Der Vogelwinter 2021/22: mild und eher ereignisarm in einer düsteren Zeit

Wer krank war oder zu faul, die Wohnung zu verlassen, konnte seine Existenz mit dem Lesen des ein oder anderen Buchs fristen, z.B. über Räuberbanden im Braunschweiger Land. Auch das exzessive Aufsuchen der diversen Streaming-Dienste war eine gute Option. Denn draußen war in der Regel wegen mangelnder Dynamik nicht viel los. Der Winter gestaltete sich weithin mild, Schnee- und Frosttage waren absolute Mangelware. Es regnete ordentlich und die Harzer Talsperren waren schnell wieder voll. Auch der Leinepolder Salzderhelden präsentierte sich mit angestauten Wasserflächen. Wie üblich peitschten Orkane das südniedersächsische Bergland: Am 29. Januar „Nadia“ sowie, sehr ungewöhnlich in der raschen Abfolge, das Trio infernal aus „Ylenia“ am 16. und 17. Februar, „Zeyneb“ am 18. und 19. Februar und „Antonia“ am 20. und 21. Februar. Es war (fast) wie auf einer Inselgruppe im Nordatlantik. Außer umgestürzten Bäumen gab es allerdings kaum Schäden, an den Küsten ging es weitaus turbulenter zu.

Immerhin: Auch ein milder Winter kann vogelkundliche Überraschungen parat halten, die wir im Folgenden gern präsentieren. Beginnen wir, wie immer, mit den ausharrenden oder spät wegziehenden Kurzstreckenziehern.

Die Feldlerche bot ein völlig anderes Bild als im Vorjahr: Sie trat, wie in den meisten Wintern, nur als Einzelvogel oder in sehr kleinen Trupps in Erscheinung, die herausragende Höchstzahl für Dezember und Januar zeigten elf Ind. am 7. Januar bei Stöckheim (Landkreis Northeim) an. Der Kontrast zum Vorjahr lässt sich damit erklären, dass damals wiederholte Schneefälle für Dynamik unter den ausharrenden Vögeln sorgten.

Der Zilpzalp war mit 38 Beobachtungen, die sich auf ca. 30 Ind. bezogen, schwächer vertreten als im Vorjahreswinter. Hinweise auf längerfristiges Verweilen (mehr als zehn Tage) gab es aus der Göttinger Innen- und Südstadt sowie vom Northeimer Freizeitsee.

Die Mönchsgrasmücke machte sich wie gewohnt rar. Von einem Status als Standvogel ist sie bei uns immer noch weit entfernt. Am 9. Januar machte sich im Göttinger Ostviertel ein Weibchen bemerkbar. Am 14. und 28. Februar geriet am Duderstädter Stadtwall ein Vogel in den Blick und zeigte eine Überwinterung an.

Das Sommergoldhähnchen konnte seinen Allzeitrekord von 15 Beobachtungen aus dem Winter 2021 mit 16 Beobachtungen noch übertreffen. Allerdings fiel die Hälfte mit acht Ind. auf den 28. Februar, den letzten Tag des Erfassungszeitraums und Beginn des Heimzugs.

Mit 42 Beobachtungen stellte der Hausrotschwanz einen neuen Rekord auf, der durch die wenigen Schneefälle begünstigt wurde. Das imposante Maximum stammt vom 17. Dezember mit elf Ind. vom Hammberg bei Rosdorf und signalisierte wohl eher einen späten Wegzug dieser Vögel.

Abb. 1: Hausrotschwanz-Männchen am Denkershäuser Teich. Foto: J. Bondick

Sechs Beobachtungen der Singdrossel sind im Mittel eine ganze Menge, aber nur ein Klacks gegenüber dem Allzeitrekord von 32 Beobachtungen aus dem Winter 2021. Im Westen und Südwesten Deutschlands tritt diese Art nicht selten als Überwinterer auf.       

So viele Heckenbraunellen gab es in einem Dezember/Januar (im Februar setzt bereits der Heimzug ein) mit 68 Beobachtungen wohl noch nie. Doppel- und Mehrfachmeldungen vermutlich identischer Vögel zeigten jedoch an, dass erheblich weniger Ind. beteiligt waren, geschätzt um die 50. Allein am Northeimer Freizeitsee tummelten sich anfangs bis zu sieben von ihnen. Später halbierte sich diese Zahl.

Ebenfalls 68 Beobachtungen des unsteten Wiesenpiepers liegen vor, darunter auch einige Doppelmeldungen. Meist ging es um kleine Trupps im einstelligen Bereich. Bisweilen wurden sie auch im niedrigen zweistelligen Bereich (20 und mehr) angetroffen. Das Maximum lag bei 70 Ind. am 22.12. im Seeanger.

74 weit verteilte Winterbeobachtungen der Gebirgsstelze klingen ganz passabel. Ob sie eine Erholung vom Bestandseinbruch nach der Kältewelle im Vorjahr anzeigen muss offen bleiben.

Ebenfalls recht ordentlich sind 84 Beobachtungen der Bachstelze. Leider wurde der aus dem Vorjahr bekannte, von bis zu 169 Ind. in der Göttinger Weststadt angeflogene Schlafplatz kaum besucht. Am 13. Dezember hatten sich dort nur sieben Ind. niedergelassen und am 22. Dezember flogen zwei Ind. über das Gebiet, vielleicht zu einem unbekannten Schlafplatz… Im Februar war er verwaist. Im Leinepolder Salzderhelden erreichten am 13. Dezember 70 Ind. das Maximum. 15 Ind. am 15.12. an der Kiesgrube Reinshof sind ebenfalls bemerkenswert. Ansonsten dominierten Einzelvögel oder kleine Trupps in niedriger einstelliger Zahl.

