„Tröröööh, trött, trött, trött!“. Wer oder was bringt um Himmelswillen solche Töne hervor? Benjamin Blümchen auf Speed? Eine Zweitakterkolonne, die im November 1989 die Göttinger Innenstadt mit Abgasen vernebelt? Weit gefehlt, so klingen Nilgänse bei ihrer ganz normalen Kommunikation. Bei der Balz geht es dagegen fast menschlich zu: Während das Weibchen lustvoll „Äääh“ stöhnt, schnarcht der Gatte. Den weitreichenden Kontaktruf „Onk, Onk“ äußern beide Geschlechter. Ob sich die südafrikanischen Fußballfans bei der Kreation ihrer legendär berüchtigten Vuvuzelas von den Fanfarenstößen ihrer geflügelten Landsleute haben inspirieren lassen, darf stark vermutet werden.
Nicht nur das stimmliche Inventar dieser so genannten Halbgans ist absonderlich, sondern auch ihr Aussehen. Auf langen roten Beinen kommt sie wie ein Harlekin daherstolziert. Das Gefieder schimmert in einem ansprechenden Mix aus grünen, rötlichen und unterschiedlich braunen Farbtönen. Wenn sie fliegt, fallen sofort die großen weißen Flügelfelder auf. Die Kopfzeichnung erinnert an eine Clownsmaske. Nilgänse sind aber alles andere als harmlose Possenreißer. Auge in Auge mit einem in Rage versetzten Vogel stellen sich, mit etwas Phantasie, Ähnlichkeiten zu Cholerikern wie Matthias Sammer aus der Chefetage des FC Bayern ein. Aber davon lassen wir uns nicht abschrecken und präsentieren einen kleinen Einblick in die Naturgeschichte eines gefiederten Nachbarn, der wohl nie zum „Vogel des Jahres” gewählt werden wird…
Herkunft und Verbreitung
Die Nilgans (Alopochen aegyptiaca) ist eine ursprünglich afrikanische Vogelart. Die Nordgrenze ihrer natürlichen Verbreitung liegt heute im südlichen Oberägypten. Historische Vorkommen im Nahen Osten sind schon lange erloschen. Nilgänse sollen bis ins 17. Jahrhundert auch auf dem Balkan gebrütet haben (Hagemeijer & Blair 1997, Bauer et al. 2005). Ob es sich dabei um autochthon eingewanderte Wildvögel gehandelt hat oder die osmanischen Eroberer sie als Janitscharen im Federkleid einbürgerten, ist unklar. In jedem Fall ist ein Wiederansiedlungsprojekt wie beim Waldrapp, der im gleichen Zeitraum aus Europa verschwand, wohl nicht erforderlich…
In England werden Nilgänse schon lange als Ziervögel gehalten. Die erste freifliegende Population gab es dort bereits Ende des 17. Jahrhunderts, in den nahen Niederlanden erst ab 1967. In Deutschland (Niedersachsen) fanden die ersten Freibruten ab Mitte der 1980er Jahre statt. Heute liegt der Brutbestand in unserem Bundesland bei ca. 2000 Paaren, mit weiterhin starker Zunahme in den westlichen Landesteilen (Krüger et al. 2014). Bundesweit ist die Nilgans die Brutvogelart mit der höchsten Zuwachsrate. Ihr Bestand lag 2009 bei 5000 bis 7500 Paaren und dürfte heute noch größer sein. Vor allem im Osten und Süden der Republik ist die Verbreitung (noch) lückenhaft (Gedeon et al. i. Dr.). Auf ornitho.de stellt sie sich für die Brutsaison 2014 folgendermaßen dar.
