Total normal – der Vogelwinter 2014/15 in Süd-Niedersachsen

Raubwürger - L.Söffker
Abb. 1: Raubwürger in der Feldmark Gö.-Geismar. Foto: L. Söffker

Dezember und Januar gestalteten sich weithin mild und schneearm. Kurz nach dem Jahreswechsel kam es im Leinepolder Salzderhelden zu einem Anstau, der zahllosen Kleinsäugern den Garaus machte und das Nahrungsangebot für einige Großvogelarten paradiesisch anschwellen ließ. Anfang und Ende Februar stellte sich für kurze Zeit Winterstimmung ein. Einige Stillgewässer, darunter der Seeburger See und der Göttinger Kiessee, waren zeitweise vereist, aber niemals komplett. Für ausharrende Wasservögel war dies von großem Vorteil, weil es ihnen die durchgehende Überwinterung ermöglichte.
Im Tunnelblick von Vogelbeobachtern gelten normale bis milde Winter gemeinhin als langweilig, weil an den meisten Tagen immer dieselben Vögel zu beobachten sind. Gleichwohl gibt es einiges zu vermelden, darunter auch die eine oder andere Besonderheit.

Der winterliche Zuzug von Höckerschwänen hielt sich in Grenzen. In der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck überwinterten um die 40 Vögel, im Umfeld des Seeburger Sees um die 25.
Der Winterbestand des Singschwans im Leinepolder Salzderhelden und Umgebung lag bis in die letzte Februardekade konstant bei 21 bis 24 Ind., darunter nur vier Jungvögel. Zu dem alten Bekannten aus Lettland mit der Halsmanschette 2E94 gesellte sich ein Gefährte gleicher Herkunft mit der Signatur 2E22, markiert am 27. Juli 2010. Dieser Vogel wurde zum ersten Mal überhaupt in Niedersachsen abgelesen. Einer der beiden war ein unruhiger Geist: Er verbrachte die Weihnachtsfeiertage an der Elbe in Sachsen-Anhalt, war aber Ende Dezember wieder zurück.
Am Seeburger See legten sieben Singschwäne (5 ad., 2 vorj. Ind.) am 13. Januar offenbar nur einen kurzen Zwischenstopp ein. Ihnen folgten vom 6. bis 10. Februar drei Altvögel, von denen es einer bis Ende des Monats dort aushielt.
Für das Göttinger Stadtgebiet immer noch sehr bemerkenswert sind zwei Ind., die am 2. Januar über den Göttinger Kiessee flogen (dritter Nachweis).
Zwei adulte Zwergschwäne zeigten vom 29. bis 31. Dezember an der Geschiebesperre Hollenstedt eine für unsere Region arttypisch kurze Verweildauer.

Einzelne Kanadagänse ließen sich am 14. Dezember am Seeburger See und im Leinepolder blicken. Ab dem 19. Februar hielt sich ein Vogel überwiegend an der Geschiebesperre Hollenstedt auf. Mitte Januar rasteten bis zu zwei Weißwangengänse im Polder.
Die Rastzahlen von Tundrasaatgänsen erreichten im Polder Maxima von ca. 1000 bis 1200 Ind. und waren damit typisch für einen insgesamt recht milden Winter. Noch vor 30 Jahren hätte man sie als beispiellosen Masseneinflug gefeiert…

Saatgänse - J. Herting
Abb. 2: Tundrasaatgänse Foto: J. Herting

Blässgänse waren am 19. Februar mit einem Maximum von 820 Ind. wie immer etwas schwächer vertreten. Im Seeanger lag das Maximum bei 50 bis 60 Ind.
Als exklusives Weihnachtsgeschenk präsentierte sich am 24. Dezember im Leinepolder Süd-Niedersachsens erste Zwerggans (P.H. Barthel). Der Altvogel suchte Anschluss an (in dieser Zahl) ebenfalls sehr bemerkenswerte acht Rostgänse, die sich vom 24. bis 26. Dezember dort aufhielten. Ob dieses Sozialverhalten Hinweise auf die Herkunft des Vogels liefert, wird die Avifaunistische Kommission Niedersachsen und Bremen (AKNB) bewerten, bei der die Beobachtung zu melden ist.
Am 26. Dezember zeigte ein Paar der Nilgans mit einem noch sehr kleinen Jungvogel im Seeanger die erste Winterbrut in unserer Region an. Die Familie war später nicht mehr auszumachen, so dass ein Scheitern der Brut sehr wahrscheinlich ist. Winterliche Brandgänse scheinen sich zur Normalität zu mausern. Es liegen immerhin sechs Nachweise (maximal vier Ind. am 26. Dezember auf dem Northeimer Freizeitsee) vor.