Während das traditionelle Überwinterungsareal des Girlitz’ im Göttinger Norden erneut verlassen war, gelang bis zu fünf Ind. am Northeimer Freizeitsee die komplette Überwinterung. Ansonsten konnte dieser muntere Geselle seinen Status als (mittlerweile) sehr spärlicher Wintergast am 13. Februar am Ortsrand von Lindau und am 26. Februar bei Gö.-Nikolausberg (überfliegend) zementieren.

26 Meldungen der Rohrammer im Dezember und Januar sind so la la, zumal bis zu sechs der betreffenden Vögel am Northeimer Freizeitsee angetroffen wurden. Die Bedeutung der Ruderal- und Aufwuchsflächen an diesem Gewässer für überwinternde Kurzstreckenzieher kann nicht hoch genug angesetzt werden.

Abb. 2: Rohrammer am Freizeitsee. Foto: B. Riedel

Fazit: Der positive Trend für Sommergoldhähnchen, Heckenbraunelle und Hausrotschwanz scheint sich zu verstetigen Allerdings beziehen sich die Angaben nur auf einen kleinen Ausschnitt des südniedersächsischen Berglands und sollten nicht verallgemeinert werden. Zudem sind sie stark von den jeweils prägenden Witterungsbedingungen abhängig. Im nächsten Winter kann es schon wieder anders aussehen.     

Bis zu 61 Höckerschwäne wurden im Februar jeweils im Leinepolder III sowie der Geschiebesperre Hollenstedt festgestellt. Weitere größere Rastgruppen wurden mit maximal 38 Ind. westlich von Hedemünden (Hann. Münden) und 36 Ind. im Raum Seeburg gezählt. Leider wurden für größere Trupps kaum Jungvogelanteile erfasst.

Der erste Singschwan des Winters wurde recht spät am 23. Dezember am Seeburger See entdeckt. Ein weiterer Vogel ließ sich vom 27. Dezember bis zum 11. Januar bei Hann. Münden beobachten. Das Rastgeschehen im Kreis Northeim ist eine Retour des letzten Winters. Ab dem 28. Dezember rasteten bis zu 18 Vögel auf einem Acker nördlich Nörten-Hardenberg. Dieser Bereich wird schon traditionell gerne von Singschwänen genutzt. Bis zu fünf Jungvögel befanden sich darunter. Im Laufe des Winters verlagerte sich das Nahrungshabitat in den Leinepolder Salzderhelden. Die Geschiebesperre wurde von den Vögeln ebenfalls regelmäßig besucht.

Vom 2. bis zum 12. Dezember hielt sich ein Schwarzschwanpärchen auf dem Seeburger See aus benachbarter Haltung auf. Am 16. Dezember dann verschwand der Schwanenmann „Eddi“ spurlos und ließ eine einsame „Tina“ zurück. Trotz Flugblättern und Aufrufen in den sozialen Medien ist „Eddi“ nicht wieder aufgetaucht. Ersatz konnte mit dem ebenfalls verwitweten „Felix“ aus dem Kurpark Heiligenstadt am Valentinstag beschafft werden.

Kanadagänse machten sich in diesem Winter recht rar. Vom 3. bis 27. Februar hielten sich bis zu vier Vögel im Raum Seeburg auf. Vom 16. bis 27. Februar wurden bis zu zwei Individuen dieser ursprünglich nordamerikanischen Art im Leinepolder I entdeckt. Am 25. Februar zeigte sich eine Gans im Levinpark.

Zwergkanadagans „Candy“ beglückte den ganzen Winter über Vogelfreunde und gemeines Volk gleichermaßen. Neben dem Göttinger Kiessee wurde sie an vielen Stellen im Göttinger Süden beobachtet. Häufig auch wieder in Begleitung eines Stockentenpärchens. Dank harten Trainings kommt Candy mittlerweile sogar auf Kommando.

Vermutlich einem Halter entflogen ist eine Weißwangengans, welche sich zwischen dem 8. Dezember und dem 18. Januar in der Feldmark um Niedernjesa aufhielt. Sehr sicher wilder Herkunft entstammten bis zu elf Individuen dieser sich zunehmend in Deutschland ausbreitenden Brutvogelart, welche sich ab dem 19. Dezember in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck aufhielten. Zwischen dem 14. Januar und dem 28. Februar wurden bis zu fünf Weißwangengänse bei Seeburg gezählt.

Geschätzte 4500 Tundrasaatgänse flogen am 11. Dezember den Schlafplatz an der Geschiebesperre Hollenstedt an. Aus regionaler Sicht ist dies eine beachtliche Anzahl. Weitere Beobachtungen mit über tausend Individuen konnten im Berichtszeitraum an verschiedenen Stellen in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck ausgemacht werden. Im Kreis Göttingen bewegte sich die Anzahl rastender Vögel im niedrigen einstelligen Bereich.

Abb. 3: Zwei der bis zu zwölf Kurzschnabelgänse, die diesen Winter im Kreis Northeim überwinterten. Foto: M. Göpfert

Am 20. Dezember wurden an der Geschiebesperre drei Kurzschnabelgänse zwischen den üblichen nordischen Feldgänsen entdeckt. Bis zum 31. Dezember vervielfachte sich ihre Zahl noch auf maximal zwölf Individuen. Danach waren bis Ende Februar Beobachtungen der Vögel in unterschiedlicher Anzahl in der Leineniederung gemeldet worden. Die Kurzschnabelgans ist im deutschen Binnenland eine seltene Erscheinung und in Südniedersachsen eine echte Rarität. Eine derart große Anzahl wurde im Bearbeitungsgebiet noch nicht nachgewiesen.

Am 24. Februar suchten etwa 2500 Blässgänse in der Leineniederung bei Drüber nach Nahrung. Unter den rastenden Gänsen konnten dieses Jahr zwei markierte Individuen abgelesen werden.  Eine Gans mit schwarzem Halsring H6B wurde in den Niederlanden beringt. Ebenfalls dort im Dezember 1999 beringt wurde ein Vogel mit Halsring (schwarz, F38), welcher somit bei seiner Ablesung ein Alter von mindestens 22 Jahren erreicht hatte.