In unserer Region konnte die erste Brut im Juni 2000 am Böllestau bei Hollenstedt (Landkreis Northeim) notiert werden (Dörrie 2001). Seit 2008 schmückt sie den Levin-Park mit einem traditionellen Brutplatz (Dörrie 2011a). 2014 kam ein erfolgreiches Paar am Kiessee hinzu und verdoppelte damit den Göttinger Bestand. Die aktuelle Brutpopulation im Landkreis Göttingen und Altkreis Northeim kann auf weniger als 20 Paare veranschlagt werden. 2014 gab es, bei einer gewissen Dunkelziffer, 13 dokumentierte Bruten, im Vorjahr nur elf (Dörrie 2014). Viele Nistplätze befinden sich in den Niederungen von Leine, Rhume, Werra und Weser, die auch Leitlinien der Ausbreitung sind.
Ein Vogel auf der Gewinnerspur
Das starke Anwachsen der Nilgans-Brutbestände in West- und Mitteleuropa ist ein vergleichsweise junges Phänomen, das erst zum Ende des 20. Jahrhunderts zur vollen Entfaltung gelangte. Dabei dürfte die allgemeine Nährstoffanreicherung in Feuchtgebieten und auf Agrarflächen eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Eiweißreiche pflanzliche Nahrung ist in Hülle und Fülle vorhanden, was für einen überwiegenden Vegetarier wie unseren Porträtvogel von einiger Bedeutung ist. Mieten an Agroenergie-Anlagen und abgeerntete Maisfelder sind zu wichtigen Nahrungsquellen geworden. Die naturnahe Entwicklung der Vegetation an Kiesgruben und anderen Stillgewässern sorgt für mehr Brutplätze. Gebietsweise profitiert die Nilgans als erster Ansiedler von kleinen Tümpeln („Biotopen“), die im Offenland als Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft oder von Jägern als aufwertendes Strukturelement angelegt werden. Nicht selten werden, sehr zum Verdruss ihrer Initiatoren, künstliche Nisthilfen für den Weißstorch in Beschlag genommen – aber so gut wie immer wieder geräumt, wenn Adebar im Anflug ist. Viele Städter/innen sind Parkvögeln wohlgesinnt und füttern sie fleißig. Das Abschussverbot im Siedlungsbereich tut ein Übriges. Hinzu tritt, dass die Vögel, obschon zur Brutzeit sehr reviertreu und wenig kälteempfindlich, ein der nördlichen Hemisphäre angepasstes Ausweichverhalten entwickelt haben. So können sie bei Bedarf die kalte Jahreszeit in wärmeren Gefilden überdauern. Der traditionelle Spätherbst-Rastbestand an der Geschiebesperre Hollenstedt bei Northeim kann bis zu 300 Vögel umfassen und liegt damit um einiges höher als der regionale Brutbestand. Woher die vielen Vögel stammen ist unklar. Aus dem Jahr 2002 liegt die Beobachtung einer (vermutlich) in Nordrhein-Westfalen beringten Nilgans vor (Dörrie 2003), darüber hinaus gibt es keine Erkenntnisse. In harten und vor allem schneereichen Wintern sind die meisten Nilgänse aus der Region verschwunden.
Brutökologie
Ein weiterer gewichtiger Faktor bei der Bestandszunahme ist die Brutökologie der Vögel. Nilgänse sind ungemein anpassungsfähig. In klimatisch begünstigten Regionen West- und Süddeutschlands kommt es regelmäßig zu Spätherbst- und Winterbruten. Möglicherweise werden die Vögel durch starke Niederschläge zum Brüten angeregt – wie ihre afrikanischen Artgenossen zum Beginn der Regenzeit. Einige Paare schreiten sogar zweimal im Jahr zur Fortpflanzung, was für eine Gänseart sehr ungewöhnlich ist (Bauer et al. 2005).
Legendär ist auch ihre flexible Nistplatzwahl. Nilgänse brüten versteckt am Boden, nicht selten aber auch an Gebäuden und in verlassenen Rabenkrähen- und Greifvogelnestern. In Göttingen fliegen sie bisweilen paarweise um das Neue Rathaus und überlegen sich anscheinend, wie dieser monströse Betonklotz sinnvoll zu nutzen wäre. Aus Frankfurt/Main gibt es das nette Foto einer Nilgans, die Mitarbeiter/innen der Bundesbank mit Büro im 7. Stock einen offenbar hochwillkommenen Besuch abstattet.
