Mit nassen Füßen ins warme Frühjahr – Heimzug und Brutzeit 2024 in Süd-Niedersachsen

Allen Beteuerungen und Versprechen zum Trotz: Die Erschließung und Versiegelung von (Agrar-)Flächen schreitet munter voran. In Rosdorf bei Göttingen wurde jüngst mit dem Bau eines Gewerbegebiets begonnen, das nur wenig kleiner ist als das viel gerühmte „Biotop“ Leineaue am Flüthewehr (16 Hektar). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist „Biotop“ immer positiv konnotiert, vor allem, wenn die Fläche einen oder zwei Tümpel aufweist. Dessen ungeachtet findet sich im folgenden Text die treffende Bezeichnung „Zebu-Weide“ für dieses Distelparadies.
„Biotop“ heißt fachlich nichts anderes als „Ort des Lebens“. Biotope können auch sehr klein und speziell ausfallen. So ist beispielsweise die menschliche Intimbehaarung ein geschätzter Lebensraum für kleine Krabbler, die in dem immer noch sehenswerten Meisterwerk „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia“ (1974) von Sam Peckinpah anschaulich als „Matrosen am Mast“ beschrieben werden. Aber das nur am Rande…

Das Wetter im Berichtszeitraum gestaltete sich wieder einmal als ziemliche Achterbahn. Der März war warm und zum Monatsende recht feucht. Die Nachwirkungen des Hochwassers zu Weihnachten waren noch über Wochen zu spüren. Anfang bis Mitte April wurde es sehr warm, mit kräftigem Südwind und Saharastaub. In der zweiten Monatshälfte rauschten die Temperaturen in den Keller, es gab Frostnächte und Schnee in den Mittelgebirgen. Die Niederschläge fielen eher moderat aus. Erst in den letzten Tagen ging es wieder aufwärts. Der Mai war wieder deutlich nasser, während die Temperaturen insgesamt ersprießlich ausfielen. Dies trifft auch auf den Juni zu, der sich besonders in der Monatsmitte ziemlich nass gestaltete.

Der warme Südwind Anfang April führte bundesweit zu einer deutlich früheren (im Schnitt ca. acht Tage) Ankunft etlicher Weitstreckenzieher. Auch unsere phänologischen Referenzarten zeigten ein ähnliches Muster. Die erste Dorngrasmücke konnte am 8. April im Bratental bei Gö.-Nikolausberg vernommen werden, sehr früh. Die nächsten Nachweise gab es in den Folgetagen.
Auch die Nachtigall machte sich bereits am 6. April im Göttinger Alten Botanischen Garten (wo sie nicht brütet) bemerkbar. Die nächsten folgten rasch, so dass auch hier kein Ausrutscher vorlag.
Der erste Kuckuck ließ sich am 12. April bei Gillersheim vernehmen, auch hier an einem recht frühen Datum.
Ordentlich früh dran war am 6. April eine Klappergrasmücke in Diemarden.
Die ersten Mehlschwalben trafen leicht verfrüht Ende März ein. Ihre Ankunft z.B. an den Göttinger Brutplätzen verzögerte sich aber deutlich bis weit in den Mai.
In alter Gewohnheit folgt nun die systematische Auflistung mehr oder weniger bemerkenswerter Vogelbeobachtungen – wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen.

Zehn Brutnachweise des Höckerschwans betreffen altbekannte Brutplätze, darunter waren mindestens zwei im Leinepolder Salzderhelden und jeweils einer an den Northeimer Kiesteichen, den Wunderteichen bei Höckelheim (7 JV, später 6) und dem Böllestau bei Hollenstedt sowie zwei Brutnachweise im Seeanger (5 bzw. 6 JV) und jeweils einer am Seeburger See (9 JV), im Levinpark (7 JV, später 5; 3 immutabilis), im Rückhaltebecken Gö.-Grone (>5 JV) und bei Hann. Münden (>3 JV). Brutverdacht liegt weiterhin von der Geschiebesperre Hollenstedt, im NSG Denkershäuser Teich, am Wendebachstausee und bei Niedernjesa vor. Wie die vergangenen Jahre blieb ein Brutversuch am Göttinger Kiessee ohne Erfolg.
Gab es Ehestreit bei den Bernshausener Schwarzschwänen? Einer der zwei blieb ab dem 12. März verschollen. Dass das Leben als Individuum fremdländischen Aussehens im ländlichen Kulturkreis schwierig sein kann, ist in vielerlei Hinsicht die traurige Wirklichkeit. Vielleicht war es aber auch nur der Wunsch nach Freiheit, nach Neuem, oder die Neugier, das Stadtleben mit all seinen unorthodoxen Vorzügen kennenzulernen…? Am 19. Mai erklärte jedenfalls ein Schwarzschwan („Melanie“) den Göttinger Kiessee zum neuen Domizil. Es liegt nahe, dass es der verschollen geglaubte Bernshausener Vogel ist. Einen (Ehe-)Ring trug der Schwan jedenfalls nicht (mehr). In ihrer Unabhängigkeit erfreuten sich beide Vögel bis zum Ende des Berichtszeitraums bester Gesundheit.
Letzte Singschwäne fanden sich Mitte März auf den „Teichen zwischen den Teichen” der eins gewordenen Northeimer Kiesteiche ein. Zwei Altvögeln am 9. und 10. März folgte ein letzter Vogel am 12. und 14. des Monats.

Es liegen keine Hinweise auf Bruten der Kanadagans vor, wenngleich in den zwei einzigen bekannten Brutgebieten der Region (Leinepolder Salzderhelden und Seeanger/Lutteranger) jeweils durchgehend einzelne Vögel anwesend waren. Ein im Landkreis Göttingen geschossener Vogel im vergangenen Jagdjahr betrifft möglicherweise das Seeburger Brutpaar. Ein am 6. Juni rastender Durchzüglertrupp am Göttinger Kiessee von 27 Ind. ist ebenfalls eine Erwähnung wert.
Im Seeanger hielt sich bis Ende Mai eine Weißwangengans auf, vermutlich dasselbe Tier wechselte dann in den Leinepolder Salzderhelden. Eine andere am 31. Mai beobachtete Gans trug einen weißen Halsring mit Aufschrift „D01”. Dieser Vogel wurde vergangenen Sommer in Großbritanien (Scorton, North Yorkshire) als Teil der dort wild lebenden Population beringt.
Tundrasaatgänse waren in der ersten Märzdekade noch mit 500 Ind. im Leinepolder Salzderhelden anwesend, bevor sie sich rasch vom Acker machten. Ein Einzelvogel blieb dort noch bis in den Sommer.
Wie gewohnt etwas langsamer vollzog sich der Abzug der Blässgans; letzte nennenswerte Höchstzahlen wurden mit 2.700 Ind. am 18. März und 1.200 Ind. am 23. März im Leinepolder Salzderhelden notiert, um anschließend rasch abzufallen. Eine letzte Sichtung eines vorjährigen Vogels erfolgte noch am 4. Mai ebenda. Im Seeanger verblieben ebenfalls Einzeltiere, die letzte Gans wurde hier am 2. Juni beobachtet.
Bruten der Graugans fanden im NSG Husumer Tal (2 Brutpaare), in Suterode (1), im Leinepolder Salzderhelden (>9), an den Northeimer Kiesteichen (1), am Böllestau bei Hollenstedt (1), an der Geschiebesperre Hollenstedt (6), in der Rhumeaue bei Lindau (1), am Seeburger See (3), im Seeanger (3), im Lutteranger (1), an der Kiesgrube Reinshof (2), im Göttinger Levinpark (4), am Göttinger Kiessee (6) sowie Stadtfriedhof (1), in den Tongruben Ascherberg (1), bei Mengershausen (1), am Wendebachstausee (1) und an der Lieth bei Bovenden (1) statt. Ein Brutversuch im Alten Botanischen Garten von Göttingen mit vier sehr kleinen Jungvögeln wurde nach dem 22. April nicht mehr gesehen – ein erfolgreicher Ausgang der Brut ist hier eher unwahrscheinlich. Brutverdachte wurden weiterhin aus Gillersheim, Adelebsen, Bursfelde, Lödingsen, Gleichen, Hann. Münden, den Thiershäuser Teichen sowie der Rhume- und Leineaue vermeldet. Der Northeimer Freizeitsee, ehedem eine Hochburg, war in diesem Frühjahr – vermutlich auch wegen der diffizilen Hochwassersituation – verwaist.

