Der Vogelwinter 2015/16 in Süd-Niedersachsen – mild, kaum Schnee und ein kaltes Intermezzo

Ein schwimmender Schwarzhalstaucher im Winterkleid.
Abb. 1: Winterlicher Schwarzhalstaucher an den Northeimer Kiesteichen. Foto: V. Hesse

Mit 5,6°C über dem langjährigen Mittel war der Dezember 2015 der wärmste und zweitsonnigste seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen 1881. Auch der Januar 2016 gestaltete sich mild, zumindest in seiner ersten Hälfte. Später ließen Nachtfröste mit bis zu -17°C viele kleinere Stillgewässer vereisen. Der Northeimer Freizeitsee war jedoch niemals komplett zugefroren und wurde zum Magnet für Wasservögel. Im Februar dominierten wieder, in Kombination mit hohen Niederschlägen, milde Temperaturen. Zum Ende des Monats waren weite Flächen im Leinepolder Salzderhelden flach überstaut.

Wer nun, animiert von den Schlagzeilen der Tagespresse, gedacht hatte, dass in unserer Region „die Vogelwelt in diesem Winter verrückt spielt“, „die Zugvögel hier bleiben“ und ähnliches mehr, dürfte von den realen Gegebenheiten enttäuscht gewesen sein. Wie in den meisten anderen Wintern gab es nur vergleichsweise wenige Nachweise ausharrender bzw. spät durchziehender Kurz- und Mittelstreckenzieher: Feldlerchen gerieten lediglich am 3. Dezember (sechs Ind. im Leinepolder) und am 27. Dezember (Einzelvogel in der Feldmark Gerblingerode) in den Blick, im Januar fehlten sie komplett. Das Januaraufkommen ausharrender Kiebitze bestand aus maximal fünf Vögeln an der Geschiebesperre Hollenstedt. Von der Singdrossel liegen nur zwei Beobachtungen vom 9. Dezember am Northeimer Freizeitsee und vom 9. Januar im Leinepolder vor. Ein Vogel am 18. Februar am Rückhaltebecken Gö.-Grone kann bereits dem beginnenden Heimzug zugerechnet werden. Auf dem Campus der Göttinger Nord-Uni verbrachte eine Heckenbraunelle den Winter. Auf den Ruderalflächen am Freizeitsee war sie wie in den Vorjahren mit bis zu fünf Vögeln gut vertreten. Darüber hinaus gibt es aus dem Dezember und Januar (im Februar setzt bereits der Heimzug ein) acht weitere Winterbeobachtungen, darunter die eines Vogels vom 30. Dezember bis 5. Januar in Gö.-Geismar. In den ebenfalls milden Wintern 2013/14 und 2014/15 wurden jeweils zehn Vögel notiert, darunter je zwei bis drei längerfristig ausharrende.

Heckenbraunelle - S.Paul
Abb. 2: Heckenbraunelle am Freizeitsee. Foto: Silvio Paul