Bei der Graugans betrug die Maximalanzahl 800 Vögel an der Geschiebesperre am 11. Dezember. Insgesamt konnten diesen Winter drei verschiedene Gänse abgelesen werden. Eine Graugans mit Halsring (gelb, D535) wurde am 11. Juli 2020 an den Schillerteichen Wolfsburg beringt und am 23. Februar am Seeanger abgelesen. Bereits den letzten Winter verbrachte dieser Vogel hier. Am 9. Januar und 27. Februar konnte die Gans mit dem blauen Halsring 2BH an der Geschiebesperre abgelesen werden. Dieses Individuum wurde am 29. Juni 2020 in Finnland markiert. Zu guter Letzt konnte an den Northeimer Kiesteichen der aus den letzten Jahren bekannte tschechische Vogel I 29 wiederentdeckt werden.

Einen beeindruckenden Anblick müssen am 18. Februar 10.000 Gänse am Schlafplatz im Leinepolder I dargeboten haben. Nach grober Schätzung bestand die Schlafgesellschaft aus 6.000 Blässgänsen, 3.000 Saatgänsen und 1.000 Graugänsen. Auch die Kurzschnabelgänse sollen darunter gewesen sein. Möglicherweise war ein Teil der Vögel schon auf dem Heimzug.

Die aus den letzten Berichten bereits bekannte Pommerngans an der Geschiebesperre Hollenstedt war auch diesen Winter noch zu beobachten.

Am 5. Januar hielten sich am Seeburger See zwei Höckergänse auf, auch sie stammen wie die zuvor beschriebenen Schwarzschwäne aus angrenzender Gefangenschaftshaltung mit Freigang.

Abb. 4: Familienidylle bei den Nilgänsen im Levinpark. Foto: M. Siebner

Im Februar konnten zwei erfolgreiche Nilgansbruten dokumentiert werden. Am 10. Februar führte ein Paar zehn kleine Gössel im Levinpark, von denen mindestens neun den Monat überlebten. Etwas skurril und wohl mit weniger gutem Ende ist die zweite erfolgreiche Brut verlaufen. Am 27. Februar wurde die Feuerwehr zum Göttinger Wochenmarkt gerufen um drei Nilgansküken aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Diese waren in einen Gully gefallen und kamen nicht mehr heraus. Nach ihrer Rettung wurde sie in den nahegelegenen Cheltenhampark bugsiert. Seitdem fehlt jede Spur der Kleinen. Gänsebruten so früh im Jahr scheinen zunächst außergewöhnliche Ereignisse zu sein, tatsächlich aber werden regelmäßig erfolgreiche Winterbruten dieser ursprünglich aus Afrika stammenden Art in weiten Teilen Deutschlands dokumentiert. Der Grund mag möglicherweise in der sehr flexiblen Brutökologie dieser Art liegen, welche weniger von der Jahreszeit, sondern eher durch starke Niederschläge (Regenzeit) beeinflusst wird.

Vom 13. Januar bis zum 8. Februar konnten bis zu sieben Brandgänse im Seeburger Raum beobachtet werden. Ein Pärchen geriet am 14. Februar im Leinepolder I vor die Optik. Drei weitere Individuen saßen am 28. Februar an der Geschiebesperre.

Am 30. Dezember besuchte eine Rostgans den Großen Freizeitsee bei Northeim. Einen Tag später überflog ein Individuum, begleitet von zwei Nilgänsen, die Kiesgrube Reinshof. Am 22. Februar wurden zwei Vögel dieser bunten Halbgans an der Geschiebesperre Hollenstedt entdeckt.

Das Wintermaximum der Schnatterente betrug 90 Tiere am 27. Dezember auf den Northeimer Kiesteichen.

Der traditionelle Überwinterungsort der Pfeifente an der Rhume bei Northeim war auch diesen Winter mit maximal 110 Individuen wieder gut besucht. Das aus dem letzten Jahren bekannte Überwinterungsareal in der Göttinger Südstadt wurde bis Ende Dezember von bis zu sechs Vögeln genutzt. Danach konnte hier nur noch ein Erpel festgestellt werden.

145 Krickenten auf dem Seeburger See am 22. Januar stellen für den Januar einem soliden Rastbestand dar.

Abb. 5: Hält sich anscheinend für einen Kormoran: ein Stockerpel mit großem Hunger. Foto: M. Siebner

565 Stockenten im Leinepolder I am 20. Februar waren die Maximalzahl diesen Winter. Ein besonders bemitleidenswerter Erpel mit fehlendem Unterschnabel hielt sich am 27. Februar am Flüthewehr im Göttinger Süden auf. Zumindest die darauffolgende Woche konnte er hier noch beobachtet werden.

Die Spießente fehlte den gesamten Dezember hindurch vollständig. Erst Ende Januar wurde eine Ente auf dem Seeburger See entdeckt. Im Laufe des Februars nahm die Anzahl der Beobachtungen etwas zu. Allerdings wurde nur im Leinepolder I die 10er-Marke überschritten, wo am 20. Februar 16 Individuen rasteten.

Zehn Löffelenten am 1. Januar auf dem Großen Freizeitsee bei Northeim stellen das vergleichsweise schwache Wintermaximum im Bearbeitungsgebiet dar. Erfolgreiche Überwinterungen konnten nicht nachgewiesen werden, jedoch wurden an unterschiedlichen Orten, vor allem am Seeburger See und dem Leinepolder I, Löffelenten festgestellt.

Vom 2. Januar bis 6. Februar hielt sich eine weibliche Mandarinenente auf dem Seeburger See auf. Das vermutlich selbe Weibchen wurde am 26. Februar ca. sieben km östlich am Rhumespring wiederentdeckt. Ab dem 16. Januar hielt sich ein Pärchen, dieser ehemals aus Asien stammenden Entenart in Duderstadt auf. Das Männchen ließ sich dort bis zum 28. Februar beobachten. Am letztgenannten Ort werden seit 2013 regelmäßig Individuen dieser Art festgestellt. Mutmaßlich dürfte ein großer Teil der in Südniedersachsen entdeckten Mandarinenten direkt auf nahegelegene Ziervogelhaltung zurückzuführen sein.