Als ein Vogelkundler 2011 einen Anwohner in Göttingen-Treuenhagen darüber aufklärte, dass in einem Nadelbaum auf seinem Grundstück eine Gans brütet (in einem im Vorjahr von Waldohreulen okkupierten Krähennest), dachte dieser zunächst an einen Scherz. Die Brut scheiterte jedoch aus ungeklärter Ursache. Bei diesem Brutplatz ist auch die, im Kontrast zu anderen Wasservögeln, recht große Entfernung zu den nächsten Gewässern erwähnenswert: ca. 200 Meter zur Leine und ca. 600 Meter zum Kiessee. So etwas ist aber bei Nilgänsen nicht selten und unterstreicht nur ihr plastisches Ansiedlungsverhalten.
Die Gelege bestehen im Schnitt aus sechs bis zehn Eiern, der Bruterfolg ist in der Regel hoch. Sind die Gössel geschlüpft, gibt es kaum noch Verluste, so dass die meisten ein flugfähiges Alter erreichen.
Feind der heimischen Vogelwelt?
Immer wieder wird in der Tagespresse über den vermeintlich schädlichen Einfluss der Nilgans auf andere Vogelarten geklagt. Urheberin solcher Meldungen ist zumeist die organisierte Jägerschaft. Sie sieht in der verstärkten Bekämpfung fremdländischer Arten ein neues Betätigungsfeld, auf dem sie bei der Normalbevölkerung, die ihrer Passion zunehmend kritisch gegenübersteht, zu punkten hofft. Im Jagdjahr 2013/14 wurden dem niedersächsischen Landesjagdbericht zufolge landesweit 3895 Nilgänse geschossen, 90 davon in den Landkreisen Göttingen und Northeim.
Mittlerweile gilt die Nilgans jedoch als dauerhaft eingebürgerte Vogelart (Bauer & Woog 2008). In der naturschutzfachlichen Diskussion über den (potentiell) negativen Einfluss von Neozoen auf andere Arten spielt sie keine besondere Rolle. Zwar wird ihr eine, „lokale und vereinzelte“ Verdrängung anderer Wasservögel attestiert, eine flächendeckende Bekämpfung aber nicht empfohlen (Steiof 2011). Bauer & Woog (2011) bemängeln völlig zu Recht, wie dünn die Datenlage zu diesem Problemfeld ist. Dass die Nilgans andere Vogelarten auf Populationsebene beeinträchtigt, ist durch nichts belegt. Grund genug, die aktuelle Situation etwas näher zu beleuchten, bevorzugt aus regionaler Sicht.
Zweifellos sind Nilgänse sehr zänkische und aggressive Vögel, zumindest in der Brutzeit. Weil sie möglichst große Reviere gegen Artgenossen verteidigen ist ihre Siedlungsdichte aber gering und nicht mit der von anderen, wesentlich häufigeren Wasservögeln vergleichbar. Der Einfluss auf andere Arten hängt zudem von der Größe der Brutgewässer ab. Dies lässt sich in Göttingen besonders gut am Levin-Park nachvollziehen. An diesem wenig mehr als einen Hektar großen Parkteich kommt es regelmäßig zu Attacken von Nilgänsen auf Stockenten, die manchmal mit dem Tod von Küken enden. Junge führende Reiherenten und Teichhühner werden dagegen in Ruhe gelassen: Sie passen nicht ins angeborene Feindbild. Die Levin’schen Stockenten weisen jedoch mit bis zu 35 Prozent aller Individuen und bis zu 50 Prozent der brütenden Weibchen einen hohen Anteil von Hybriden mit Zuchtformen auf (Dörrie 2005). Sie können deshalb schwerlich als genuine Wildvögel betrachtet werden. Trotz gelegentlicher Verluste nach Nilgansattacken ist der lokale Stockentenbestand über die Jahre mit drei bis vier Brutpaaren stabil.