Weibliche Mandarinenten konnten am 6. Dezember am Göttinger Kiessee und am 2. Januar am Seeburger See ausgemacht werden. Ebenfalls weiblich ist ein (unberingter) Gast an der Leine in Göttingen nahe dem Faltbootfahrer-Heim ab dem 14. Februar.
Ein gefiedertes Kleinod ganz spezieller Provenienz, ein männlicher Hybrid Braut- x Bahamaente, ließ sich am 7. Dezember am Aueabfluss bei Bernshausen aus nächster Nähe beobachten und fotografieren.

Braut x Bahamaente - M.Siebner
Abb. 3: Hybrid Braut- x Bahamaente. Foto: M. Siebner

Mit heller Kehle und spitzem Schwanz wies der Vogel zwei Merkmale auf, die auch bei einer als weibliche Sichelente bestimmten Schwimmente in den Blick geraten waren. Dieser, immer weit entfernte, Vogel (vgl. den Wegzugbericht auf dieser Homepage) wurde zuletzt am 26. November 2014 gesehen. Zwei halbwegs aussagekräftige Fotos datieren von Anfang November. War es nun derselbe Kandidat, der in vier Wochen kräftig umgemausert hat oder ein Weibchen aus dieser Kombination? Oder doch zwei verschiedene Vögel aus einer Voliere? Man weiß es nicht… Bei Züchtern gelten solche Hybriden als attraktiv; daher sind sie häufiger als angenommen (J. Lehmhus, per E-Mail).
Obwohl das traditionelle Überwinterungsgebiet der Pfeifente am Rhumeufer in Northeim im November komplett gemäht und damit entwertet wurde, war sie im Hochwinter mit bis zu 200 Ind. im Leinepolder und bis zu 160 Ind. am Northeimer Freizeitsee (vermutlich derselbe Trupp) wieder in einer für das tiefe Binnenland bemerkenswert hohen Zahl vertreten.
Aus regionaler Sicht ist die durchgehende Überwinterung einer männlichen Löffelente am Seeburger See eine besondere Erwähnung wert.

Weibchenfarbene Bergenten gerieten einzeln am 14. und 16. Dezember am Seeburger See sowie am 4. und 9. Januar an der Geschiebesperre ins Blickfeld.
Ab dem 4. Dezember bis (vermutlich) zum 6. Februar hielt sich eine viel bestaunte Eisente im 1. bzw. 2. Kalenderjahr auf dem Seeburger See auf. Der zuvor letzte Regionalnachweis stammt vom Dezember 2002 ebenda. Dieser ganz famose Vogel stellte seine Bewunderer oft auf eine Geduldsprobe oder ließ sie frustriert wieder nach Hause ziehen. Er bewegte sich – unterbrochen nur von extrem kurzen Auftauchphasen – gleichermaßen lange und beständig unter Wasser, war manchmal ganz nah, manchmal weit weg und an einigen Tagen komplett unsichtbar. Das schottische Seeungeheuer „Nessie“ oder ein Elite-Kampfschwimmer der israelischen Marine hätte es kaum besser machen können…

Eisente - S.Paul
Abb. 4: Eisente auf dem Seeburger See. Foto: S. Paul

Am 1. Dezember legten zwei Trauerenten auf dem Northeimer Freizeitsee offenbar nur eine kurze Rast ein. Zwei Samtenten hielten sich vom 22. bis 26. Dezember auf dem Northeimer Freizeitsee auf, ein Einzelvogel am 13. Januar an der Geschiebesperre. Eine erheblich längere Verweildauer gönnten sich vier Ind. vom 4. bis 27. Dezember am Seeburger See, ein Vogel (wohl) aus diesem Trupp blieb bis zum 4. Januar.