Vom 17. Dezember bis zum 5. Januar hielten sich bis zu zwei Warzenenten auf dem Seeburger See auf. Auch diese Vögel stammen aus benachbarter Haltung.

Am 5. Januar hielt sich ein Kolbenentenerpel auf den Northeimer Kiesseen auf. Am 14. Februar waren es drei Individuen dieser hübschen Tauchentenart, von denen zwei noch bis zum 15. des Monats blieben.

Zusammengerechnet 63 Tafelenten am 27. Dezember auf den Northeimer Kiesseen und dem Großen Freizeitsee stellen im Vergleich zu den letzten Jahren einen guten Mittwinterbestand dar. Verglichen mit früheren Rastzahlen fällt er dann aber doch gering aus. Beispielsweise rasteten auf denselben Gewässern im Winter 2015/2016 etwa 250 Individuen. 61 Tafelenten am 27. Februar im Leinepolder I sind bereits dem Heimzug zuzurechnen.

Auch in diesem Winter war der Winterbestand der Reiherente wieder äußerst gering. Dreistellige Zahlen wurden nur an zwei Orten erfasst. Im Laufe des Februars konnten im Leinepolder I 270 Vögel gezählt werden. Der Große Freizeitsee wartete am 27. Dezember mit immerhin 130 Reiherenten auf. Summiert mit den 60 Vögeln auf den anderen Kiesteichen bei Northeim lag der Mittwinterbestand auf der Seenplatte bei etwa 190 Individuen. Zum Vergleich: Im Winter 2015/2016 bedeckten 750 Reiherenten alleine den Großen Freizeitsee. Solche Zahlen wurden in den letzten Jahren bei weitem nicht mehr erreicht.

Abb. 6: Bereits den sechsten Winter in Folge bei uns zu Gast: ein männlicher Hybrid Reiher- x Tafelente. Foto B. Riedel

Vom 16. bis zum 27. Februar hielt sich der bekannte männliche Hybrid Reiher-x Tafelente am Leinepolder I bei Einbeck auf. Am 20. Februar unternahm er einen Ausflug zum Großen Freizeitsee bei Northeim. Vermutlich immer dasselbe Tier wird seit dem Winter 2016/2017 jährlich zur dunklen Jahreszeit im Raum Northeim festgestellt.

Drei Bergenten nutzten vom 7. bis 9. Dezember den Seeburger See zur Rast. Am 11. Dezember gesellte sich eine vierte hinzu.

Fünf Samtenten statteten dem Großen Freizeitsee bei Northeim am 27. Dezember einen Besuch ab.

Maximal wurden in diesem Winter 14 Schellenten festgestellt. Diese rasteten am 21. Februar auf der Geschiebesperre. Damit setzt sich die Folge geringer Winterbestände ein weiteres Jahr fort.

Traditionell werden bei uns die meisten Zwergsäger auf den Northeimer Kiesseen und dem Seeburger See beobachtet. Bis zu 27 Zwergsäger, neun Männchen und 18 weibchenfarbene Individuen, konnten auf der Northeimer Seenplatte zwischen dem 27. Dezember und dem 15. Februar beobachtet werden. Bis zu neun Männchen und zehn weibchenfarbene Zwergsäger waren auf dem Seeburger See zu Gast. Die Individuen beider Gebiete dürften zu einem großen Teil identisch sein. Dass Zwergsäger häufig zwischen diesen beiden Gebieten wechseln ist bekannt. Ein Pärchen im Leinepolder I zwischen dem 14. und 25. Februar betrifft die einzige Beobachtung abseits der beiden Gebiete.

Am Neujahrstag schwammen zwei Mittelsäger auf dem Großen Freizeitsee. Ebendort wurde am 4. Februar ein weiteres Männchen entdeckt.

54 Gänsesäger am 30. Dezember auf dem Seeburger See stellen das Maximum in diesem Winter dar.

Zwei Jagdfasane wurden bei Duderstadt hochgemacht. Anders als in Nordwestdeutschland sind diese exotischen Vögel bei uns eine Rarität. Die bedauernswerten Vögel wurden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Jägern zwecks späterem Abschuss ausgesetzt. Kältewinter überstehen sie ohnehin nicht.

Dem Rebhuhn wird sich im kommenden Bericht gewidmet.

Vom 10. bis zum 20. Dezember hielten sich an den Northeimer Kiesteichen zwei Rothalstaucher auf. Einer blieb bis mindestens zum 27. Februar im Gebiet.

Abb. 7:  Mindestens drei Rohrdommeln hielten sich diesen Winter am Denkershäuser Teich auf. Foto: A. Stumpner

Der Denkershäuser Teich scheint für die Rohrdommel ein attraktives, wenn auch nicht sehr sicheres Überwinterungsgewässer zu sein. Neben vielen Beobachtungen eines Individuums wurden am 10. Dezember, 12. Januar und 9. Februar gleich zwei Moorochsen entdeckt. Interessanterweise wurde Anfang Januar außerdem eine Rupfung dieser Art gefunden, welche die Zahl der hier nachgewiesenen Rohrdommeln auf mindestens drei erhöht. Am Seeburger See wurde zwischen dem 14. und 21. Dezember eine weitere Dommel beobachtet.

Am 30. Dezember bereicherte die stolze Zahl von 130 Silberreihern den Seeburger See. Am nahegelegenen Lutteranger befanden sich noch einmal 50 sowie am Seeanger vier der weißen Reiher. Somit hielten sich etwa 184 Silberreiher in dem Gebiet auf, womit der bisherige Höchststand an Silberreihern nur knapp verfehlt wurde. Dieser betrug 191 Vögel am 17. Dezember 2018 ebenfalls an den Seeburger Gewässern.

