestellt. An den beiden erstgenannten Gewässern konnten zwischenzeitlich sogar zwei Männchen gleichzeitig vernommen werden. Ein am Denkershäuser Teich singender Vogel wurde danach nicht noch einmal festgestellt.
Auf den ersten Schlagschwirl am 13. Mai in der Rhumeaue bei Lindau folgten noch sechs weitere Beobachtungen an unterschiedlichen Orten. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren stellt dies eine sehr geringe Beobachtungsanzahl dar, ist aber im langjährigen Mittel noch verkraftbar. Die Art erreicht in Südniedersachsen ihre westliche Verbreitungsgrenze, daher sind Bestandesschwankungen hier keine Seltenheit.
Nachdem am 30. April der erste Drosselrohrsänger den Seeburger See beschallte, konnten bis zum 30. Juni an weiteren zehn (!) Orten Individuen entdeckt werden. Am Seeanger war ein Revier besetzt, an der Weser bei Hann. Münden drei und an den „Wunderteichen“ bei Northeim sogar bis zu acht. Interessanterweise war es am letztgenannten Ort im vergangenen Jahr nur eins. Ende Juni folgte dann der erste Brutnachweis seit 1950 für Hann. Münden. Auch an den „Wunderteichen“ wurden Jungvögel gefüttert und die Kotbällchen der Kleinen abtransportiert. Ein derart starkes Auftreten gab es seit mehr als 50 Jahren, als der Drosselrohrsänger am Seeburger See – mit damals erheblich dünnerem Schilfgürtel – die häufigste Rohrsängerart war, noch nie. Die von Hessen kommende Ausbreitung entlang der Werra hält weiter an. Auffällig war, dass oftmals ramponiert erscheinende alte Röhrichtbestände mit eingestreuten Weiden als Brutplätze genutzt wurden. Für die Dichtezentren in Ostdeutschland ist das typisch. Das viel beklagte „Schilfsterben“ scheint der Art wenig auszumachen – vielmehr scheinen partiell aufgelichtete Röhrichtbestände eine geradezu magische Anziehungskraft auszuüben…

Abb. 25: Das trifft sich gut: Niedersachsenweit wird in diesem Jahr der Bestand des Drosselrohrsängers erfasst. Foto: M. Siebner

Vom Schilfrohrsänger liegen ebenfalls erfreuliche 45 Beobachtungen vor. Hinweise auf Revierbesetzungen gab es im Leinepolder und am Seeanger. Darüber hinaus ließ er sich am Böllestau bei Hollenstedt, an der Geschiebesperre Hollenstedt, am Freizeitsee, an den „Wunderteichen“ bei Northeim, bei Katlenburg-Lindau und an der Rhumeaue bei Wollershausen und Rüdershausen vernehmen. Wie viel hiervon Durchzug war und wie viel nicht, kann angesichts der Datenlage beim besten Willen nicht gesagt werden…
Höhere Konzentrationen des Sumpfrohrsängers gab es am Denkershäuser Teich (elf M.), der Rhumeaue Bilshausen (zwölf M.), der Feldmark SW Angerstein (14 M.) und dem Northeimer Freizeitsee (21 M.).

Ein imposantes Spektakel boten am 29. Juni etwa 20.000 Stare dem Beobachter an ihrem Schlafplatz im Leinepolder I bei Salzderhelden.

Abb. 26: Im Göttinger Stadtgebiet sind Starenbruten in von Spechten gelöcherten Fassaden keine Seltenheit. Foto: M. Siebner

Mit gerade einmal elf Ringdrosselbeobachtungen war der vergangene Frühling eine eher schlechte Heimzugsaison. Die erste Beobachtung gelang am 8. April im Leinepolder I bei Salzderhelden, die letzten beiden Vögel wurden (mit bereits überkochenden Hormonen) am 3. Mai auf dem Hühnerfeld im Kaufunger Wald festgestellt. Mehr als zwei Vögel gleichzeitig waren es dieses Frühjahr nirgends.
Etwas bessere Zugtage gab es hingegen bei der Rotdrossel. Am 1. April zogen 372 Vögel bei Sieboldshausen nach Nordosten ab und am 2. April konnten über dem Forstbotanischen Garten in Göttingen 191 Durchzügler gezählt werden.