Zwergsäger traten in typisch geringer Zahl auf. Am 9. Februar schwammen zehn Ind., darunter fünf prächtige Männchen, auf den Northeimer Kiesteichen. Maximal elf Ind., darunter vier Männchen, gab es Mitte Februar am Seeburger See. Möglicherweise waren die Vögel zumindest teilweise identisch.
Im Berichtszeitraum bevölkerten bis zu 50 Gänsesäger den Göttinger Kiessee, maximal 102 Ind. wurden am 14. Dezember am Seeburger See gezählt. Dort lagen den ganzen Winter hindurch die Zahlen mit regelmäßig mehr als 70 bis 80 Ind. recht hoch, weil das Gewässer niemals komplett zugefroren war.
Aus regionaler Sicht sehr bemerkenswert ist die durchgehende Überwinterung eines weiblichen Mittelsägers ab dem 6. Dezember ebenda. Ein prächtiges Männchen hielt sich am 7. Dezember auf dem Göttinger Kiessee auf, leider nur kurz (Belegfoto bei ornitho.de).

Am 4. Januar wurde im Reinhäuser Wald nahe dem Forsthaus Hasenwinkel die Rupfung eines Fasans gefunden. Der Übeltäter war wohl ein Fuchs. Ob er einen frei lebenden Vogel erbeuten konnte, muss offen bleiben. Offenkundig gesund und munter war ein Paar am 21. Februar in der Rhumeaue bei Bilshausen, das den glücklichen Beobachter in helle Begeisterung versetzte.

Auf dem Northeimer Freizeitsee konnte ein Rothalstaucher bis (mindestens) Mitte Februar überwintern.
Ab dem 4. Dezember bis Ende des Monats gab ein Ohrentaucher (wohl im 1. Kalenderjahr) dem Northeimer Freizeitsee die Ehre.

Ohrentaucher - B.Riedel
Abb. 5: Ohrentaucher auf dem Northeimer Freizeitsee. Foto: B. Riedel

Ob er identisch mit einem am 2. Dezember als Schwarzhalstaucher bestimmten Lappentaucher war, muss offen bleiben.

Zu dem aus dem Vorbericht bekannten Prachttaucher an den Northeimer Kiesteichen (Fischzuchtteich an der B 3) gesellte sich ab dem 2. Dezember ein junger Artgenosse. Beide Vögel wurden nach dem 5. Dezember nicht mehr gesehen.
Am Göttinger Kiessee sorgte der erste seiner Art seit 2007 ab dem 5. Dezember für regen Besucherverkehr. Wie später zu erfahren war, erfolgte sein Aufenthalt bis zum 16. des Monats nicht ganz freiwillig: Ein Anwohner hatte den desorientierten Vogel am Vorabend auf einer Straße unweit des Rückhaltebeckens Grone gegriffen und in die Pflegestation des NABU verbracht. Dort diagnostizierte man seinen unversehrten Status und ließ ihn tags darauf am Kiessee frei. Der Seetaucher machte einen trägen Eindruck, tauchte selten und flügelte so gut wie nie. Ein oder zwei Wassersportlern gegenüber, die lautstark und rücksichtslos den Kiessee durchpflügten und fast alle anderen Rastvögel zum Abflug zwangen, verhielt er sich ungewohnt dickfellig und tauchte erst im letzten Moment ab. Ob er doch nicht ganz fit war oder vom reichen Nahrungsangebot nur allzu gut gesättigt, wird sich nicht mehr klären lassen. Immerhin deuteten negativ verlaufene Suchen nach seinen sterblichen Überresten darauf hin, dass er irgendwie den Abflug geschafft hat.

Prachttaucher - M.Siebner
Abb. 6: Prachttaucher auf dem Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Der Rastbestand des Kormorans bewegte sich am Göttinger Kiessee während des Berichtszeitraums ziemlich konstant zwischen 30 und 70 Ind. Am 24. Dezember feierten maximal 95 Ind. eine fischreiche Bescherung. Für den Zustand des Kiessees – vom „ökologischen Gleichgewicht“ kann man wohl kaum sprechen – sind die vielen gefiederten Fischfresser ein Segen. Sie machen erheblich mehr Beute als ihre angelbewehrten Mitbewerber im Safari-Look. Obgleich ihr Einfluss auf die Fischfauna dieses nährstoffreichen Gewässers kaum zu quantifizieren ist, könnten sie dennoch dazu beitragen, dass Flohkrebse und andere kleine Pflanzen- und Algenvertilger nicht übermäßig von Brasse und Co. dezimiert werden. Der Wasserqualität kann das nur gut tun.