Weißstörche waren den ganzen Winter über an unterschiedlichen Orten zu sehen. Dabei handelte es sich vermutlich vor allem um die hiesigen Brutvögel.

Am 25. Februar flogen mindestens 120 Kormorane den Schlafplatz an der Geschiebesperre Hollenstedt an. Unter den Wasserraben am Seeburger See befand sich auch wieder das beringte Individuum (blau, 2R8), welches am 15. Juni 2017 in Vorpommern-Rügen markiert wurde und seitdem jeden Winter in unserer Region verbringt.

Am 23. Januar sowie dem 13. Februar wurde ein immaturer Seeadler bei Seeburg beobachtet. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei beiden Beobachtungen um dasselbe Tier. Ob die Beobachtung eines immaturen Seeadlers am 27. Februar an der Geschiebesperre ebenfalls demselben Vogel zuzuordnen ist, bleibt offen.

Ein Raufußbussard wurde am 25. Dezember über der Feldmark südlich Diemarden entdeckt.

Abb. 8: Kornweihen kamen diesen Winter nur sehr spärlich vor die Optik. Foto: B. Riedel

Acht Kornweihen sind die magere Ausbeute in diesen Winter im Bearbeitungsgebiet. Maximal drei Vögel wurden im Februar gleichzeitig im Leinepolder I beobachtet. Insgesamt hielten sich hier den Winter über mindestens vier verschiedene Vögel auf, ein altes Männchen, ein Männchen im dritten Kalenderjahr, ein adultes Weibchen und ein vorjähriges Weibchen. Je ein weichenfarbener Vogel wurde bei Seeburg und bei Adelebsen entdeckt. Je ein Männchen hielt sich bei Mollenfelde und Gelliehausen auf. Somit wurden weniger Jungvögel als Altvögel entdeckt, was auf einen schlechten Bruterfolg im Brutgebiet hindeutet.

Eine sehr frühe Rohrweihe inspizierte den Seeanger am 13. Februar. Diese stellt die bisher einzige Februarbeobachtung für die Art im Bearbeitungsgebiet dar. Noch früher war ein Artgenosse am 4.Januar 1987 im Leinepolder Salzderhelden zugange.

Der Merlin war im Berichtszeitraum mit einem Individuum gewohnt spärlich vertreten. Sehr wahrscheinlich dasselbe Männchen wurde am 17. und 27. Februar im Leinepolder II gesehen.

Kranichbeobachtungen gelangen den gesamten Winter über. Starker Zug mit mehreren tausend Tieren fand am 14. Februar statt. Bemerkenswert ist ein großer Schlafplatz im Leinepolder I, der von bis zu 820 Tieren im Februar genutzt wurde. Bezeichnend für die robuste Natur und den unbändigen Zugtrieb der imposanten Vögel ist, dass sie am 29. Januar sogar während des Sturms „Nadia“ in kleinen Trupps über Göttingen zogen.

Zumindest für den Seeburger See kann angenommen werden, dass hier Wasserrallen erfolgreich überwintert haben. Über den gesamten Berichtszeitraum hinweg wurden hier immer wieder Vögel gemeldet. Am 12. Februar waren es sogar drei. Weitere Dezember- und Januarbeobachtungen glückten an der Geschiebesperre Hollenstedt, dem Seeanger, dem Denkershäuser Teich, an einem Graben bei Salzderhelden, der Leine nördlich des Flüthewehrs und den Schweckhäuser Wiesen.

Blässhühner konzentrierten sich im gewohnten Maße auf die Northeimer Seenplatte. 520 dieser Rallenart bevölkerten den Großen Freizeitsee, 60 weitere verteilten sich auf die Northeimer Kiesteiche. 102 Individuen am 2. Januar auf der Kiesgrube Reinshof sind ebenfalls einer Erwähnung wert. Auf anderen Gewässern hielten sich meist nur Vögel im niedrigen zweistelligen Bereich auf.

Ein Austernfischer wurde am 13. Februar auf dem Holzsteg des Seeburger Sees entdeckt – kein ungewöhnliches Rasthabitat für die Art in unserer Region.

Abb. 9: Austernfischer auf dem großen Steg am Seeburger See. Foto: M. Siebner

Ein nach Südwest ziehender einzelner Goldregenpfeifer am 10. Dezember bei Lemshausen ist dem späten Wegzug zuzurechnen, wohingegen der reguläre Heimzug am 20. Februar durch rufende Vögel im Bereich des Leinepolder Salzderhelden eingeläutet wurde. Bis zu sechs Kiebitze kamen an der Geschiebesperre Hollenstedt erfolgreich über den Winter – hier mittlerweile ein traditioneller Überwinterungsplatz. Weitere Winternachweise gelangen aus dem Seeanger und dem Leinepolder Salzderhelden. Die Nachweise blieben hier allerdings singulär. Vorfrühlingshafter Zuzug in die Region war ab dem 6. Februar zu registrieren und erreichte mit etwa 1.400 Ind. den Höhepunkt am 14. und 20. Februar im Leinepolder Salzderhelden.

Ein Großer Brachvogel geriet am 13. Januar im Leinepolder Salzderhelden II in den Blick. Ihm folgten Beobachtungen eines Vogels am 19. Februar im Seeanger und Leinepolder Salzderhelden, welche vermutlich einem Individuum zuzurechnen sind.