Der Zilpzalp machte sich mit neun bis zehn robusten Vertretern häufiger bemerkbar als in den beiden vorangegangenen Wintern (2014/15 sieben Ind., 2013/14 fünf Ind., darunter ein Überwinterungsaspirant am Northeimer Freizeitsee); gleichwohl hätte ein ungewohnt zahlreiches, den hohen Dezembertemperaturen vermeintlich entsprechendes Ausharren wohl anders ausgesehen. Hinweise auf durchgehende Überwinterungen liegen nicht vor. Die einzige Mönchsgrasmücke wurde am 10. Januar aus Göttingen bekannt. Vom Hausrotschwanz ist eine Überwinterung im Uni-Nordgelände fast lückenlos dokumentiert. Auch im Industriegebiet der Weststadt und auf dem Rosdorfer JVA-Gelände konnte je ein Vogel (1 M., 1 wf. Ind.) die (schneearme) Kälteperiode im Januar überdauern. Drei erfolgreiche Überwinterungen sind aus Göttinger Sicht ohne Präzedenz. Zuvor war es war es Einzelvögeln in wenigen Wintern gelungen, die kalte Jahreszeit schadlos zu verbringen. In der Regel setzen nicht niedrige Temperaturen, sondern Schneefälle den Überwinterungsversuchen ein Ende.
Ungefähr acht überwinternde Gebirgsstelzen (darunter vier bis fünf im Göttinger Stadtgebiet und bis zu zwei an der Geschiebesperre Hollenstedt) lagen im guten Durchschnitt. Bachstelzen harrten im Dezember und Januar nur in geringer einstelliger Zahl aus, das Maximum lieferten sechs Vögel am 21. Januar am Wendebachstau bei Reinhausen. Überwinternde Rohrammern traten im Dezember und Januar praktisch nur an den ehemaligen Tongruben Siekgraben mit bis zu fünf Vögeln in Erscheinung. Gewohnt rar machte sich mit dem Sommergoldhähnchen ein weiterer Kandidat: Am 5. Februar geriet bei Eberhausen ein Einzelvogel in den Blick.
Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass (nur) ein Paar des Weißstorchs den Winter in der Nähe seines Brutplatzes (Leinepolder) verbrachte. Ab Mitte Februar waren bereits etliche Paare von spanischen Müllkippen oder mit Eintagsküken bestückten Futterstellen in der Rheinebene zurückgekehrt.
Fazit: Der (warme) „Jahrhundertwinter 2015/16“.verlief im süd-niedersächsischen Bergland eher ereignisarm. Von spektakulären Überraschungen keine Spur. Vielmehr bestätigten sich aufs Neue die regionalen Unterschiede bei der Winterverbreitung von Vogelarten, die bereits innerhalb eines Bundeslands (in Niedersachsen z.B. nördlich und südlich der Mittelgebirgsschwelle) gravierend ausfallen, auch in milden Wintern. In den plakativen Verlautbarungen der Tagespresse (und leider auch in Fachpublikationen zum Thema „Vögel und Klimawandel“) fallen sie in schöner Regelmäßigkeit unter den Tisch…

Der Winterbestand des Höckerschwans konzentrierte sich wie üblich auf die Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck, wo er auf ca. 60 Ind. (mit einem geringem Jungvogelanteil von maximal 20 Prozent) taxiert werden konnte. Im Umfeld des Seeburger Sees überwinterten bis zu 19 Ind. (darunter nur ein Jungvogel). Auf der Werra im Göttinger Südkreis hielten sich bis zu 33 Vögel auf.
In der Leineniederung überwinterten maximal 27 Singschwäne (darunter nur zwei Junge und die beiden treuen lettischen Gäste mit den Halsmanschetten 2E22 und 2E94). In der Feldmark Krebeck rastete vom 9. bis 15. Januar eine Familie mit zwei Jungen.

Singschwan - B.Riedel
Abb. 3: Singschwäne an den Northeimer Kiesteichen. Foto: Bernd Riedel

Eine Ringelgans der dunkelbäuchigen Nominatform war vom 6. bis 9. Februar Glanzlicht der Polder-Avifauna. Von diesem an der Küste überwinternden arktischen Gast liegen weniger als zehn Regionalnachweise vor. Kanadagänse ließen sich – mit maximal sechs Ind. am 16. Februar im Seeanger – den ganzen Winter über bestaunen. Einzelne Weißwangengänse traten am 9. und 10. Januar am Seeanger und am 13. Februar auf dem Northeimer Freizeitsee in Erscheinung.
Am 6. Dezember rasteten am Seeanger zwei Waldsaatgänse offenbar nur kurz. Maximal 3600 Tundrasaatgänse konnten nach dem Kälteeinbruch am 19. Januar am Schlafplatz Geschiebesperre Hollenstedt gezählt werden, später gingen die Zahlen wieder zurück. An diesem Tag hielten sich auch 1300 Blässgänse ebenda auf. Eine ähnlich hohe Zahl wurde am 6. Februar mit 1200 Ind. im Leinepolder notiert.
Nilgänse genossen den milden Winter bis weit in den Januar in hoher Zahl. Maximal 231 Vögel wurden am 9. Dezember in der Feldmark Einbeck gezählt, 130 Ind. am 19. Dezember am Seeanger. Nach dem Kälteeinbruch Mitte Januar sanken die Zahlen merklich.
Winterliche Brandgänse sind nicht mehr annähernd so selten wie früher: Am Seeburger See und Seeanger hielten sich im Januar und Februar über Tage Einzelvögel auf. An der Geschiebesperre Hollenstedt geriet am 13. Februar ebenfalls ein Einzelvogel in den Blick. Gleich vier Ind. hatten sich am 25. Februar im Leinepolder niedergelassen.
Die unvermeidliche Rostgans der Saison hielt sich vom 19. bis 25. Januar an der Geschiebesperre Hollenstedt auf.

