März bis Juni 2014 in Süd-Niedersachsen: Vogelfestival mit kleinen Schönheitsfehlern

Jagdfasan - M.Siebner
Abb. 1: Nur eine von vielen Raritäten: Fasan. Foto: M. Siebner

Ein stärkerer Kontrast ist wohl kaum denkbar: Während vor einem Jahr im „Märzwinter“ Schnee und Frost für einen beispiellosen Stau heimziehender Vögel sorgten und sich der „November-Mai“ mit ungewöhnlich heftigen Niederschlägen und tagelangen Höchsttemperaturen im einstelligen Celsiusbereich als einziges Desaster erwies, waren März und April im Folgejahr bemerkenswert warm und trocken. Der Mai hingegen fiel wieder eher feucht aus, war aber deutlich wärmer als sein Vorgänger. Der Juni gestaltete sich wechselhaft, aber insgesamt durchaus passabel. Die Brutaktivitäten der Vögel wurden nur von einem Schlechtwettereinbruch mit Dauerregen um den 29. Mai (Himmelfahrt) und, besonders in Göttingen, am 10. und 11. Juni von heftigen Gewitterstürmen mit Orkanböen und Starkregen (32 Liter/m²) beeinträchtigt. In den zahlreich entwurzelten Bäumen dürften etliche Bruten ein klägliches Ende gefunden haben. Zuvor konnten jedoch Höhlen- und Frühbrüter einen guten bis sehr guten Bruterfolg erzielen. Im Kiessee-Leinegebiet und anderswo zeigten vergleichsweise hohe Zahlen von jungen Staren und Wacholderdrosseln eine Erholung von den Verlusten des Vorjahrs an.

Das warme Wetter führte bei einigen Weitstreckenziehern zum deutlich verfrühten Eintreffen. So wurde bereits am 23. März in der Göttinger Nordstadt eine (stumme) Klappergrasmücke entdeckt. Ab dem 28. hielt ein Artgenosse in der Kleingartenanlage „Am Wehr“ ein Revier besetzt. Darüber hinaus liegen von diesem Südostzieher noch zwei weitere Beobachtungen aus der letzten Märzdekade vor, aus regionaler Sicht recht ungewöhnlich. Der erste Fitis sang, singulär früh, am 23. März auf dem Friedhof Junkerberg; auch diesem Vogel folgte ein früher Revierbesetzer ab dem 25. März an der Leine zwischen Flüthewehr und Stegemühle, übrigens der einzige im Kiessee-Leinegebiet. Der erste Gartenrotschwanz ließ sich, ebenfalls recht zeitig, am 25. März am Göttinger Kiessee blicken.

Gartenrotschwanz - M.Siebner
Abb. 2: Gartenrotschwanz. Foto: M. Siebner

Eine Nachtigall eröffnete die Saison am 13. April im Göttinger Süden ca. fünf Tage früher als üblich. In der Regel betrafen diese Beobachtungen nicht, wie so oft, vorwitzige Aspiranten mit mehrtägiger Pause zu den Zweit- und Drittbeobachtungen. Am jeweiligen Folgetag war schon der nächste Kollege am Start…Vom Sumpfrohrsänger (Südostzieher) liegen, ebenfalls singulär früh, ab dem 27. gleich drei Aprilbeobachtungen vor. Offenbar herrschten für einige (aber nicht für alle, s.u.!) über die Levante ziehende Arten gute Bedingungen, die ein schnelles Vorrücken nach Norden ermöglichten. Es ging aber auch anders: Die Erstbeobachtung eines Mauerseglers über Seeburg am 25. April erfolgte bereits leicht verspätet. In Göttingen trafen die Luftakrobaten ca. eine Woche nach dem Kampftag der Arbeiterklasse ein, die Hauptmasse deutlich später in der letzten Maidekade. Der erste Gelbspötter der Region konnte deutlich verspätet am 12. Mai in seinem traditionellen Revier in der Südwestecke des Göttinger Kiessees begrüßt werden. Bei anderen Transsaharaziehern – z.B. Kuckuck (20. April), Braunkehlchen (17. April), Grauschnäpper (2. Mai), Teichrohrsänger (22. April) oder Gartengrasmücke (21. April) – gab es dagegen keine signifikanten Abweichungen.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Erstbeobachtungen – früher vermessen „Erstankunft“ genannt und nicht selten auf die arbeitsfreien Wochenenden der Beobachter fallend – differenziert zu betrachten sind. Beobachtungen auf regionaler Basis sind zudem kaum repräsentativ. Mit der bundesweiten Datenbank ornitho.de, deren Bestand nach nur zweieinhalb Jahren demnächst die 10 Millionen-Marke (!) erreichen wird, steht den deutschen Avifaunisten ein hervorragendes Instrument für die Auswertung und Einordnung zugphänologischer Daten zur Verfügung. Man darf gespannt sein, wie sich im kommenden Frühjahr das Eintreffen und Vorrücken von Zugvögeln gestaltet…

Nach diesem Prolog können wir uns, Art für Art, den Geschehnissen in der Brutzeit 2014 zuwenden. Es gibt eine Menge zu berichten….

In Göttingen schritten vier Paare des Höckerschwans zur Brut. Während die Paare am Kiessee (Nestbau und Ablage eines Eis im Röhricht an der Ostseite) und am Pfingstanger in Grone (Weibchen auf dem Nest) erfolglos blieben, legte das Paar im Rückhaltebecken Grone für die erfolglosen Artgenossen gleich mit und führt derzeit zehn Junge (darunter fünf weiße immutabilis). Im Levin-Park wurden sechs Jungvögel (drei immutabilis) erbrütet, im Seeanger vier, an den Northeimer Kiesteichen sechs und am Großen Northeimer Freizeitsee fünf.

Ein junger Singschwan hielt es im Leinepolder Salzderhelden bis zum 16. März aus. Zwei Zwergschwäne statteten diesem Gebiet am 14. März einen Kurzbesuch ab.

Am 20. März und 19. Mai rastete eine junge (unberingte) Ringelgans der dunkelbäuchigen Nominatform an der Geschiebesperre Hollenstedt. Obwohl diese an der Nordseeküste überwinternde Gänseart in Süd-Niedersachsen eine Seltenheit ist, kann wegen des zweimonatigen Abstands von zwei verschiedenen Vögeln ausgegangen werden.

Ringelgans - I. Lilienthal
Abb. 3: Ringelgans im Mai an der Geschiebesperre. Foto: I. Lilienthal

Ab dem 15. März hielt sich im Seeanger eine Kanadagans auf, der sich ab dem 19. April eine zweite zugesellte. Die beiden blieben dort bis zum 8. Mai. Kleine Trupps von vier bzw. drei Ind. traten am 21. März an den Northeimer Kiesteichen und am 4. April im Leinepolder Salzderhelden in Erscheinung, Einzelvögel ebenda am 26. und 29. April. Vom 10. bis 18. Mai konnten an der Geschiebesperre Hollenstedt ein bis zwei Ind. notiert werden. Den Schlusspunkt setzte ein Vogel, der am 15. Mai am Göttinger Kiessee trötend auf sich aufmerksam machte. Möglicherweise betreffen alle Beobachtungen (nur) vier Ind., die in unterschiedlicher Konstellation im Gebiet umherstreiften.

Die Hauptmasse der Tundrasaatgänse war im milden Winter bereits vor dem 1. März abgezogen. Am 3. März standen noch 319 Ind. an der Geschiebesperre. Die letzten (drei) Vögel wurden am 16. März im Leinepolder gesehen. Der im Umfeld des Seeburger Sees überwinternde Blässgans-Trupp von bis zu 68 Ind. hatte das Gebiet Mitte März weithin verlassen, ein Einzelvogel blieb bis zum 3. Mai im Seeanger.

Am Göttinger Kiessee stieg der Brutbestand der Graugans auf Rekordniveau: Elf Paare führten 33 Jungvögel. Noch finden Spaziergänger den Nachwuchs der fauchenden Wegelagerer zumeist possierlich, während Jogger, die ihnen ausweichen müssen, eher genervt sind. Bootsstege und Wege sind von den wurstförmigen Hinterlassenschaften der Vögel verunreinigt. Die Verfechter einer klinisch sauberen Naherholung stehen vermutlich schon in den Startlöchern… Bruten am Levin-Park und auf dem Stadtfriedhof scheiterten. Am Wendebachstau bei Reinhausen führten drei sehr erfolgreiche Paare 20 Gössel. Eine Brut (Nachgelege) am Dorfteich in Bodensee mit vier Jungen scheint, zum ersten Mal seit Jahren, erfolgreich zu verlaufen. An der Sandgrube Meensen konnte ein Paar sieben von anfangs acht Jungen hochbringen. Dagegen waren zwei Alt- und vier Jungvögel, die am 22. April an der Kiesgrube Reinshof entdeckt wurden, später nicht mehr aufzufinden. Seit ca. 15 Jahren brüten Graugänse an den künstlich angelegten Kleingewässern im Reinhäuser Wald, zumeist erfolglos. Letzteres trifft wohl auch auf ein Brutpaar zu, das am 26. März gesehen wurde. An den traditionellen Hochburgen Geschiebesperre Hollenstedt, Seeburger See und Seeanger waren Graugänse wieder erfolgreich, an der Geschiebesperre Hollenstedt jedoch mit wenig mehr als 30 Gösseln eher moderat (Prädation, allgemeine Verdichtung der Vegetation?). Am Großen Northeimer Freizeitsee produzierten dagegen sieben Paare 52 Jungvögel. Mit 7,5 Jungen/Paar zeigten sie einen bemerkenswert hohen Schlupferfolg an, der noch über dem am Wendebachstau lag.