Waldschnepfenbeobachtungen gelangen in diesem Winter mit 22 Meldungen von 23 Individuen ausgesprochen zahlreich, was etwa eine Verdopplung des letztjährigen leicht überdurchschnittlichen Winterbestands darstellt. Grund hierfür ist jedoch vermutlich keine tatsächliche Zunahme des Winterbestands, vielmehr geriet die Art häufig als willkommener Beifang in das Scheinwerferlicht der nächtlichen Feldhasenzählungen der Uni Göttingen (15 Ind.). Hierbei ist das recht häufige Auftreten in der offenen Agrarlandschaft als Nahrungshabitat dieser eigentlichen Waldvogelart bemerkenswert. Zwergschnepfen wurden insgesamt an vier Lokalitäten festgestellt. Hierbei könnten Nachweise aus jedem Monat am Großen Freizeitsee eine durchgehende Überwinterung von ein bis drei Individuen anzeigen. Erwähnt werden soll auch ein Nachweis der Art durch eine Wildkamera am 27. Dezember am Garteufer bei Diemarden. Bekassinen verteilten sich hingegen nur auf drei Gebiete. Neben einer einmaligen Beobachtung an den ehemaligen Tongruben Siekgraben gelangen mehrere Meldungen im niedrigen einstelligen Bereich an der Geschiebesperre Hollenstedt (bis zu drei Ind.) und dem Seeanger (zwei Ind.).

Der traditionelle Überwinterungsplatz an der Geschiebesperre wurde auch in diesem Winter wieder von zwei Waldwasserläufern aufgesucht.

Ein erster männlicher Kampfläufer traf am 24. Februar im Leinepolder Salzderhelden ein, der Jahreszeit entsprechend noch im Schlichtkleid. Zwei Tage später, am 26. Februar, gelang die Beobachtung eines frühen Alpenstrandläufers an der Geschiebesperre Hollenstedt.

Abb. 10: Vom Winde verweht: eine vorjährige Dreizehenmöwe am Großen Freizeitsee. Foto: V. Hesse

Eine vorjährige Dreizehenmöwe stellt mit Sicherheit eines der ornithologischen Highlights des letzten Winters dar. Der Vogel wurde am 13. Februar auf dem Großen Freizeitsee entdeckt und hielt sich hier bis zum 15. des Monats auf. Das Auftreten dieser streng pelagisch lebenden Art in Südniedersachsen ist allerdings nichts Neues. Mehrfach schon wurden Dreizehenmöwen nach starken Winterstürmen zu uns verdriftet. Zuletzt betraf dies eine ebenfalls vorjährige Möwe am 15. Januar 2019, welche entkräftet auf dem Nordcampus gefunden wurde und wenig später verstarb.

Bis zu 50 Sturmmöwen wurden auf dem Großen Freizeitsee bei Northeim am 13. Februar entdeckt.

Mittelmeermöwen kamen in diesem Winter fünf Mal in Anblick. Am 8. Januar hielt sich jeweils ein Vogel an der Geschiebesperre Hollenstedt und dem Seeburger See auf. Am 4. Februar wurde ein vorjähriges Individuum auf dem Großen Freizeitsee entdeckt. Am 18. Februar gelang eine weitere Beobachtung ebenda. Zuletzt ließ sich eine vorjährige Möwe am 24. Februar am Seeburger See beobachten.

Die seltenste Großmöwe im Bearbeitungsgebiet, die Silbermöwe, wurde mit einem Individuum am 31. Januar auf dem Großen Freizeitsee entdeckt.

Die Steppenmöwe ist mittlerweile die häufigste Großmöwe in Südniedersachsen. Vor allem die zunehmenden Brutbestände an ostdeutschen Gewässern dürften einen großen Anteil daran haben. Am Leinepolder I ließen sich mindestens zwei adulte und eine immature Möwe bestimmen. Die Northeimer Kiesseen mit der Geschiebesperre beherbergten mindestens drei adulte und eine immature Steppenmöwe. Bis zu 31 Steppenmöwen am 13. Februar, welche beim morgendlichen Abflug vom Seeburger See beobachtet wurden, stellen eine bemerkenswerte Truppgröße dar.

Ansammlungen im zweistelligen Bereich gelangen bei der Türkentaube am 1. Januar in Gö.-Geismar (mind. elf Ind.), 13. Januar in Seeburg (22 Ind.) sowie am 23. Januar in Hillerse (30 Ind.).

Nachweise der Schleiereule waren gewohnt spärlich. Neben indirekten Nachweisen durch Funde von Speiballen bei Bernshausen und östlich Ebergötzen, stammt der einzige Rufnachweis am 7. Januar aus Lemshausen. Das exklusive Steinkauz-Revier in der Nähe von Moringen existiert nun schon im dritten Jahr. Nachzutragen sei an dieser Stelle, dass das Paar im vergangenen Jahr nach Aussage der Anwohner drei Jungvögel zur Selbstständigkeit gebracht haben soll. Weitere Vorkommen in der Umgebung sind nicht unwahrscheinlich und eine Kontrolle potenzieller Habitate in den umliegenden Tälern wäre ein sehr löbliches Vorhaben.

Abb. 11: Steinkauz blickt optimistisch durch milden Winter. Foto: M. Göpfert

Waldohreulenbeobachtungen lagen nur aus sechs Gebieten vor und verteilten sich auf zehn Individuen. Zwei der acht Meldungen bezogen sich hierbei auf balzende Männchen am 4. Februar in Mollenfelde und am 19. Februar im Leinepolder bei Drüber. Das Vorkommen erscheint in diesem Winter bemerkenswert spärlich, naheliegend ist hierbei zumeist ein Blick auf die Feldmausbestände.

Das Göttinger Uhu-Paar aus dem Vorjahr hat seinen Aktionsradius offenbar etwas weiter nach Norden erweitert. In Gö.-Weende wurde es an einem potenziellen Brutplatz beobachtet. Bisher scheint sich seine Präsenz (noch) nicht weiter auf die lokale Wanderfalkenpopulation auszuwirken. Ob es sich bei einem Uhu am 9. Dezember und 5. Januar auf dem Stadtfriedhof ebenfalls um ein Individuum des vagabundierenden Paares handelt muss offen bleiben.