Auf dem Obertorteich in Duderstadt schwamm am 30. Dezember ein Mandarinenten-Paar.

Mandarinenten auf dem Obertorteich - M.Siebner
Abb. 4: Mandarinenten in Duderstadt. Foto: Mathias Siebner

Der traditionelle Überwinterungsbestand der Pfeifente in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck belief sich auf ca. 120 Ind.
Ein schmuckes Männchen der Kolbenente fand sich am 1. Januar auf dem Seeburger See ein. Vermutlich derselbe Vogel verfügte sich später an die Northeimer Seenplatte, wo er bis zum Ende des Berichtszeitraums anwesend war.
Der Northeimer Freizeitsee war in diesem Winter ungemein vogelreich, besonders nach dem Zufrieren anderer Stillgewässer. Bis zu 280 Tafelenten und bis zu 750 Reiherenten bedeckten das Gewässer mit Höchstzahlen der letzten Jahre.
Am 14. Januar legten zwei Trauerenten auf dem Northeimer Freizeitsee eine offenbar nur kurze Rast ein. Deutlich länger, nämlich vom 8. bis 18. Januar, sagte das Gewässer drei Samtenten zu.
Zwergsäger erreichten am 22. Januar am Northeimer Freizeitsee mit 16 Ind. (1 M., 15 wf. Ind.) und am 20. Februar am Seeburger See mit 17 Ind. (3 M., 14 wf. Ind.) ihre Maxima, wobei zumindest ein Teil der Vögel identisch gewesen sein könnte. Gänsesäger waren am Seeburger See im Januar mit bis zu 120 Vögeln präsent. Am Göttinger Kiessee hielten sich im Dezember bis zu 54 Vögel auf. Um die Weihnachtsfeiertage wurden sie von zwei Kanuten und einem Stehpaddler vertrieben. Anfang Januar wurde (endlich) der Südteil des Gewässers im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Nutzerverbänden und Naturschützern durch eine mit Bojen markierte Leine abgesperrt. Die Zahlen aus dem Dezember wurden aber nicht annähernd wieder erreicht.
Verehrer prächtiger Männchen des Mittelsägers mussten sich am 26. Dezember am Seeburger See und am 6. und 7. Februar am Northeimer Freizeitsee mit einem schlicht gefärbten Vogel begnügen.

Mittelsäger - B.Riedel
Abb. 5: Mittelsäger (mit Gänsesägern) auf dem Northeimer Freizeitsee. Foto: Bernd Riedel

Bei der alljährlichen Zählung rufender Rebhühner im Landkreis Göttingen wurden auf 90 Transekten 213 Vögel notiert, etwas weniger als im Vorjahr (238 Ind.). In der Feldmark Diemarden gab es, allerdings nach einem lokalen Rekordjahr, einen Rückgang von 76 auf 39 Rufer, während im Raum Gieboldehausen – Wollbrandshausen und südlich von Ebergötzen Zuwächse (von 29 auf 45 bzw. von 20 auf 41 Ind.) verzeichnet werden konnten.