Graugans - M.Siebner
Abb. 4: Graugans mit Nachwuchs am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Von der Expansion der Nilgans gibt es wenig zu berichten. Am Seeanger kam es bis dato zu keinen Bruten. Göttingens einziges Paar brachte im Levin-Park sechs (von anfänglich sieben) Jungen hoch. An der Geschiebesperre Hollenstedt fanden maximal zwei Bruten statt, im Leinepolder Salzderhelden eine. In der Oderaue bei Lindau gab es eine Brut in ca. 20 m Höhe in einem Greifvogelnest. An der Werra nahe dem Letzten Heller und bei Laubach waren Paare mit vier bzw. neun Jungen erfolgreich, desgleichen ein Paar mit vier Jungen an einem Kleingewässer östlich von Spanbeck.

Am Seeanger hielt sich vom 13. März bis zum 22. Mai ein Paar der Brandgans auf. Vom 22. März bis zum 8. Mai war das Weibchen verschwunden. Ob dort eine (gescheiterte) Brut stattgefunden hat, ist hochspekulativ. Im Mai und Juni stieg ihre Zahl auf bis zu 13 Ind. An der Geschiebesperre und im Leinepolder verweilten im Berichtszeitraum ein bis drei Ind., gleich neun waren es am 19. Juni im erstgenannten Gebiet. Sieben Ind. legten am 26. April auf dem Großen Northeimer Freizeitsee eine Rast ein.

Von der Rostgans ließen sich die üblichen ein bis zwei Ind. vom 1. März bis zum 19. April im Leinepolder und an der Geschiebesperre blicken, ein Einzelvogel vom 1. bis 5. April im Seeanger.

Eine weibliche Mandarinente schmückte am 1. und 2. März den Obertorteich in Duderstadt, ein Männchen am 3. Mai die Leine am Stauwehr in Salzderhelden.

Mandarinente - M.Siebner
Abb. 5: Mandarinente in Duderstadt. Foto: M. Siebner

Im Leinepolder herrschten im zeitigen Frühjahr gute Bedingungen für rastende Schwimmenten. Das belegen die (teils noch auf Überwinterer zurückgehenden) Maxima von Schnatterente (113 Ind. am 3. März) und Pfeifente (bis zu 250 Ind. vom 1. bis 16. März). Auch die Krickente (540 Ind. am 30.März) war gut vertreten. Spießenten (maximal 55 Ind. am 23. März) und Knäkenten (mind. 40 Ind. am 11. April) stellten sich dagegen in durchschnittlicher Zahl ein.

Gleichermaßen kurios und ungewöhnlich sind zwei Stockentenweibchen (Hybriden mit entflogenen Zuchtformen oder einfach nur fehlfarbene Stadt-Stockenten), die am Leinekanal in der Göttinger Innenstadt sieben Junge führten. Dass sie, wie Eiderenten oder Brandgänse, ihren Nachwuchs in einer Art Kindergarten aufzogen, kann wohl ausgeschlossen werden. Gleiches Alter und Zahl der Jungen sprechen für eine „gemeinsame“ Brut.

Stockentenhybride - M.Siebner
Abb. 6: Zwei Mütter – eine Brut. Foto: M. Siebner

In der Gunst der Löffelente hatte der Leinepolder (maximal 110 Ind. am 11. April) die Nase vorn. Aber auch der erheblich kleinere Seeanger, wo im April tageweise über 60 von ihnen präsent waren, konnte sich einer gewissen Beliebtheit erfreuen.

Am 10. Juni schwamm eine Moorente im Seeanger. Leider waren ihre (möglicherweise mit einem Ring verzierten) Beine unsichtbar…

Seit Ende Juni führt am Göttinger Levin-Park ein Weibchen der Reiherente zehn Jungvögel. Damit liegt der erste Brutnachweis für das Stadtgebiet seit 2011 (ebenfalls im Levin-Park) vor.

Reiherenten - M.Siebner
Abb. 7: Reiherentennachwuchs im Levin-Park. Foto: M. Siebner

Drei Bergenten (1 M., 2 W.) zeigten am 21. April auf dem Göttinger Kiessee den ersten Lokalnachweis seit 2008 an. Nach wenigen Minuten mussten sie dem Ansturm von Wassersportlern weichen. Am 24. April hielt sich ein Weibchen an den Northeimer Kiesteichen auf.

Das seit nunmehr drei Jahren in Göttingen präsente flugunfähige GänsesägerweibchenWilma“ verbrachte seinen Zwangsaufenthalt bevorzugt an einer Kiesinsel unterhalb des Leinewehrs am Freibad. Ende April zog es, rechtzeitig vor dem Birdrace, an die ca. 35 km entfernte Geschiebesperre Hollenstedt um, wo es derzeit noch zu beobachten ist. Das war möglich, weil in diesem Leineabschnitt keine unüberwindbaren Barrieren existieren – ein etwas makabrer Beleg für die Durchgängigkeit eines Fließgewässers wie auch für das rudimentäre Zugverhalten eines schwer behinderten Vogels. Zwei Paare waren am 21. Mai am Seeburger See spät dran.

Für die Wachtel scheint 2014 ein mittelprächtig bis schwaches Jahr zu sein. Bis dato liegen 15 Beobachtungen von 16 Ind. vor, die meisten (ab dem 28. April) aus dem Leinepolder Salzderhelden, wo wegen der eher trockenen Bedingungen gute Brutmöglichkeiten existieren.

Die Zählung revieranzeigender Rebhühner auf mehr als 90 Probeflächen im Ostkreis Göttingen erbrachte 179 Rufer, die ungefähr die Hälfte des Landkreisbestands ausmachen. Das sind, trotz des sehr milden Winters, weniger als im Vorjahr (198 Rufer). Die Zahl der Blühstreifen ist zurückgegangen und in einigen Gebieten, z.B. um Nesselröden, musste ein regelrechter Einbruch konstatiert werden. Dagegen ist der Bestand in den Hochburgen (Feldmark Gö.-Geismar – Diemarden, Ellerbachaue zwischen Wollbrandshausen und Gieboldehausen) stabil. Das niedersächsische Ministerium für Landwirtschaft will die Agrarumweltmaßnahmen deutlich ausweiten und höher dotieren. Deshalb kann man auf eine Zunahme rebhuhngerecht bewirtschafteter Blühstreifen hoffen. Ob die Population dann wieder wächst, bleibt abzuwarten.

Abb. 8: Entwicklung des Rebhuhnbestands im LK Göttingen. Grafik: E. Gottschalk

Anders als im neuen niedersächsischen Brutvogelatlas (Krüger et. al. 2014) dargestellt, ist der Fasan in unserer Region eine Rarität. Insofern hat das Foto (s.o.) eines prächtigen freilaufenden (!) Männchens vom 23. April bei Ellershausen Seltenheitswert. Beim Birdrace war der Bonusvogel von den „Göttinger Sozialbrachvögeln“ aber leider nicht mehr auszumachen…

Vom Seeanger und der Kiesgrube Ballertasche im Wesertal liegen, sehr erfreulich, Brutnachweise von je einem Paar des Zwergtauchers mit zwei bzw. drei Jungvögeln vor. Über das Wohl und Wehe der regionalen Population des Haubentauchers wird im nächsten Bericht Auskunft gegeben.

Ob es immer derselbe aus dem Vorbericht bekannte Rothalstaucher war, der, oftmals gut versteckt, bis zum 9. April auf dem Großen Northeimer Freizeitsee präsent war und ins Brutkleid mauserte, muss offen bleiben. Dies betrifft auch Einzelvögel am 12. März sowie am 2. und 5. April an den nahen Northeimer Kiesteichen. Am 6. April hielt sich ein Ind. im Leinepolder Salzderhelden auf, desgleichen am 12. April am Seeburger See. Wegen der üblichen Störungen durch Wassersportler fiel der Aufenthalt von zwei Vögeln am 30. April auf dem Göttinger Kiessee nur kurz aus.

Der erste Schwarzhalstaucher der Saison traf leicht verspätet am 21. März im Seeanger ein. Die Maximalzahl von acht Ind. am 6. April auf dem Großen Northeimer Freizeitsee ist alles andere als üppig.

