Endlich am Start: ornitho.de!

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Am 30. Oktober 2011 ist der Dachverband deutscher Avifaunisten (DDA) nach zweijähriger Entwicklungszeit mit einem ehrgeizigen Projekt online gegangen – mit der Internetplattform ornitho.de. Dahinter verbirgt sich eine Online-Datenbank zur Eingabe und Recherche vogelkundlicher Daten. Wir sprachen über dieses Projekt mit dem Koordinator beim DDA, Johannes Wahl.

AGO: Ursprünglich war der ornitho-Start ja für das Frühjahr angekündigt. Warum klappt es mit dem Start erst jetzt?

JW: Als wir im Frühjahr 2010 die Entscheidung bekanntgaben, waren wir sehr optimistisch, dass wir 2011 würden starten können, ornitho.ch lief ja bereits hervorragend. Doch peu à peu wurde uns klar, wie komplex und durchdacht dieses System ist und dass es beileibe nicht damit getan war, ch durch de auszutauschen. Das System musste von Grund auf neu aufgebaut werden, angefangen bei den administrativen Einheiten und der Bereitstellung und Aufbereitung der Topographischen Karten, über die naturräumlichen Einheiten, die Artenliste, die Häufigkeitseinstufungen der Arten, die Aufarbeitung der artspezifischen Brutzeiten, den Schutz sensibler Beobachtungen, die Meldepflicht auf nationaler und Länderebene, die Zuständigkeitsbereiche der Avifaunistischen Kommissionen, bis hin zu den Regeln von ornitho.de, die die Rechte und Pflichten von Träger, Partnern und Meldern regeln und den Richtlinien zur Datennutzung. Hinzu kommen Anleitungen, FAQs, die Anpassung der Texte an Deutschland, inhaltliche Anpassungen des Systems an die politischen wie organisatorischen Verhältnisse hierzulande sowie inzwischen unzählige Vorträge in den letzten eineinhalb Jahren von der lokalen bis zur bundesweiten Ebene …
Ich denke, man bekommt einen Eindruck davon, wie viel Arbeit in ornitho.de steckt und dass das nicht im Handumdrehen zu leisten war. Oder wie brachte es ein niederländischer Kollege kürzlich bei einem Workshop über Online-Portale in Europa trocken auf den Punkt „It’s fairly easy to start a bad system, but it takes a huge effort to develop a really good one!“. Ein unausgereiftes System ist schnell gestartet, aber eines, das von dem AGO, über die NOV bis hin zu DO-G (hoffentlich) auf eine breite Akzeptanz stößt, erfordert weit mehr. Ich bin zuversichtlich, dass die Nutzer das bald zu schätzen wissen und uns die Verzögerung um ein gutes halbes Jahr verzeihen.

AGO: Eine Internet-Datenbank für vogelkundliche Beobachtungen – ganz neu ist die Idee ja nicht. Was unterscheidet ornitho.de von anderen Angeboten mit ähnlicher Ausrichtung?

JW: Aus meiner Sicht gibt es vier wesentliche Unterschiede: Zum einen hat ornitho.de die Unterstützung aller avifaunistischer Landesfachverbände und vieler regionaler Arbeitsgruppen, ebenso wie des Bundesamtes für Naturschutz und der Vogelschutzwarten. ornitho.de ist jedoch ungeachtet der Unterstützung der Naturschutzfachbehörden ein Projekt der Verbände, das u.a. durch die Spendeneinnahmen aus dem Birdrace finanziert wurde (herzlichen Dank an dieser Stelle an die emsigen Göttinger Teams!). Zum zweiten werden die Daten mit dem Ziel, sie für wissenschaftliche und naturschutzfachliche Auswertungen zu nutzen sowie zur Ergänzung des bundesweiten Vogelmonitorings gesammelt. Das heißt, die Daten werden auch regelmäßig ausgewertet. Der dritte markante Unterschied ist, dass wir die Vergabe von Ortsbezeichnungen und die fachliche Kontrolle der eingehenden Daten nicht der „Community“ überlassen, sondern nach und nach ein Experten-Netzwerk aufbauen, dass diese Aufgaben übernimmt.
Darüber hinaus ist ornitho.de nicht ein weiteres, einzelnes Portal zur Eingabe von Vogelbeobachtungen, sondern Teil der „ornitho-Familie“: Mittlerweile gibt es ornitho-Systeme in Italien, der Schweiz, Katalonien, Frankreich sowie Luxemburg, das unter die Fittiche von ornitho.de geschlüpft ist. Weite Teile des deutsch-sprachigen Raums haben damit Systeme mit identischen Datenstrukturen. Diese internationale Einbindung, die reizvolle Perspektiven für die Zukunft bietet, das fachliche wie technisch ausgereifte Portal sowie die Möglichkeit, von den reichen Erfahrungen insbesondere in der Schweiz zu profitieren und das Portal gemeinsam weiter zu entwickeln, waren ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten von ornitho.de.

AGO: Im Vorfeld war zu hören, dass besonderes Gewicht auf die Einbindung lokaler und regionaler avifaunistischer Strukturen gelegt wurde. Was kann man sich darunter vorstellen?