An der Geschiebesperre Hollenstedt tummelten sich bis zu 23 Zwergtaucher. Am Göttinger Kiessee hielten maximal 14 Ind. bis zum weitgehenden Zufrieren des Gewässers durch. Der Winterbestand im Göttinger Stadtgebiet dürfte mehr als 20 Vögel betragen haben und lag damit im guten Trend der letzten Jahre.
Haubentaucher erreichten am Seeburger See am 25. Dezember mit 54 Ind. ein eher mageres Maximum. Der Northeimer Freizeitsee lag mit maximal 125 Vögeln am 22. Januar in ihrer Gunst deutlich vorn. Am Göttinger Kiessee hielten sich bis zu 16 Ind. auf, die erst mit dem Zufrieren des Gewässers ab Mitte Januar verschwanden. Das ist der höchste Winterbestand der letzten Jahre.
Der ab dem 28. November an der Kiesgrube Reinshof präsente Rothalstaucher war nach dem 6. Dezember weitergezogen.
Am 30. Dezember gerieten an der Geschiebesperre Hollenstedt drei Schwarzhalstaucher in den Blick eines Beobachters. Wesentlich kooperativer und fotogener demonstrierte ein Artgenosse am 17. Februar an den Northeimer Kiesteichen, dass Winterbeobachtungen nicht mehr die große Ausnahme sind wie früher.
Das nennt man wohl einen Doppelschlag: Nachdem am 21. November ein Eistaucher mit kurzer Verweildauer am Seeburger See den dritten Regionalnachweis geliefert hatte, folgte ihm nur sieben Wochen später ein weiterer (Jung-)Vogel. Er hielt sich vom 14. bis 21. Januar am Northeimer Freizeitsee auf (Erstnachweis für den Landkreis Northeim) und zog etliche Beobachter und Fotografen in seinen Bann.

Eistaucher - M.Siebner
Abb. 6: Eistaucher auf dem Northeimer Freizeitsee. Foto: M.Siebner

Im Dezember stieg das Rastvorkommen des Kormorans am Göttinger Kiessee tageweise bis auf 110 Ind. Der eigentliche Winterbestand kann auf ca. 30 bis 50 Vögeln veranschlagt werden. Offenkundig gibt es vermehrte Bestrebungen der Sportangler, an ihrem gut bestückten Freilandaquarium mit dem verhassten Konkurrenten aufzuräumen. Das Ansinnen einer Abschussgenehmigung wurde von der zuständigen Behörde mit Verweis auf den Siedlungsbereich als befriedeter Bezirk abgelehnt. Daraufhin versammelten sich am 27. Februar an der Leine südlich des Flüthewehrs ein paar Bewaffnete – anscheinend mit dem Ziel (überfliegende?) Kormorane zu schießen. Unter den zahlreichen Spaziergängern sorgte der martialische Auftrieb für erhebliche Unruhe. Bald war die Polizei zur Stelle. Um die Mittagszeit löste sich die Partie auf, ohne zum Schuss gekommen zu sein. In Zukunft wird darauf zu achten sein, ob es erneut zu solchen Aktionen kommt.

Einzelne Rohrdommeln konnten sich am 31. Dezember im Leinepolder sowie am 9. Januar jeweils am Seeanger und Seeburger See nicht verstecken.

Rohrdommel - L. Sebesse
Abb. 7: Suchbild mit Rohrdommel vom Seeanger. Foto: Lennart Sebessse

Vom Schlafplatz des Silberreihers im Leinepolder liegen Maximalzahlen von 124 Ind. (31.12..) bzw. 130 Ind. (6.2.) vor, an den anderen Tagen waren es deutlich weniger. Am Seeburger See und Umgebung waren maximal 25 (26.12.) bzw. 29 Vögel (9.1.) präsent, der reguläre Winterbestand dürfte knapp 20 Vögel betragen haben.