Am 13. März überquerte eine Rohrdommel bei Drüber rufend den Leinepolder Salzderhelden. Am Seeburger See wurden Einzelvögel am 25. und 26. April sowie am 27. Mai gesehen, eine ungewöhnliche Beobachtungsreihe. Weil der weittragende Balzruf nicht zu hören war, erübrigen sich alle Spekulationen. Am 9. Juni flog ein Nachtreiher rufend über den Leinepolder nach Süden. Am 20. März hielten sich, in einem Trupp von acht Vögeln, mindestens zwei Silberreiher auf, die ins Hochzeitskleid mauserten. Ein bis zwei Vögel verbrachten den Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt. Ganz ohne Silberreiher verlief auch der Juni mit zwei bis drei Vögeln nicht.

Die Göttinger Graureiher waren erneut sehr erfolgreich. Auf der Weide im Levin-Park (Insel im Teich) brüteten 20 Paare. Drei Jungvögel aus einer Spätbrut sind noch nicht flügge. Ein leicht verspätetes Satellitenpaar hatte sich in einer großen Weide am Nordufer niedergelassen. Die drei Jungvögel aus dieser Brut stehen kurz vor dem Ausfliegen. Auf der Insel im Kiessee kam es wie vor zwei Jahren zu einer Einzelbrut, diesmal mit zwei selbständig gewordenen Jungvögeln. Insgesamt konnten die 22 Paare über 60 Nachkommen produzieren.

Purpurreiher traten in nie dagewesener Zahl auf: Am 28. April und am 19. Mai im Leinepolder Salzderhelden, am 21. Mai am Seeburger See und zu zweit am 22. Mai ebenda. Man kann sich aussuchen, ob die Gründe für das gehäufte Auftreten in Südosteuropa (Überschwemmungen) oder Südspanien (Trockenheit) zu suchen sind…

Purpurreiher - M. Schuck
Abb. 9: Purpurreiher am Seeburger See. Foto: M. Schuck

Seidenreiher auf kurzer Rast konnten am 26. April am Seeburger See und am 28. April im Leinepolder Salzderhelden notiert werden.

Ein bemerkenswertes Phänomen ist die ständig wachsende Population von Weißstörchen in den Kreisen Göttingen und Northeim. Der aktuelle Brutbestand umfasst beachtliche 16 Paare, von denen fast alle auf künstlichen Nisthilfen brüten. Im Kreis Northeim erfolgten Neuansiedlungen in Ellensen, Sülbeck und Wolbrechtshausen, die die Zahl der Brutpaare auf acht ansteigen ließen. Ungewöhnlich ist ein Brutplatz auf dem Turm der St. Martinskirche in Markoldendorf, der im zweiten Jahr besetzt ist. Das nasskalte Wetter um den 29. Mai (Himmelfahrt) führte zum Scheitern der Bruten bei Hollenstedt und Ellensen, im Leinepolder Salzderhelden starben zwei von vier Jungvögeln. Die Jungvögel in Wolbrechtshausen gingen wohl Anfang Juli zugrunde. Im Landkreis Göttingen gibt es sogar vier Neuansiedlungen, und zwar bei Seulingen, Obernfeld, Westerode (dort auch 2013 präsent, aber nicht brütend) und Wollbrandshausen. Mit den Brütern in Seeburg, im Seeanger, in Gieboldehausen und (seit zwei Jahren) Lütgenhausen sind das ebenfalls acht Paare. Die Brut in Lütgenhausen ging nach Himmelfahrt verloren.

Weißstorch - M.Göpfert

Man muss in der Geschichte mindestens 100 Jahre zurückgehen (vgl. die Zusammenstellung historischer Brutplätze im heutigen Göttinger Ostkreis bei Brunken 1985), um auf einen vergleichbar hohen Bestand zu kommen. Dabei ergibt sich das Paradox, dass der rasante Zuwachs zu einer Zeit erfolgt, in der sich der Lebensraum im Brutgebiet der Störche immer mehr verschlechtert hat (Verlust von Grünland und Feuchtgebieten, Chemisierung der Landwirtschaft etc.). Vielleicht liegt der Schlüssel abseits unserer Region: Mittlerweile überwintern viele Weißstörche in Spanien, wo sie auf Mülldeponien oder in Reisfeldern und Gewässern mit Massenvorkommen des eingeschleppten Louisiana-Flusskrebses ein üppiges Nahrungsangebot vorfinden. Andere fliegen nur bis Südwestdeutschland, wo sie von Storchenfreunden mit Futter versorgt werden. Diese Vögel kehren früh und in bester Kondition zurück. Wovon aber leben sie hier zur Brutzeit? Vor allem von Mäusen, wie von so genannten „Projektstörchen“ und ihren Nachfahren bekannt (Reinhard 2007)? Demnach könnte das gute Mäusejahr 2014 die Neuansiedlungen befördert haben. Oder werden zumindest einige von ihnen mit Schlacht- oder Jagdabfällen alimentiert, wie es z.B. beim Brutpaar in Gieboldehausen der Fall war/ist? Fragen über Fragen… Sicher ist, dass die westdeutsche Population mit ihrem hohen Anteil von „Projektstörchen“ in ständiger Zunahme begriffen ist, während der Bestand der Weitstreckenzieher im Osten stagniert bzw. gebietsweise (z.B. in Mecklenburg-Vorpommern) zurückgeht.

Stern des (Göttinger) Südens ist ein Gänsegeier (Erstnachweis für Stadt und Landkreis), der am 23. Mai in ca. 250 m Höhe beeindruckend lässig nach Nordosten zog.

Die letzte Beobachtung einer heimziehenden Kornweihe datiert vom 10. Mai über dem Kerstlingeröder Feld. Damit liegen für den Berichtszeitraum neun Beobachtungen von zwölf Ind. (4 M., 8 W. bzw. wf. Ind.) vor. Drei Wiesenweihen gerieten ins Blickfeld, und zwar am 22. April über dem Kerstlingeröder Feld (M.), am 27. April am Seeanger (M.) und am 7. Mai im Leinepolder Salzderhelden (W.).

Bei vogelkundlichen Landpartien fielen zahlreiche Rotmilane auf, die über den Beobachtern kreisten – fast wie in alten Zeiten. Der milde Winter hatte beim Raps und Getreide für einen zeitigen Wachstumsschub gesorgt. Deshalb mussten die Vögel weite Nahrungsflüge unternehmen, um auf Offenflächen an Futter zu kommen. Dies allein reicht jedoch zur Erklärung des bemerkenswert häufigen Auftretens nicht aus. Im EU-Vogelschutzgebiet V 19 „Unteres Eichsfeld“ (130 km²) sind in diesem Jahr 28 Reviere besetzt, die nicht nur eine spektakuläre Zunahme gegenüber dem Vorjahr (16 Rev.), sondern auch einen langjährig ermittelten Rekordbestand anzeigen. Zudem wurden in Stadt und Landkreis Göttingen etliche neue Brutpaare entdeckt. Wie das? Zum einen hat der milde Winter vielen Vögeln das problemlose Überwintern ermöglicht, beispielsweise in Thüringen und Sachsen-Anhalt, wo, anders als bei uns, noch eine Überwinterungstradition existiert. Zum anderen war der Bruterfolg 2012 bundesweit recht gut, so dass sich viele jüngere Vögel ans Brutgeschäft machen konnten. Und zum dritten ist 2014 ein recht gutes Mäusejahr, das mit seinem Nahrungsangebot zum Brüten ermutigt.

Rotmilan - L. Söfker
Abb. 11: Rotmilan. Foto: L. Söffker

Heimziehende Merline traten am 4. April im Leinepolder Salzderhelden (W.) und am 1. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt in Erscheinung.

Mit nur einem (männlichen) Vogel vom 16. Mai im Leinepolder war der Rotfußfalke (wie in ganz Deutschland) sehr spärlich vertreten. Dies mag angesichts des vermehrten Auftretens südöstlicher Arten verblüffen, ist aber schlüssig zu erklären: Rotfußfalken brüten zwar von Südosteuropa bis Mittelsibirien, wählen jedoch beim Heimzug eine Route über die zentrale Mittelmeerregion. Einflüge im Frühjahr beruhen in der Regel auf Zugprolongation, die durch stabile Hochdruckbrücken begünstigt wird. Ein Hochdruckgebiet herrschte aber zur arttypischen Hauptzugzeit nur über der Schönwetterinsel Deutschland. Ringsum dominierte tiefer Luftdruck, der einem neugierigen Weiterflug nach Nordwesten entgegenstand.
Im Wassergewinnungsgelände am südlichen Göttinger Stadtrand haben sich wie im Vorjahr die Gerippten Brachkäfer („Junikäfer“) gut vermehrt. Aktuell ziehen sie in der Dämmerung wieder bis zu sechs Baumfalken an.