Lokaler Platzhirsch ist unbestritten der bei uns als Parkvogel eingebürgerte Höckerschwan. Wenn er Nachwuchs hat, errichtet er ein regelrechtes Terrorregime. Auch er ignoriert den Nachwuchs von Tauchenten und Rallen. Wenn Graugänse – deren Bestand letztlich ebenfalls auf Aussetzungen (unter eifriger Beteiligung der Jägerschaft) zurückgeht (Dörrie 2010, Krüger et al. 2014) – Junge führen, werden diese in der Regel ertränkt. Im Levin-Park hat es in der jüngeren Vergangenheit nur 2013 (keine Höckerschwanbrut) eine erfolgreiche Reproduktion der Graugans gegeben, bei der immerhin zwei von vier Gösseln überlebten (Dörrie 2013).
Dagegen enden Versuche, die kleinen Nilgänse zu ersäufen, praktisch immer erfolglos. Warum? Anders als Graugänse, die ihren Nachwuchs niemals im Stich lassen würden, haben, wie mehrfach beobachtet, die Nilgänse eine verblüffend einfache und wirksame Gegenstrategie entwickelt: Tritt der Killerschwan in Aktion, nehmen die Eltern die Auseinandersetzung selbstbewusst an. Derweil verstecken sich die Küken schnell auf einer Insel. Danach – fliegen die Altvögel einfach weg. Der Aggressor blickt verdutzt hinter ihnen her, genießt seinen Triumph und macht sich wieder selbstzufrieden am Ufer breit. Erst nach ca. 20 Minuten kehren die Altvögel (lautlos!) zurück und nehmen ihre Sprösslinge in Empfang – bis zur nächsten Attacke.
Wird am Levin-Park die „heimische Vogelwelt“ von der „invasiven“ Nilgans bedroht? Wohl kaum…
Am Kiessee, der mit seinen ca. 13 Hektar deutlich größer ist als der Levin-Park, konnten bislang keine Angriffe von Höckerschwänen und Nilgänsen, auf welche andere Wasservogelart auch immer, festgestellt werden. Augenscheinlich reicht die Ausdehnung der Wasserfläche aus, um die Aggressivität dominanter Arten ins Leere laufen zu lassen und potentiellen Opfern das Ausweichen zu ermöglichen. Dies gilt erst recht für alle Gewässer, die größer als der Kiessee sind.
Wenn man ab dem Frühsommer die Geschiebesperre Hollenstedt besucht, ist diese förmlich von Gänsen bedeckt. Für rastende Wat- und andere Wasservögel ist das sicher von Nachteil. Sie finden zwischen den großen Vögeln schlichtweg keinen Platz mehr. In diesem Gebiet übertreffen jedoch die Rastbestände der Graugans diejenigen der Nilgans in der Regel um den Faktor 10. Das Verdrängungspotential der Nilgans ist deshalb allenfalls eine zusätzliche Belastung. Gäbe es dort keine Graugänse – die großteils ebenfalls Nachfahren eingebürgerter Vögel sind – wäre die Situation für alle kleineren Rastvögel wesentlich entspannter.