Nachdem die regionale Eisvogelpopulation aufgrund des starken Wintereinbruchs im Februar 2021 einen Tiefpunkt erreicht hatte, erholte sich der Bestand augenscheinlich gut mit 83 Beobachtungen im Berichtszeitraum. Nach einem weiteren günstig verlaufenden Sommer dürfte von dem Bestandseinbruch nichts mehr zu merken sein.

Nach einem ersten Lokalnachweis des Mittelspechts am 9. November 2018 im Alten Botanischen Garten wird es dort nun konkreter:  Ein Paar werkelte mehrfach eifrig am Eigenheim. Am Ascherberg angrenzend zum Göttinger Kiessee konnte am 21. Dezember ebenfalls erneut ein Mittelspecht beobachtet werden. In Göttingen ist eine zunehmende Urbanisierung der Art zu verfolgen, welche vermutlich mit einem generellen Bestandsanstieg in Verbindung zu bringen ist. Hier stellt sich die Frage, wie sieht es derzeit im Cheltenhampark und dem Stadtwall aus, wo ebenfalls die letzten Jahre vermehrt Vögel beobachtet wurden? Zwischen dem 5. Dezember und 2. Januar konnte ein Mittelspecht mehrfach am Großen Freizeitsee beobachtet werden, welcher zugleich einen lokalen Erstnachweis für dieses vielbesuchte Gebiet darstellt.

Abb. 12: Mittelspecht erkundet neue Lebensräume am Großen Freizeitsee. Foto: S. Paul

Mit 26 Meldungen machte sich der Raubwürger sehr rar.  Etliche Winterreviere blieben trotz Kontrollen verwaist. Auch hier dürfte ähnlich der Waldohreule ein schlechtes Feldmausjahr die Ursache sein. Im Seeanger konnte er nach Beobachtungen zumindest teilweise auf Kleinvögel ausweichen. Winterreviere existierten dennoch in eben diesem Gebiet, am Klingsberg südlich von Ebergötzen in einer Weinrebenfläche und bei Ischenrode. Unklar ist ob ein Vogel zwischen Bremke und Gelliehausen am 24. Januar und 12. Februar ebenfalls dem letztgenannten Revier zuzurechnen ist – immerhin über vier Kilometer liegen dazwischen. Auch der Ebergötzener Vogel scheint seinen Aktionsradius kurzzeitig fast bis nach Landolfshausen ausgeweitet zu haben. Eine Einzelbeobachtung liegt ansonsten nur noch vom 20. Februar bei Klein Wiershausen vor.

Auch wenn die letztjährige Corvidenzählung in Göttingen keine Wiederholung fand, gelangen vermehrt Meldungen von Dohlen-Trupps im niedrigen dreistelligen Bereich über dem Göttinger Nachthimmel. An der Geschiebesperre Hollenstedt waren es am 29. Dezember beachtliche 600 Individuen. Auf solche Anzahlen musste man nun fast 50 Jahre warten. Entgegengesetzt verläuft der Trend des Winterbestands der Saatkrähe, welcher in früheren Jahren um das Zehnfache höher lag als die aktuellen Zahlen der vorigen Art. Typisch für die letzten Jahre liegt aus dem Dezember und Januar jeweils nur eine Einzelmeldung im Göttinger Stadtgebiet vor.  Im Februar gelangen mit beginnendem Heimzug drei Beobachtungen mit immerhin 45 und 90 Individuen am 15. des Monats bei Lütgenrode bzw. am 19. in der Feldmark Geismar.

Abb. 13: Mittlerweile muss man sie im Hochwinter schon suchen. Saatkrähen durchstreifen Hanffeld in der Feldmark Geismar. Foto: M. Siebner

Eine erste Heidelerche machte sich zu klassischem Datum am 28. Februar bei Oldenrode bei Kalefeld auf den Heimzug. Winternachweise blieben typischerweise bei dem milden, schneearmen Winter aus.

Eine Schwanzmeise der regional selten auftretenden nordöstlichen Unterart caudatus machte sich am 22. Januar an den Northeimer Kiesteichen bemerkbar und konnte glücklicherweise fotografisch belegt werden. Die Schwanzmeise war für die Unterart im hiesigen Raum nicht untypisch alleine unterwegs. Vergesellschaftungen mit heimischen Schwanzmeisen kommen auch immer mal wieder vor, wobei es sich dabei zumeist um weißköpfige Vögel der Unterart europaeus handelt.

Ganz außergewöhnlich und regional singulär ist ein Winternachweis einer Dorngrasmücke am 18. Dezember angrenzend zu einem abgeernteten Senffeld bei Gö.-Weende durch J. Priesnitz. Bereits Novemberbeobachtungen der Art sind bundesweit eine extreme Ausnahme, 2021 gab es gleich zwei davon (drei Nachweise zwischen 2014 und 2021). Winternachweise fehlten die letzten Jahre in Deutschland gänzlich. Begünstigt scheint die phänologische Ausnahmeerscheinung durch das womöglich angenehme Mikroklima in Senffeldern für Insekten und deren gefiederten Verfolger. In ähnlichen Habitaten konzentrierten sich in den letzten Jahren regional spärliche Wintergäste wie Rohrammer, Zilpzalp, Wiesenpieper oder Schwarzkehlchen. Die Beobachtung sollte bei der Avifaunistischen Kommission Niedersachsen und Bremen (AKNB) aufgrund ihrer jahreszeitlichen Seltenheit dokumentiert werden.

Erstmals seit dem Winter 2015/16 gelang keine Seidenschwanzbeobachtung, nachdem im vergangenen Winter bereits nur ein Individuum die Region erreichte.

Abb. 14: Tannenmeise Foto: B. Riedel

Eine Absenz der Tannenmeise ist im Harz trotz schwindender Fichtenbestände in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Dagegen gibt es für Göttingen Hinweise auf einen Bestandsrückgang im urbanen Siedlungsbereich, wo Koniferen zunehmend seltener werden.