In einem Nistkasten am Neuen Rathaus brütete erstmals ein Paar des Wanderfalken und brachte drei Jungvögel zum Ausfliegen. Einer von ihnen legte am 10. Juni in der Gotmarstraße eine Notlandung hin, wurde in die NABU-Pflegestation verbracht und ein paar Tage später wieder aufs Rathaus gesetzt. Ein weiteres Paar, das aus einem sehr alten Weibchen und einem jungen Männchen (wohl mit Hybridanteil anderer Großfalkenarten) besteht, belegte von Ende Februar bis in den April den Nistkasten an der Turmmensa in der Goßlerstraße, scheiterte jedoch.

Wanderfalke - M.Siebner
Abb. 12: Junges Wanderfalkenmännchen, nicht ganz astrein. Foto: M. Siebner

Das Paar am Fernsehturm nahe Gö.-Deppoldshausen konnte sich mit drei Jungen fortpflanzen. Nachzutragen ist, dass im Vorjahr Wanderfalken an St. Johannis mit vier ausgeflogenen Jungvögeln erfolgreich gebrütet haben – von den meisten Vogelkundlern unbemerkt. Auch das Brutpaar im Reinhäuser Wald ist wieder präsent.
Turmfalken schritten erheblich häufiger zur Brut als 2013, zudem mit sehr gutem Bruterfolg. Vier bis fünf flügge Jungvögel sind die Regel – das gute Mäusejahr macht’s möglich.

Der Heimzug der Kraniche war Ende Februar schon weitgehend abgeschlossen, im März ließen sich nur noch kleinere Trupps von maximal 200 Ind. ausmachen. Zwei Altvögel stehen immer noch im Leinepolder Salzderhelden. Irgendwann muss es dort einfach klappen mit der ersten erfolgreichen Brut in Süd-Niedersachsen.

Im Leinepolder (I + II) rufen um die 25 Wachtelkönige, die ein passables Jahr anzeigen und denen die eher trockenen Bedingungen mehr zusagen als die Sumpflandschaft im Vorjahr. Abseits ihrer Hochburg wurden rufende Männchen in der Rhumeaue bei Bilshausen (bis zu zwei Knarrer) sowie in der Natheaue bei Nesselröden vernommen. Dagegen ist, nicht verwunderlich, aus dem trockenen Leinepolder nur ein Tüpfelsumpfhuhn vom 4. April bekannt.

Freunde der Göttinger Stadtvogelwelt sind begeistert, dass der seit mehr als 100 Jahren bekannte Brutplatz des Teichhuhns auf dem Stadtfriedhof nach fünf Jahren Pause wieder von einem erfolgreichen Brutpaar (drei Junge) besetzt ist. In der Niederung des Elliehäuser Bachs (Göttinger Weststadt) wurde an einem kleinen Tümpel nahe dem Zuckerinstitut ein neuer Brutplatz entdeckt.

Mit zwei Paaren und (bis dato) einer erfolgreichen Brut hat sich das Blässhuhn im Rückhaltebecken Grone etabliert.

Am 13. April legten drei Stelzenläufer (2 M., 1 W., dritter Lokalnachweis seit 2007) am Seeanger eine Rast ein.

Stelzenläufer - M.Siebner
Abb. 13: Stelzenläufer am Seeanger. Foto: M. Siebner

Am 18. Mai rastete ein Kiebitzregenpfeifer im vorgenannten Gebiet. Goldregenpfeifer erreichten am 16. März mit 85 Ind. im Leinepolder Salzderhelden ihr Maximum. Von der einzigen Brut des Kiebitzes im Landkreis Göttingen (drei Junge im Seeanger) konnte ein Jungvogel das schlechte Wetter um Himmelfahrt überdauern und ein flugfähiges Alter erreichen. Über den Bruterfolg der ca. zehn Paare im Leinepolder liegen keine Angaben vor.

Düster sieht es (wieder) für brütende Flussregenpfeifer aus. Auf der Glunz-Industriebrache in Gö.-Grone schritten zwei Paare zur Brut. Wegen eines jüngst verhängten Betretungsverbots in Kombination mit flächendeckender Videoüberwachung und bärbeißigem Wachpersonal konnte keine Erfolgskontrolle durchgeführt werden. Am Großen Northeimer Freizeitsee, wo zwei Paare präsent waren, hat möglicherweise eine Brut stattgefunden. Paare an der Kiesgrube Reinshof, an den Tongruben Siekgraben und im Seeanger haben offenbar keinen Brutversuch unternommen. An der Geschiebesperre Hollenstedt sind die geschotterten Nisthilfen am Ufer komplett überwuchert. Darüber hinaus spülten hohe Wasserstände nach Starkregenereignissen alle Brutambitionen auf den natürlichen Kiesinseln hinweg.

Einzelne Regenbrachvögel hielten sich im Leinepolder Salzderhelden am 26. März, am 7. April sowie (immer derselbe?) vom 26. April bis zum 7. Mai auf. Am 12. April ließ sich ein Vogel im Seeanger nur akustisch als überfliegende Kichererbse wahrnehmen. Ohne regionale Präzedenz ist die Beobachtung von 120 Großen Brachvögeln, die am 14. März im geschlossenen Verband über das Kerstlingeröder Feld zogen. Im Leinepolder verweilten bis zu sechs Vögel bis Mitte April.

Am 10. Mai rasteten sechs Uferschnepfen im Seeanger, von denen eine bis zum 13. Mai blieb. Am 16. Mai wurde vielleicht derselbe Vogel im Leinepolder gesehen.

Der milde Winter hat den Waldschnepfen außerordentlich gut getan. Viele von ihnen mussten nicht bis Frankreich fliegen, um dort vor den Flinten schießwütiger Gourmets zu enden. Für den Berichtszeitraum liegen, unter Abzug von Mehrfachmeldungen, bis Ende Juni 36 Beobachtungen von ca. 43 Ind. vor. So etwas gab es schon lange nicht mehr! Die meisten Nachweise stammen aus der Heimzugperiode im März/April. Im zeitigen Frühjahr machten sich (ausschließlich heimziehende?) Vögel nicht nur über traditionellen Balzschneisen in den großen Waldgebieten (Kaufunger Wald, Bramwald, Solling) bemerkbar, sondern z.B. auch im Reinhäuser Wald, im Brackenberger Holz, am Sommerberg bei Gö.-Hetjershausen sowie im Mandelbecker Forst bei Elvershausen. Im Kaufunger Wald zeigten regelmäßige Beobachtungen bis weit in den Juni mindestens fünf Reviere an.

Waldschnepfe - M. Holzgräfe
Abb. 14: Waldschnepfe im „Märzwinter“ 2013 in der Göttinger Turmstraße. Dieser Vogel war weit schlechter dran als seine Artgenossen ein Jahr später. Foto: M. Holzgräfe

Im Leinepolder Salzderhelden waren Zwergschnepfen vom 13. bis 18. März mit maximal sechs Vögeln gut vertreten. Einzelvögel gab es am 5. April an der Geschiebesperre Hollenstedt und am 1. Mai wiederum im Leinepolder. Auf den ausgedehnten Schlammflächen in diesem Gebiet fanden Bekassinen paradiesische Bedingungen vor. Ende März stocherten bis zu 260 Vögel munter vor sich hin, und auch im April wurden hohe Zahlen (maximal 150 Ind. am 12.4.) ermittelt. Vom 7. Mai liegt die Beobachtung eines frisch geschlüpften Jungvogels vor – für mitteleuropäische Verhältnisse enorm früh, aber mit dem guten Habitatangebot und den optimalen Witterungsbedingungen im März/April durchaus erklärbar.

Am 16. April rastete ein Teichwasserläufer im Leinepolder. Diese frühere Seltenheit tritt seit einigen Jahren nahezu alljährlich auf. In der Gunst der Bruchwasserläufer rangierte der Seeanger mit maximal 60 Ind. am 26. April auf Platz 1. Waldwasserläufer stellten mit einem bemerkenswerten Maximum von mindestens 45 Ind. am 11. April im Leinepolder die herkömmliche Rangordnung wieder her, was von 67 Kampfläufern am selben Tag ebenda bekräftigt wurde.

Der erste Sumpfläufer im Landkreis Göttingen konnte am 18. Mai im Seeanger entdeckt werden. Die letzte regionale Beobachtung der Ur-Limikole liegt zehn Jahre zurück (Mai 2004 im Leinepolder). Auch dieser Nachweis (nur einer von ungewöhnlich vielen in Deutschland) könnte im Zusammenhang mit den Wetteranomalien in Osteuropa gestanden haben, die ein Ausweichen nach Westen verursachten.

Sumpfläufer - M.Siebner
Abb. 15: Sumpfläufer im Seeanger. Foto: M. Siebner

Temminckstrandläufer machten sich vom 7. bis 21. Mai in typischer Zahl bemerkbar. Maximal sieben Ind. bevölkerten am 8. Mai den Seeanger und bis zu fünf Ind. (19.5.) den Leinepolder. Ein Graubrust-Strandläufer lieferte am 26. April für den Seeanger, nach Vögeln im August 2004 und im August 2007, schon den dritten Lokalnachweis (Belegfoto in ornitho). Nur wenig häufiger sind in unserer Region heimziehende Sichelstrandläufer: Im Seeanger rastete vom 10. bis 12. Mai ein Ind. im Übergangskleid.