Trauerschnäpper waren in der Region vermutlich nie sehr häufig, angesichts der hohen Dichte an Beobachtenden machte er dieses Frühjahr seinem Namen dennoch wieder alle Ehre. Traurige 22 Beobachtungen sind in ornitho.de gemeldet worden. Mit Blick auf die vergangenen Jahre verwundert es daher auch nicht, dass es keinen Hinweis auf eine mögliche Brut gab.
Am 22. Mai sang im Wald nordwestlich Settmarshausen ein Zwergschnäpper. Offensichtlich sagte das Gebiet dem Vogel aber nicht zu, denn weitere Beobachtungen gelangen nicht.

Junibeobachtungen des Braunkehlchens gab es im Leinepolder I bei Salzderhelden; sie betreffen die letzte Brutpopulation des Bearbeitungsgebiets, während es sich bei Vögeln in der Feldmark südlich von Göttingen aller Wahrscheinlichkeit nach um späte Durchzügler handelte.
Schwarzkehlchen mit Jungen konnten an vier verschiedenen Orten entdeckt werden. An weiteren vier Orten deuteten warnende Altvögel ebenfalls auf eine Brut hin. Alles in allem sehr überschaubar, die kleinen Kerle hatten im letzten Wintereinbruch (Februar 2021) möglicherweise einiges wegstecken müssen – die weitere Ausbreitung scheint hierzulande jedenfalls vorerst zu pausieren.

Abb. 27: Dynamische Bestandsentwicklung (Anzahl Frühjahrsbeob.) des Schwarzkehlchens in Südniedersachsen nach ornitho.de. Grafik: B. Bartsch

Vom Northeimer Freizeitsee lagen Hinweise auf eine Neuansiedlung des Blaukehlchens vor.
Im Göttinger Stadtgebiet konnten eher zufällig insgesamt acht Reviere des Gartenrotschwanzes festgestellt werden, sechs davon befanden sich in Kleingartenkolonien, welche im städtischen Bereich (und darüber hinaus) wohl noch die besten Brutbedingungen zu bieten haben. Bei mindestens drei dieser Reviere konnten auch junge Rotschwänzchen beobachtet werden. Ein Mischsänger Garten-/Hausrotschwanz (phänotypisch Gartenrotschwanz) konnte sich im Göttinger Ostviertel in einem Nistkasten erfolgreich reproduzieren. Solche Mischsänger treten seit Jahrzehnten sporadisch im Ostviertel auf. Eine regional hohe Revierdichte wurde interessanterweise im Friedrichshäuser Bruch im Hochsolling festgestellt. Hier konnte im Juni neben fünf Sängern auch ein fütterndes Weibchen beobachtet werden. Der Lebensraum stellt ein renaturiertes Moor dar, wo standortfremde Baumarten (Fichte) entfernt und der Bestand dadurch stark aufgelichtet wurde.

Abb. 28: Renaturiertes Hochmoorfragment als aus regionaler Sicht sehr faszinierender Lebensraum des Gartenrotschwanzes im Hochsolling. Foto D. Singer

Auch in den Hochlagen des Kaufunger Walds ließen sich drei singende Gartenrotschwänze feststellen – zwei auf dem Hühnerfeld (Reviervögel) und, wie schon im letzten Jahr aber an anderer Stelle, an einem Windwurf.

Der einzige Brachpieper der Heimzugsaison rastete vom 1. bis 2. Mai auf einem Acker am Northeimer Freizeitsee.
Nicht ganz so schlecht wie beim Braunkehlchen, aber trotzdem miserabel, steht es um den Wiesenpieper als Brutvogel in Südniedersachsen. Zwei Paare, von denen aber wohl nur eines erfolgreich brütete, wurden in der Leineniederung nördlich Bovenden gezählt und mindestens zwölf Sänger in den Randbereichen des Leinepolder I bei Salzderhelden festgestellt. In der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Niedersachsens rangiert der Wiesenpieper inzwischen in der Kategorie 2 („Stark gefährdet“).

