Heimzug und Brutzeit – März bis Juni 2013 – in Süd-Niedersachsen: Kalamitäten am laufenden Band

Rohrammer - V.Hesse
Abb. 1: Elternlos in der Wasserwüste: Junge Rohrammer im Leinepolder. Foto: V. Hesse

Der außergewöhnlich kalte „Märzwinter“, der in der Region einen spektakulären Zugstau verursacht hatte, ist auf dieser Seite bereits gesondert dargestellt worden. Ihm folgte ein kühler und weithin trockener April. Der Mai fiel, besonders in seiner zweiten Hälfte, äußerst unangenehm aus dem Rahmen. Mit 149 l/m² war er der zweitnasseste seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen 1927, mit nur 111 Sonnenstunden recht dunkel und mit einer mittleren Temperatur von 11,6°C kühler als normal. Nach dem „Märzwinter“ also ein „Novembermai“. Für die Vogelwelt besonders gravierend waren zwei Schlechtwetterperioden – mit Dauerregen und Tageshöchsttemperaturen zeitweise im einstelligen Bereich – in der Monatsmitte und, für eine quälend lange Woche, in der letzten Dekade. Starke Niederschläge führten zum Vollstau des Leinepolders Salzderhelden; auch die Wasserfläche des Seeangers wurde auf mehr als das Dreifache ihrer ursprünglichen Größe angestaut. Was dies für die ansässigen Brutvögel bedeutete, kann man sich ausmalen. Verglichen mit dem Südosten Bayerns und Teilen Sachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts ist unsere Region aber mit einem nassen Fuß davongekommen.
Der Juni brachte endlich Sonne und Wärme ins Land und bis jetzt sieht es danach aus, dass Verluste zumindest teilweise durch Ersatzbruten wettgemacht werden können. Eine dreitägige Hitzewelle mit Höchsttemperaturen von bis zu 33°C in der zweiten Dekade stellte jedoch einige Arten, besonders Gebäude- und exponierte Höhlenbrüter, erneut vor Probleme. Die Affenhitze wurde zum Monatsende von einer verspäteten Schafskälte abgelöst, die mit Tageshöchsttemperaturen von 15 bis 17°C aber moderat ausfiel. So ein Durcheinander in der Wetterküche wie 2013 hat es in einem Frühjahr nur selten gegeben. Für etliche Arten kann man wohl, wie weiland die Queen, von einem Annus horribilis sprechen. Aber eins nach dem anderen.

Die Brutsaison der eigentlich robusten Höckerschwäne fiel teilweise ins Wasser. Für den Seeanger und den Leinepolder Salzderhelden, wo insgesamt drei Bruten nach dem Anstau scheiterten, ist dies wörtlich zu nehmen. In Göttingen konnte sich das Paar vom Pfingstanger in Grone erst Ende Juni mit vier geschlüpften Jungen reproduzieren. Einer Anwohnerin zufolge schlüpften Ende Mai aus dem Gelege des Paars am Rückhaltebecken Grone sieben Pulli, die jedoch bald verschwunden waren. Vier von ihnen wurden angeblich in der Industriestraße, einige hundert Meter vom Geburtsort entfernt, aufgegriffen. Wie sie, wohlgemerkt ohne die Eltern, dort hinkamen, bleibt mysteriös. Die Küken gelangten in die NABU-Pflegestation und wurden später in private Hände vermittelt. Die Bruten am Kiessee und im Levin-Park wurden vorzeitig aufgegeben.

Höckerschwan - M.Siebner
Abb. 2: Passend zum Göttinger Weststadt-Ambiente: Nestbauender Höckerschwan mit Bierkarton. Foto: M. Siebner

Bis in den Mai trieben sich ein bis zwei Kanadagänse in der Region umher, darunter ein für das Göttinger Stadtgebiet ungewöhnlicher (und recht zutraulicher) Vogel am 18. und 19. April an der Leine. Jahreszeitlich etwas aus dem Rahmen fallend sind zwei Weißwangengänse vom 2. Juni an der Geschiebesperre Hollenstedt.

Neu für Süd-Niedersachsen ist eine Schwanengans ohne sichtbaren Hybridanteil, die vom 8. bis 19. März den südlichen Göttinger Stadtrand schmückte. Diese ursprünglich nordostasiatische Vogelart brütet als verwilderter Gefangenschaftsflüchtling vereinzelt in Deutschland, konnte sich aber noch nicht fest etablieren.

Schwanengans - M.Siebner
Abb. 3: Schwanengans unterhalb der „Meyerwarft“ am Göttinger Kiessee.
Foto: M. Siebner

In Göttingen verliefen nur zwei von fünf Graugans-Bruten erfolgreich. Am Kiessee wird ein Jungvogel geführt, während im Levin-Park immerhin zwei von ursprünglich vier Gösseln die permanenten Attacken des rabiaten Kampfschwans überlebt haben. An der Kiesgrube Reinshof, einem nur sporadisch besetzten Brutplatz, fand eine Brut mit drei Jungen statt. Das Auftreten in den Verbreitungsschwerpunkten Geschiebesperre Hollenstedt, Northeimer Kiesteiche, Seeanger, Seeburger See und Wendebachstau bei Reinhausen kann bei ca. 25 Brutpaaren mit Schlupferfolg als unterdurchschnittlich eingestuft werden.

Die Verteidiger einer kerndeutschen Avifauna wird es freuen, dass bis dato nur sieben Brutpaare der Nilgans Erfolg vorweisen können, darunter eins im Levin-Park mit einem Nachgelege. Neue Brutplätze sind die Rhume bei Rhumspringe und ein Grundstück mit mehreren Gartenteichen im hochwassersicheren Bettenrode bei Reinhausen. Je zwei Paare konnten sich an den Northeimer Kiesteichen und an der Geschiebesperre Hollenstedt reproduzieren. Am Göttinger Kiessee wurde eine Brut Ende Juni aufgegeben.

Am Seeanger halten sich seit Wochen ein bis zwei balzende Paare der Brandgans auf. Ob sie demnächst im Landkreis Göttingen als neue Brutvogelart begrüßt werden kann, bleibt abzuwarten. Der Anstau hatte allen Ambitionen vorerst ein Ende bereitet.

Brandgans - M.Siebner
Abb. 4: Männliche Brandgans mit imposanter Schnabelschwellung. Foto: M. Siebner

Ende April bis Mitte Mai machten wie üblich Rostgänse auf sich aufmerksam, darunter bemerkenswerte drei Ind. am Seeanger.

Einflug oder Massenausbruch? An der Etzequelle bei Etzenborn weilten am 24. März (wiederum) fünf Mandarinenten. Zwei Männchen ließen sich im Mai für mehrere Tage an der Geschiebesperre Hollenstedt blicken.