Wie in den meisten Wintern machte sich die Kornweihe eher rar: Es gibt nur zwei Beobachtungen, und zwar aus dem Sollingvorland bei Hilwartshausen am 25. Dezember (K2-M.) sowie am 17. Januar vom Diemardener Berg (K2-Ind.).
Auch das Auftreten des Raufußbussards mit nur einem Nachweis vom 28. Januar im Seeanger (ad. M.) ist, von wenigen Einflugjahren abgesehen, typisch für die Region.
Dies trifft auch auf Winterbeobachtungen des Merlins zu, von denen nur eine am 13. Februar im Leinepolder Salzderhelden (ad. M.) gelang.
Kraniche waren praktisch immer unterwegs. Im Dezember und Januar handelte es sich zumeist um späte Durchzügler (maximal 574 Ind. in mehreren Trupps am 3.1. über Hann. Münden). In der Silvesternacht gerieten nachts ziehende Trupps bei Waake und über der Göttinger Innenstadt unter Raketenbeschuss und verhielten sich entsprechend desorientiert.
Ab Anfang Februar tauchten die ersten Heimzieher auf. Am 6. Februar rasteten immerhin 1900 Ind. im flach überstauten Leinepolder. An vier Tagen Mitte Februar zog wohl die Hauptmasse durch, allerdings wie meist im Frühjahr in der Dunkelheit und daher kaum zu quantifizieren.
Bis zu 800 Blässhühner, die in der Kälteperiode den Northeimer Freizeitsee bedeckten, sind aus regionaler Sicht eine Höchstzahl der letzten Jahre, mehr als doppelt so viele wie sonst.

Kiessee - P.Keuschen
Abb. 8: Am Göttinger Kiessee trotzten über 90 Blässhühner der Kälte. Foto: Phil Keuschen

Der Heimzug der Kiebitze verlief bis zum Ende des Berichtszeitraums eher unauffällig – bis auf den 23. Februar, als beachtliche 1500 Vögel im Leinepolder rasteten. In der Feldmark Reinshof hielten sich Ende Februar bis zu 500 Ind. auf.
Im Leinepolder verbrachten ein bis zwei Große Brachvögel die erste Februarhälfte.
Angesichts der vielen Gefahren, denen Waldschnepfen auf dem Zug ausgesetzt sind, ist es erfreulich ist, dass nur drei Beobachtungen (Ahlsburg, Reinhäuser und Weender Wald) vorliegen. Alle Vögel waren augenscheinlich gesund und munter.
Hauptüberwinterungsgebiet der Bekassine waren die ehemaligen Tongruben Siekgraben, wo bis zu elf Vögel ausharrten. An der Geschiebesperre Hollenstedt gelang, wie in anderen Jahren auch, zwei Waldwasserläufern die Überwinterung.
Am Northeimer Freizeitsee trieben sich im Januar bis zu 48 Sturmmöwen umher. 44 Vögel am 13. Januar an der Kiesgrube Reinshof riechen verdächtig nach einem Lokalrekord.
Am Northeimer Freizeitsee überwinterten zwei Steppenmöwen (1 ad., 1 K2-Ind.). Am Seeburger See bildeten am 14. Dezember vier K1-Vögel das Maximum. Zwei Vögel auf dem Göttinger Kiessee am 5. Januar waren offenkundig verpaart.

Steppenmöwe - S.Hillmer
Abb. 9: Steppenmöwenpaar am Göttinger Kiessee. Foto: Stefan Hillmer

An der Großen Blöße im Solling ließ sich am 27. Februar ein Sperlingskauz vernehmen.

Den Komfort eines weithin milden Winters konnte der Eisvogel in vollen Zügen genießen. Im Göttinger Siedlungsbereich tauchte er regelmäßig am Leinekanal in der Innenstadt (bis zu zwei Ind.), im Alten Botanischen Garten, am Schwänchenteich im Cheltenham-Park und an den Schillerwiesen auf und sorgte bei interessierten Normalbürger/innen für ungläubiges Staunen und irritierte Anrufe („gibt’s die hier?“).

Vom Raubwürger liegen seit dem 11. Oktober um die 70 Beobachtungen aus vielen Gebieten vor, die ein gutes Jahr indizieren. Die genaue Zahl besetzter Winterreviere muss offen bleiben, kann aber auf mindestens sechs (Leinepolder (2), Kerstlingeröder Feld, Feldmark Geismar, Lengderburg (beringter Vogel, der zu scheu zum Ablesen war!) und Feldmark Seulingen) beziffert werden.

Raubwürger - S.Hörandl
Abb. 10: Beringter Raubwürger an der Lengderburg. Foto: Stefan Hörandl

Am 28. Februar zogen 160 Saatkrähen über das Göttinger Ostviertel. Ansonsten lagen die Zahlen im einstelligen Bereich.