Etwas übersichtlicher gestaltete es sich bei der Nilgans, hier konnten an folgenden Orten Brutnachweise erbracht werden (in Klammern die Anzahl der Jungvögel): Großer Freizeitsee (8, später 5), Geschiebesperre Hollenstedt (6, später 4), NSG Husumer Tal (7), Katlenburg-Lindau (7), Suterode (1), Denkershäuser Teich (1), Leinepolder (1 und 6), Bovenden, Levinpark (10, später 9), Seeburger See (7, später 3 und 5), Göttinger Kiessee (3 und 5), Seeanger (6, später 2), Lutteranger (5), Bonaforth, Wendebachstausee (5), Bischhausen (2) und Kiesgrube Reinshof (4). Brutverdacht lag weiterhin an den Northeimer Kiesteichen, bei Nienover, an den Wunderteichen, in der Göttinger Innen- und Nordstadt sowie bei Gleichen, Adelebsen, Bursfelde und in der Rhumeaue vor.
Auffallend häufig ließen sich mit insgesamt 82 Beobachtungen Rostgänse in der Region blicken. Die Durchzügler hielten sich an diversen Feuchtgebieten auf, die Höchstzahl stellt ein Achtertrupp am 19. März im Leinepolder Salzderhelden dar. Nach dem 23. Mai folgte keine Beobachtung mehr.
Insgesamt 145 Beobachtungen fast ausschließlich rastender Brandgänse erreichten ihr Maximum am 3. April mit 17 Ind. im Leinepolder Salzderhelden. Nur im Seeanger hielt sich über mehrere Wochen ein sehr brutverdächtiges Paar auf; nach dem 12. Mai folgte hier aber leider keine weitere Beobachtung.

Erfreulich sind erneute Brutnachweise der Schnatterente: Zwei Weibchen führten im Juni im Lutteranger elf (später sechs) bzw. sieben Jungvögel und auch im Seeanger gab es Schlupferfolg mit vier Kleinen. Brutverdächtige Vögel ließen sich weiterhin im Leinepolder Salzderhelden ausmachen.
Eher ungewöhnlich sind die Beobachtungen einer Pfeifente am 23. Juni im Leinepolder Salzderhelden sowie die lange Verweildauer einer weiblichen Spießente, die mindestens bis zum 21. Juni im Seeanger blieb.
Balzflüge waren der konkreteste Hinweis auf Brutaktivität von Knäkenten im Leinepolder Salzderhelden, mindestens fünf Vögel waren hier auch spät im Juni noch auszumachen.
Beobachtungen von Kolbenenten waren wie gewohnt dünn gesät, je einem Pärchen am 1. und 6. März im Leinepolder Salzderhelden folgte ein Männchen auf dem Göttinger Kiessee am 19. des Monats sowie jeweils ein Paar am 20. März und 5. Mai auf dem Seeburger See.
Da Reiherenten bekanntlich immer recht spät zur Brut schreiten, wird diese Art besser im nächsten Sammelbericht besprochen.
Als seltener Gastvogel liegen bis dato nur zwei Nachweise mit Truppgrößen von mehr als zwei Eisenten vor. Das waren jeweils vier der schmucken Vögel in den Jahren 1983 und 1988/1989. Um das Doppelte spektakulär überboten wurden diese am 3. April durch einen Trupp bestehend aus gleich acht (!) Vögeln. Die zwei Männchen und sechs Weibchen blieben allerdings nur einen Tag am Großen Freizeitsee.

Eisenten auf dem Northeimer Freizeitsee
Abb. 1: Trupp von acht Eisenten auf dem Northeimer Freizeitsee. Foto: Hanna Nebel

Letzte Zwergsäger wurden am 27. März beobachtet; die Höchstzahl von 22 Ind. (14. März) stammt von den überschwemmten Wiesen im Leinepolder Salzderhelden – hierzulande nicht das typischste Rastgebiet dieser Art.
Der einzige Mittelsäger, ein Männchen, rastete am 27. und 28. März am Großen Freizeitsee.
Bis Mitte Juni durchgehend beobachtet wurden dagegen Gänsesäger. Ein wenig aussagekräftiger Brutverdacht erfolgte an der Geschiebesperre Hollenstedt; nicht weit entfernt gab es in den letzten Jahren bereits Brutnachweise.

Die kuriose Ente aus dem Winterbericht, die vermutlich doch von einer Schnatterente und einem Pfeif- x Chilepfeifente-Hybrid abstammt, trieb sich bis zum 12. März im Seeanger rum.
Weit häufiger ist die Kombination aus Tafel- x Reiherente, ein Männchen dieser Kombination pendelte über mehrere Wochen zwischen der Kiesgrube Angerstein, dem Großen Freizeitsee und (zuletzt) dem Seeburger See, wo am 28. April die letzte Beobachtung gelang.

Ausgesetzte Jagdfasane fristeten bei Gerblingerode, Duderstadt, Seeburg, Bilshausen und Rosdorf ihr bemitleidenswertes Dasein.
Beim Rebhuhnbestand im seit 2006 durch die Abteilung Naturschutzbiologie der Universität Göttingen unter Mithilfe zahlreicher Ehrenamtlicher kartierten Projektgebiet manifestierte sich in diesem Jahr ein erneuter Rückgang. Die Ursachen sind unbekannt und der Rückgang betrifft fast alle Teilbereiche des Kartiergebiets, selbst das stark durch Maßnahmen aufgewertete Gebiet im Süden des Göttinger Stadtrands.