Der Zusammenhalt des auf drei Vögel („Trio Cascada“) geschrumpften, aus den Vorberichten bekannten Quartetts possierlicher Zwergenten (Zuchtform) am Göttinger Kiessee fand ein klägliches Ende. Die flatterhafte Frontfrau „Bettinchen“ schmiss sich an einen feisten Stockerpel und sprengte die traute Dreisamkeit. Dies sorgte bei den Männchen für erheblichen Verdruss. Um den 5. April hatten sie sich genervt aus dem Staub gemacht. Der Kurzzeitlover orientierte sich bald wieder an Weibchen der vertrauten Art und ließ „Bettinchen“ schmählich sitzen. Die Folgetage verbrachte sie einsam schnatternd und war nach dem 16. April verschwunden. Beim Fanclub der kleinen Krachmacher kam nur sehr kurz eine gewisse Schadenfreude auf, dann überwog der Kummer über das Verschwinden der Maskottchen.

Bettinchen - M.Siebner
Abb. 5: Ein glückliches Paar? Von wegen! Foto: M. Siebner

Am 9. Juni zeigte an der Geschiebesperre Hollenstedt ein Schnatterenten-Weibchen mit sieben schon recht großen Jungvögeln nicht nur eine erfolgreiche Brut an, sondern auch, dass die Vögel Hochwasser und Anstau gemeistert hatten. Kolbenenten traten vergleichsweise häufig auf. Am Göttinger Kiessee z.B. verweilten im März bis zu drei Männchen und zwei Weibchen über Tage, bis zu elf Ind. waren es zur selben Zeit an den Northeimer Kiesteichen.

Als Herausforderung für Bestimmungskünstler mit einer Schwäche für artübergreifende Paarungen präsentierte sich im März am Rückhaltebecken Grone und im Levin-Park ein Tauchentenhybrid. Als Diskussionsergebnis (vgl. die entsprechenden Einträge bei ornitho.de) schälte sich heraus, dass eine Kombination Moor- x Reiherente am wahrscheinlichsten ist. Kommentare zu diesem Vogel sind aber nach wie vor erwünscht!

Tauchentenhybrid - M.Siebner
Abb. 6: Tauchentenhybrid in Göttingen. Foto: M. Siebner

Vom 21. März bis zum 5. April schwammen drei Bergenten (2 M., 1 W.) auf den Northeimer Kiesteichen. Ihnen folgten zwei Paare am 22. April auf dem Northeimer Freizeitsee.

Die aus dem Vorbericht bekannte Samtente mit monatelangem Aufenthalt auf dem Northeimer Freizeitsee hielt es bis in die letzte Aprildekade dort aus. Am 24. April bekam sie Besuch von bemerkenswerten acht Artgenossen, die sie mit in ihre Brutgebiete nahmen.

Am 5. Mai tauchte erstaunlicherweise das aus dem Vorjahr bekannte flugunfähige Gänsesäger-Weibchen wieder am Göttinger Flüthewehr auf. Nach dem 17. Mai war es verschwunden. An welchem Leineabschnitt mag es die letzten Monate verbracht haben? Wo ist es jetzt?
Am 26. Mai schwammen an der Geschiebesperre Hollenstedt drei späte Ind. (1 M., 1 W., 1 wf. Ind.). In der Kombination von Datum, Anzahl und Zusammensetzung war ein Trupp von sieben adulten Männchen zwei Tage später am Seeburger See weitaus ungewöhnlicher. Bei ihnen könnte es sich um Hochwasserflüchtlinge aus anderen Teilen Deutschlands gehandelt haben.

Gänsesäger - M.Siebner
Abb. 7: Nach einem Jahr wieder aufgetaucht: invalider Gänsesäger im Nebel am Flüthewehr. Foto: M. Siebner

Die alljährliche Frühjahrserfassung rufender Rebhühner im Landkreis Göttingen erbrachte 225 Männchen. Die starken Verluste des schneereichen Winters 2010 konnten, trotz des außergewöhnlich kalten März, offenbar vollauf wettgemacht werden. Die höchsten Dichten wurden wie in den Vorjahren in den Feldmarken südlich von Göttingen ermittelt. Dort existiert offenkundig eine „source population“, die suboptimale Gebiete mit Nachschub versorgt und Neuansiedlungen ermöglicht.

Auf dem Göttinger Kiessee führen derzeit zwei Haubentaucher-Paare zwei (von ursprünglich vier) bzw. drei Jungvögel. Das dritte Paar könnte demnächst eine Brut in Angriff nehmen. Damit bahnt sich erneut ein passables Jahr an. Ganz anders sieht es am Seeburger See aus. Bis jetzt konnte sich dort, wie 2012, kein Paar fortpflanzen. Nach wie vor sind die Ursachen unklar.

Am 23. April rastete auf dem Northeimer Freizeitsee ein Rothalstaucher, dem fünf Tage später ein weiterer auf dem Seeburger See folgte. Nur kurz fiel der Besuch eines Ohrentauchers am 9. Mai an ebendiesem Gewässer aus.

Auf dem überschwemmten Seeanger fanden sich im Juni bis zu 19 Schwarzhalstaucher ein, die zeitweise kräftig balzten und Anstalten zum Brüten trafen. Ähnliche Beobachtungen liegen aus dem Leinepolder Salzderhelden vor. Der schnell sinkende Wasserstand ließ ihre Bemühungen aber ins Leere bzw. Trockene laufen.

Am 29. März ließen sich am Seeburger See ein oder zwei Rohrdommeln vernehmen. Am 5. April flog ein rufender Einzelvogel über den Leinepolder Salzderhelden und am 14. April stand ein Ind. am Schilfrand des Seeburger Sees. Eine männliche Zwergdommel gab am 29. April ebenda ein kurzes Gastspiel.

Die Graureiher-Kolonie im Göttinger Levin-Park wird in diesem Jahr von ca. 17 Paaren bevölkert, die bis jetzt ungefähr 40 Jungvögel produziert haben. Derzeit ist ein Vogel noch am Brüten, während in zwei Nestern Jungvögel gefüttert werden, die mindestens drei Wochen bis zum Ausfliegen brauchen. Der Brutbaum wird zunehmend brüchig und es steht zu befürchten, dass er in nächster Zeit weitere Äste verliert. Ein Umzug z.B. auf die Insel im Kiessee scheint dringend geboten…

Graureiher - M.Siebner
Abb. 8: Zum Leidwesen der Gartenteichbesitzer gibt’s heute wieder Goldfisch.
Foto: M. Siebner

Am 6. Mai pausierte im Leinepolder Salzderhelden ein Seidenreiher.

Die anfängliche Befürchtung, dass 2013 für den Schwarzstorch zum Katastrophenjahr wird, hat sich aus regionaler Sicht nicht bewahrheitet. In der weiteren Umgebung Göttingens haben zwei von drei Paaren Junge. Das dritte hat offenbar ein Nachgelege gezeitigt, das aktuell bebrütet wird.