JW: Ein Portal wie ornitho.de kann nur dann richtig funktionieren und einen aktuellen Überblick über das avifaunistische Geschehen hierzulande geben, wenn es die Unterstützung vor allem der regionalen Arbeitsgemeinschaften und Fachgruppen hat. Im letzten Jahr waren wir deshalb in (fast) allen Bundesländern unterwegs, um über das Projekt zu informieren. Wir haben noch viele Reisen vor uns, aber ich denke, wir haben schon viel erreicht und sind überall, wo wir waren, offene Türen eingerannt.
Besonders wichtig ist die Einbindung regionaler Arbeitsgemeinschaften für das bereits erwähnte Experten-Netzwerk. Als Kenner der regionalen Avifauna wissen sie am besten über Häufigkeit, Auftreten und Verbreitung der Vögel in ihrem „Hoheitsgebiet“ Bescheid, Ihnen sind die meisten aktiven Beobachter in der Region bekannt, so dass sie deren Kenntnisse und dadurch zweifelhafte Beobachtungen leichter einschätzen können. Ebenso kennen sie die gängigen (und in der Vergangenheit verwendeten) Ortsbezeichnungen ihrer Region am besten und sind somit die idealen Partner, wenn es darum geht, die Ortsbezeichnungen in ornitho.de festzulegen. Diese werden übrigens ausschließlich von regionalen Experten festgelegt, wodurch (endlich) eine Vereinheitlichung der Ortsbezeichnungen erreicht wird. Als Verfasser des Jahresberichts für Göttingen wisst ihr sicherlich zu schätzen, nicht erst die Schreibweisen vereinheitlichen zu müssen, bevor ihr mit dem Auswerten und Schreiben beginnt. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ihr für das Arbeitsgebiet des AGO diese Aufgaben übernehmt!

AGO: Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass vergleichbare Angebote zwar – technisch gesehen – funktionierten, sich aber schnell Unmengen von Daten anhäuften, die im Grunde kaum jemanden interessieren und die niemand aufarbeitet. Wie kann man verhindern, dass aus ornitho.de ein „Datengrab“ wird?

JW: Auch in ornitho.de dürfen und sollen alle Daten gemeldet werden, denn auch Zufallsdaten von „Allerweltsarten“ können eine wichtige Grundlage beispielsweise für Modellierungen von Verbreitung und Häufigkeit darstellen. Wir nehmen die Melder dabei aber etwas an der Hand, so dass die Daten auch tatsächlich einen Mehrwert bringen. Zum Beispiel kann man in ornitho.de Beobachtungen in sog. „Tageslisten“ melden. Dabei werden alle Arten, die man bei einer Exkursion beobachtet hat, notiert, gerade die häufigen nur mit „anwesend“. Auf diese Weise erhalten wir Präsenz-/Absenz-Informationen, die sehr wertvoll für vielerlei Auswertungen sind. Darüber hinaus haben wir alle in Deutschland auftretenden Arten in Kategorien eingeteilt. Diese Liste geben wir den Beobachtern an die Hand, so dass sie wissen, von welchen Arten wir möglichst alle Beobachtungen benötigen und welche von geringerer Bedeutung sind.
Dass ornitho.de kein Datengrab wird, dafür werden nicht nur wir als DDA durch bundesweite Auswertungen sorgen, sondern hoffentlich auch die vielen Fachverbände beitragen, denen wie auch dem AGO die eingehenden Daten in ihrem „Hoheitsgebiet“ für Auswertungen zur Verfügung stehen.

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Wen interessiert das gesammelte Datenmaterial eigentlich? Der DDA sorgt durch die Einbindung vogelkundlicher Verbände und Fachgruppen dafür, dass Daten nicht nur gesammelt, sondern auch fachkundig ausgewertet und aufgearbeitet werden. Zukünftig ist darüber hinaus eine Integration bereits etablierter Monitoring-Programme vorgesehen. Nutzerinnen und Nutzer von ornitho können also davon ausgehen, mit der Eingabe ihrer Daten ein Puzzlestück zur Erforschung der Vogelwelt beizutragen.

AGO: Angenommen, ornitho.de entwickelt sich schnell zum Erfolgsprojekt – gibt es schon Pläne und Ideen, wie es dann mit der Plattform weitergehen könnte?

JW: Mit dem Start von ornitho.de können Gelegenheitsbeobachtungen gemeldet werden, also all jene Beobachtungen, die außerhalb der systematischen Erfassungsprogramme bei Exkursionen in interessante Gebiete ebenso wie auf Spaziergängen, auf dem Weg zur Arbeit, vom Balkon oder im Garten gelingen. Mittelfristiges Ziel ist es, auch für die systematischen Erfassungsprogramme des Vogelmonitorings wie z.B. die Wasservogelzählung oder das Monitoring häufiger Brutvögel Eingabemöglichkeiten zu schaffen. Die Melder sollen sich nur noch ein Passwort merken müssen und alle ihre Beobachtungsdaten an einem Ort verwalten können. Es wird somit hoffentlich in den kommenden Jahren ein Portal entstehen, in dem ein Großteil der avifaunistischen Daten zusammenfließt. Damit können diese auch schneller für wissenschaftliche Auswertungen und den Naturschutz zur Verfügung gestellt werden. Obgleich die Vorbereitungen bereits laufen, das ist Zukunftsmusik. Wir freuen uns nun erst einmal, dass ornitho.de gestartet ist und hoffen auf eine ähnliche Begeisterung wie in unseren Nachbarländern.

AGO: Vielen Dank, Johannes – und viel Erfolg!