Am 21. Mai flog eine Schmarotzerraubmöwe der hellen Morphe im 3. Kalenderjahr für ungefähr zwei Minuten über dem Seeanger umher, versetzte die Lachmöwen in Panik, ließ sich kurz ablichten (Belegfoto bei ornitho) und entschwand zielstrebig nach Norden. Erheblich mehr Aufregung (unter einigen Menschen) verursachte eine adulte Falkenraubmöwe (Erstnachweis für den Landkreis Northeim), die sich vom 15. bis 21. Juni an den Northeimer Kiesteichen aufhielt und etliche Beobachter von außerhalb anzog. Ihr Lieblingsplatz waren die Geländer der Forellen-Hälterungsanlage im Gewässer südlich von Edesheim. Dort saß sie über Stunden und genehmigte sich ab und an einen schuppigen Snack. Zwischenzeitlich flog sie zum Großen Northeimer Freizeitsee, um nach Seeschwalbenart Insekten von der Wasseroberfläche zu picken. Ein beeindruckendes Spektakel!

Abb. 16: Falkenraubmöwe an den Northeimer Kiesteichen. Foto: V. Hesse

Zwergmöwen erreichten am 22. April mit 29 Ind. am Seeburger See ihr Heimzugmaximum. Lachmöwen schritten am Lutteranger (13 Nester), Seeanger (zwei Nester) und Seeburger See (drei Nester) zur Brut. Wie so oft blieben alle Paare mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos. Ein flügger Jungvogel wurde bereits recht früh am 12. Juni am Seeburger See gesehen. Er war aber vollkommen selbständig und bettelte keinen Altvogel an, so dass er einer frühen Brut anderswo entstammt haben dürfte. Schwarzkopfmöwen scheinen sich zunehmend rar zu machen. Es liegen nur zwei Beobachtungen vor, und zwar vom 16. März aus dem Leinepolder Salzderhelden (ad.) und vom 5. April vom Seeburger See (K3).

Am 14. und 15. Juni touchierten ein bis zwei Silbermöwen die Landesgrenze an der Weser bei Bodenfelde. Am 15. März (K3), am 14. und 19. April (ad.) sowie am 8. Mai (K2) rasteten Mittelmeermöwen an der Geschiebesperre.

Bemerkenswerterweise wurden in diesem Frühjahr mehr Steppenmöwen als Mittelmeermöwen gesehen, nämlich am 1. März am Großen Northeimer Freizeitsee (K2, seit Ende Januar dort präsent), am 15. März einzeln an der Geschiebesperre Hollenstedt und zu zweit am Seeburger See (ad. und K3), am 16. März zu zweit im Leinepolder Salzderhelden (ad. und K3, vielleicht die des Vortags vom Seeburger See), am 22. April an der Geschiebesperre Hollenstedt (K3) sowie am 15. und 25. Mai am Seeburger See ( K2).

Ziehende Heringsmöwen gab es am 5. April über dem Großen Northeimer Freizeitsee sowie am 3. Mai über dem Seeburger See (3 Ind.) und der Geschiebesperre Hollenstedt (alle ad.).

Den Reigen der Seeschwalben eröffnet eine schüchterne Raubseeschwalbe, die sich am 18. April auf dem Steg des Seeburger Sees gut zu verbergen wusste.

Raubseeschwalbe - A.Stumpner
Abb. 17: Suchbild mit Raubseeschwalbe. Foto: A. Stumpner

Weißbart-Seeschwalben waren recht gut unterwegs. Am 10. Mai besuchte ein Einzelvogel den Seeburger See, ohne Gesellschaft von Artgenossen waren auch Vögel, die am 16. Mai an den Northeimer Kiesteichen, am Großen Northeimer Freizeitsee (wohl identisch) sowie am Seeburger See in Erscheinung traten. Dagegen hielten sich im letztgenannten Gebiet am 20. und 21. Mai bis zu sechs Ind. auf.

Anfang bis Mitte Mai herrschte über Südosteuropa ein monströses Tiefdruckgebiet, das in Serbien und vor allem Bosnien-Herzegowina mit sintflutartigen Regenfällen eine Hochwasserkatastrophe historischen Ausmaßes verursachte. Die Wetterlage erinnerte an das Frühjahr 1997. Als exzellente Flieger sind Weißflügel-Seeschwalben dafür bekannt, dass sie auf dem Heimzug solchen Kalamitäten weiträumig nach Westen ausweichen können. 1997 fand mit ca. 4000 Vögeln der bislang stärkste Einflug nach Deutschland statt, an dem auch unsere Region mit ca. 250 Vögeln beteiligt war. 2014 waren es nicht ganz so viele. Am Seeburger See erschien die erste am 2. Mai. Danach gingen die Zahlen nach oben (19 Ind. am 14.5., bis zu 47 Ind. am 15.5.) und kulminierten am 16. Mai mit bis zu 75 Vögeln. Der Einflug klang mit bis zu neun Ind. am 17. Mai und Einzelvögeln am 18. und 20. Mai schnell wieder ab. Am Großen Northeimer Freizeitsee und im Leinepolder Salzderhelden (11 bzw. 3 Ind. am 16.5.) machte er sich schwächer bemerkbar.

Wei�flügelseeschwalbe - V.Hesse
Abb. 18: Weißflügel-Seeschwalbe am Seeburger See. Foto: V. Hesse

Dagegen ist das Maximum von 22 Trauerseeschwalben am 8. Mai am Seeburger See fast schon läppisch. Der erste Vogel tauchte am 13. April recht früh ebenda auf.

Vom 21. April bis zum 17. Juni gerieten am Seeburger See und Seeanger sowie an der Northeimer Seenplatte insgesamt 14 Flussseeschwalben ins Blickfeld, darunter am Seeburger See zwei Ind. am 22. April und gleich fünf Ind. am 6. Mai.

Wie im Vorjahr machte sich die Küstenseeschwalbe geradezu selten bemerkbar: Es liegt nur ein Nachweis von zwei Ind. vom 16. Mai am Großen Northeimer Freizeitsee vor.

Trotz des sehr milden Winters scheint der Bestandsrückgang der Türkentaube schleichend voran zu gehen. Im Göttinger Stadtgebiet konnte sie nur noch an zwei Stellen (Rosdorfer Weg und Geismar-Süd) über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, zumeist als Einzelvogel. Aus der Annastraße, einem (verwaisten?) Revier in der Nordstadt liegt nur eine Beobachtung vom 10. März vor. Auch aus einigen früher gut besiedelten Eichsfeldgemeinden gibt es nur noch Nachweise von Einzelvögeln bzw. Einzelpaaren. Eine Beobachtung von fünf Ind. am 21. April in Rosdorf ist die Ausnahme. Immerhin: In Hann. Münden konnten am 30. April zwei Vögel ausgemacht werden, die, neben Varlosen, Ellershausen und Barterode, eines der letzten Vorkommen im Westkreis anzeigen.

Turteltauben wurden am 28. April südöstlich von Groß Schneen, am 5. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt und nahe dem Friedrichshäuser Bruch im Solling, am 16. Mai zu zweit im Leinepolder Salzderhelden, am 11. Juni an den Northeimer Kiesteichen und am 23. Juni an den Schweckhäuser Wiesen gesehen. An der großen Windwurffläche bei Ellershausen konnte sie während des Birdrace erstmals nicht gehört werden. Demnächst werden sicher die ersten Schutzprogramme für diese in weiten Teilen Deutschlands selten bis sehr selten gewordene Art anlaufen. Ob sie den Verlust von Rohböden und vegetationsarmen Offenflächen, auf die Turteltauben bei der Nahrungssuche genau so angewiesen sind wie auf die immer wieder genannten „Wiesen, Hecken und Feldgehölze“, auch nur ansatzweise kompensieren können, darf wohl bezweifelt werden. Zudem sind Naturschutzmaßnahmen vor Ort in ihrer Wirksamkeit limitiert, solange den Millionenabschüssen in einigen Staaten (an erster Stelle Frankreich) kein Einhalt geboten wird – und das wird dauern…

Obwohl der Kuckuck in seinen verbliebenen Hochburgen um den Seeburger See (bis zu sechs rufende Männchen) und im Leinepolder (bis zu vier Männchen und zwei Weibchen) in üblicher Zahl vertreten ist, liegen nur vier Beobachtungen brauner Weibchen vor, die in unserer Region eigentlich nicht selten sind.

Kuckuck - M.Siebner
Abb. 19: Kuckuck an der Kiesgrube Reinshof. Foto: M. Siebner

Für die Eulen hat das gute Mäusejahr 2014 eine leichte Erholung gebracht, die jedoch nicht die beiden folgenden Arten betrifft. Von der Schleiereule ist nur ein Brutplatz nahe dem Leinepolder Salzderhelden bekannt, wobei der traditionell geringe Bekanntheits- und Erfassungsgrad dieser Art zu berücksichtigen ist.