Mit Neuansiedlungen am Ortsrand von Hollenstedt, auf der Martinskirche in Markoldendorf bei Einbeck und auf der alten Molkerei in Westerode (wohl ohne Schlupferfolg) ist die regionale Weißstorch-Brutpopulation auf beachtliche zehn Paare angewachsen. Das traditionelle Paar in Gieboldehausen blieb in diesem Jahr erfolglos. Das stimmt bedenklich, weil diese Störche, deren Nachwuchs nicht beringt werden darf, als die einzigen Weitstreckenzieher der Region gelten. Sie beziehen ihr Nest erst im April und damit ca. drei bis vier Wochen später als die Neuansiedler, unter deren Vorfahren sich mit hoher Wahrscheinlichkeit „Projektstörche“ aus fragwürdigen Wiederansiedlungsexperimenten befinden. Wie im Vorjahr gab es um dieses Nest Auseinandersetzungen mit Fremdstörchen. Wer dabei letztlich obsiegte (aber nicht zur Brut schritt), muss offen bleiben. Heftige, bisweilen tödlich endende Revierkämpfe zwischen Alteingesessenen und Okkupanten gehören bei Weißstörchen zum natürlichen Verhaltensrepertoire. Sie können aber, besonders in suboptimalen Lebensräumen mit begrenzter Kapazität, zusätzlich angeheizt werden, wenn in der Nachbarschaft zu einem langjährig besetzten Nest eine Nisthilfe angebracht wird, die andere Interessenten anlockt. Dies ist in Gieboldehausen leider geschehen – und zeugt von der überschaubaren Sachkenntnis der Storchenfreunde vor Ort.

Am 11. Mai flog ein Schreiadler über den Leinepolder Salzderhelden. Nach Anerkennung durch die Avifaunistische Kommission Niedersachsen/Bremen (AKNB) wäre dies erst der zweite Nachweis für das AGO-Bearbeitungsgebiet, das die Landkreise Göttingen und Northeim umfasst.

Wiesenweihen gerieten am 7. Mai bei Rosdorf (ad. W.) und bei Langenholtensen (M.), am 9. und 12. Mai über der Geschiebesperre Hollenstedt (W.), am 11. Mai im Leinepolder Salzderhelden (ad. M.) und am 20. Juni in der Feldmark Diemarden (wf. Ind.) ins Blickfeld.

Am 17. April wurde unter einem Windrad in der Feldmark östlich von Bodensee ein zerstückelter Rotmilan gefunden (s. Abb. 9). Das ist bereits der zweite Totfund unter dieser Anlage.
Rotmilane gehören zu den häufigsten Opfern von Windrädern, weil sie mit ihrem spezifischen Sehvermögen die Geschwindigkeit der Rotoren nicht einschätzen können. Während ihrer arttypischen Suchflüge mit beständig nach unten gerichtetem Blick geraten sie nicht selten aus Unachtsamkeit in den Sog der Anlagen. Annähernd zuverlässige Zahlen verunglückter Vögel gibt es für unsere Region wegen fehlender systematischer Erfassungen nicht. So gut wie immer sind Fuchs und Wildschwein schneller als menschliche Zufallsfinder. Mittlerweile liegen jedoch für Brandenburg, wo gefiederte Windkraftopfer vergleichsweise gründlich erfasst werden, zuverlässige Schätzungen vor, nach denen jährlich ungefähr vier Prozent der Landespopulation an den Anlagen umkommen.

Toter Rotmilan - S.Busch
Abb. 9: Unser Wappenvogel gerät unter die (Wind-)Räder. Foto: S. Busch

Zur Ausweisung von Vorrangflächen für Windräder wurde im vergangenen Jahr in Stadt und Landkreis Göttingen der Brutbestand von drei Gutachtern akkurat ermittelt und auf 101 Paare beziffert. Dieser hohe Wert belegt einmal mehr, dass unsere Region im weltweiten Dichtezentrum dieser global seltenen Greifvogelart mit europaweit höchster Schutzpriorität liegt.
Als Konsequenz aus dem Gutachten wurden seitens der Verwaltung Schutzzonen mit einem Radius von 1250 m um jedes 2012 besetzte Nest definiert. Dort sollen keine neuen Windräder errichtet werden. Wie man in der Zukunft mit genehmigten Standorten oder Anlagen umzugehen gedenkt, in deren Nähe sich Rotmilane „unplanmäßig“ zum Brüten niedergelassen haben, ist eine interessante Frage…
Obwohl mit dieser Regelung das eine oder andere Paar während der Brutzeit vor Kollisionen bewahrt werden könnte, bringt sie für die große Mehrzahl der Vögel wenig bis nichts. Rotmilane, darunter auch umherstreifende Nichtbrüter und flügge Jungvögel, können im offenen Kulturland überall angetroffen werden. Brutpaare wechseln Jahr für Jahr ihre Nistplätze. Nach Abschluss der Jungenaufzucht erweitern sie ihren Aktionsraum erheblich. Angehörige anderer Teilpopulationen passieren die Region auf dem Heim- und Wegzug und besetzen im Herbst über Wochen Schlafplätze. Potentiell sind alle diese Vögel vom Kollisionsrisiko betroffen, das mit der Zahl der Anlagen wächst. Will man sie wirklich schützen, verbietet sich die Errichtung weiterer Anlagen eigentlich von selbst. Aber ganz so einfach ist es leider nicht, im Gegenteil: Am 15. April stellten Vertreter der Kreisverwaltung in der Sitzung des Bauausschusses ein neues Konzept vor. Es läuft darauf hinaus, den obligatorischen Nestabstand von 1250 m zugunsten einer „konkreten fachlichen Einzelprüfung“ aufzuweichen. Die Pufferzonen zu FFH- und Naturschutzgebieten werden ad acta gelegt. Vattenfall und Co. wird’s freuen…
Im Landkreis Göttingen sind (zunächst) 2500 Hektar Vorrangflächen für die Erschließung vorgesehen. Unter den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern organisiert sich der Widerstand gegen die zukünftigen, euphemistisch „Parks“ genannten Industriegebiete aus monströsen, mehr als 200 m hohen Anlagen in der Nachbarschaft. Nach der Devise „Für Mensch und Milan“ sind diese Initiativen aller Unterstützung wert.

Jahreszeitlich aus dem Rahmen fallend ist die Beobachtung eines Seeadlers am 20. April über dem Leinepolder Salzderhelden.

Aus dem März liegen Beobachtungen von vier Raufußbussarden vor, darunter ein für die Göttinger Peripherie immer noch bemerkenswerter Vogel (2. KJ) vom 26. am Diemardener Berg.

Vom langen „Märzwinter“ und Mäusemangel offenbar schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde der Bestand des Mäusebussards. Etliche entkräftete bis moribunde Vögel gelangten in die Göttinger NABU-Pflegestation. Auch überregional liegen Meldungen zahlreicher Totfunde vor. Bis dato hat im Göttinger Süden nur eine erfolgreiche Brut stattgefunden, nahe der Hundesportanlage an der B 27. Alle anderen Brutplätze sind verwaist bzw. wurden erst im Juni von balzenden Vögeln temporär in Beschlag genommen. In den Vorjahren musste für diesen vermeintlichen Allerweltsvogel bereits ein negativer Trend konstatiert werden.

