Späte Brutzeit und Wegzug 2016 in Süd-Niedersachsen: mal warm, mal kalt – Wetter halt

Rauchschwalbe - Siebner
Abb. 1: Flügge Rauchschwalben am Göttinger Flüthewehr. Foto: M. Siebner

Das Wetter wies im Berichtszeitraum Juli – November einige Besonderheiten auf. Am 28. August fegte ein Sturm über den Göttinger Süden und sorgte am Kiessee für zahlreiche umgestürzte Bäume, vor allem alte Weiden. Der sehr warme September (fünf Grad wärmer als im Durchschnitt) glich mehr einem Sommermonat. Der Oktober war dagegen alles andere als golden und eher kühl. Der ungewöhnlich frühe Wintereinbruch in der ersten Novemberhälfte mit gebietsweise starken Schneefällen im Norden der Republik machte sich bei uns nur in abgeschwächter Form mit ein paar Frostnächten bemerkbar, in denen einige Kleingewässer, darunter auch Teile des Seeangers, schnell zufroren. Gleichwohl erreichten uns in diesem Zeitraum gefiederte Gäste auf der Winterflucht. Nach einer kurzen Phase der Milderung waren Ende des Monats einige Stillgewässer erneut mit Eis bedeckt.

Im Leinepolder Salzderhelden traf der treue lettische Singschwan mit der Farbmarkierung 2E 94 am 25. November zu seiner fünften Überwinterung in Folge ein, mit Partner, aber leider ohne Nachwuchs.

In der ersten Oktoberdekade rasteten bis zu neun Weißwangengänse im Seeanger, ansonsten gibt es nur einen Vaganten zu vermelden, der sich unter anderem an der Geschiebesperre Hollenstedt und der Kiesgrube Reinshof bemerkbar machte.

Im Umfeld der Geschiebesperre Hollenstedt erhöhte sich die Zahl erfolgreicher Nilgansbruten auf drei, wie im Vorjahr kam eine am nahen Böllestau hinzu. Am Göttinger Kiessee konnte sich ein zweites Paar fortpflanzen, mit einem selbständig gewordenen Sprössling. Damit liegen, wenn es in den kommenden Wochen keine Winterbruten gibt, Hinweise auf zehn erfolgreiche Bruten vor, deutlich weniger als im Vorjahr (18 Bruten). Einige aus den Vorjahren bekannte Brutplätze wurden 2016 nicht kontrolliert, so dass die wirkliche Zahl etwas höher liegen könnte. Dies ändert aber nichts daran, dass eine stürmische Expansion dieser von Unkundigen dämonisierten Art wohl anders aussieht.

Nilgans - AStumpner
Abb. 2: Nilgänse bei der Restmüllverwertung am Göttinger Kiessee. Foto: A. Stumpner

Am 5. Juli bevölkerten 25 Brandgänse kurzzeitig den Seeanger. Anderswo traten sie nur in niedriger einstelliger Zahl in Erscheinung.

Im Herbst bemühten sich am Obertorteich in Duderstadt bis zu zwei männliche Mandarinenten um ein Weibchen. Ein Junggeselle zierte am 29. Oktober die Geschiebesperre Hollenstedt und am 8. November den Großen Northeimer Freizeitsee.

Mit der Beobachtung eines Weibchens, das drei schon recht große Jungvögel führte, gelang am 11. Juli im Leinepolder Salzderhelden endlich mal wieder ein Brutnachweis der Schnatterente. Mindestens 130 Vögel (wohl auf der Eisflucht aus dem Nordosten, wo es im Herbst große Rastbestände an Flachwassern gibt) bedeckten am 11. November den Großen Northeimer Freizeitsee – ein Lokalrekord für dieses Gewässer.

Ab November war der traditionelle Überwinterungsplatz der Pfeifente an der Rhume in Northeim mit mehr als 120 Vögeln wieder gut besetzt. Ein Rastplatz der ganz besonderen Art wurde in diesem Herbst von bis zu fünf Vögeln besucht: das nur ca. einen halben Hektar große, von Rasenflächen umgebene Rückhaltebecken auf dem Gelände der JVA Rosdorf. Hier sind die Vögel bei ihren Weidegängen vor Störungen sicher, nur ab und an schaut ein Wachmann mit (angeleintem) Hund vorbei…

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Abb. 3a: Wie in jedem Jahr: Pfeifenten an der Rhume in Northeim. Foto: B. Riedel
Pfeifente -MSiebner
Abb. 3b: Männliche Pfeifente auf der Leine in Göttingen. Foto: M. Siebner

Fünf Kolbenenten (4 Männchen, 1 Weibchen) legten am 31. Oktober an den Northeimer Kiesteichen eine offenbar nur kurze Rast ein.

Für die Reiherente war 2016 ein ausgesprochen mageres Brutjahr. Von der Rhume in Northeim liegen Hinweise auf zwei Bruten mit Schlupferfolg vor, am Böllestau konnte ein Weibchen bemerkenswerte sieben Kleine in die Selbständigkeit führen. In Stadt und Landkreis Göttingen geriet nur ein nichtflügger Jungvogel ins Blickfeld, am 3. September an der Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden.

Am 27. November zeigte ein männlicher Hybrid Tafel- x Reiherente am Northeimer Freizeitsee einige Merkmale der nordamerikanischen Kleinen Bergente, mit der solche Kreuzungen manchmal verwechselt werden. Struktur, Größe und vor allem der große dunkle Nagelfleck schlossen einen Ausnahmegast aber sicher aus.