Am Seeburger See konnten am 26. Dezember zwei Bartmeisen ausgemacht werden, im Leinepolder an zwei Terminen im Januar und Februar bis zu sieben Ind.

Die aus dem Vorbericht bekannte dunkelbäuchige Wasseramsel – Kleinod der Göttinger Innenstadt – hielt es bis zum 27. Januar dort aus. Anfang März tauchte sie (oder ein anderer Vogel?) wieder auf.

Trotz milder Witterung und Schneearmut harrten Wiesenpieper nur in geringer Zahl aus. Mehr als drei Vögel wurden nirgendwo gezählt. Vom Bergpieper gibt es seit dem 8. Oktober 22 Beobachtungen, die bis auf eine (24. November Einzelvogel am Seeanger) alle aus der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck stammen. Das Maximum wurde am 6. November mit 13 Ind. (Polder I und II) erreicht.

Unter den Finkenvögeln sind bis zu 100 Kernbeißer bemerkenswert, die auf dem Göttinger Stadtfriedhof überwinterten. Seit dem 18. Oktober gerieten nordische „Tompetergimpel“ mit knapp 80 akustischen Wahrnehmungen zu Gehör. Die Gesamtzahl der Vögel, die manchmal in kleinen Trupps oder zusammen mit „normalen“ Gimpeln unterwegs waren, könnte sich auf mehr als 100 Ind. belaufen haben – einsamer Regionalrekord.

Ein Trötergimpel oder auch Trompetergimpel - M.Göpfert
Abb. 11: Trompetender Gimpel. Foto: Martin Göpfert

Vom Girlitz liegt nur die Beobachtung eines am 28. Februar über Gö.-Nikolausberg heimziehenden Vogels vor. Vom zahlreichen Ausharren in einem milden Winter kann (auch) bei dieser thermophilen Art nicht die Rede sein – allerdings wurden in der Vergangenheit die meisten Girlitze in Kältewintern registriert, was ebenfalls nicht ins Bild passt…
Auf dem Göttinger Stadtfriedhof überwinterten bis zu 30 Fichtenkreuzschnäbel, waren aber wie ihre stiernackigen Verwandten mit dem Monsterschnabel oft schwer auszumachen.
Vom Einflug der Erlenzeisige, der sich vor allem in Süddeutschland bemerkbar machte, war in unserer Region nichts zu spüren. Mit der Ausnahme von 150 Ind. am 24. Januar am Göttinger Flüthewehr lagen die Zahlen durchweg im ein- bis zweistelligen Bereich.
Der Stieglitz, „Vogel des Jahres 2016“, ließ sich vom milden Winter nicht übermäßig zum Ausharren verleiten. Der größte der (wenigen) Trupps umfasste am 19. Februar auf dem Göttinger Uni-Campus 50 Vögel.

Stieglitz - M.Siebner
Abb. 12: Stieglitz. Foto: Mathias Siebner

Auch der wärmeliebende Bluthänfling zeigte sich wenig geneigt zum Standvogel zu mutieren: Von ihm liegen nur elf Beobachtungen mit maximalen Truppgrößen von 30 bis 35 Vögeln im Northeimer Raum vor. Warum das so ist dürfte klar sein: Was helfen den Finken die schönsten Temperaturen im Plusbereich in Kombination mit wenig Schnee, wenn sie in der glyphosatgetränkten Öde nichts zum Beißen finden? Für das Vertilgen liegen gebliebener Maiskörner sind ihre Schnäbelchen in der Regel zu schwach. Zudem geht die Zahl samenreicher Blühstreifen immer weiter zurück. Auch dies wird beim Bohei um die „immer milderen Winter“ vergessen…

Am Northeimer Freizeitsee überwinterten bis zu 120 Goldammern. Ebenfalls 120 Ind. konnten am 4. Februar in der Feldmark westlich des Leinepolders gezählt werden.

Hans H. Dörrie

Dieser Bericht basiert nahezu ausschließlich auf Daten aus unserer Datenbank ornitho.de. Der Dank des Verfassers geht an:

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Eisvogel - P.Keuschen
Abb. 13: Eisvogelweibchen in der Göttinger Innenstadt. Foto: Phil Keuschen