Mäusebussard - M.Siebner
Abb. 10: Jagdglück in schwerer Zeit: Mäusebussard am Göttinger Siekgraben.
Foto: M. Siebner

Der Leinepolder Salzderhelden wurde gleich zweimal von Rotfußfalken beehrt: am 4. Mai von einem alten Männchen und am 11. Mai von einem Geschlechtsgenossen im 2. Kalenderjahr.

Die Göttinger Wanderfalken geben in diesem Jahr Rätsel auf. Nachdem sie sich über längere Zeit am Neuen Rathaus und an der Johannis-Kirche umgetan hatten, besetzten sie am namensgebenden Gebäude der Turmmensa einen Nistkasten. Zweifelsfreie Hinweise auf eine erfolgreiche Brut liegen von dort aber nicht vor. Ende Mai und im Juni konnten am Schornstein der Firma Novopan in Grone mehrfach Wanderfalken registriert werden, darunter ein flügger Jungvogel mit Bettelrufen. Ob er dort erbrütet wurde, ist unklar. Zu allem Überfluss wurde am 7. Juni in der Gotmarstraße (Innenstadt) ein abgestürzter Jungvogel gegriffen und in die NABU-Pflegestation eingeliefert. All dies deutet darauf hin, dass sie (oder vielleicht sogar zwei Paare) irgendwo gebrütet haben Fragt sich nur wo…

Am Seeanger hielten sich bis in die zweite Maidekade bis zu zwei Kraniche auf, darunter ein vorjähriger Vogel, der humpelte und lange Zeit als flugunfähig galt. Spätere Beobachtungen belegten jedoch das Gegenteil. Vermutlich hatte er sich eine Prellung zugezogen, von der er sich erholen konnte. Aus dem Leinepolder Salzderhelden gibt es Beobachtungen von drei Ind. bis in die zweite Junidekade. Haben diese Vögel dem Vollstau getrotzt oder sind sie später zugewandert? Dass sich unter ihnen ein humpelnder Vogel befunden haben soll, könnte auf eine Umsiedlung aus dem Seeanger deuten. Das lange Ausharren muss nicht unbedingt mit dem Zugstau im März zusammenhängen, denn im Leinepolder und Seeanger sind alljährlich Kraniche bis weit in den Mai präsent.

Für den Wachtelkönig scheint 2013 ein durchschnittliches Jahr zu werden. Vor dem Vollstau wurden aus dem Leinepolder Salzderhelden, seiner Hochburg, maximal sieben Rufer gemeldet. Weil die Überschwemmung bereits Ende Mai, d.h. zum Beginn der Brutzeit dieses Weitstreckenziehers erfolgte und das Wasser schnell wieder ablief, stehen die Chancen für erfolgreiche Erst- und Ersatzbruten nicht schlecht, zumindest im Polder I mit seinem angepassten Mähregime. Aktuell rufen dort wieder bis zu zehn Männchen.
Vom 20. Mai bis 8. Juni präsentierte sich ein (?) rufender Vogel zunächst in einem Blühstreifen des Rebhuhnschutzprojekts am Diemardener Berg, später oberhalb der Streuobstwiese westlich von Diemarden und dann am Wüsten Berg. Wohl ein anderer Vogel knarrte am 5. Juni aus einem Getreidefeld in der Feldmark Geismar. Bemerkenswert sind bis zu vier Männchen, die sich ab dem 8. Juni in der Rhumeaue bei Bilshausen um Weibchen bemühen. Ob es sich um Zuwanderer handelt, deren Bruten wegen Hochwassers bzw. der beschleunigten bis überstürzten Mahd in Süd- und Ostdeutschland gescheitert sind, kann vermutet werden.

Eher verhalten läuft die Saison für das Tüpfelsumpfhuhn. Im Leinepolder balzen maximal zwei Männchen.

Im Seeanger scheiterten nach dem Anstau 15 von 17 Bruten des Blässhuhns. Die hartgesottenen Rallen ließen sich aber davon kaum beeindrucken, sondern nahmen mit bewundernswerter Dickfelligkeit sofort bis zu acht Ersatzbruten in Angriff. Der schnell sinkende Wasserstand führte jedoch dazu, dass die meisten Brutplätze auf dem Trockenen lagen, was sie für Prädatoren leicht zugänglich machte.

Blässhuhn - M.Siebner
Abb. 11: Vom Hochwasser in die Trockenfalle: Blässhuhnbrut im Seeanger. Foto: M. Siebner

Am 25. April rasteten an der Geschiebesperre Hollenstedt zwei Säbelschnäbler. Am 15. Mai drehten zwei Ind. über dem Seeburger See ein paar Runden. In der letzten Junidekade hielt sich ein beringter Vogel tagelang an der Geschiebesperre Hollenstedt und im Leinepolder Salzderhelden auf.

Ein prächtig gekleideter Kiebitzregenpfeifer schmückte am 20. Mai für kurze Zeit den Luftraum über dem Seeburger See.

Der Seeanger beherbergte vor dem Anstau zwei brutverdächtige Kiebitz-Paare. Aus dem Leinepolder Salzderhelden wurden während des Vollstaus am 28. Mai drei nichtflügge Jungvögel gemeldet, über deren weiteres Schicksal nichts bekannt ist. Warnende Altvögel Ende Juni in beiden Gebieten sind ein Hinweis auf Spät- bzw. Ersatzbruten, deren Erfolg abzuwarten bleibt.

Das abnorme Frühjahr bescherte dem Flussregenpfeifer einen Totalausfall der Bruten. Keine Jungvögel, nirgends. Ein exponiertes Gelege auf einer der künstlich angelegten Schotterflächen am landseitigen Ufer der Geschiebesperre Hollenstedt wurde zur leichten Beute von Rabenkrähen.

Flussregenpfeifer - M.Siebner
Abb. 12: Frierender Flussregenpfeifer am 17. März an der Kiesgrube Reinshof .
Zwei Monate später war es nicht viel wärmer… Foto: M. Siebner

Insgesamt 19 Regenbrachvögel konnten notiert werden. Den Löwenanteil stellte ein bemerkenswerter Trupp von elf Ind. am 12. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt.
Am 16. April rasteten fünf Uferschnepfen ebenda. Ob sie mit fünf Ind. zehn Minuten später im Leinepolder identisch waren muss offen bleiben. Darüber hinaus wurden zwischen dem 14. April und dem 11. Mai in den oben genannten Gebieten dreimal Einzelvögel gesichtet, am Seeanger einmal zwei Ind.

Für die Bekassine, „Vogel des Jahres 2013“, bedeutete der Vollstau des Leinepolders das Ende aller Brutambitionen. Bis zu fünf im Mai balzende Männchen und eine unbekannte Anzahl Weibchen dürften ihren hoch überschwemmten Lebensraum schnell geräumt haben. Über spätere Revierbesetzungen oder Ersatzbruten ist nichts bekannt. Wie in den Vorjahren gab es im Seeanger keinerlei Balzaktivitäten.

Aus dem Zeitraum vom 19. bis 28. April liegen von der Geschiebesperre Hollenstedt und aus dem Leinepolder drei Beobachtungen des Teichwasserläufers vor. Ob sie sich auf denselben Vogel bezogen, muss offen bleiben.