Die Rebhuhnpopulation über die Jahre
Abb. 2: Rebhuhn-Bestandsentwicklung im Projektgebiet der Abt. Naturschutzbiologie der Uni Göttingen (Eckhard Gottschalk, pers. Mitt.)

Ein etwas verbummelter Rothalstaucher nutzte den Seeburger See am 4. und 5. Mai als Wochenends-Rastplatz.
Schmucke Schwarzhalstaucher traten vom 13. April bis zum 2. Juni am Seeburger See, an der Kiesgrube Reinshof und an den Northeimer Kiesteichen mit maximal zwei Ind. in Erscheinung.

Ausgestattet mit einem ausgebildeten Prachtkleid war vom 22. bis 25. April ein Prachttaucher am Großen Freizeitsee.

Nach einem Jahr Pause folgte in diesem Jahr der dritte Nachweis der Zwergscharbe in der Region. Am 7. Mai war die Rast des vorjährigen Vogels an den Wunder(!)teichen allerdings nur von kurzer Dauer.

Zwei Löffler, einer davon adult und einer unausgefärbt, landeten am 31. Mai in der Leineaue am Flüthewehr. Sie setzten sich aber schon nach kurzer Zeit nach Northeim ab, wo sie bis zum 3. Juni im Leinepolder Salzderhelden blieben.
Die einzige Rohrdommel des Berichtszeitraums zog am 14. März über den besagten Polder und eine Zwergdommel äußerte ebenda am 18. Mai ihren Gesang.

Zwei Löffler bei Edesheim in der Leineniederung
Abb. 3: Die beiden Löffler, die die Region für ein paar Tage beehrten. Foto: Bernd Riedel

Kaum ein Jahr bleibt mehr ohne Nachtreiher! Nach einem Altvogel am 25. bis 28. April am Wendebachstausee folgte am 6. Mai ein weiterer (anderer) Altvogel im Leinepolder Salzderhelden sowie ein vorjähriger Vogel am Göttinger Kiessee und am 19. bzw. 21. Juni je ein des nachts ziehender Vogel am Seeburger See bzw. im Leinepolder Salzderhelden.
Die Herkunft eines Kuhreihers, der sich am 8. und 9. März im Leinepolder Salzderhelden sowie am 13. und 15. des Monats an den Northeimer Kiesteichen und schließlich am 10. April bei Moringen herumtrieb, muss offen bleiben. Zunehmende Bestandstrends in Süd- und Westeuropa sowie erste Bruten in Süddeutschland lassen eine Zunahme von Wildvögeln auch bei uns erwarten, allerdings ist der Zoo Hannover mit seiner frei fliegenden Population nach wie vor nur einen Flügelschlag von unserer Region entfernt…
Ganze 205 Silberreiher markierten die Höchstzahl des Frühjahrs am 8. März im Leinepolder Salzderhelden. Bis zu 25 Ind. blieben es auch bis zum Ende des Berichtszeitraums.
In der Graureiherkolonie am Göttinger Kiessee herrschte in diesem Jahr ein großes Durcheinander. Der Brutbaum im Nordosten, eine mächtige Pappel, wurde im Laufe des März komplett verlassen. Es ist stark zu vermuten, dass hierfür „Baumpflegemaßnahmen” in unmittelbarer Nähe zum Brutbaum Ende Februar, also bereits während der Legephase der Reiher, verantwortlich sind. Prädation durch Waschbären kann eher ausgeschlossen werden, das legen zumindest Beobachtungen aus der Brutzeit des Vorjahres nahe, als ein Waschbär mitten in der Reiherkolonie auftauchte – und genau nichts geschah. Ein Auge zu riskieren, ist dem begabten Kletterer vielleicht die Mühe nicht wert.
Obwohl einige Brutpaare bereits fest gebrütet hatten, zog ein Großteil der Brutpaare in die bis dato sehr kleine Teilkolonie im Osten des Kiessees um. Hier wurden in kurzer Zeit zahlreiche neue Nester gebaut und auch an der Insel versuchten es einzelne Paare. Von 16 Nestern in der östlichen Kolonie waren am 19. Juni sieben Nester mit insgesamt 22 Jungvögeln (1x 2, 4x 3, 2x 4) besetzt. Von drei Brutversuchen an der Insel scheiterten zwei; ein Brutpaar brachte hier immerhin zwei Jungvögel zum Ausfliegen. Insgesamt resultieren acht erfolgreiche Bruten mit 24 Jungvögeln. Es besteht die Möglichkeit, dass einzelne weitere Brutpaare zum Zeitpunkt der Erfassung als Folge der spät gestarteten Ersatzbruten noch sehr kleine Jungvögel hatten. So oder so ist das Ergebnis niederschmetternd.
Wie viele von anfangs 17 besetzten Nestern an der noch jungen Kolonie am Seeburger See Bruterfolg hatten, ist nicht bekannt, was nur teilweise auf die dichte Belaubung zurückgeführt werden kann.
Vom Sultmerberg in Northeim liegen keine Daten vor, außer einer Beobachtung von 20 Ind. am 11. März.
Sein etwas bunterer Verwandter, der Purpurreiher, ließ sich am 27. April am Seeburger See und vom 21. bis 24. Mai am Großen Freizeitsee ausmachen.
Ein am 8. Mai im Leinepolder Salzderhelden beobachteter Seidenreiher machte die Liste in diesem Jahr in der Region beobachteter Reiher beinahe komplett.

Bemerkenswerte Beobachtungen durchziehender Greifvögel beschränken sich auf folgende Beobachtungen: Am 8. Juni zog ein Schlangenadler im Leinepolder Salzderhelden nach Südost durch, am 24. Juni ein Gänsegeier in der Feldmark Wollbrandshausen- Gieboldehausen nach SW und ein adultes Steppenweihenmännchen am 27. März bei Groß Schneen in die entgegengesetzte Richtung.

Ein fliegender Schlangenadler
Abb. 4: Eindeutiges Belegbild des über den Leinepolder Salzderhelden durchziehenden Schlangenadlers. Foto: Bernd Riedel

Nachdem die Nachweise von Seeadlern in den letzten Jahren in der Region stetig zugenommen haben, wird es nun langsam spannend. Ein Pärchen, bestehend aus einem ausgefärbten Männchen und einem immaturen (K3) Weibchen, scheint den Leinepolder Salzderhelden als dauerhaftes Domizil auserkoren zu haben – als möglicher Brutlebensraum gar nicht verkehrt. Die Vögel festigten ihre Paarbindung durch gemeinsame Jagdflüge in den Feuchtwiesen; meist waren Blässhühner die Leidtragenden. Mit Spannung bleibt es auf die nächste Brutsaison zu warten!

