Göttinger Ornithologen beenden Stadtvogelkartierung

Langfristige Vergleiche von Bestandsaufnahmen der Brutvogelwelt sind für die Dokumentation von Veränderungen besonders aussagekräftig. Göttingen ist in der glücklichen Lage, dass bereits in den Jahren 1947 und 1965 das 3,6 km² große Kerngebiet der Stadt auf Brutvögel untersucht wurde. Nach Abschluss der Kartierung 2005/2006 liegen jetzt Daten vor, die einen Vergleich über sechs Jahrzehnte ermöglichen.

Die Ergebnisse zeigen einen allgemeinen Rückgang – bis zum Verschwinden einiger Spezies – von ursprünglichen Lichtwald- und Offenlandarten, der von der Zunahme robuster Standvögel und Kurzstreckenzieher begleitet wird. Zwischen 1947 und 2006 sind die lokalen Vorkommen von zehn Arten erloschen, während acht Arten eingewandert sind.

Die fünf häufigsten Arten im Kerngebiet sind, absteigend geordnet: Amsel, Mauersegler, Haussperling, Straßentaube und Kohlmeise.

Starke Zuwächse weisen Ringeltaube und Mönchsgrasmücke auf. Auch Zaunkönig, Rotkehlchen sowie Schwanz- und Blaumeise haben ihre Populationen deutlich vergrößern können. Das mit 424 „Revieren“ – allein im Kerngebiet! – bemerkenswert zahlreiche Brutvorkommen des Mauerseglers wird bislang kaum durch Sanierungen und den Verlust von Altbausubstanz beeinträchtigt. Dies trifft auch auf die Population des Hausrotschwanzes zu.

Starke Rückgänge zeigt, wie wohl überall in Mitteleuropa, der Haussperling, dessen Bestand sich mehr als halbiert hat. Die Kerngebiets-Population des Gartenrotschwanzes ist auf ganze zwei Reviere geschrumpft, das mit drei Paaren ohnehin minimale Vorkommen der Rauchschwalbe steht vor dem Erlöschen. Erheblich im Bestand zurückgegangen ist auch die Türkentaube.

Ein Hauptgrund für die Veränderungen der Stadtvogelfauna ist die zunehmende „Verwaldung“ großer Teile des Kerngebiets, die sich unter anderem im stark angewachsenen Nadelbaumbestand ausdrückt. Dieser fördert das Einwandern von Tannen- und Haubenmeise sowie von Winter- und Sommergoldhähnchen. Der Eichelhäher ist im Kerngebiet mittlerweile häufiger als die Elster. Dagegen verschlechtern das schnelle Verkrauten von Offenflächen als Zeichen der allgemeinen Eutrophierung und die fortschreitende Versiegelung vor allem in der Innenstadt die Lebensbedingungen von Arten, die auf insektenreiche Freiflächen angewiesen sind. Dazu zählen, neben dem Haussperling, auch Arten wie Bachstelze und Buchfink.

Wer mehr über die Verschiebungen innerhalb der Göttinger Stadtvogelwelt und deren Ursachen erfahren möchte, muss sich bis zum Erscheinen von Band 11 der Naturkundlichen Berichte zur Fauna und Flora in Süd-Niedersachsen gedulden. Erscheinungsmonat ist der November 2006.

H. H. Dörrie

Der Bericht kann hier online gelesen werden.