Geplanter Golfplatz in Geismar: Wie “grün” ist das Green und wem gehört es?

Abb. 1: Seltener Schwalbenschwanz – durch den geplanten Golfplatz akut bedroht. Foto: Luca Söffker

Die ehemalige Bauschuttdeponie Geismar am südlichen Göttinger Stadtrand hat sich im Laufe der Renaturierung zu einem kleinen Naturparadies entwickelt. So ist es nicht verwunderlich, dass dieses besonders stark an den Wochenenden von Erholungssuchenden und Naturfreunden genutzt wird. Besonders beliebt ist die Bank an der höchsten Stelle, die einen herrlichen Panoramablick auf die Stadt Göttingen bietet.
Nachdem vor etlichen Jahren ein Golfplatz auf dem Kerstlingeröder Feld verhindert werden konnte, versucht die Göttinger Sport und Freizeit GmbH (GöSF, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt) seit Jahren, ein ähnliches Vorhaben auf der ehemaligen Bauschuttdeponie durchzusetzen. Mitte Februar gerieten sehr konkrete Planungen für einen 9-Loch-Golfplatz ans Licht, die die GöSF an ein Rostocker Unternehmen vergeben hatte. Sie datieren vom Januar 2015 und würden das Erscheinungsbild der Bauschuttdeponie komplett verändern. Weder der Ortsrat Geismar noch die betreffenden Ausschüsse der Stadt, von den Naturschutzorganisationen ganz zu schweigen, wurden darüber informiert. Offenbar will man hinter dem Rücken der Öffentlichkeit vollendete Tatsachen schaffen und, wieder einmal, Flächen, die den Bürgerinnen und Bürgern gehören, einer privaten Nutzung zuführen. Und das obwohl sich bereits reichlich Golfplätze in der Umgebung befinden. Mitte März wurde es noch konkreter: Der Golfplatz soll nun 70 Hektar (100 Fußballfelder!) umfassen, etwa das Dreifache der Deponiefläche. Auch ein Restaurant ist geplant.
Ein Golfplatz sieht zwar grün aus, man darf aber nicht vergessen, dass es sich dabei um intensiv gedüngte und mit Pestiziden gespritzte Flächen handelt, die mehrmals wöchentlich gemäht werden müssen. Für die “Greens” kommt den Planungen zufolge allein für die Bauschuttdeponie ein Bedarf von mehreren Tonnen Stickstoffdünger pro Saison zusammen. Über die Masse der einzusetzenden Pestizide werden wohlweislich keine Angaben gemacht. Zusätzlich muss ein solcher Spielplatz permanent entwässert werden, hat jedoch auf der anderen Seite jährlich bis zu 10.000 Kubikmeter Beregnungsbedarf allein für die Kernfläche. Neben dem Restaurant, der Unterkunft für den Greenkeeper (Düngemittel und Gerätschaften), Umkleiden und einem Mannschaftsraum müssen in dem Gebiet vor allem Parkplätze geschaffen werden sowie etliche befestigte Wege. Dass es bei diesen Bauten nicht bleiben wird, ist stark zu vermuten: Ist der Anfang erst mal gemacht, kann fleißig weiter gebaut und erschlossen werden.

Abb. 2: Ausmaß des geplanten Golfplatzes mit einer Große von 100 Fußballfeldern oder auch der kompletten Ortschaft Diemarden. Im Hintergrund die Stadt Göttingen. Erstellt mit Google Earth

Der Golfplatz soll an einen privaten Betreiber gehen, aber gleichwohl öffentlich zugänglich sein. Gegen eine Nutzung durch die Allgemeinheit sprechen jedoch schon der Versicherungsschutz und die geplanten Sicherheitsabstände zu den Golfbahnen. Das Betreten könnte ohnehin nur Lebensmüden empfohlen werden: Golfbälle können bis über 200 km/h Geschwindigkeit aufnehmen. Außerdem wird es der Betreiber nicht gerne sehen, wenn von Passanten ins Green oder den Sodengarten Löcher getrampelt werden. Das gilt insbesondere auch für Hundebesitzer, die bislang dort fleißig ihre Vierbeiner ausführen. Früher oder später wird das Gebiet abgesperrt werden und nicht mehr für die allgemeine Bevölkerung zugänglich sein, auch wenn jetzt Anderes behauptet wird.

Ausblick BSD
Abb. 3: Herrlicher Ausblick auf Göttingen. Müssen unsere Kinder wegen fliegender Golfbälle hier bald mit Helm herumlaufen?