Vom Raufußkauz liegt nur eine akustische Wahrnehmung am 18. April aus dem Kaufunger Wald nahe der Landesgrenze vor. Mehrere Exkursionen Göttinger Beobachter in dieses Waldgebiet und in den Solling erbrachten keine Nachweise. Bei den Kontrollen fiel auch die komplette Abwesenheit von Kleinnagern aller Art auf. Offensichtlich ist der Mäusereichtum in diesem Jahr sehr unterschiedlich zwischen Wald und Offenland verteilt.

Dagegen scheint sich der Sperlingskauz nach dem schlechten Vorjahr im Aufwind zu befinden. Im Reinhäuser Wald hat er nach einjähriger Pause wieder gebrütet. Am Lakenteich und Neuen Teich im Solling sind Reviere besetzt. Zwei Männchen, die am 3. Mai an der Langen Bahn im Bramwald balzten, konnten sich hoffentlich noch verpaaren.

Sperlingskauz - W.Kühn
Abb. 20: Sperlingskauz mit erbeutetem Waldbaumläufer im Reinhäuser Wald. Foto: W. Kühn

Auch Waldohreulen sind etwas besser vertreten als im Vorjahr. In Rittmarshausen rief ein Männchen tagelang im März, in Rosdorf über einen längeren Zeitraum im März/April und in Bodensee an mehreren Tagen im Mai. Das traditionelle Brutpaar im Göttinger Süden brachte vier Junge hoch, die ab Anfang Juni am Wassergewinnungsgelände mit ihren Grimassen und Verrenkungen viele Vogelbeobachter und Passanten amüsierten. Mit wachsender Selbständigkeit kamen sie bei der Mäusejagd auf weniger als zehn Meter heran, von ihrem Fanclub nur durch den Zaun getrennt – fast wie in einer großen Voliere. In einem Feldgehölz bei Gerblingerode zeigten zwei Jungvögel eine Brut an. Eine Anfrage aus Gieboldehausen (sinngemäß: „Was quietscht denn da?“) konnte Mitte Juni fachkundig beantwortet werden.

Am 26. April hielt sich im Leinepolder Salzderhelden eine Sumpfohreule auf. Ein weiterer Vogel jagte am 14. Mai in der Feldmark Klein Schneen, wurde dabei ständig von Rabenkrähen belästigt und flüchtete sich schließlich auf ein Hausdach im Ort.

In der Region schritten drei felsbrütende Paare des Uhus zur Brut. Weil (wieder) Nachweise aus der Umgebung großer Waldgebiete ohne herausragende Gesteinsformationen vorliegen, ist es durchaus möglich, dass die Vögel hier und da auch in Greifvogelnestern brüten.

Von der südlichen Peripherie des Göttinger Stadtgebiets liegen Hinweise auf drei besetzte Brutplätze des Eisvogels vor. Endlich geht es wieder aufwärts!

Eisvogel - L.Söfker
Abb. 21: Eisvogelmännchen. Foto: L. Söffker

Am 22. Mai flog in der Rhumeniederung bei Hilkerode ein Bienenfresser auf der Insektenjagd hinter einem heumachenden Traktor her. Ein Trupp von 14 Vögeln machte am 25. Mai bei Hullersen nahe Einbeck auf sich aufmerksam.

Heimziehende Wiedehopfe ließen sich am 2. April am Ortsrand von Gö.-Geismar, am 27. April bei Diemarden und am 2. Mai an der Otto-Hahn-Straße in Gö.-Weende bestaunen.

Für den Wendehals scheint es ein gewohnt mäßiges Jahr zu sein. Auf dem Kerstlingeröder Feld sind wieder zwei brütende Paare anwesend. In der Kleingartenanlage „Stegemühle“ in der Göttinger Südstadt und in der Umgebung Diemardens hielten sich ab und an singende Vögel auf, aber offenbar ohne ernst zu machen.

Interessant ist das regelmäßige Auftreten von Schwarzspechten an den Northeimer Kiesteichen, einem für diese Art als eher untypisch geltenden Lebensraum. Im Göttinger Süden mehren sich bereits seit längerem Beobachtungen abseits von geschlossenen Wäldern.

Singende Pirole ließen sich am 15. Mai am Rothenberg bei Volpriehausen und am 21. Juni an der Geschiebesperre Hollenstedt vernehmen.

Der erste Neuntöter (wie die Klappergrasmücke ein Südostzieher) traf bereits am 25. April auf dem Kerstlingeröder Feld ein. Dort konnte am 15. Juni bei der alljährlichen Zählung ein Rekordbestand von 25 Männchen und sechs (sichtbaren) Weibchen dokumentiert werden. Auch im Norden des Stadtgebiets ist er mit drei bis vier revieranzeigenden Männchen im Umfeld des Forstbotanischen Gartens wieder gut im Geschäft. Der Göttinger Bestand kann in diesem Jahr auf mehr als 30 Reviere beziffert werden, die eine erfreulich stabile Population anzeigen.

Neuntöter - V.Lipka
Abb. 22: Neuntöter am angestammten Brutplatz bei Diemarden. Foto: V. Lipka

Aus dem März liegen sechs Beobachtungen des Raubwürgers vor, die sich im wesentlichen auf den traditionellen Wintergast auf dem Kerstlingeröder Feld und einen mehrtägig im Seeanger präsenten Vogel beziehen.

Das Kolkrabenpaar vom südlichen Göttinger Stadtrand brachte in diesem Jahr vier Junge zum Ausfliegen. Die sympathische Familienbande hält sich mit Vorliebe an den ehemaligen Tongruben Siekgraben auf, wo sie wenig scheu ihren räuberischen Geschäften nachgeht.

Abseits ihrer Hochburg an den Northeimer Kiesteichen konnten nur wenige Beutelmeisen registriert werden. Vom Seeburger See liegen drei Nachweise vor, vom Leinepolder Salzderhelden (2 Ind.) und von der Kiesgrube Reinshof je einer.

Der Heimzug der Heidelerche machte sich, kein Wunder bei dem schönen Wetter, nur mit ganzen sechs Beobachtungen bemerkbar. 20 Rastvögel am 14. März auf einem Acker östlich von Barterode sind das Maximum.

Uferschwalben haben es in diesem Jahr schwer. Obschon sie, z.B. mit rekordverdächtigen 500 Ind. am 11. Mai am Seeburger See, in guten Zahlen unterwegs waren, schritten nur wenige zur Brut. Am Großen Northeimer Freizeitsee, wo eine kopfstarke Kolonie in Gründung war, gab es Ende Juni nur noch Hinweise auf Bruten im, bestenfalls, niedrigen zweistelligen Bereich. Der Brutplatz an der Sandgrube Meensen ist verwaist.

Uferschwalbe - M.Siebner
Abb. 23: Uferschwalbe. Foto: M. Siebner

Bedingt durch das warme Wetter im März/April hatten frühbrütende Schwanzmeisen einen sehr guten Bruterfolg. Die ersten Familientrupps mit flüggen Jungvögeln wurden bereits am 27. April aus der Göttinger Südstadt und Gö.-Geismar gemeldet. Danach ging es munter weiter…

Der Feldschwirl hat sich aus der immer unwirtlicher werdenden Normallandschaft weitestgehend verabschiedet. Dies wurde erneut durch die alljährliche Zählung in den Feldmarken Reinshof und Gö.-Geismar Mitte Juni belegt, bei der kein Nachweis gelang. Im Leinepolder Salzderhelden singen maximal drei Männchen, die einen historischen Tiefstand anzeigen. Die Rhumeaue bei Bilshausen ist mit fünf Sängern etwas dichter besiedelt.
Mit bis zu vier Sängern ist der Rohrschwirl im Leinepolder in diesem Jahr häufiger als die vorgenannte Art. Ein Sänger vom 26. und 27. April am Seeburger See war später wieder verschwunden.

In der Rhumeaue zwischen Bilshausen und Lindau singen bis zu drei Schlagschwirle. Eine Revierbesetzung liegt auch vom Großen Northeimer Freizeitsee vor. Singende Männchen ließen sich am 15. Mai am Seeburger See, am 16. und 31. Mai im Leinepolder Salzderhelden, am 17. Mai nahe den Husumer Teichen bei Hammenstedt und am 23. Mai am Sandwasser bei Ecklingerode vernehmen. Die Beobachtungen passen gut zum vermehrten Auftreten von Südostziehern.

Schilfrohrsänger schnarrten am 20. und 24. April an der Kiesgrube Reinshof, am 26. und 27. April am Seeburger See und im Seeanger, am 1. und 16. Mai im Leinepolder, am 12. Mai am Göttinger Kiessee und vom 18. bis 20. Mai an der Geschiebesperre Hollenstedt gutgelaunt vor sich hin. Für eine Revierbesetzung reichte ihr Elan jedoch nicht ganz.