Im Landkreis Göttingen nehmen Nilgänse ab und an Nester des Rotmilans in Beschlag. Der Rotmilan ist eine Vogelart mit weithin negativem Bestandstrend und von höchster Schutzpriorität. Wird sein Brutbestand von der Nilgans beeinträchtigt? Dagegen spricht eine ganze Menge. Wie die meisten Greifvogelarten verfügt auch der Rotmilan über Ersatznester, die bei Bedarf genutzt werden können. Zudem standen die von der Nilgans okkupierten Nester leer oder waren nach einer gescheiterten Brut verlassen. Aus dem Frühjahr 2011 liegt die Beobachtung einer Nilgansbrut in einem Nest an der Retlake nahe dem Seeanger vor, an dem kurz zuvor noch ein Rotmilanpaar präsent war (Dörrie 2011b). Ob Nilgänse die Milane nach einem Kampf zum Aufgeben gezwungen hatten oder deren Brut aus anderen Gründen ohne Erfolg geblieben war, ist unklar. Gegen die erste Annahme spricht, dass feindliche Nestübernahmen unter Gegenwehr der rechtmäßigen Besitzer sehr selten zu sein scheinen: In der bundesweiten Datenbank Ornitho.de mit knapp 118.000 Einträgen zur Nilgans und 166.000 Einträgen zum Rotmilan (Stand Mitte Dezember 2014) ist nur ein einziger Fall (2014 aus dem Thüringer Wartburgkreis) vermerkt. Ob sich weitere solcher Vorkommnisse unter den aus Schutzgründen gesperrten Rotmilandaten verbergen, muss offen bleiben.
Die beiden Videos stammen von einer Überwachungskamera aus dem Rotmilan-Schutzprojekt der Uni Göttingen. Die Aufnahmen entstanden im Juli und August 2014 an einem Rotmilannest im Umfeld des Seeburger Sees. Die Nilgänse ließen sich dort erst zur Brut nieder, nachdem zwei junge Milane flügge geworden waren. Von den drei geschlüpften Gösseln (die restlichen Eier waren wohl unbefruchtet) fehlte später jede Spur. Zuvor hatte das Brutpaar (oder ein anderes) im gleichen Gebiet ein Rotmilannest in einer Pappelgruppe bezogen, nachdem die Jungvögel einem Marder zum Opfer gefallen waren. Der schlimme Finger holte sich später auch das Nilgansgelege.
Aus Holland gibt es ein erstaunliches Video, das die Eroberung eines Habichtnests durch ein Nilganspaar dokumentiert (Link auch im Porträt des „Vogels des Jahres 2015“). Vorher hätte wohl niemand für möglich gehalten, dass Nilgänse diesem großen und äußerst wehrhaften Greifvogel dermaßen Paroli bieten können. Waren den Habichten die lautstarken und sonderbar gefärbten Okkupanten völlig unbekannt und haben sie deshalb ihr Nest geräumt? Klingt plausibel, wäre aber im nilgansreichen Holland eher unwahrscheinlich. Die Flugattacken auf die Eindringlinge sehen fast spielerisch aus. Dabei wäre es zumindest dem Habichtweibchen wohl ein Leichtes gewesen, die Gänse zu vertreiben, wenn nicht gar zu töten. Lag eine Art Beißhemmung gegenüber potentiellen Beutetieren in der Nähe des eigenen Nests vor, die auch von anderen Greifvögeln bekannt ist (und z.B. von brütenden Rothalsgänsen in der Tundra genutzt wird)? Wie auch immer: Das offenkundig früh im Jahr verfertigte Video lässt offen, ob das Nest schon Eier oder Jungvögel enthielt. Dies hätte möglicherweise eine erheblich aggressivere Reaktion der Habichte nach sich gezogen. Ob dem dreisten Nestraub dauerhafter Erfolg beschieden war und eine Habichtbrut verhindert wurde, bleibt ebenso ungewiss. Auch Habichte verfügen über Ausweichnester, die sie nach Störungen nutzen können.
Fazit und Ausblick
Für die meisten Avifaunisten ist die Nilgans uninteressant: ein nervender Exot, den man nicht mehr loswird. Einige begegnen ihr, wie der Verf. vor 15 Jahren (Dörrie 2010), immer noch mit strikter Ablehnung. Warum eigentlich? Die Mutmaßungen über einen schädlichen Einfluss auf andere Vogelarten entbehren, wie oben gezeigt, zumeist der Substanz. Gibt es ihn, so scheint er, zumindest in Süd-Niedersachsen, nur sehr lokal zu sein. Regelmäßig betroffen sind lediglich ein paar futterzahme Stockenten zweifelhafter Provenienz an einem winzigen Parkgewässer. Als Begründung für den massenhaften Abschuss von Nilgänsen „zum Schutz heimischer Vogelarten“ ist das mehr als dünn. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass (wieder einmal) eine Vogelart als Sündenbock oder Alibi herhalten muss, weil man im Natur- und Artenschutz nicht weiterkommt.