Von den intensiv genutzten Agrarschlägen der Umgebung hebt sich das Gebiet positiv durch seine kleinstrukturierten Flächen ab. Nachdem bis 1973 dort Hausmüll und bis 1988 Bauschutt abgelagert wurde, begann man mit der Rekultivierung. Zum Teil wurden Bäume und Büsche gepflanzt, zum Großteil wurde das Gebiet einfach der Sukzession überlassen.
In der so entstandenen Landschaft kann man heute vor allem die Vögel, aber auch Insekten der Agrarlandschaft beobachten, die unter der immer mehr industriell arbeitenden Landwirtschaft und dem Anbau von Energiepflanzen zu leiden haben. Man beachte diesbezüglich auch den verlinkten Artikel. So findet sich hier zum Beispiel ein Vorkommen des hübschen Schwalbenschwanzes (siehe Abb.1), das wohl bei der Anlage eines Golfplatzes erlöschen würde.

BSD - M.Siebner
Abb. 4: Kleinod in der Agrarsteppe: die ehemalige Bauschuttdeponie.

Bei den Vögeln finden sich in erster Linie Halboffenland-Arten. Goldammer, Dorngrasmücke und Sumpfrohrsänger kommen hier noch in hohen Dichten vor. Der Feldschwirl ist durch die Veränderungen in der Landwirtschaft in den letzten Jahren dramatisch in seinem Bestand zurückgegangen. Auf der ehemaligen Deponie kann sein insektenartiger Gesang jedoch noch gehört werden. Durch die fortschreitende Verbuschung sind zunehmend auch Arten wie Nachtigall und Gelbspötter zugegen.

Dorngrasmücke - M.Siebner
Abb. 5: Die Dorngrasmücke erreicht auf der ehemaligen Deponie die höchsten Verbreitungsdichten im ganzen Raum Göttingen. Foto: M.Siebner

Ein weiterer bedrohter Agrarvogel mit einem Bestandsrückgang von 93% ist das Rebhuhn, das im Bereich des geplanten Golfplatzes mit immerhin drei Paaren brütet. Eine Telemetriestudie im Rahmen des Göttinger Rebhuhnprojektes belegt dabei die Bedeutung als Quellpopulation zusammen mit dem Diemardener Vorkommen für die umliegenden Bereiche. Für das Rebhuhn ist vor allem auch die angrenzende, bisher extensiv bewirtschaftete Mähwiese, die unter den Abschlagbahnen buchstäblich verschwinden würde (s. Karte), von entscheidender Bedeutung. Der Versuch der GöSF sogar mit dem Rebhuhnprojekt zu werben ist absurd: Erst wird das Gebiet platt gemacht und dann will man sich der schönen Bilder wegen mit einem Rebhuhnblühstreifen wieder frei kaufen. Und von den Bäumen und Gebüschen, die zur Anpflanzung vorgesehen sind, um das Gebiet “ökologisch aufzuwerten” hat diese bodenbrütende Agrarvogelart rein gar nichts.

Rebhuhntelemetrie
Abb. 6: Aufenthaltsorte von Rebhühnern ermittelt durch Telemetrie auf dem Gebiet der ehemaligen Deponie (orange). Die gelben Punkte repräsentieren Neststandorte
(Quelle: Werner Beeke, Rebhuhnschutzprojekt, ArcGis 10.0 und Bing Maps).

Immer wieder konnten hier die “vier großen W” (Wiesenweihe, Wachtelkönig, Wiedehopf und Wendehals) beobachtet werden, zumeist Vögel auf dem Heimzug im Frühjahr. Der Wachtelkönig, eine hochgradig bedrohte Vogelart hielt sich in manchen Jahren über einen längeren Zeitraum auf der großen Mähwiese auf, so dass ein Brüten im Bereich des Möglichen lag.
Seine höchste Attraktivität zeigt das Gebiet in den Frühjahrsmonaten, wo man neben einer reichen Vogelwelt diverse blühende Büsche und Heckenrosen genießen kann.

Feldschwirl - M.Siebner
Abb. 7: Feldschwirl auf dem Plateau. Foto: M.Siebner

Eins sollte klar sein: Durch einen Golfplatz an dieser Stelle würde die hohe Biodiversität massiv beeinträchtigt. Andere, zur Zeit intensiv genutzte Flächen, zum Beispiel im Leinetal, könnten hingegen durch die Anlage eines Golfplatzes profitieren. An dieser Stelle kann man keinesfalls von einer Aufwertung der Landschaft sprechen. Niemand hat etwas gegen Golfplätze – bitte aber nicht ausgerechnet hier im Naherholungsgebiet der Bewohner von Göttingen!

Dieser Artikel wurde am 21. März 2015 aktualisiert.

Für den Arbeitskreis Göttinger Ornithologen
Mathias Siebner

Literatur

Dörrie, H.-H. (2011): Göttingens gefiederte Mitbürger. Streifzüge durch die Vogelwelt einer kleinen Großstadt. Zweite Aufl. Göttinger Tageblatt Buchverlag. Göttingen.

Wildrose - M.Siebner