Der Bruterfolg des Wanderfalken verblieb gemischter Natur, aber durchaus vorzeigbar. Im Göttinger Stadtgebiet waren drei von neuerdings vier Brutpaaren (3, 3, 4 Juv.) erfolgreich; das traditionelle Innenstadt-Paar wurde von Uhus fortkomplimentiert und scheiterte dann am Ausweich-Kasten des Neuen Rathauses. Das neue Brutpaar hat sich dagegen, wie sich herausstellte, im vergangenen Jahr ebenfalls schon erfolgreich fortgepflanzt. Als Brutplatz diente den Vögeln ein Blumenkasten auf dem obersten Balkon eines sanierten Hochhauses in der Weststadt… Die Anwohnerin und die Vögel arrangierten sich gut miteinander, sehr löblich!
Weiterhin brachte das traditionelle Steinbruch-Pärchen vier Junge hoch und in Duderstadt und Einbeck waren es jeweils zumindest eines. Aus Hann. Münden liegen keine Daten vor.

Wie schon zwei Jahre zuvor gab es erneut einen Brutnachweis des Kranichs im Leinepolder Salzderhelden. Von einem Flüggewerden des Jungvogels ist auszugehen, da die Familie bis zum Ende des Berichtszeitraums fast durchgehend beobachtet wurde.
Brutzeitbeobachtungen von Wasserrallen gelangen an neun verschiedenen Feuchtgebieten. Außerdem wurden von dieser auch zur Brutzeit sehr mobilen Art im Berichtszeitraum viermal nachts ziehende Individuen gehört.
Wachtelkönige ließen in fünf Gebieten ihr charakteristisches „crex-crex“ hören. Dabei liegen 65 Beobachtungen weit über dem Durchschnitt! Zumindest im Leinepolder Salzderhelden, in der Rhumeaue bei Bilshausen und im Seeanger lassen Mehrfachbeobachtungen auf Revierbesetzungen schließen. Im erstgenannten Gebiet balzten ca. 15 der Wiesenrallen, im zweitgenannten etwa fünf und im letztgenannten eines.
Am 27. April konnte im Seeanger ein Tüpfelsumpfhuhn entdeckt werden; Hinweise auf Bruten gab es ausschließlich im Leinepolder Salzderhelden mit bis zu vier Vögeln.

Der Austernfischer konnte dreimal vermerkt werden, am 20. März im Leinepolder Salzderhelden, am 27. desselben Monats an der Geschiebesperre Hollenstedt und am 21. Mai am Northeimer Freizeitsee.
Am 12. April wurde im Seeanger ein Säbelschnäbler entdeckt. Zu diesem gesellten sich am folgenden Tag drei Artgenossen. Später wurde wohl derselbe Trupp im Leinepolder Salzderhelden wiederentdeckt.
Nachdem im letzten Jahr der erste Triel für Südniedersachsen gefeiert wurde, gelang in diesem Jahr eine weitere Beobachtung dieses mystischen Vogels. Am 27. April wurde er im Seeanger beobachtet und konnte noch am selben Tag von vielen Vogelbegeisterten gesehen werden. Der Besuch währte jedoch nur kurz und bereits in der folgenden Nacht hieß es adieu. Näheres zur Erstbeobachtung 2023 lässt sich hier nachlesen.

Ein seltener Gastvogel ist der Triel
Abb. 5: Das zweite Jahr in Folge konnte ein Triel in Südniedersachsen nachgewiesen werden. Foto: Andreas Stumpner

Ein gefühlter Erstnachweis war für viele die am 30. April im Seeanger entdeckte Rotflügel-Brachschwalbe. Tatsächlich handelt es sich nach 1865, 1979 und 1986 bereits um die vierte Beobachtung der Art in Südniedersachsen. Bis in die Mittagszeit hinein ließ sich der Vogel im Gebiet beobachten, bevor er gegen 14 Uhr das Gebiet in nördliche Richtung verließ. Gegen 16 Uhr dann wurde sie vom Northeimer Freizeitsee gemeldet, von wo sie sich etwa eine Stunde später erneut in Richtung Norden verabschiedete. Bemerkenswerterweise wurde sie kurz darauf im Leinepolder Salzderhelden wiederentdeckt, wo sie in Begleitung einiger Trauerseeschwalben bis in den Abend hinein immer wieder bei der Jagd nach Fluginsekten beobachtet werden konnte. Auch zu diesem Nachweis gibt es einen Bericht auf dieser Homepage.
Am 3. und am 31. Mai rastete jeweils ein Kiebitzregenpfeifer im Leinepolder Salzderhelden. Der etwas kleinere Verwandte, der Goldregenpfeifer, war bereits weitgehend durch – es gelangen nur noch sechs Beobachtungen. Maximal wurden sechs Individuen am 9. März im Lichtsmog über Nikolausberg ziehend beobachtet. Zu einem recht untypischen Datum nutzte ein vorjähriger „Goldi“ , der durch einen prominenten hellen Überaugenstreif zunächst für Verwirrung gesorgt hatte, den Leinepolder Salzderhelden vom 28. Mai bis zum 1. Juni zur Rast.

Ein Goldregenpfeifer im Leinepolder Salzderhelden
Abb. 6: Dieser Vogel konnte erst eindeutig bestimmt werden, als er seine weißen Unterflügel präsentierte: ein vorjähriger Goldregenpfeifer bei Edesheim. Foto: Mathias Siebner