Vielleicht kann dieses kleine Porträt zur vorurteilsfreien Betrachtung einer in vielerlei Hinsicht faszinierenden Vogelart beitragen. Man muss die Nilgans ja nicht gleich lieben und ihre Ansiedlung bejubeln. Teilnehmendes Beobachten reicht völlig aus.
Ein herzlicher Dank geht an Dr. E. Gottschalk (Abt. Naturschutzbiologie der Uni Göttingen) für die Bereitstellung der Videos von brütenden Nilgänsen und an alle Fotografen.
Hans H. Dörrie
Literatur
Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Aula-Verlag, Wiebelsheim
Bauer, H.-G. & F. Woog (2008): Nichtheimische Vogelarten in Deutschland, Teil I: Auftreten, Bestände und Status. Vogelwarte 46: 157-194
Bauer, H.-G. & F. Woog (2011): Bemerkungen zur „Invasivität“ nichtheimischer Vogelarten. Ber. Vogelschutz 47/48: 135-141
Dörrie, H.-H. (2001): Avifaunistischer Jahresbericht 2000 für den Raum Göttingen und Northeim. Naturkdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs. 6: 5-121
Dörrie, H.-H. (2003): Avifaunistischer Jahresbericht 2002 für den Raum Göttingen und Northeim. Naturkdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs. 8: 4-106
Dörrie, H.-H. (2005): Avifaunistischer Jahresbericht 2004 für den Raum Göttingen und Northeim. Naturkdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs. 10: 4-76
Dörrie, H.H. (2010): Anmerkungen zur Vogelwelt des Leinetals in Süd-Niedersachsen und einiger angrenzender Gebiete 1980-1998. Kommentierte Artenliste. 3., korrigierte Fassung im pdf-Format
Dörrie, H.-H. (2011a): Göttingens gefiederte Mitbürger. Streifzüge durch die Vogelwelt einer kleinen Großstadt. Zweite Aufl. Göttinger Tageblatt Buchverlag. Göttingen
Dörrie, H.-H. (2011b): Heimzug und Brutzeit 2011 – vogelkundliche Neuigkeiten aus einem denkwürdigen Frühjahr
Dörrie, H.-H. (2013): Heimzug und Brutzeit – März bis Juni 2013 – in Süd-Niedersachsen: Kalamitäten am laufenden Band
Dörrie, H.-H. (2014): Späte Brutzeit und Wegzug 2014 in Süd-Niedersachsen: gemächlich dem Winter entgegen
Gedeon, K., C. Grüneberg, A. Mitschke, C. Sudfeldt, W. Eikhorst, S. Fischer, M. Flade, S. Frick, I. Geiersberger, B. Koop, M. Kramer, T. Krüger, N. Roth, T. Ryslavy, F. Schlotmann, S. Stübing, R. Sudmann, R. Steffens, F. Vökler & K. Witt (i. Dr.): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring und Dachverband Deutscher Avifaunisten. Hohenstein-Ernstthal und Münster
Hagemeijer, W. J. M. & M. J. Blair (1997): The EBCC atlas of European breeding birds. London
Krüger, T., J. Ludwig, S. Pfützke & H. Zang (2014): Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005-2008. Naturschutz Landschaftspfl. Niedersachsen, H. 47. Hannover
Steiof, K. (2011): Handlungserfordernisse im Umgang mit nichtheimischen und mit invasiven Vogelarten. Ber. Vogelschutz 47/48: 93-118