Einzelne Rohrdommeln gerieten am 29. Dezember an der Geschiebesperre Hollenstedt sowie am 19. Februar im Leinepolder und am Seeburger See ins Blickfeld.
Silberreiher traten in der Region wieder in hoher Zahl auf. Der Winterbestand kann auf ungefähr 250 Ind. beziffert werden. Ein Schlafplatz im Leinepolder wurde von bis zu 172 Ind. (11.1.) frequentiert. Im Umfeld des Seeburger Sees lagen die Zahlen bei knapp 50 Ind. Am 18. Dezember standen allein 45 Vögel auf einem grüngedüngten Acker in der Feldmark Ebergötzen. Im Polder und an der Geschiebesperre Hollenstedt machten bis zu zwei Ind. mit rötlichen Beinen und schwarzen Schnäbeln auf sich aufmerksam (so genannter „modestus“-Typ). Besonders zum Ende des Winters sind solche Vögel aber kaum von normalen Silberreihern zu unterscheiden, die allmählich das Brutkleid anlegen. Und aus Südostasien, wo diese Färbungsvariante dominiert (aber auch Artgenossen mit gelben Schnäbeln und dunklen Beinen vorkommen!), stammten sie mit Sicherheit nicht…
Die Graureiher im Göttinger Levin-Park gaben sich bereits ab Ende Januar sehr geschäftig. Derzeit brüten schon ca. zehn Paare. Auf der Insel im Kiessee, wo in den letzten Jahren ein Einzelpaar erfolgreich gebrütet hatte, ist eine Kolonie in Gründung. Aktuell werkeln fünf oder sechs Paare an ihren Nestern. Mit der erfolgreich bezogenen Dependance, die Platz für eine große Kolonie bietet, kann man dem erwartbaren Zusammenbrechen der uralten Weide im Levin-Park, auf der allein bis zu 19 Paare brüteten, etwas gelassener entgegen sehen. Fragt sich nur, wie die Vögel reagieren, wenn der Freizeitbetrieb zu Wasser (den sie vom Levin-Park nicht kennen!) im Frühjahr Fahrt aufnimmt.

Im Leinepolder und seinem Umfeld überwinterten zwei ortansässige Brutpaare des Weißstorchs. Die Paare an der Geschiebesperre und im Seeanger waren Ende Februar wieder am Start.

Sehr bemerkenswert und in dieser Zahl ohne Präzedenz ist das Auftreten von Kornweihen im Leinepolder. An dem aus dem Vorbericht bekannten Schlafplatz gaben sich bis zu 19 von ihnen (4 M., 15 wf. Ind. am 24.12.) ein Stelldichein. Auch im Januar wurde der Schlafplatz noch von bis zu zehn Ind. beflogen. Im Februar gingen die Zahlen auf ein bis zwei Ind. zurück – typisch für unsere Region, in der durchgehende Überwinterungen eher die Ausnahme sind.
Rotmilane verbrachten den Winter in ungewöhnlich hoher Zahl. Insgesamt könnten es mehr als 100 gewesen sein. Auf vielen Exkursionen wurden Einzelvögel, aber auch Trupps von bis zu sieben Ind. ausgemacht. Mitte Dezember bestand im Sollingvorland bei Relliehausen ein Schlafplatz von 35 Vögeln. Wie bei der Kornweihe dürfte die Kombination aus milder Witterung und einem überaus reichen Angebot von Kleinsäugern das Ausharren stimuliert haben.

Rotmilan - M.Siebner
Abb. 7: Aber ganz so einfach war die Mäusejagd manchmal nicht… Foto: M. Siebner

Ungewöhnlich ist auch die vergleichsweise lange Verweildauer eines alten Seeadlers vom 9. bis 17. Januar im Leinepolder.
War es immer derselbe (nach Alter und Geschlecht unbestimmte) Raufußbussard, der zwischen dem 28. Dezember und dem 2. Februar im Leinepolder mehrfach ins Blickfeld geriet? Egal: Ungewöhnlicher als die vermeintlich lange Verweildauer sind gleich zwei Vögel (1 ad. M., der zweite wohl ein W.), die am frühen Morgen des 24. Februar über Gö.-Nikolausberg nach Süden zogen. Ihnen folgte am Nachmittag ein über den Wüsten Berg nach Südwesten fliegendes Weibchen. Der große zeitliche Abstand macht unwahrscheinlich, dass es das Nikolausberger Weibchen war. Drei an einem Tag über Göttingen ziehende Raufußbussarde sind singulär. Auch die Zugrichtung fällt aus dem Rahmen, weil die Voraussetzungen für eine Schneeflucht aus dem Osten nicht gegeben waren.
Winterliche Merline – in unserer Region die Ausnahme – konnten am 24. Januar am Seeburger See sowie am 18. Februar in der Feldmark Gö.-Geismar notiert werden. Im Leinepolder befasste sich ein Männchen im Februar mehrere Tage mit dem Erbeuten von Singvögeln.