1.000 Kiebitze auf dem Heimzug im Leinepolder Salzderhelden sind das Maximum dieses Frühjahrs. Ernüchternd bleibt die Bilanz der Brutvögel. Im Seeanger und an der Geschiebesperre Hollenstedt kam es in diesem Jahr zu keinem Brutnachweis, obwohl die Wasserstände auf gute Brutbedingungen haben hoffen lassen. Im Seeanger haben anfangs auch bis zu zehn Vögel auf den großflächig überschwemmten Wiesen Balzverhalten gezeigt; hier war möglicherweise das Ausbleiben einer Beweidung in den wichtigen (zu diesem Zeitpunkt sehr nassen und vom Vieh gemiedenen bzw. ausgezäunten Bereichen) die Ursache für das Ausbleiben von Brutversuchen. Versuche mit „wassergängigeren” Weidetieren (z.B. Wasserbüffeln), die auch den Aufwuchs der Vegetation in Uferbereichen effizient verhindern, wären hier sehr wünschenswert. Für den Leinepolder Salzderhelden lassen die Daten von ornitho (sechs Meldungen mit Nachwuchs) keine verlässlichen Aussagen zum Brutbestand zu. Die Gründe hierfür liegen in der Unübersichtlichkeit des Gebiets und ganz allgemein darin, dass für die Erfassung von Wiesenbrütern Geduld notwendig ist…
Brutnachweise des Flussregenpfeifers gelangen in diesem Jahr (bislang) nur am Northeimer Freizeitsee (zwei Paare); Brutverdacht lag weiterhin an der Kiesgrube Reinshof, in der Leineaue am Flüthewehr, an der Geschiebesperre Hollenstedt und im Leinepolder Salzderhelden vor.
Zwischen dem 14. März und dem 7. Juni wurden an fünf Orten in wechselnder Anzahl Sandregenpfeifer gezählt. Der größte Trupp umfasste dabei zwölf Vögel am 18. Mai im Leinepolder Salzderhelden.
Elf Beobachtungen des Großen Brachvogels sind etwas weniger als in den letzten Jahren. Die Höchstzahl in diesem Frühjahr belief sich auf sechs Individuen im Leinepolder Salzderhelden.
Mit neun Beobachtungen trat der Regenbrachvogel in diesem Jahr seltener auf dem Heimzug in Erscheinung als in den vorangegangenen Jahren. Sieben Tiere, die am 20. April über den Leinepolder Salzderhelden gen Norden zogen, waren das Maximum.
18 Uferschnepfen, welche am 14. März im Leinepolder Salzderhelden nach Nahrung suchten, sind aus regionaler Sicht bemerkenswert. Weitere Beobachtungen gelangen mit bis zu sieben Individuen im Seeanger und einem Einzelvogel am Northeimer Freizeitsee. Am 19. April ließen sich drei Uferschnepfen der isländischen Unterart im Leinepolder Salzderhelden blicken und konnten, erstmalig für dieses Taxon, fotografisch belegt werden.
Brutzeitfeststellungen der Waldschnepfe gelangen wie gewohnt im Kaufunger Wald, dem Solling und dem Bramwald. Im Verlauf des März konnten weitere 23 Beobachtungen mit insgesamt 31 Individuen erbracht werden.
Sichtungen der Zwergschnepfe gelangen mit Einzelvögeln am Flüthewehr bei Göttingen und der Geschiebesperre Hollenstedt, sowie einem Duo am Northeimer Freizeitsee.
Die größte Ansammlung von Bekassinen betraf 15 Individuen im Seeanger. Hinweise auf Bruten im Leinepolder Salzderhelden gab es erneut keine. Bruchwasserläufer kulminierten mit 200 Individuen, Dunkle Wasserläufer mit 17, Grünschenkel mit 39 und Kampfläufer und Flussuferläufer mit 37 bzw. neun Individuen im letztgenannten Gebiet – alles in allem sind das im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren sehr niedrige Zahlen bei den Watvögeln. Hierfür ist vermutlich die in diesem Jahr überdurchschnittlich hohe Verfügbarkeit von Rastgebieten auch in der normalen Landschaft dank üppiger Niederschläge verantwortlich. Demgegenüber sind 26 Waldwasserläufer, die am 3. April dem Dauerregen an der Geschiebesperre Hollenstedt trotzten, und neun Rotschenkel am 30. März im Leinepolder Salzderhelden ganz ordentliche Maxima für die beiden Arten.
An fünf Orten wurden zwischen dem 8. März und dem 18. Mai Alpenstrandläufer entdeckt. Maximal waren es 30 Vögel im Leinepolder Salzderhelden, was hierzulande geradezu einem Massenauflauf gleichkommt. Alles ganz normal: am 1. Mai gerieten zwei Sichelstrandläufer im letztgenannten Gebiet in den Blick, ein Zwergstrandläufer rastete am 11. Mai im Seeanger und ein weiterer am 17. am Northeimer Freizeitsee und bis zu zwei Temminckstrandläufer zwischen dem 5. und dem 11. Mai im Seeanger.
Am 29. Mai machte ein Steinwälzer am Northeimer Freizeitsee den Abschluss.

Ein fliegender Steinwälzer
Abb. 7: Statt auf die Buhnenfelder der Nordsee hat es diesen Steinwälzer an den Northeimer Freizeitsee verschlagen. Foto: Bernd Riedel

Zwergmöwen traten zwischen dem 17. März und dem 5. Mai mit maximal acht Individuen am Seeburger See, mit 18 Vögeln im Leinepolder Salzderhelden und einzeln am Northeimer Freizeitsee in Erscheinung. Der Hauptdurchzug manifestierte sich in der ersten Aprilhälfte. Eine letzte Beobachtung vom 28. Juni ist bereits dem Wegzug zuzuordnen.
Die Schwarzkopfmöwe wurde insgesamt sechs Mal auf dem Heimzug beobachtet. Dabei handelte es sich jeweils um Einzelvögel, fünf adulte und einen vorjährigen.
Zum ersten Mal seit 2018 konnte die Lachmöwe wieder als Brutvogel in Südniedersachsen nachgewiesen werden. Mindestens drei Paare brüteten im Lutteranger auf den abgestorbenen Baumstümpfen. Mindestens ein Paar zog erfolgreich Junge auf. Die beiden anderen waren Ende Juni noch mit Brüten beschäftigt. Der Hauptdurchzug erfolgte in der zweiten Märzwoche mit 1.500 Ind. auf den Northeimer Kiesteichen und immerhin 600 Ind. an der Kiesgrube Reinshof.
Im Verlauf des Frühjahrs konnten Heringsmöwen am Flüthewehr bei Göttingen (1), im Leinepolder Salzderhelden (1 ad. und 1 immatur) und den Northeimer Kiesteichen (2 ad.) beobachtet werden.
Mittelmeermöwen wurden an den Northeimer Kiesteichen (1 ad. und 1 K3) dem Leinepolder Salzderhelden (2 ad.), den Seeburger Gewässern (1ad. und 2 K3) und der Geschiebesperre Hollenstedt (1 ad. und 1 K3) festgestellt. Vermutlich handelt es sich bei den Beobachtungen zumindest teilweise um dieselben Vögel.
Von der hierzulande weit selteneren Silbermöwe wurde zwischen dem 2. und dem 15. März ein adultes und ein vorjähriges Tier auf dem Großen Freizeitsee nachgewiesen.
150 rastende Steppenmöwen am 13. März im überschwemmten Leinepolder 4 sind ein erstaunliches Maximum – vor wenigen Jahren noch eine undenkbare Anzahl. Am 21. April wurde eine beringte Steppenmöwe (gelb XJPP) an der Geschiebesperre Hollenstedt abgelesen. Der Vogel wurde am 8. Juni 2020 in Braunsbedra, Sachsen-Anhalt, beringt.

Einschließlich der Erstbeobachtung am 7. April gelangen insgesamt elf Beobachtungen der Flussseeschwalbe im Bearbeitungsgebiet. Drei Vögel am Seeburger See stellen die Maximalanzahl dar.
Die etwas seltenere Küstenseeschwalbe trat mit je einem Individuum am 20. April und dem 5. Mai über dem Northeimer Freizeitsee in Erscheinung.
Am 21. April hielt sich jeweils eine (oder dieselbe?) Raubseeschwalbe am Seeburger See und dem Leinepolder Salzderhelden auf. Ihnen folgte eine weitere Seeschwalbe am 26. desselben Monats über dem Northeimer Freizeitsee und zwei Vögel am 4. Mai ebenda.
Die häufigste in Südniedersachsen beobachtete Seeschwalbe, die Trauerseeschwalbe, trat 28-mal in Erscheinung. Beachtliche 78 Tiere bevölkerten zur Monatswende April-Mai den Seeburger See und auch der Leinepolder Salzderhelden war mit bis zu 55 Ind. gut bestückt. Am 1. Mai nutzen vier Weißbart-Seeschwalben den Leinepolder Salzderhelden für eine kurze Rast.