Am 5. Mai lieferte eine Dreizehenmöwe im 2. Kalenderjahr am Seeburger See einen ihrer im Binnenland seltenen Frühjahrsnachweise.

Am Seeburger See brüteten bis zu acht Paare der Lachmöwe oder unternahmen Brutversuche. Ihr Erfolg war jedoch sehr mäßig. Nur ein Brutpaar konnte (zwei oder drei) Jungvögel zum Ausfliegen bringen. Am Seeanger hatten vor dem Anstau drei Paare Nester gebaut, die den Wassermassen zum Opfer fielen. Nach dem Anstau legten bis zu zehn Paare wieder los. Auch diese Bemühungen scheiterten.

Schwarzkopfmöwen traten zwischen dem 13. April und dem 11. Juni mit ca. 16 verschiedenen Vögeln in vergleichsweise hoher Zahl in Erscheinung, nicht nur am Seeburger See, sondern auch andernorts. Insgesamt drei Ind. beehrten an zwei Tagen den Göttinger Kiessee. An der Kiesgrube Reinshof war ein vorjähriger Vogel am 4. Mai ein willkommener Birdrace-Bonus. Bis zu drei Ind. wurden an der Geschiebesperre Hollenstedt und im angestauten Leinepolder gesehen.

Von der Silbermöwe liegen aus dem Zeitraum vom 11. März bis zum 3. Mai immerhin elf Nachweise von insgesamt zwölf Ind. vor.

Ungewöhnlich lang und mit den Unbilden des „Märzwinters“ zu erklären, verlief der Aufenthalt einer Heringsmöwe im 2. Kalenderjahr vom 25. März bis zum 2. April am Göttinger Kiessee. Am 21. März wurde am Seeburger See ein Altvogel notiert. Am 11. Mai legten bemerkenswerte sieben Ind. an der Geschiebesperre Hollenstedt eine kurze Rast ein.

Heringsmöwe - M.Siebner
Abb. 13: Junge Heringsmöwe am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Im Zeitraum zwischen dem 21. März und dem 30. April traten am Seeburger See und an der Geschiebesperre Hollenstedt insgesamt drei Steppenmöwen in Erscheinung. Von der häufigeren Mittelmeermöwe sind ein Ind. im 2. Kalenderjahr am 25. April am stadtnahen Göttinger Kiessee sowie sechs Ind. am 2. Juni im Leinepolder erwähnenswert. Ob es sich bei dem Altvogel, der Ende Juni am Seeburger See eintraf, um den langjährigen Sommergast “Michaela” handelt, kann hoffentlich bald anhand von Fotos überprüft werden.

Raubseeschwalben konnten am 11. Mai am Northeimer Freizeitsee zu dritt und am 14. Mai am Seeburger See als durchziehender Einzelvogel registriert werden.

Raubseeschwalbe - A.Stumpner
Abb. 14: Raubseeschwalbe am Northeimer Freizeitsee. Foto: A. Stumpner

Am 9. Juni statteten drei Weißbart-Seeschwalben dem überschwemmten Seeanger einen Kurzbesuch ab, zwei Ind. waren am 12. Juni im Leinepolder präsent, ein Ind. dort am 25. Juni.

Einzelne Weißflügel-Seeschwalben flogen am 7. und 23. Mai über dem Seeburger See, zwei Ind. am 14. Juni über dem Leinepolder.

Am Seeburger See ließen sich vom 26. April bis zum 11. Juni an sechs Tagen einzelne Flussseeschwalben beobachten, darunter wohl ein Ind. mit längerem Aufenthalt. Im Juni flogen tagelang bis zu drei Ind. über den Wasserflächen des Leinepolders umher.

Eher rar machte sich die Küstenseeschwalbe: Es liegen nur Beobachtungen von zwei Ind. am 26. April vom Seeburger See und eines Einzelvogels vom 12. Juni im Leinepolder Salzderhelden vor.

Am Kolieberg bei Waake ist das traditionelle Revier der Turteltaube wieder besetzt. Neben der großen Windwurffläche bei Ellershausen ist dies der einzige bekannte Brutplatz in der Region.

Auch für die Eulen scheint 2013 wegen der grassierenden Mäusearmut ein schlechtes Jahr zu sein. Das traditionelle Revier des Sperlingskauzes im Reinhäuser Wald wurde aufgegeben. Aus dem Solling liegen nur drei Beobachtungen vor. Ein Männchen, das am 4. Mai nahe dem Neuen Teich unablässig sang, machte einen unverpaarten Eindruck. Bei den Sollinger Raufußkäuzen sieht es – mit mageren zwei Beobachtungen von insgesamt drei Männchen – ähnlich aus. Erfolgreiche Bruten der Waldohreule wurden bis dato nicht bekannt, nur der robuste Waldkauz mit seinem weitem Beutespektrum konnte sich, zumindest im Göttinger Ostviertel und im Seulinger Wald, fortpflanzen.

Sumpfohreulen gastierten auf dem Heimzug in vergleichsweise hoher Zahl: Am 21. und 22. März im Leinepolder, am 30. März und 7. April am Diemardener Berg, zu zweit am 19. April im Leinepolder sowie einzeln am 20. April an der B 3 bei Bovenden und am 11. Mai wiederum im Leinepolder.

Welchen Einfluss der verregnete und kühle Mai auf die Population der Mauersegler hat ist unklar. Göttingen wurde ab der zweiten Monatshälfte weitgehend geräumt. Erst Anfang Juni trafen die Vögel wieder ein, dann jedoch vergleichsweise zahlreich. Für den Bestand langfristig weit bedrohlicher als ein verregneter Frühling sind die allerorts vorgenommenen energetischen Dach- und Fassadensanierungen. Allein der Umbau des GDA-Wohnstifts in Geismar, der im Herbst fortgesetzt wird, wird die Nistplätze von ca. 80 Paaren zerstören. Ob die zum Ersatz angebotenen Nistkästen angenommen werden ist ungewiss. Unter solchen Bedingungen sind Verluste kaum noch auszugleichen. Seinen legendären Ruf als Hochburg der Mauersegler mit, noch vor zehn Jahren, ca. 1000 Paaren dürfte Göttingen bereits eingebüßt haben.

Unklar ist der Status des Eisvogels. An der Alten Rosdorfer Tongrube balzte und kopulierte ein Paar, ohne zur Brut zu schreiten. Am Göttinger Kiessee und am Flüthewehr traten regelmäßig Einzelvögel auf. Flügge Jungvögel, die mit Federkleid, Beinfarbe und/oder Bettelrufen eine Brut in der Umgebung hätten anzeigen können, waren bis jetzt nicht darunter.

Das Kerstlingeröder Feld wurde am 18. April von einem fotogenen Wiedehopf beehrt.