Im Dezember waren noch einige Kraniche unterwegs, zumeist in kleinen Trupps. Um die Monatswende Dezember/Januar hielten sich im Leinepolder bis zu 320 Vögel auf. Der ortsfeste Winterbestand belief sich auf 20 bis 25 Ind. Ab dem 12. Februar setzte der Heimzug ein, zumeist wieder in kleineren Trupps von weniger als 200 Vögeln und, typisch für den Heimzug, nicht selten in der Dunkelheit, was die Erfassung erschwerte. Immerhin ließen sich am 20. Februar mindestens 3200 über das Kerstlingeröder Feld ziehende Ind. gut zählen.

Dass Wasserrallen gut über den Winter gekommen sind, belegen nicht nur regelmäßige Rufaktivitäten von bis zu fünf Ind. am Seeburger See, sondern auch bemerkenswerte sechs bis sieben Ind. am 28. Februar an der Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden.

Ein paar Kiebitzen gelang die Überwinterung, in der Regel im einstelligen Bereich (Ausnahme: 10 Ind. am 18.1. an der Geschiebesperre). Ab dem 19. Februar setzte der Heimzug ein und ließ die Zahlen steigen.
Als erfreuliches Resultat des bis dato normal verlaufenen Winters liegen keine Meldungen gestrandeter oder verunglückter Waldschnepfen vor. Offenbar konnte sie in aller Ruhe in den Wäldern überwintern und wurden nicht zur Schneeflucht gezwungen, die sie in unwirtliche Gefilde mit vielen Glasscheiben und anderen Zivilisationsbarrieren geführt hätte. Am 13. Januar wurde ein Vogel im Leinepolder gesehen, zwei Ind. flogen im Kaufunger Wald am 22. Februar aus einem Graben auf.
Aus dem Berichtszeitraum liegen (immerhin) sieben Beobachtungen der Zwergschnepfe vor, in der Regel Einzelvögel, die sich auf die Geschiebesperre Hollenstedt, die ehemaligen Tongruben Siekgraben und den Seeanger (2 Ind. am 25.1.) verteilten. Bekassinen waren wie gewohnt etwas zahlreicher vertreten: Maximal zehn bis elf harrten im Hochwinter an der Geschiebesperre und im Leinepolder aus.
An der Geschiebesperre konnten zwei Waldwasserläufer erfolgreich überwintern.

Der Zuzug winterlicher Sturmmöwen hielt sich in Grenzen. Das Maximum von 41 Ind. wurde am 6. Dezember am Seeburger See ermittelt. In der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck lagen die Zahlen allesamt darunter. Dass die größeren Cousins aus der Gattung Larus die Mäuseschwemme ebenfalls nicht zu schätzen wussten, belegen die folgenden Zahlen. Am 18. Januar ließ sich im Leinepolder eine Silbermöwe blicken.
Ein Fünfertrupp (1 ad., 4 K2-Ind.) aus dem Silber-/Weißkopfmöwenkomplex am 16. Februar an der Geschiebesperre konnte nicht auf Artniveau bestimmt werden. Am Seeburger See verbrachte eine junge Mittelmeermöwe den Dezember. An den idyllischen Gestaden dieses Gewässers waren, ganz im Trend, Steppenmöwen (darunter wohl ein Hybrid vom „polonicus“-Typ) deutlich besser vertreten und praktisch den ganzen Winter präsent. Maximal fünf Ind. wurden am 6. Dezember gezählt. Am Northeimer Freizeitsee hielten sich am 26. Dezember zwei 2 K1-Ind. und am 7. Februar ein Altvogel auf.

Steppenmöwe - M.Göpfert
Abb. 8: Knopfauge lässt grüßen. Steppenmöwe am Seeburger See. Foto: M. Göpfert

Ringeltauben waren in diesem Winter in überdurchschnittlich hohen Zahlen unterwegs. Es liegen zahlreiche Beobachtungen von großen Schwärmen vor, darunter als Maxima 1700 am 6. Dezember über Göttingen nach Südwesten ziehende Vögel und ca. 1000 Ind., die am 15. Februar über Seeburg nach Westen flogen. Grund für das vermehrte Ausharren dürfte eine gigantische Buchenvollmast in Kombination mit vergleichsweise geringem Schneefall gewesen sein, die auch für die Phänologie anderer Vogelarten von Bedeutung war.