Ab dem 20. Mai erfolgte in Deutschland ein beispielloser Einflug von Buschrohrsängern. Ihre Gesamtzahl dürfte mittlerweile mehr als 30 singende Männchen (und eine unbekannte Anzahl Weibchen!) betragen. Ob dieses Phänomen, wie bei Weißflügel-Seeschwalbe und Sumpfläufer, mit Wetteranomalien in Osteuropa zu erklären ist, wäre in einer länderübergreifenden Gesamtschau zu prüfen. Unabhängig von solchen Kapriolen hat der Buschrohrsänger sein Brutgebiet in den vergangenen Jahrzehnten ständig nach Westen ausgedehnt und sich z.B. in Südfinnland mit einer kopfstarken Population von ca. 7000 Paaren etabliert.

Buschrohrsänger - M.Siebner
Abb. 24: Buschrohrsänger an den Northeimer Kiesteichen. Foto: M. Siebner

Vom 8. bis (mindestens) 20. Juni zeigte ein Männchen, das an den Northeimer Kiesteichen seinen beeindruckenden Gesang vortrug, den Erstnachweis für Süd-Niedersachsen an (B. Riedel, V. Hesse u.v.a.). Der Vogel sang unweit der viel befahrenen L 572 zwischen der A 7 und Hollenstedt am Rand des Naturschutzgebiets „Northeimer Seenplatte“. Vom sicheren Radweg am Straßenrand war er (wenn mal kein Auto vorbeifuhr) gut zu hören und manchmal zu sehen. Eigentlich alles unproblematisch – sollte man meinen. Leider kam es anders: Göttinger Beobachter konnten einen Aspiranten gerade noch davon abhalten, eine Klangattrappe in Anschlag zu bringen. Gäste aus dem Club 300-Spektrum schlichen mit gezückter Tonkonserve durchs Gebüsch, um den Vogel aus der Deckung zu locken. Schöner Gesang, hin oder her: Als zählbares Ergebnis einer Twitch-Spritztour gilt nur der Sichtnachweis.
Der Einsatz von akustischen Lockmitteln erfolgte im konkreten Fall besonders gedankenlos: Im Verlauf des vergleichsweise kopfstarken Einflugs hätte der Vogel durchaus eine Partnerin finden können. Durch die Simulation eines Rivalen wurde, aus purem Eigennutz, in Kauf genommen, dass er sein Revier fluchtartig räumt. Zudem bestand die Gefahr, dass er auf der Suche nach seinem virtuellen Gegenspieler der Straße gefährlich nahe kam. Das Risiko, jederzeit von einem besinnungslosen Raser überfahren zu werden, gehört zwar zum Northeimer Lokalkolorit – gleichwohl ist es ein Schicksal, das man keinem Lebewesen wünschen mag, geschweige denn fahrlässig herbeiführt. Das gegenüber Vögeln respektlose und unethische Verhalten von Beobachtern und Fotografen hat mittlerweile in ganz Deutschland epidemische Ausmaße angenommen. Deshalb sollte sich niemand wundern, wenn in Zukunft immer mehr Seltenheiten „geblockt“ werden. Es wird Zeit, den Verhaltensregeln, die es beim DDA und Club 300 ja durchaus gibt, Geltung zu verschaffen und sie um verbindliche Sanktionen zu erweitern.

Wie der Feldschwirl ist auch der Sumpfrohrsänger in der agrarindustriellen Produktionslandschaft kaum noch zu finden. Die alljährliche Kontrolle der Feldmarken Reinshof und Geismar südlich von Göttingen Mitte Juni ergab nur zwei Sänger abseits der Agrarflächen (Landwehrgraben und Leineufer zwischen Flüthewehr und Rasemündung). Die nachfolgenden Maxima aus dem Juni in besser geeigneten Habitaten sind alles andere als berauschend: Sieben Sänger am Rückhaltebecken Grone, bis zu fünf im Seeanger, einer Hochburg der Art, bis zu sieben an der Leine zwischen Bovenden und Angerstein und bis zu fünf am Schlinggraben in der Rhumeaue bei Bilshausen. Der einstellige Bereich wurde nirgendwo überschritten. Der negative Trend, der den Rahmen natürlicher Bestandsschwankungen sprengt, verfestigt sich.

Besser geht es dem Teichrohrsänger, zumindest in Göttingen. Am Kiessee mit seinen vergleichsweise winzigen Röhrichtbeständen sind wieder um die elf Reviere besetzt. Am Rückhaltebecken Grone (Neuansiedlung) konnten wie im Vorjahr sechs standortfeste Männchen ausgemacht werden. Wie sieht es am Seeburger See, seiner regionalen Hochburg, und im Leinepolder Salzderhelden aus? Man weiß es nicht…

Teichrohrsänger - M.Siebner
Abb. 25: Teichrohrsänger am Göttinger Kiessee. Foto: M. Siebner

Drosselrohrsänger mit beeindruckendem Krächzvolumen machten am 24. April an einem Kleingewässer in Bodensee, am 3. und 26. Mai am Göttinger Kiessee, vom 6. bis 16. Mai am Seeburger See sowie am 28. Juni an der Kiesgrube Ballertasche auf sich aufmerksam.

Um den Gelbspötter scheint es in diesem Jahr noch schlechter bestellt zu sein als ohnehin schon. Aus Göttingen sind nur drei Reviere (Kiessee, Leinewehr nahe der Walkemühle und an der Leine vor der Lokhalle) bekannt. An den Northeimer Kiesteichen singen bis zu drei Vögel, ansonsten gibt es nur ein bis zwei Sänger, z.B. am Seeanger, in Bodensee und in Tiftlingerode.

Dagegen kann man erfreulicherweise über unsere vier Vertreter der Gattung Sylvia (Mönchs-, Klapper-, Dorn- und Gartengrasmücke) nur sagen, dass sie in diesem Jahr wieder in gewohnter Opulenz vertreten sind.

Schwanzloses Göttingen, was ist aus dir geworden! Zum ersten Mal seit -zig Jahren konnte hier im Winter und Frühjahr kein einziger Seidenschwanz ausgemacht werden. Offenbar war das Nahrungsangebot im Norden so üppig, dass sich die eifrigen Beerenfresser nicht auf die Reise machen mussten. Mit dem milden Winter hat das Ausbleiben nichts zu tun.

Vom 3. April bis zum 6. Mai rasteten insgesamt 17 Ringdrosseln in der Region, darunter allein zehn auf dem Kerstlingeröder Feld. Drei Vögel gab es zwischen Waake und Bösinghausen, ein bis zwei Vögel an drei Terminen in der Feldmark Geismar.

Ringdrossel - M. Mooij
Abb. 26: Ringdrossel auf dem Kerstlingeröder Feld. Foto: M. Mooij

Seltsames gibt es von der Singdrossel zu berichten. In den Wäldern trat sie ungewohnt spärlich auf. Auf dem waldähnlichen Stadtfriedhof, ihrer Göttinger Hochburg, lag der Bestand bei maximal fünf bis sieben Paaren, normalerweise siedeln dort 15 Paare und mehr. Andererseits wurden aus Fließgewässerauen im Göttinger Ostkreis Revierbesetzungen noch im Mai gemeldet. In der Umgebung des Göttinger Kiessees zeigten am 1. Juni zwölf singende Männchen einen überdurchschnittlichen Bestand an. Darunter befanden sich auch etliche Sänger, die in den Wochen davor nicht auszumachen waren. Für den Rückgang der Waldvögel könnte der „Märzwinter“ 2013 verantwortlich gewesen sein, der vermutlich zu hohen Heimzugverlusten geführt hat. Das sehr späte Eintreffen von Revierbesetzern harrt der Erklärung…

200 Rotdrosseln, die am 16. März in der Umgebung der Geschiebesperre Hollenstedt rasteten und 434 über das Kerstlingeröder Feld ziehende Ind. am 1. April sind als Maximalzahlen nicht gerade üppig, aber im Vergleich zum Vorjahr fast schon bombastisch.

Auch für den Grauschnäpper ist es wohl kein gutes Jahr. Am Göttinger Kiessee ist nur ein traditioneller Brutplatz besetzt. Mitte Mai hatten sich (brutwillige?) Vögel noch an drei Stellen aufgehalten. Auf dem Stadtfriedhof scheint er bis dato als Brutvogel zu fehlen. Aus dem Kerngebiet liegen bei ornitho ganze zehn Beobachtungen vor, für die gesamte Region nur 33. Weil der Grauschnäpper eine unscheinbare Art ist, die sich bei den einen Beobachtern nur eines geringen Zuspruchs erfreut und von den anderen altersbedingt nicht mehr gehört wird, sind diese Zahlen wenig aussagekräftig – fürs erste.