Wiedehopf - A.Ahrenhold
Abb. 15: Wiedehopf auf dem Kerstlingeröder Feld. Foto: A. Ahrenhold

Der Wendehals setzte eines der wenigen Glanzlichter in diesem verkorksten Frühjahr. Ab dem 6. April erfolgten in vielen Gebieten Beobachtungen von insgesamt ca. 15 bis 20 Vögeln, die für diese Art ein gutes Jahr demonstrierten. Die meisten rasteten als Heimzieher jedoch nur kurz. In der Umgebung Diemardens hielten sich im April ein bis zwei Ind. über einen längeren Zeitraum auf. Auf dem Kerstlingeröder Feld sind wieder ein bis zwei Brutpaare präsent.
Im Kiessee-Leinegebiet ließen sich an manchen Tagen bis zu vier verschiedene Vögel vernehmen. Dann endlich war es soweit: In der Kleingartenanlage „Stegemühle“ zelebrierte ein Paar seinen Duettgesang und reinigte einen Nistkasten von den Hinterlassenschaften früherer Nutzer.

Wendehals - M.Siebner
Abb. 16: Für den Wendehals ist ein besenreiner Brutplatz Standard.
Foto: M. Siebner

Bedauerlicherweise schienen die Vögel nach dem 6. Mai verschwunden zu sein. Unter ihren Bewunderern machte sich Trübsal breit. Am 14. Juni jedoch wurde bekannt, dass sie ein paar Parzellen weiter einen stilvollen Nistplatz bezogen hatten: eine horizontal aufgestellte antike Amphore aus einer Fundstätte der OBI-Hochkultur.

Wendehals - M.Siebner
Abb. 17: Ein merkwürdiger Vogel mit skurrilem Brutplatz. Foto: M. Siebner

Weil die Gefahr bestand, dass das sonnenexponierte Tongefäß während der Hitzewelle vom 17. bis 20. Juni – mit Höchsttemperaturen bis zu 33°C – für die kleinen Spechte zum Römertopf mutierte, brachte der engagierte Gartenbesitzer einige Zweige zur Beschattung an. Regelmäßiges Absprühen der Amphore mit kaltem Wasser (natürlich nur von außen!) sorgte in den heißen Nachmittagsstunden für zusätzliche Kühlung. Der Aufwand war vollauf gerechtfertigt. Schließlich ging es um die erste dokumentierte Brut im Kiessee-Leinegebiet seit mehr als 25 Jahren, zudem von einer Vogelart, die in Niedersachsen nur noch mit maximal 100 Paaren vertreten ist und deren Bestand als „vom Erlöschen bedroht“ gilt. Am 25. Juni flogen, zur hellen Freude der versammelten Bruthelfer, mindestens zwei Jungvögel aus und ließen sich, gut versteckt, in der Umgebung des Nistplatzes von den Eltern füttern.

Die alljährliche Zählung revieranzeigender Neuntöter auf dem Kerstlingeröder Feld erbrachte am 23. Juni (plus Nachkontrolle am Folgetag) mit 17 Männchen und elf Weibchen ein Ergebnis im guten Durchschnitt, das angesichts des abnormen Frühjahrs kaum zu erwarten war. Hinweise auf Bruten mit Schlupferfolg gibt es aber leider (noch) nicht.

Raubwürger wurden nach dem 11. April nicht mehr beobachtet. In den sechs Wochen davor gerieten ca. neun Ind. ins Blickfeld, darunter der bekannte Überwinterer im Leinepolder Salzderhelden. Etwas aus dem Rahmen fiel ein Vogel, der am 21. März in der Göttinger Kleingartenanlage „Am Wehr“ auf die Jagd ging.

Raubwürger - S.Paul
Abb. 18: Raubwürger im Leinepolder. Foto: S. Paul

Heimliche Tannenhäher werden, wenn überhaupt, erst wieder sichtbar, wenn sie ihre Bruten abgeschlossen haben. Am 25. Juni, einem typischen Datum, gingen zwei Ind. in einem Hausgarten in Sievershausen/Solling auf die Nahrungssuche.

Neben brütenden Wendehälsen hielt das Kiessee-Leinegebiet eine weitere Attraktion bereit. Zum ersten Mal brütete hier ein Paar des Kolkraben. Mindestens ein Jungvogel erlangte die Flugfähigkeit. Gänzlich unerwartet kam diese Brut nicht. Seit einigen Jahren treten die schwarzen Riesen vermehrt im engeren Göttinger Stadtgebiet auf, z.B. am Stadtfriedhof oder in der Weststadt. Jetzt scheinen die ehemaligen Tongruben Siekgraben und Umgebung ihr bevorzugtes Jagdrevier zu sein. Ihre Fluchtdistanz ist, wie es sich für Stadtvögel gehört, in der Regel gering. Vermutlich kennen sie den einen oder anderen Beobachter schon und wissen, dass er ihnen wohlgesinnt ist. Als führende Eltern verhalten sie sich weitaus scheuer.

Kolkraben - M.Siebner
Abb. 19: Göttinger Kolkraben bei der Nachwuchsproduktion. Foto: M. Siebner

Nach dem Wetterumschwung Anfang April, der dem „Märzwinter“ ein Ende setzte, kam der Heimzug der Heidelerche wieder in Fahrt. Dies demonstrierten unter anderem 42 Ind., die am 7. April über Ebergötzen zogen.

Ähnlich wie die Mauersegler hatten die Göttinger Mehlschwalben während der beiden Kälteperioden im Mai ihre Niststätten weitgehend geräumt und begannen erst ab Anfang Juni wieder mit dem Brüten, allerdings nicht überall. Die Kolonie in der Innenstadt im Bereich Ritterplan/Burgstraße war zumindest bis Mitte Juni nicht wieder besetzt, auch in der Südstadt sind sie erheblich spärlicher vertreten als in den Vorjahren. Im Altdorf Grone ergaben Stichproben einen ungewöhnlich geringen Brutbestand von maximal fünf Paaren. Die Annahme deutlicher Verluste liegt nahe, ist aber mit dem vorliegenden Material nur unzureichend belegbar. Dies liegt sicher auch am Unwillen vieler Beobachter/innen, sich mit den Auswirkungen von Kalamitäten auf Vögel zu befassen. Es könnte ja sein, dass einem dabei der Spaß vergeht….

Deutlich verspätet trafen in der Region die Zilpzalpe ein. Die Erstbeobachtung datiert vom 23. März und liegt damit ca. zwei Wochen später als üblich. Dies betrifft auch die Mönchsgrasmücke, die erstmals am 11. April von sich hören ließ. Wer sich an die Wetterbedingungen an den normalen Ankunftsterminen erinnert, wird wissen, warum…

Der Feldschwirl machte sich zumindest lokal eher rar. Im Göttinger Süden waren die meisten aus den Vorjahren bekannten Reviere verwaist. Eine Zählung ergab am 14. Juni auf ca. 150 ha nur einen Sänger. Auch im Leinepolder, einer traditionellen Hochburg, waren die Vögel mit maximal fünf Sängern nur mäßig vertreten. Eine Ausnahme stellt die Rhumeaue Katlenburg – Bilshausen da, wo am 17. und 23. Juni insgesamt (mindestens) elf Sänger präsent waren, darunter vielleicht auch Flüchtlinge aus Überschwemmungsgebieten.