Insgesamt bis zu zehn akustische Wahrnehmungen balzender Raufußkäuze im Solling (identische Vögel bei mehreren Begehungen eingeschlossen) und an der Ahlsburg deuten darauf hin, dass sich der Bestand nach den überaus schlechten Jahren 2014 und 2013 wieder zu erholen beginnt. Kein Wunder, denn der Waldboden wimmelt nur so von Mäusen, die sich an Tonnen von Bucheckern mästen. Der positive Trend betrifft auch den Sperlingskauz, der in ähnlicher Größenordnung festgestellt wurde.
Am 26. Dezember wurde unweit der Rieswarte am Bratental bei Gö.-Nikolausberg ein Schlafplatz der Waldohreule entdeckt, der von mindestens 30 Vögeln angeflogen wurde. Diese Größenordnung ist aus regionaler Sicht ohne Präzedenz. Leider war er schon am 18. Januar nicht mehr besetzt, weil man in unmittelbarer Nachbarschaft einen Holzlagerplatz angelegt hatte. Zahlreiche Reifenspuren belegten dessen rege Nutzung…
Am 13. Dezember und 11. Januar konnte im Leinepolder noch eine Sumpfohreule notiert werden (vgl. den Vorbericht).

Dem Eisvogel bescherte der zweite milde Winter in Folge wiederum ideale Überlebensbedingungen. Zahlreiche Beobachtungen, auch an winzigen Gewässern wie dem Teich im Göttinger Alten Botanischen Garten und von der Reinsrinne an den Schillerweisen belegen, wie gut es ihm geht. Auf ein Scheibenanflug-Opfer vom 29. Januar in Angerstein trifft dies leider nicht zu. Am Flüthegraben im Göttinger Süden nutzen Eisvögel in Ermangelung von Zweigen und Ästen ab und an das Geländer als Ansitz.

Eisvogel - S.Hillmer
Abb. 9: Eisvogel auf dem Geländer am Flüthegraben. Foto: S. Hillmer

Dagegen zeigen ganze zwei bis drei Winterreviere des Raubwürgers (Leinepolder, Kerstlingeröder Feld, wahrscheinlich Feldmark Gö.-Geismar), dass es um diese Art nicht gut bestellt ist. Ob zwei Vögel vom 20. Februar im Sollingvorland bei Abbecke und vom 25. Februar in der Feldmark nahe Gö.-Hetjershausen als Revierbesetzer einzustufen sind muss wegen ihrer einmaligen Sichtung offen bleiben. Kontrollen von früher besetzten Revieren verliefen negativ. Gerade in einem ungemein mäusereichen Winter ist das kein gutes Zeichen – zumindest wenn man davon ausgeht, dass heimische Brutvögel hier auch überwintern.

191 Saatkrähen, die am 21. Januar auf einer Wiese bei Thüdinghausen nach Nahrung suchten, zeigen aus regionaler Sicht fast schon einen Masseneinflug an. An der Deponie Blankenhagen bei Moringen wurden am 1. Februar maximal 80 Ind. gezählt. Das traditionelle Überwinterungsareal in Gö.-Weende-Nord frequentierten maximal neun Vögel. 120 Ind., die sich am 28. Februar am Seeanger hochschraubten und nach Osten flogen, waren offenkundig wieder auf dem Heimzug.
In den Hochlagen des Sollings konnten im Februar an drei Stellen Tannenhäher gesehen bzw. gehört werden. Später im Jahr dürfte das schwierig werden und am 2. Mai wohl nahezu aussichtslos…

Tannenhäher - S.Paul
Abb. 10: Tannenhäher im Solling. Foto: S. Paul

Trotz des insgesamt milden Winters sind nennenswerte Ansammlungen von Feldlerchen nur aus der Feldmark Buensen nahe dem Leinepolder am 14. Dezember (24 Ind.) und der Leineniederung bei Bovenden am 20. Dezember (ca. 20 Ind.) bekannt geworden.

Aus regionaler Sicht sehr bemerkenswert sind Bartmeisen, die im Seeanger (mindestens zwei Ind.) und im Leinepolder (mindestens fünf Ind.) heimlich den Winter verbracht haben.