Göttingens einziger Trauerschnäpper sang im Mai vor einem Nistkasten im Wäldchen zwischen Grone und Leine nahe dem Tierheim. Darüber hinaus gab es singende Männchen am 15. Mai bei Schlarpe (Uslar), am 17. Mai an den Husumer Teichen, zwei am 24. Mai bei Bodenfelde und wieder einzeln am 31. Mai am Diemardener Berg.

Trauerschnäpper - M.Siebner
Abb. 27: Trauerschnäpper Foto: M. Siebner

Zum Brutbestand des Braunkehlchens im Leinepolder Salzderhelden liegt nur die Meldung eines revierhaltenden Männchens vom 31. Mai vor.

Die Ausbreitung des Schwarzkehlchens geht weiter. In der Ellerbachaue zwischen Wollbrandshausen und Gieboldehausen schritten zwei Paare erfolgreich zur Brut. Auch der neue Brutplatz vom Vorjahr nahe der Lengderburg ist wieder besetzt. In der Rhumeaue bei Rüdershausen geriet am 22. April ein Männchen ins Blickfeld, desgleichen am 20. April am ehemaligen Grenzstreifen bei Ecklingerode – das ist seit Jahren der erste Nachweis dort.

Dagegen scheint das Blaukehlchen bei seiner Expansion eine Pause einzulegen. Neue Brutplätze sind nicht bekannt.

Brachpieper rasteten am 17. April in der Feldmark Geismar südlich von Göttingen (wo er sich schön fotografieren ließ!), am 22. April zu zweit am Diemardener Berg und einzeln in der Feldmark Wollbrandshausen – Gieboldehausen. Ziehende Vögel konnten am 22. April über dem Kerstlingeröder Feld und am 3. Mai über Gö.-Nikolausberg akustisch lokalisiert werden.

Brachpieper - L. Söfker
Abb. 28: Brachpieper in der Feldmark Geismar. Foto: L. Söffker

Aus verschiedenen Gebieten wurden insgesamt ca. 50 singende Baumpieper gemeldet, zumeist als Einzelvögel bzw. mit maximal vier Sängern (Hühnerfeld im Kaufunger Wald). Wie viele von ihnen als revierbesetzende Brutvögel zu werten sind, muss offen bleiben, weil nur wenige Nachkontrollen vorgenommen wurden. Die alljährliche Zählung auf dem Kerstlingeröder Feld ergab am 15. Juni unterdurchschnittliche zwölf Sänger, einen warnenden Altvogel und, an einer anderen Stelle, ausgeflogene Jungvögel mit Bettelrufen. Ob dies wirklich ein mäßiges Jahr anzeigt, ist fraglich. Im warmen April dürften die Vögel rasch gebrütet haben, so dass die beiden Zähler in das „Loch“ zwischen Erst- und Zweitbruten gestolpert sein könnten.

Brutnachweise des Wiesenpiepers liegen aus der Feldmark Wollbrandshausen – Gieboldehausen (traditioneller Brutplatz) und der Feldmark südöstlich von Sattenhausen vor. In der Leineniederung zwischen Bovenden und Angerstein trotzen ca. drei brutverdächtige Paare der allgemeinen Tristesse. Im Umfeld der „Hirsebreikuhlen“ südlich von Göttingen (ehemaliger Brutplatz) konnte die Art nur noch als Rastvogel festgestellt werden.

Prächtige Rotkehlpieper ließen sich am 25. April im Seeanger (Belegfoto in ornitho) und am 16. Mai im Leinepolder Salzderhelden bewundern.

Vom Bergpieper liegen bis zum 4. April aus dem Leinepolder Salzderhelden und dem Seeanger acht Beobachtungen von elf Ind. vor. Wegen der tagelangen Präsenz von Einzelvögeln im Seeanger war ihre reale Zahl wohl erheblich kleiner. Immerhin präsentierte sich ein Vogel im Seeanger im Prachtkleid…

Mit der Gebirgsstelze scheint es nach den Winterverlusten der letzten Jahre wieder aufwärts zu gehen. Aus Göttingen kommen mindestens drei Nachweise erfolgreicher Bruten.

Am 2. Mai brachte eine männliche Zitronenstelze Farbe in den Seeanger (zweiter Lokalnachweis seit dem April 2009). Auch diese Art ist ein östliches Faunenelement.

Zitronenstelze - M.Siebner
Abb. 29: Gelbes Leuchten aus der Ferne: Zitronenstelze am Seeanger. Foto: M. Siebner

Nordwestlicher Provenienz und nicht ganz so satt gefärbt war eine männliche Gelbkopf-Schafstelze, die am 21. April der Geschiebesperre Hollenstedt die Ehre gab.

Am 14. März zogen 1168 Buchfinken über das Kerstlingeröder Feld. Ansonsten lagen die Zahlen erheblich unter diesem Maximum und demonstrierten, dass schönes Wetter für die Beobachtung des Kleinvogelzugs alles andere als optimal sein kann. Kernbeißer und Stieglitz scheinen sich besonders erfolgreich fortgepflanzt zu haben.

Die letzten „Trompetergimpel“ der Saison wurden am 2. März am Diemardener Berg und am 7. März (ein Ind. aus einer Gruppe von fünf Ind. rufend) auf dem Kerstlingeröder Feld festgestellt. Vom Fichtenkreuzschnabel gibt es nur zu berichten, dass bis jetzt von einem verstärkten Auftreten nichts zu bemerken ist.

Im Leinepolder Salzderhelden rasteten männliche Ortolane zu zweit am 29. April und einzeln am 7. Mai, ein Weibchen hielt sich am 3. Mai nahe Elvershausen bei Katlenburg-Lindau auf.

Damit endet die Chronik eines sehr ereignisreichen Frühjahrs, verbunden mit einem warmen Dank an die unten aufgeführten ca. 125 Beobachter und Informanten – und natürlich an die Vögel, für die stellvertretend und abschließend eine der kooperativen Waldohreulen aus dem Göttinger Süden hervorgehoben sei.

Hans H. Dörrie

Waldohreule - W.Kühn
Abb. 30: Halbstarke Waldohreule. Foto: W. Kühn

Dieser Bericht basiert auf Beobachtungsdaten von:

P.H. Barthel, B. Bartsch, K. Beelte, R. Behr, B. Bierwisch, S. Böhner, M. Borchardt, G. Braemer, J. Brauneis, S. Brockmeyer, G. Brunken, D. Burchardt, G. Busche, Y. Clough, M. Corsmann, L. Demand, E. Dense, J. Dierschke, V. Dierschke, H. Dörrie, K. Dornieden, M. Drüner, H. Edelhoff, U. Eidam, K. Ewald, M. Fichtler, T. Frischgesell, M. Geb, K. Gehring, R. Gerken, K. Gimpel, M. Göpfert, E. Gottschalk, D. Gruber, C. Grüneberg, H. Haag, W. Haase, M. Hallfeldt, H. Hartung, J. Hegeler, E. Heiseke, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, A. Höfler, S. Hohnwald, S. Hörandl, S. Holler, M. Holzgräfe, R. Hruska, S. Jaehne, W. Jakob, C. Jenewein-Stille, K. Jünemann, U. Jürgens, R. Käthner, C. Kaltofen, A. Kannengießer, R. Kellner, H.-A. Kerl, J. Kilian, J. Kirchner, H. Kobialka, U. Kormann, P. Kretz, W. Kühn, T. Langer, I. Lilienthal, S. Lilje, V. Lipka, F. Maronde, T. Matthies, T. Meineke, K. Menge, M. Mooij, M. Otten, S. Paul, C. Pielsticker, H. Pfitzner, G. Pfützenreuter, R. Pötzinger, K. Pollmeier, B. Preuschhof, S. Racky, D. Radde, T. Rautenberg, U. Rees, P. Reus, B. Riedel, V. Rösch, C. Rosbach, G. Rotzoll, G. Sacher, B. Sarstedt, W. Scharlau, K.-H. Schepka, I. Schiller, H. Schmidt, M. Schmidt, P. Schmidt, D. Schomberg, D. Schopnie, M. Schuck, B.-J. Schulz, G. Segelbacher, M. Siebner, D. Singer, L. Söffker, M. Stange, F. Steinmeyer, K. Stey, C. Stolz, A. Stumpner, A. Sührig, W. Vogeley, J. Voßmerbäumer, C. Weider, C. Weinrich, H. Weitemeier, J. Wermes, D. Wucherpfennig und S. Zinke.

Literatur

Brunken, G. (1985): Die Vogelwelt des Seeburger Sees und seiner näheren Umgebung, Teil 1: Ciconiiformes und Phoenicopteriformes. Mitt. FaunaFlora Süd-Nieders. 7: 9-28.

Krüger, T., J. Ludwig, S. Pfützke & H. Zang (2014): Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005-2008. Naturschutz Landschaftspfl. Niedersachsen, H. 47. Hannover.

Reinhard, U. (2007): Bestandsdynamik des Weißstorchs (Ciconia ciconia) in Oberschwaben (Süddeutschland) – eine kritische Bilanz der Auswilderung. Vogelwarte 45: 81-102.