In der Rhumeaue bei Bilshausen sind zwei Reviere des Schlagschwirls besetzt. Ein Vogel sang vom 5. bis 12. Juni am Elliehäuser Bach im Göttinger Westen nahezu ununterbrochen. Ob das Verstummen seine Verpaarung und eine mögliche Brut anzeigen muss wegen der legendären Unauffälligkeit stummer Ind. vorerst offen bleiben. Ein Sänger am 23. Juni in der Gillersheimer Bachaue, einem traditionell besetzten Brutgebiet, war wohl kaum noch auf dem Heimzug.

Schlagschwirl - M.Siebner
Abb. 20: Göttinger Schlagschwirl. Foto: M. Siebner

Im Leinepolder Salzderhelden bestanden drei Reviere des Rohrschwirls. Sollte es zu Bruten gekommen sein, sind diese mit Sicherheit dem Anstau zum Opfer gefallen. Am Seeburger See sang (mindestens) ein Männchen bis zum 19.Mai.

In den Feuchtgebieten der Region lärmten von Ende April bis weit in den Juni neun Drosselrohrsänger, darunter zweimal am Göttinger Kiessee. Ein Männchen vom 10. bis 25. Mai am Seeburger See wurde, wenn es denn immer dasselbe war, vermutlich vom schlechten Wetter vertrieben.

Die am 14. Juni vorgenommene alljährliche Zählung von Sumpfrohrsängern in der südlichen Göttinger Feldmark zwischen Leine und ehemaliger Bauschuttdeponie Geismar (ca. 150 ha) erbrachte ganze acht singende Männchen, alle westlich der B 27. Am Bruchweggraben unterhalb der Bauschuttdeponie, wo früher bis zu zehn Sänger präsent waren und kleinflächig immer noch gute Habitate bestehen, ließ sich kein Vogel vernehmen. Über die Gründe für den anhaltenden Bestandsrückgang in Richtung Rote Liste lassen sich allenfalls Hypothesen aufstellen. Vermutlich sind nach dem Wegfall von Brachen und anderen Sonderstandorten seit Mitte der 1990er Jahre großflächig Quellenpopulationen mit Ausbreitungs- und Kompensationspotential zusammengebrochen. In der Normallandschaft dürfte der Bruterfolg wegen der brutvogelfeindlichen Unterhaltung von Entwässerungsgräben nur sehr gering sein. Hinzu tritt die galoppierende Monotonie der Pflanzenwelt in diesem Lebensraum, die zur Insektenarmut beiträgt.
Am Rückhaltebecken Grone und Umgebung ist der aktuelle Bestand mit ungefähr zehn Sängern zwar geringer als in der Vergangenheit, hebt sich aber immer noch positiv von anderen Gebieten ab. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Pflege der Wegraine und Gräben Restriktionen unterliegt, welche die Untere Naturschutzbehörde zum Wohl der Vögel bewirken konnte.

Sumpfrohrsänger - M.Siebner
Abb. 21: Sumpfrohrsänger im Raps. Foto: M. Siebner

Unter den kleinen Weitstreckenziehern bilden Sumpfrohrsänger und Feldschwirl Ausnahmen. Andere Vertreter dieser Zunft sind wiederum in guten Zahlen anzutreffen. Dies betrifft an erster Stelle die wiederum sehr häufige Dorngrasmücke und andere Zweigsänger, aber auch Nachtigall, Gartenrotschwanz und Schafstelze. Der Erfolg ihrer Erstbruten dürfte Mitte bis Ende Mai aber denkbar gering ausgefallen sein. Gelbspötter und Waldlaubsänger sind in passabler Zahl vertreten. Für die letztgenannte Art könnte es ein Jahr mit gutem Bruterfolg werden, weil die Mäusepopulationen im Wald zusammengebrochen sind. Ihr Einfluss auf die Gelege von Bodenbrütern kann in Gradationsjahren verheerend ausfallen.

Nach wie vor unklar sind die Gründe für den offenkundigen (lokalen) Bestandsrückgang des Teichrohrsängers am Seeburger See. Am Göttinger Kiessee sind die üblichen ca. zehn Reviere besetzt. Der Brutbestand am Rückhaltebecken Grone hat leicht zugenommen. An der offenen Wasserfläche gedeiht ein kräftiger Röhrichtbestand, der nicht gemäht und von mindestens drei zusätzlichen Revierbesetzern bevölkert wird.

Seidenschwänze verblieben in Göttingen bis zum 14. April. Im Berichtszeitraum nahmen die Zahlen deutlich zu. Wie immer lässt sich die Gesamtsumme der hochmobilen Beerenfresser nur annäherungsweise beziffern. Knapp 3000 gemeldete Vögel klingen zwar viel. Wenn man jedoch bedenkt, dass sie offenkundig in teilweise sicher identischen Trupps von bis zu 220 Ind. unsere Stadt über Tage unsicher machten, relativiert sich diese Angabe schnell. Ihre wirkliche Zahl dürfte irgendwo zwischen 500 und 800 Vögeln gelegen haben.

Die Wasseramseln in Göttingen und Umgebung haben es schwer. Etliche Brutplätze aus den Vorjahren sind verwaist. Brutnachweise liegen nur von der Rase bei Rosdorf und von der Grone nahe dem Hagenweg in der Weststadt vor.

Von der Ringdrossel sind ganze zwei Ind. vom 16. April am Diemardener Berg die magere Ausbeute.

Der Heimzug der vom „Märzwinter“ offenbar schwer gebeutelten Rotdrossel machte sich mit historischen Niedrigzahlen bemerkbar. Zumeist wurden die Vögel nur mit ein bis zwei Ind. wahrgenommen. 20 Ind. am 13. April am Göttinger Kiessee und ca. 40 Ind. einen Tag später bei Moringen sind die Maxima. Dass sie sich wie in manchen Jahren überwiegend in den Wäldern aufhielten und deshalb unentdeckt blieben ist unwahrscheinlich, weil die Ernährungslage dort noch um einiges schlechter war als im Offenland.

Vermutlich hat auch die Wacholderdrossel während des „Märzwinters“ Verluste erlitten, denn sie trat in einigen Gebieten ungewohnt spärlich auf. Am normalerweise gut besiedelten Göttinger Kiessee konnten sich ganze zwei Paare fortpflanzen. Vom Levin-Park liegt bis jetzt nur ein Brutnachweis vor. Die meisten Kolonien am Göttinger Stadtwall sind verwaist oder werden nur von ein bis zwei Paaren bevölkert. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Spätbruten wie z.B. im Levin-Park erfolgreich verlaufen sind.

Absolute Mangelware waren bis Anfang Juni auch Bruterfolge der Singdrossel, selbst junge Amseln gerieten in dieser Zeit nur vergleichsweise selten auf die Tagesliste.

Die lokale Population des Trauerschnäppers, der in Göttingen niemals häufig war, scheint 2013 nur aus einem Paar bestanden zu haben, das in einem Waldstück zwischen Grone und Leine nahe dem Tierheim einen Nistkasten bezogen hatte.