Aus dem Berichtszeitraum liegen acht Nachweise des Zilpzalps vor. Das sind zwei mehr als im letzten, ebenfalls milden, Winter. Hinweise auf eine durchgehende Überwinterung gab es nicht.
Vom Sommergoldhähnchen existieren zwei Winterbeobachtungen, genau so viele wie im Vorjahr. Davon datiert eine vom 13. Februar in Gö.-Weende und könnte schon dem (frühen) Heimzug zugerechnet werden.
Mit nur einer Beobachtung am 28. Dezember in einem Ebergötzener Hausgarten war die Mönchsgrasmücke halb so häufig wie im vorjährigen Winter. Zugvogelarten, die nach presseaffinen Prognosen „wegen des Klimawandels immer mehr zu Standvögeln“ mutieren, verhalten sich wohl anders…

Der Seidenschwanz, der im Vorjahr durch komplette Abwesenheit glänzte, macht sich bis dato rar: Es liegen nur drei Beobachtungen (sieben Ind. am 26. Januar in der Göttinger Nordstadt, fünf Ind. am 6. Februar in Hann. Münden und 21 Ind. am 18. Februar in Gö.-Geismar) vor.

Seidenschwanz - V.Hesse
Abb. 11: In diesem Jahr eher eine Rarität: Seidenschwanz. Foto: V.Hesse

Einzelne Singdrosseln gerieten am 6. Dezember am Northeimer Freizeitsee und am 30. Dezember im Leinepolder ins Visier. Im Januar gelang keine Beobachtung. Damit liegt die Zahl der regionalen Winternachweise – Februarbeobachtungen können schon den Heimzug betreffen – seit Beginn unserer avifaunistischen Tätigkeit immer noch unter zehn…

Vom Hausrotschwanz liegen Beobachtungen von insgesamt elf Vögeln vor. Darunter befinden sich allein vier Ind. am 27. Dezember am Umspannwerk bei Rosdorf. Ein robuster Geselle verbrachte, ebenfalls bei Rosdorf, den Dezember, suchte aber später das Weite. Alle anderen zeigten eine deutlich kürzere Verweildauer. Eine durchgehende Überwinterung konnte, anders als im Vorjahr, nirgendwo nachgewiesen werden.

Als Hinweis auf Überwinterungen von Heckenbraunellen sind vor allem Beobachtungen im Januar von Bedeutung. Davon gibt es vier, darunter zwei Vögel betreffend, die am Northeimer Freizeitsee seit Anfang Dezember ausharrten.

Bergpieper hielten sich exklusiv in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck auf. Zumeist wurden nur Einzelvögel gesehen. Am 16. Februar jedoch konnten 32 Ind. am Schlafplatz im Leinepolder gezählt werden, so viele wie in den letzten Wintern nicht. Ob sich die Zahlen endlich wieder nach oben bewegen, werden die kommenden Jahre erweisen.
Der Göttinger Winterbestand der Gebirgsstelze kann mit einiger Wahrscheinlichkeit auf maximal vier Ind. beziffert werden, deutlich mehr als im Vorjahr, als die Auswirkungen des „Märzwinters“ 2013 noch zu spüren waren.
Bachstelzen sind so grazil wie Lisbeth Salander in der Romantrilogie von Stieg Larsson und können sich ebenso wagemutig verhalten. Im teilweise angestauten Leinepolder trafen ab Mitte Januar bis zu 40 von ihnen ein und nutzten die feuchten Flächen zur Nahrungssuche. Recht bemerkenswert sind auch 22 Vögel, die am 21. Januar in der Nähe der JVA Rosdorf einem Schlafplatz zustrebten. Solche Beobachtungen sind in milden Wintern nicht selten. Bis dato hat ihnen glücklicherweise kein massiver Kälteeinbruch mit Schnee und weitgehender Vereisung einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Bachstelze - M.Siebner
Abb. 12: Winterliche Bachstelze. Foto: M. Siebner