Eine fliegende Weißbartseeschwalbe
Abb. 8: In diesem Frühjahr konnte die Weißbart-Seeschwalbe nur ein Mal beobachtet werden. Foto: B. Riedel

Dass es auch immer mal wieder kleinere und größere erfreuliche Entwicklungen auf dieser von Krisen gebeutelten Erde gibt, zeigt die aktuelle Bestandsentwicklung des Steinkauzes in der Region. Das seit 2020 bekannte Brutpaar im Landkreis Northeim ist nicht mehr das einzige. Was zu erwarten gewesen war, bestätigte sich dieses Frühjahr durch eine gezielte Suche in der weiteren Umgebung des bekannten Brutplatzes. Stand jetzt: zwei weitere (jeweils verpaarte) Reviervögel im Landkreis Northeim – so darf es weitergehen!
Bis in das Göttinger Tageblatt und in die Bildzeitung hat es der Uhu, unsere größte heimische Eule, in diesem Frühjahr geschafft. Er brütete in einem Nistkasten an der Jacobikirche, der eigentlich Wanderfalken vorbehalten war. Von den drei geschlüpften Jungvögeln stürzte ein Vogel in den Tod, seine zwei Geschwister in ständiger Begleitung eines Altvogels hielten sich bis zum Erscheinen dieses Berichts in der näheren Umgebung des Brutplatzes auf.

Ein junger Uhu in der Göttinger Innenstadt
Abb. 9: Uhu: Ernstgemeinter Hinweis der Stadt Göttingen für KatzenhalterInnen in der Innenstadt: Freigang der Mieze nur noch unter Aufsicht! Foto: Mathias Siebner

Den lang bekannten „Stadtkäuzen“ der Göttinger Innenstadt scheinen die neuen Nachbarn nichts ausgemacht zu haben, denn sie brüteten auch in diesem Jahr wieder erfolgreich und zogen mindestens drei Junge groß. Eine weitere Stadtbrut des Waldkauzes gelang im Göttinger Levinpark. Auch hier haben es wohl drei Junge bis zum Ausfliegen geschafft.
Etwas seltener als im letzten Jahr waren die hohen Bettelrufe junger Waldohreulen zu hören. Zumindest aber in Gö.-Geismar, den Tonkuhlen Ascherberg in Göttingen und bei Seeburg waren sie zu vernehmen. An vier weiteren Orten fand zumindest Balz statt.
Erfreulicherweise gelangen an fünf Orten Beobachtungen der Schleiereule. Möglicherweise profitiert sie von den vergangenen recht warmen und schneefreien Wintern. Die Art ist darauf angewiesen täglich Beute zu machen, weshalb langanhaltende Schneelagen wie zuletzt 2010 oder brutale Kälteeinbrüche wie im Februar 2021, zum Erlöschen ganzer Populationen führen können, wenn geeignete Ausweichhabitate, wie etwa offene Stallungen und Scheunen, fehlen.

Immerhin etwas mehr Beobachtungen als in den letzten Jahren gelangen von der Turteltaube. Insgesamt konnten an zehn Orten balzende Männchen oder Pärchen festgestellt werden. Zwei weitere Beobachtungen im Juni sind ein Hinweis auf weitere besetzte Reviere. Eine Studie europäischer Wissenschaftler hat unlängst festgestellt, dass seit dem Jagdmoratorium auf die Turteltaube seit 2021 die Bestände in Westeuropa um 25 Prozent gestiegen sein sollen. Möglicherweise macht sich der Jagdverzicht auch bei uns bemerkbar? Man kann zumindest hoffen. Ungewöhnlich ist eine Turteltaube, die bis in den Sommer über Wochen in einem Hausgarten in Gö-Herberhausen balzte. Auf einer sogenannten „Waldschadensfläche“ hätte sie wohl eher einen Partner gefunden.

227 Beobachtungen des Eisvogels lassen einen guten Bestand vermuten. Die herben Verluste nach der eisigen Februarperiode mit bis – 26°C im Jahr 2021 konnten wettgemacht werden.

Pünktlich zum 1. April rastete ein erster Wiedehopf in der Region. Er verweilte nur kurz am Seeanger und zog dann Richtung Nordost weiter. Es folgten eine Woche später Vögel am Kerstlingeröder Feld und im Alten Botanischen Garten sowie am 23. April ein Vogel in der Oderaue bei Katlenburg. Soweit sah alles nach einem (mittlerweile) ganz normalen Frühjahr aus, mit ein paar Nachweisen rastender Durchzügler. Doch weit gefehlt, es folgten fünf weitere Beobachtungen (zwei davon mit singenden Hopfen!) zwischen dem 25. Mai und 17. Juni, also zur eigentlichen Kernbrutzeit der Art! Brütet sie vielleicht schon unentdeckt in unserer Region? Dass der bunte Vogel am Brutplatz sehr unauffällig sein kann, ist bekannt. Drei der Vögel befanden sich in oder nahe bei kleinen Ortschaften des Göttinger Eichsfelds, ein weiterer bei Northeim – alle in durchaus geeigneten Lebensräumen, sofern das Nahrungsangebot stimmt. Konkreter wurde es leider in keinem der Fälle, aber es soll als ganz klares Indiz gelten: Dieser spektakuläre, weltweit einzigartige Vogel ist auf dem Vormarsch, auch bei uns.

Ebenfalls auf Erfolgskurs, in der Region aber wegen weithin fehlenden Habitatstrukturen (Sandgruben) ohne größere Aussicht auf Ansiedlungen, bleibt der Bienenfresser. Zwischen dem 2. und 21. Mai wurden neun farbenfrohe Trupps mit insgesamt mindestens 37 Ind. dokumentiert, die aus einem bis neun Vögeln bestanden.

Der Wendehals trat 107-mal in Erscheinung. Bruten konnten bisher nur auf dem Kerstlingeröder Feld und im Nörtener Wald bestätigt werden. Die lange und häufige Feuchtigkeit kann dem Specht (bzw. seiner bevorzugten Beute) nicht in die Karten gespielt haben. Über die Ergebnisse der landesweiten Grauspechtkartierung wird in einem der nächsten Rückblicke berichtet.

Bei der Heidelerche macht sich die voranschreitende Sukzession auf den von ihr besiedelten Windwurfflächen bemerkbar. In diesem Frühjahr konnten nur noch zwei Reviere im Bramwald bei Eberhausen festgestellt werden.

Kolonien der Uferschwalbe befanden sich in Kiesgruben mit zehn Paaren bei Lindau, mit je 15 Paaren bei Uslar und Meensen sowie mit 50 Paaren an der Rhume bei Northeim.