Gefiedertes Juwel des Göttinger Kiessees war (bis jetzt!) kein kleiner Reiher, sondern, am 29. April, ein prächtiger männlicher Halsbandschnäpper. Für Süd-Niedersachsen ist es der erste seit 1978. Damals hatte im Göttinger Wald ein Männchen zusammen mit einem Trauerschnäpper-Weibchen gebrütet. Der seltene Gast war definitiv kein Hybrid, sondern ein Ind. im 2. Kalenderjahr, was sich an den bräunlichen Handschwingen und dem vergleichsweise kleinen weißen Stirnfleck erkennen lässt. Wie die meisten seiner Altersgenossen gab er sich alles andere als sangesfreudig und konnte nur am Kontaktruf lokalisiert werden. Die Beobachtung ist bei der AKNB dokumentiert.

Halsbandschnäpper - M.Siebner
Abb. 22: Halsbandschnäpper am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Neue Brutplätze des Schwarzkehlchens existieren am Friesenbeek westlich von Seeburg und in der Feldmark Groß Lengden. Im Seeanger bestand starker Brutverdacht eines Paars, das sich offenbar viel Zeit ließ. Sollte es zu einer Brut gekommen sein, dürfte der Anstau ihr Scheitern verursacht haben. Gleichwohl befindet sich diese Vogelart auch in unserer Region auf dem aufsteigenden Ast. Ob der „Märzwinter“ mit „hängengebliebenen“ Zugstau-Vögeln zu den Neuansiedlungen beigetragen hat, kann nur vermutet werden.

Auch die Bruten des Blaukehlchens im Seeanger und im Leinepolder sind wohl alle den Anstaumaßnahmen zum Opfer gefallen. Am Seeanger singt jedoch ein Männchen wieder unverdrossen, und Zeit für Ersatzgelege haben diese Vögel allemal.

Am 3. Mai ließ sich an den ehemaligen Tongruben Siekgraben ein Brachpieper ausmachen, der einzige auf dem Heimzug.

Die alljährliche Zählung erbrachte am 23. Juni auf dem Kerstlingeröder Feld 16 revieranzeigende Baumpieper. Damit liegt der Bestand im Mittel der letzten fünf Jahre, während er vor zehn Jahren ungefähr das Doppelte betrug.

Der letzte regelmäßig besetzte Göttinger Brutplatz des Wiesenpiepers, die Grünlandparzelle „Speckbreite“ in der Feldmark Geismar ist seit letztem Herbst ein Rapsfeld – auf Betreiben der Europäischen Union. Weil es sich um altes Ackerland handelt, auf dem eine entsprechende Prämie liegt, wurde der Pächter zum Umbruch genötigt. Andernfalls wäre er der Prämie verlustig gegangen. Bei mehreren Kontrollen ließ sich bis Mitte Mai und am letzten Junitag im näheren Umfeld ein singendes Männchen vernehmen, eine Brut hat aber wohl nicht stattgefunden. War’s das mit einer unscheinbaren, weithin unbekannten Vogelart, die in der Gunst der Öffentlichkeit nicht mit Weißstorch und Seeadler konkurrieren kann? Ob ein singendes Männchen vom 29. Mai in der Feldmark Groß Ellershausen Anlass zum Optimismus bietet bleibt abzuwarten. Im Landkreis Göttingen dürfte der Brutbestand, optimistisch geschätzt, bei nur noch ca. zehn bis zwölf Paaren liegen. So viel zur tristen Wirklichkeit der EU-Agrarpolitik, die in den letzten 20 Jahren zum Verlust von Brutplätzen für geschätzte 300 Millionen Vögel geführt hat – ein schleichendes Massaker, das in seinem Umfang dem derzeit heftig angeprangerten Massenfang von Vögeln an der Küste Ägyptens in nichts nachsteht.

Wiesenpieper - M.Siebner
Abb. 23: Endgültig verschwunden? Wiesenpieper – 2012 noch in der Feldmark Geismar. Foto: M. Siebner

Einzelne Rotkehlpieper ließen sich am 28. April im Seeanger und am 15. Mai im Leinepolder bestaunen.

Von den Göttinger Gebirgsstelzen liegt bis jetzt nur ein Nachweis erfolgreichen Brütens vor, bezeichnenderweise vom Levin-Park, einem Stillgewässer. Der Bestand war in der Hauptbrutzeit mit ca. vier Paaren (nur ein Drittel des Normalbestands) wiederum gering, etliche traditionelle Brutplätze blieben verwaist. Auch bei diesem frühen Heimzieher liegt ein negativer Einfluss des „Märzwinters“ nahe. Hinzu kam das Hochwasser im Mai, das Leine und Leinekanal für ein paar Tage in, gelinde gesagt, eher suboptimale Bruthabitate verwandelte.

Bis zum 8. April wurden fünf „Trompetergimpel“ nordöstlicher Herkunft aus verschiedenen Gebieten gemeldet.

Am 30. April sang am Ortsrand von Üssinghausen nahe der Weper ein Ortolan, um kurz darauf abzuziehen.

Vielleicht haben einige früh brütende Rohrammern im Leinepolder und im Seeanger ihre Erstbrut ja hochgebracht. Die Überlebenschancen des in Abb. 1 porträtierten verwaisten Jungvogels dürften jedoch gleich Null gewesen sein. Bei dieser Art reicht die Zeit aber noch für Zweit- oder Ersatzbruten, so dass ihre Bilanz vielleicht besser ausfallen könnte als befürchtet.

Hans-Heinrich Dörrie

Damit schließt dieser leicht elegisch geratene Bericht über ein schauriges Frühjahr. Er basiert auf Beobachtungsdaten und Informationen von:
A. Ahrenhold, P.H. Barthel, K. Beelte, M. Bickel, B. Bierwisch, S. Böhner, G. Brunken, J. Bryant, S. Busch, Y. Clough, L. Demand, E. Dense, H. Dörrie, K. Dornieden, M. Drüner, H. Edelhoff, M. Fichtler, J. Fleischfresser, T. Frischgesell, K. Gehring, K. Gimpel, M. Göpfert, E. Gottschalk, C. Grüneberg, W. Haase, P. Hegenscheidt, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, S. Hohnwald, S. Holler, U. van Hoorn, R. Hruska, C. Jenewein-Stille, K. Jünemann, R. Käthner, C. Kaltofen, W. Kassebeer, H.-A. Kerl, J. Kirchner, U. Kormann, I. Lilienthal, V. Lipka, T. Matthies, T. Meineke, K. Menge, H. Ostwald, M. Otten, S. Paul, R. Pötzinger, B. Preuschhof, D. Radde, U. Rees, P. Reus, B. Riedel, V. Rösch, S. Sammler, U. Scheibler, B. Schlögl, F.-U. Schmidt, H. Schmidt, M. Schmidt, P. Schmidt, D. Schomberg, M. Schuck, M. Siebner, F. Steinmeyer, K. Stey, A. Stumpner, A. Sührig, A. Torkler, S. Vidal, J. Voßmerbäumer, B. Weidekamm-Hegenscheidt, C. Weider, M. Weinhold, C. Weinrich, H. Weitemeier und D. Wucherpfennig.