Für Süd-Niedersachsen sehr bemerkenswert ist die Zahl überwinternder Buchfinken. Am 4. Februar hielten sich ca. 500 Ind. im Göttinger Cheltenham-Park auf, vermutlich Schneeflüchter aus dem nahen Hainberg. Vielleicht derselbe Schwarm wurde, nachdem der Schnee weithin geschmolzen war, am 10. Februar im Wildtiergehege am Kehr gesehen. Diese Zahlen sind in der Region, wo der Buchfink nur ein spärlicher Wintergast ist, ohne Präzedenz.
Dagegen trat der Bergfink, der in Deutschland mehrere Schlafplätze mit jeweils bis zu vier Millionen (!) Vögeln bezogen hatte, in vergleichsweise moderaten Zahlen auf. Im Kaufunger Wald ließen sich am 14. Dezember mindestens 1000 Vögel zählen, vermutlich waren deutlich mehr präsent. Aus dem Solling liegen Beobachtungen von Schwärmen mit (mindestens) bis zu 5000 Ind. vor. Mitte Januar geriet bei Lichtenborn am Sollingrand ein Schwarm von „vielen Tausend Vögeln“ ins Blickfeld. Sicher ist, dass deutlich mehr Bergfinken als in den Vorjahren überwinterten. Auch das vermehrte Auftreten beider Finkenarten hängt zweifellos mit der enormen Buchenmast zusammen, von der auch andere Vogelarten profitierten.

Bergfink - M.Siebner
Abb. 13: In manchen Jahren massenhaft unterwegs: Bergfink. Foto: M. Siebner

Vom nordöstlichen „Trompetergimpel“ gibt es bis dato sechs akustische Wahrnehmungen, die jeweils ein bis zwei Ind. betreffen. Interessant sind zwei Vögel am 18. Februar westlich von Diemarden, die neben der „Kindertrompete“ auch den Kontaktruf normaler Gimpel zu Gehör brachten. Dies könnte, wie zuvor schon vermutet, darauf hindeuten, dass solche Mischrufer (und eventuell auch der ein oder andere Tröter) mitnichten aus fernen Regionen stammen, sondern sich die Rufvariante nur angeeignet haben.

Am 13. Februar rastete eine Schneeammer an der Geschiebesperre Hollenstedt. Am 14. Dezember wurden am Diemardener Berg 160 Goldammern gezählt, am 9. Februar nahe Thüdinghausen um die 100 Ind. Anderswo wurden solche Zahlen nicht annähernd erreicht. Von der Rohrammer gibt es eine Januarbeobachtung aus dem Leinepolder. Aus dem Februar liegen immerhin vier Nachweise aus der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck und vom Seeanger vor.

Hans H. Dörrie

Damit schließt dieser nicht gerade voluminöse Winterbericht. Er basiert fast ausschließlich auf Daten regionaler Melderinnen und Melder bei ornitho.de:

T. Alfert, A. Barkow, P.H. Barthel, B. Bartsch, K. Beelte, S. Böhner, M. Borchardt, S. Brockmeyer, G. Brunken, J. Bryant, J. Bunk, L. Demand, H. Dörrie, W. Dornberger, K. Dornieden, M. Drüner, T. Dziadek, H. Edelhoff, M. Fichtler, E. Garve, C. Gelpke, K. Gimpel, M. Göpfert, E. Gottschalk, C. Grauf, D. Grobe, C. Grüneberg, W. Haase, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, S. Hohnwald, S. Holler, S. Jaehne, C. Jenewein-Stille, K. Jünemann, U. Jürgens, R. Käthner, C. Kaltofen, A. Kannengießer, J. Katzenberger, R. Kellner, H.-A. Kerl, J. Kirchner, A. Klamm, H. Kobialka, U. Kormann, M. Korn, M. Kuschereitz, T. Langer, I. Lilienthal, S. Lilje, V. Lipka, G. Mackay, T. Meineke, P. Meister, K. Menge, S.M. Minta, M. Mooij, F. Normann, M. Olivé, M. Otten, S. Paul, L. Pelikan, G. Pfützenreuter, R. Pötzinger, M. Poltz, B. Preuschhof, S. Racky, D. Radde, U. Rees, R. Rehm, U. Retzlaff, P. Reus, B. Riedel, J. Röder, V. Rösch, N. Roland, C. Roos, C. Rosbach, T. Sacher, B. Schäfer, M. Schleuning, H. Schmidt, P. Schmidt, V. Schmidt, G. Schmitt, M. Schmitz, D. Schomberg, D. Schopnie, M. Seifert, M. Siebner, D. Singer, L. Söffker, R. Spellauge, T. Steiger, K. Stey, A. Stumpner, A. Sührig, D. Trzeciok, W. Vogeley, C. Weinrich, H. Weitemeier, J. Wille, D. Wucherpfennig und M. Zimmermann.