Letztmalig wurde der Raubwürger im Leinepolder Salzderhelden am 6. April gesehen. Die einzige andere Beobachtung gelang am 2. März südöstlich von Denkershausen, also nach wie vor keine Hinweise (mehr) auf Bruten in der Region.
Der beeindruckende Höhenflug des Neuntöters hält dagegen immer noch an. An zahlreichen Stellen konnten Reviere festgestellt werden. Auf dem Kerstlingeröder Feld wurden in diesem Jahr 25 Reviere dokumentiert. Auf den vielen Windwurfflächen im Nörtener Wald waren es mindestens 40 Reviere.

Ein Futter tragender Neuntöter am Flüthewehr in Göttingen
Abb. 10: Neu besetztes Neuntöter-Revier an der Zebu-Weide am Flüthewehr. Foto: Mathias Siebner

Beutelmeisen hielten sich jeweils einzeln am Seeanger, dem Seeburger See, dem Northeimer Freizeitsee und im Leinepolder Salzderhelden auf – allesamt nur auf dem Durchzug.

Gleich zwei Hybriden zwischen der Raben- und der Nebelkrähe wurden festgestellt. Ein Vogel hielt sich für einen Tag am Northeimer Freizeitsee auf, ein weiterer für drei Tage am Flüthewehr bei Göttingen.
Saatkrähen wurden mindestens 17-mal gesehen. Maximal waren es acht Tiere am 3. März über Hann. Münden. Interessant ist die mehrfache Beobachtung einer Saatkrähe Ende Mai und damit zur Brutzeit an den Northeimer Kiesteichen. Konkreter wurde es aber leider nicht.
Mindestens 22 Bruten der Dohle an 13 Standorten sind sehr erfreulich. Fünf Brutplätze betreffen Bruten in Wäldern, sechs befanden sich an Gebäuden. In Göttingen fand an der Nikolausberger Kirche die erste Brut seit 1987 statt!
Die einzige Beobachtung des Tannenhähers gelang im Kaufunger Wald. Die Seltenheit der Art in Südniedersachsen erklärt sich wohl vor allem durch die unauffällige Lebensweise und eine geringe Beobachtungsintensität in den Vorkommensgebieten. Hier sind vor allem noch der Bramwald und der Solling zu nennen. Möglicherweise hat aber auch das großflächige Verschwinden der Fichte einen Einfluss auf die Zahl der Beobachtungen.

23-mal wurden Pirole gemeldet. Zumindest an den Northeimer Kiesteichen bestand Brutverdacht.

Nach dem regionalen Erstnachweis des Seidensängers am 25. März war klar, dass diese Art zumindest akustisch von nun an häufiger in Erscheinung treten würde: Auf jeden Fall sang dann am 28. Juni gegen Mittag zweimal ein Männchen laut und sehr markant erst an der Geschiebesperre und später nördlich vom Böllebach.

Gleich drei Buschrohrsänger ließen sich in diesem Frühjahr entdecken. Der erste hielt sich vom 27. Mai bis zum 15. Juni an der Flüthe auf Höhe des Göttinger Kiessees auf. Kurz danach wurde ein zweites Männchen nur wenige hundert Meter entfernt nördlich der Zebu-Weide Flüthewehr-West ausgemacht. Dieser Vogel war mindestens vom 29. Mai bis zum 20. Juni anwesend. Beide Vögel ließen sich häufig sehr frei und gut beobachten. Der Dritte im Bunde war am 24. Juni nur für einen Tag nahe Wollbrandshausen zu hören. Ausgiebig dem nächtlichen und sehr variantenreichen Gesang dieser Art zu lauschen und dabei keine Ablenkungen durch Störgeräusche (z.B. Kameraklicken) erfahren zu müssen, sei allen ans Herz gelegt, die sich ernsthaft mit der Vogelbeobachtung auseinandersetzen möchten!

Ein Buschrohrsänger - eine Zwillingsart zum Sumpfrohrsänger
Abb. 11: Gleich zwei Buschrohrsänger im Göttinger Süden ließen sich über mehrere Wochen ausgesprochen gut beobachten. Foto: Mathias Siebner

Aus Göttinger Sicht erfreulich gestaltete sich das Vorkommen von singenden Sumpfrohrsängern, vor allem südlich der Stadt aber auch entlang der Leine von der Kiesgrube Reinshof bis hin zur Lokhalle. Ein allgemein höherer Bestand in diesem Jahr konnte auf ornitho.de nicht bestätigt werden und mag an den zahlreichen optimalen Habitaten hier gelegen haben.
Singende Drosselrohrsänger wurden an neun Orten festgestellt, teilweise auch über mehrere Wochen hinweg. Insgesamt ließen mindestens 19 Männchen ihren charakteristischen Gesang hören. Ein sicherer Brutnachweis konnte in einem kleinen Röhrichtbestand (knapp 150 m²) am Wendebachstau erbracht werden – aus lokaler Sicht eine echte Premiere! Jungvögel wurden leider nicht gesehen, im Seeanger später dann aber schon.
Hinweise auf Revierbesetzung gab es beim Schilfrohrsänger im Seeanger, dem Seeburger See und im Leinepolder Salzderhelden.

Bemerkenswerte zehn Männchen des Feldschwirls konnten am 24. Mai an der Rhumeaue zwischen Gieboldehausen und Lindau festgestellt werden.
Der Rohrschwirl wurde mit maximal sieben Sängern im Leinepolder Salzderhelden, drei Sängern am Seeburger See, zwei im Gillersheimer Bachtal und einem im Seeanger gemeldet.
Etwas seltener trat der Schlagschwirl in Erscheinung. An fünf Orten wurden singende Männchen gehört. Allein in der Rhumeaue zwischen Katlenburg und Lindau waren mindestens fünf „Nähmaschinen“ zu hören.
Am 24. Mai wurde ein Orpheusspötter beim Gut Sennickerode nahe Bischhausen entdeckt. Er ist der zweite Neuzugang auf der südniedersächsischen Artenliste. Bis zum 6. Juni wurde das Männchen intensiv singend festgestellt. Ein installiertes Aufnahmegerät konnte dessen Anwesenheit noch bis zum 15. Juni nachweisen, danach war Ruhe. Mehr zu diesem Nachweis kann auch hier auf dieser Homepage nachgelesen werden.

Ein singender Orpheusspötter, die Zwillingsart zum Gelbspötter
Abb. 12: Charakteristischer als sein Aussehen ist für den Orpheusspötter sein vorgetragener Gesang. Foto: Mathias Siebner

Größere Schlafplatzansammlungen von Staren mit mehr als 1.000 Individuen konnten im Frühjahr nur in Gö.-Grone beobachtet werden (27. März). Ab Ende Mai sammelten sich auch die ersten Jungvogeltrupps an traditionell genutzten Schlaf- und Sammelplätzen. Die größten Ansammlungen stellten dabei lediglich 500 Individuen im Leinepolder und am Denkershäuser Teich dar (beide 28. Juni). Ein Trupp mit 350 fast ausschließlich Jungvögeln konnte am 31. Mai im Umfeld des Flüthewehrs bei der Schlafplatzsuche beobachtet werden.