Vom Bergpieper existieren 15 Beobachtungen (inklusive Mehrfachmeldungen), ein durchschnittlich niedriger Wert der letzten Jahre. Die Meldungen verteilen sich in zumeist niedriger einstelliger Zahl auf den Seeanger, die Geschiebesperre Hollenstedt und den Leinepolder Salzderhelden. Im letztgenannten Gebiet waren es am 6. Januar maximal zehn Individuen.

 „Trompetergimpel“ gelangten mit 62 Meldungen wieder etwas häufiger zu Gehör (2020/21: 26 Meldungen). Maximal waren es vier am 27. Dezember im Bratental bei Gö.-Nikolausberg.

Die Blühflächen und das Hanffeld in der Feldmark Geismar waren im Verhältnis zu den beiden Vorjahren relativ schwach besucht durch Finkenvögel. Hierbei spielte das relativ milde Winterwetter vermutlich eine entscheidende Rolle. Nichts desto trotz verblieben die Maximalzahlen von 400 Stieglitzen und 150 Bluthänflingen ohne regionalen Vergleich.

Dreistellige Maximalzahlen der Goldammer gelangen etwas häufiger im Vergleich der letzten Jahre, wobei diese Marke zumeist nur geringfügig überschritten wurde. Bei Bernshausen (110 Ind. am 24. Dezember), an der verbrachten Baustelle der renaturierten Leineaue im Bereich des Flüthewehrs (120 Ind. am 25. Dezember), südwestlich von Eberhausen (125 Ind. am 3. Januar), südlich Güntersen (120 Ind. am 14. Januar), an der Weper bei Nienhagen (230 Ind. am 15. Januar), auf ungeernteter Gerste westlich von Spanbeck (150 Ind. am 19. Januar) und der Mischung aus Brachflächen und ungeerntetem Getreide bei Gö.-Weende (200 Ind. am 21. Januar).

Die besondere Beobachtung einer Zwergammer inklusive hervorragender Belegbilder gelang A. Trentz am 13. Februar bei Mackensen. Der Ort am nordöstlichen Sollingrand sollte einigen Lesern schon durch den letztjährigen Erstnachweis einer Kappenammer bekannt sein. Das Datum der Beobachtung ließ an eine Überwinterung denken. Diese Annahme bestätigte sich spektakulär, als der Vogel am 11. März im selben Areal wiedergefunden wurde. Der zuvor einzige regionale Zwergammernachweis erfolgte am 26. September 1974 an den nicht mehr existenten Nörtener Klärteichen durch Fang. Danach musste der Vogel sein Leben in einer Voliere fristen, wo er bis mindestens 1977 noch lebte. Die aktuelle Beobachtung liegt durchaus im Trend: Ellwanger et al. haben kürzlich über eine signifikante Zunahme von Winternachweisen in Westeuropa, Nordafrika und auf den Kanarischen Inseln berichtet (Dutch Birding 43: 453-461).

Abb. 15: Zwergammer genießt winterliche Sonnenstrahlen. Foto: A. Trentz

Hans H. Dörrie, Malte Georg und Ole Henning

Diese Zusammenstellung basiert auf 20.955 Datensätzen, die weit mehr als 100 Melderinnen und Melder in den Monaten Dezember bis Februar auf ornitho.de zusammengetragen haben:
F. Arndt, R. Asch, P.H. Barthel, B. Bartsch, T. Becker, L. Behnen, S. Beisler, M. Benesch, L. Bergschmidt, B. Bierwisch, A. Bischoff, M. Bock, T. Böckenförde, P. Böhl, S. Böhner, L. Bolte, J. Bondick, M. Borchardt, Y. Braun, H. Brockmeyer, G. Brunken, J. Bryant, J. Bunk, M. Burdorf, M. Corsmann, J. Demmer, M. Dentler, C. Dienemann, J. Dierschke, V. Dierschke, H. Dörrie, K. Dornieden, L. Drees, M. Drüner, L. Dumpe, J. Ernst, M. Fichtler, C. Frank, T. Gawlig, T. Geis, T. Geske, M. Georg, K. Gimpel, M. Göpfert, A. Görlich, E. Gottschalk, C. Grüneberg, W. Haase, K. Hagenow, A. Hartmann, S. Hartmann, A. Haskamp, F. Heim, F. Helms, O. Henning, D. Hennrich, D. Herbst, M. Herkel, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, F. Hirschauer, M. Hölker, S. Hohnwald, S. Jaehne, M. Jahn, M. Jenssen, J. Joosten, K. Jünemann, U. Jürgens, J. Kallmayer, J. Kamp, H. Karthäuser, R. Käthner, H.-A. Kerl, P. Kerwien, P. Keuschen, M. Krömer, H. Liesenfelder, I. Lilienthal, V. Lipka, U. Maier, E. Matthes, D. Mederer, T. Meineke, P. Mergel, H. Meyer, R. Meyer, P. Motzkau, J. Myles, F. Nieporte, D. Nolte, D. Ochterbeck, J. Opitz, F. Pape, S. Paul, B. Preuschhof, J. Priesnitz, M. Püttmanns, K. Raab, D. Radde, J. Reichelt, O. Reuer, B. Riedel, R. Riedel, T. Rohde, L. Rüskaup, H. Rumpeltin, L. Sackers, H. Schmidt, A. Schuldt, W. Schulze, J. Schwickardi, M. Siebner, D. Simmelbauer, D. Singer, L. Singer, L. Söffker, J. Sommerfeld, W. Sondermann, R. Spellauge, N. Stanik, A. Stumpner, A. Sührig, J.-N. Tertling, A. Trentz, W. Unkrig, F. Vogeley, W. Vogeley, J. Weiss, J. Weiß, J. Wobker, J. Wohlert, D. Wucherpfennig, D. Zinner und viele andere. Ihnen allen ein herzlicher Dank!

Abb. 16: Winterliche Wacholderdrossel macht sich über schon leicht angegorene Zieräpfel her. Foto: M. Siebner