Maximal sechs Bergpieper konnten in diesem Frühjahr am Seeanger beobachtet werden. An anderen Orten handelte es sich meist um einzelne Tiere. Am 13. Mai wurde am Freizeitsee bei Northeim ein später Heimzügler entdeckt. Schon letztes Jahr wurden hier zwei späte Individuen dokumentiert.
Am 8. Mai war es am Seeanger dagegen ein Rotkehlpieper, der vor die Optik lief.

An dem bekannten Winterschlafplatz der Bachstelze am Globus-Baumarkt in Gö.-Weende fielen am 14. März 103 Individuen zum Nächtigen ein. Am 6. April waren es noch 41 Stelzen. Eine auffällig dunkel gefärbte Bachstelze am 1. April beim Seeburger See könnte ein Hybrid „unserer“ heimischen Bachstelze mit der deutlich dunkler gefärbten nordwesteuropäischen Trauerbachstelze gewesen sein.
Eine schicke männliche Gelbkopf-Schafstelze hat sich am 17. April auf dem Weg in das nordwesteuropäische Brutgebiet an den Göttinger Kiessee verflogen.

Abb. 29: Gast in grün-gelb am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Insgesamt nur 16 Mal gerieten Thunbergschafstelzen in Südniedersachsen in das Blickfeld von Vogelkundigen. Die erste tauchte am 25. April am Seeburger See auf, die letzte wurde am 19. Mai bei Gieboldehausen entdeckt. Zehn Vögel am 11. Mai im Leinepolder I bei Salzderhelden sind eine eher magere Höchstzahl für die nordskandinavischen Vertreter der Schafstelze.

Bergfinken waren bis Mitte April noch regelmäßig in Südniedersachsen zu sehen bzw. zu hören. Drei Einzelvögel im Mai stellen allerdings regional sehr späte Heimzugsnachweise dar. Am 3. und 8. Mai wurde je ein Vogel entdeckt. Ein am 23. Mai im Göttinger Ostviertel gesehener und gehörter Vogel stellt eine phänologische Ausnahme dar.
Bereits am 10. März wurde der letzte Trompetergimpel des Winters im Husumer Tal vernommen.
Brutzeitbeobachtungen des Erlenzeisigs gelangen im Solling, bei Hann. Münden, am Fassberg östlich von Gö.-Weende, südwestlich Ellershausen, bei Oldenrode und im Kaufunger Wald. Brutverdacht, inkl. Singflug, ergab sich nur in letztgenanntem Waldgebiet (Hühnerfeld) mit zwei bis drei Revieren.

Mittlerweile ein alljährliches regionales Phänomen ist das Auftreten der Grauammer im Frühsommer in Südniedersachsen. Entsprechend wurden auch in diesem Frühjahr wieder einige Ind. entdeckt. Vom 23. Mai bis zum 17. Juni hielten sich bis zu drei Vögel im Leinepolder I bei Salzderhelden auf. Am 27. Mai sang ein Vogel in der Feldmark Volkerode (Rosdorf) und zu einem Einzelvogel am 10. Juni auf dem Kerstlingeröder Feld gesellte sich eine zweite am 19. des Monats dazu.

Abb. 30: Ein hierzulande seltener, aber mittlerweile wieder regelmäßiger Anblick im späten Frühjahr: Grauammer am Kerstlingeröder Feld. Foto: J. Kamp

Die aus dem Winterbericht bekannte Zwergammer bei Mackensen wurde letztmalig am 20. März beobachtet.

Wir bedanken uns bei den weit mehr als 150 Beobachterinnen und Beobachtern für die unglaublich hohe Zahl von 43.848 Einzelbeobachtungen auf ornitho.de.

Béla Bartsch, Hans H. Dörrie, Ole Henning

Abb. 31: Stockentenküken Tick, Trick und Track am Zulauf des Göttinger Kiessees. Foto: M. Siebner