Meldungen heimziehender Ringdrosseln konnten 49 Individuen zugeordnet werden, was eine ordentliche Anzahl ist. Davon konnten zehn Individuen als ssp. torquatus bestimmt werden.
Die letzte Rotdrossel im Bearbeitungsgebiet wurde am 17. April gesichtet (Bartholomäus Friedhof Göttingen). Größere Trupps verließen unsere Breiten jedoch bis Ende März. So waren Trupps mit 200 Individuen im Weißwassertal bei Waake (16. März) und bei Mariaspring (20. März) vermutlich nur zur kurzen Rast anwesend.

Trauerschnäpper sind während der Brutzeit schon seit vielen Jahren eher spärliche Gäste im Bearbeitungsgebiet, sodass diese eine genauere Betrachtung verdienen. In diesem Jahr konnten erfreulich viele singende Männchen festgestellt werden. So ab dem 26. April am Wildtiergehege am Kehr im Göttinger Stadtwald, das bereits in der Vergangenheit Brutpaare beherbergte. Vermutlich war es immer derselbe Vogel der dort bis zum 20. Mai zu hören war. Auf dem Göttinger Klausberg konnte am 27. April sowie am 1. Mai Gesang vernommen werden. Einzelbeobachtungen singender Individuen aus Göttinger Stadtwald (30. April) und Solling (4. Mai) wurden mangels Anwesenheit von Beobachtern nicht bestätigt. Weitere Sänger wurden in Duderstadt (6. Mai), bei Weißenborn (14. Mai), im Göttinger KGV Stegemühle (30. Mai) sowie im Lutteranger (7. Juni) gemeldet. (Leider) singulär ist daher der Nachweis einer Nistkastenbrut am Ortsrand von Seeburg.

Abb. 13: Futtertragendes Trauschnäpperweibchen in Seeburg. Foto: Martin Göpfert

Zwergschnäpper machten sich wie fast jedes Jahr rar. So konnte, außerhalb des AGO-Bearbeitungsgebiets, nur ein Individuum im Odertal bei Bad Lauterberg im heute zu Göttingen gehörenden Landkreis Osterode beobachtet werden (24. Juni).

Ob ein singendes Braunkehlchen am 23. Mai im Leinepolder das Weiterbestehen des dortigen Brutvorkommens anzeigt muss offen bleiben,  gab es doch keine weiteren Beobachtungen.

Ein gutes Ohr bewies ein Göttinger Ornithologe als dieser am 19. Mai an der ehemaligen Bauschuttdeponie Gö-Geismar einen Sprosser aus den allgegenwärtigen Nachtigallen heraushörte. Der Vogel blieb nur einen Tag und stellt nach Beobachtungen in 2016 und 2019 erst den Drittnachweis dieser Art in Südniedersachen dar.

Brutnachweise von Wiesenpiepern sind durch den Schwund passender Habitate selten geworden. Erfreulich ist der Brutnachweis aus der Leineniederung bei Bovenden, wo traditionell 1-2 Paare Bruterfolg haben. Regelmäßige Juni-Sichtungen von Wiesenpiepern im Leinepolder lassen auf ein Fortbestehen der dortigen Brutpopulation hoffen, ein Brutnachweis steht jedoch aus.

Ein rastender Brachpieper auf einem Acker.
Abb. 14: Ein am Diemardener Berg rastender Brachpieper. Foto: Friedemann Arndt

Rastende und heimziehende Brachpieper wurden am Seeanger (18. April), am Northeimer Freizeitsee (10. und 13. Mai), auf dem Wüsten Berg (13. Mai) sowie auf dem Diemardener Berg (14. Mai) gesichtet.
Ein Rotkehlpieper machte am 27. April Halt im Seeanger, konnte aber nur kurz beobachtet werden.
Rastende Bergpieper waren beim diesjährigen Heimzug eher selten, so wurden lediglich ein Individuum am Flüthewehr (6. April) sowie zwei Vögel im Seeanger (7. April) wahrgenommen.

Unter durchziehenden Schafstelzen konnten neun Individuen der nördlichen Unterart thunbergi ausgemacht werden.

Der Birkenzeisig ist inzwischen wohl von der Liste der lokalen Brutvögel zu streichen. Einzig aus dem Raum Hann. Münden gibt es Beobachtungen singender Individuen, so am 27. März bei Altmünden und am 8. Juni aus dem Forstbotanischen Garten Hann. Münden. Auch die Stadtvogelkartierung des Arbeitskreises Göttinger Ornithologen mit sechs regelmäßigen Begehungen von Teilflächen im Göttinger Kerngebiet ergab keinen Nachweis. Eine ausführliche Verabschiedung von diesem kleinen Hektiker ist in der nächsten Zeit geplant.

Dass die Grauammer ihre Ausbreitungsbewegung nach Westen auch in diesem Jahr fortsetzt, konnte man aus den regelmäßigen Beobachtungen der letzten Jahre bereits vermuten. Was bisher fehlte ist aber die Besetzung eines Gesangs-Reviers oder gar der Brutnachweis. Waren einzelne Individuen im Seeanger (7. März), in der Feldmark Hollenstedt (22. April) sowie im Leinepolder (24. Mai) wohl nur auf der Durchreise oder der Suche nach geeigneten Habitaten, wurden am 6. Juni zwei singende Individuen auf dem Kerstlingeröder Feld entdeckt. Das Gebiet wurde bereits in den Vorjahren durch Grauammern frequentiert, die jedoch selten länger als ein paar Tage blieben.  Diese zwei Vögel blieben nun aber bis mindestens Ende Juni, sangen regelmäßig und bekamen zwischenzeitlich Besuch eines dritten Vogels. Brutverdächtiges Verhalten konnte bisher jedoch nicht beobachtet werden. Es bleibt spannend. Erfreulich ist die leichte Zunahme der Grauammer auch im Westen der Republik. In der Soester Börde (NRW), wo sie fast verschwunden war, konnte sich der Bestand wieder auf ca 30 Paare erholen. Grund sind umfangreiche Aufwertungen des Lebensraums, bei denen Ackerbrachen eine maßgebliche Rolle spielen. Jetzt hat unser famoser Landwirtschaftsminister (B90/Grüne) die obligatorische Vier Prozent Stilllegung ausgesetzt, als nette Geste gegenüber krawalligen Traktoristen, die um ihre Steuerprivilegien fürchten. Auch bei der nationalen Umsetzung des so genannten „Restore Nature“-Programms der EU wurden Verwässerungen angekündigt. Prost Mahlzeit!

Béla Bartsch, Christian Dienemann, Hans H. Dörrie, Ole Henning und Mathias Siebner

Dieser Bericht basiert fast ausschließlich auf Beobachtungsdaten in unserer Datenbank ornitho.de mit im Zeitraum 50.990 eingegebenen Datensätzen. Ein herzlicher Dank geht an alle Melderinnen und Melder.

Zwei junge Turmfalken in einem Nistkasten
Abb. 15: Junge Turmfalken in einem Nistkasten an einem Universitätsgebäude bei der Goßlerstraße. Foto: Mathias Siebner