Im November hielten sich am Seeburger See über Wochen bis zu drei junge Bergenten auf.

Am 11. und 13. November schwamm auf dem Northeimer Freizeitsee bzw. auf einem der nahen Kiesteiche eine junge Eiderente (erster Regionalnachweis seit 2010). Ein Artgenosse, der am 18. November den Seeburger See bereicherte, könnte derselbe Vogel gewesen sein.

Die vordem letzte Beobachtung einer Eisente liegt nur zwei Jahre zurück („der unheimliche Dauertaucher vom Seeburger See“). Gleichwohl kann ein junger Nachfolger, der sich seit dem 11. November an den Northeimer Kiesteichen aufhält, immer noch als große Besonderheit verbucht werden.

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Abb. 4: Eisente an den Northeimer Kiesteichen. Foto: B. Riedel

Vom 29. Oktober bis 4. November besuchten bis zu vier junge Trauerenten (30.10.) den Seeburger See, zwei weitere folgten ihnen ab dem 25. November ebenda. Den Schlusspunkt setzten drei Vögel am 27. des Monats. Das ist, immerhin, ein kleiner Abglanz des bemerkenswerten Einflugs ins deutsche Binnenland.

Seit dem 23. November komplettieren drei weibchenfarbene Samtenten an den Northeimer Kiesteichen die Palette von Meeresenten. Ihnen folgten vom 26. bis 27. des Monats am Seeburger See bemerkenswerte acht Artgenossen.

Aus dem Zeitraum Mai – Juli liegen Wahrnehmungen von 17 rufenden Wachteln vor, darunter ein am 12. Juni nachts über das Göttinger Ostviertel ziehender Vogel. Das Maximum lag bei drei Rufern am 20. Mai im Leinepolder Salzderhelden.

Offenkundig kommt es wieder zu vermehrten Aussetzungen von Fasanen durch unbelehrbare Waidwerker. Dass sie sich nicht auf das Eichsfeld beschränken zeigte ein Vogel vom 12. November in der Feldmark Reyershausen. Der nächste schneereiche Kältewinter wird diesen bedauernswerten Kreaturen den Garaus machen – sofern sie vorher nicht geschossen werden.

Der aktuelle niedersächsische Landesjagdbericht 2014/15 weist für den Landkreis Göttingen eine „Jagdstrecke“ von 19 Rebhühnern aus. Dabei ist unklar, ob sie „erlegt“ wurden oder ob es sich um so genanntes „Fallwild“ gehandelt hat. In diese Rubrik fallen in der Regel Rebhühner, deren Todesursachen im Dunkeln bleiben (sollen). Sind sie durch Zusammenstöße mit dem SUV des Jagdpächters zu Tode gekommen oder wurden sie aus Versehen von einem Deutsch Kurzhaar apportiert? Man weiß es nicht… Die Jägerschaft hat sich in einer freiwilligen Übereinkunft verpflichtet, die neuerdings in der Roten Liste als „stark gefährdet“ aufgeführten Vögel nicht mehr zu schießen. Die Verfasser des Landesjagdberichts beklagen selber, dass 295 tote Rebhühner in Niedersachsen, von denen beachtliche 237 als „Fallwild“ deklariert wurden, dem (ohnehin ramponierten) Image der „grünen Abiturienten“ nicht gerade förderlich sind.

Rebhuhn - VLipka
Abb. 5: Rebhuhn. Foto: V. Lipka

Vom Zwergtaucher gibt es Hinweise auf erfolgreiche Bruten von den Klärteichen bei Lauenberg (Sollingvorland), vom Böllestau, von den Husumer Teichen bei Hammenstedt und aus der Kiesgrube Ballertasche (zwei Paare mit jeweils zwei Bruten). Im Landkreis Northeim existieren zahlreiche Kleingewässer als potentielle Bruthabitate der kleinen Trillerkünstler, die aber von Vogelkundlern so gut wie nie aufgesucht werden. Eine gezielte Suche könnte durchaus positive Ergebnisse hervorbringen.

Am Seeburger See kam es zu mindestens 15 Bruten von Haubentauchern, von denen um die zehn von Schlupferfolg gekrönt waren. Wie mittlerweile üblich wurden die Nester auf den Blättern von Seerosen angelegt, um der Prädation durch terrestrische Beutegreifer zu entgehen. Die Nahrungssuche dürfte durch eine massive Algenblüte beeinträchtigt gewesen sein, die ab dem Hochsommer das Wasser in eine tiefgrüne Brühe verwandelte. Die Algenblüte hatte auch zur Folge, dass sich die Seerosenblätter schneller als üblich zersetzten. Die allermeisten Bruten konnten aber vorher erfolgreich abgeschlossen werden.
An den Thiershäuser Teichen konnten sich drei Paare mit insgesamt acht Kleinen erfolgreich reproduzieren. Hier scheint es mit der Art bergauf zu gehen. An den Northeimer Kiesteichen und an den „Wunderteichen“ südlich des Freizeitsees fanden insgesamt drei erfolgreiche Bruten statt. Am „Kormoranteich“ wurde ein brütender Altvogel vermutlich von einem Habicht erbeutet. An der Geschiebesperre Hollenstedt war wie im Vorjahr ein Paar präsent, konnte sich aber nicht fortpflanzen.
An der Kiesgrube Reinshof scheint sich die Art dauerhaft zu etablieren: Aus einer Brut wurden zwei Junge selbständig.

Haubentaucher - Siebner
Abb. 6: Flügger Haubentaucher Anfang Juni am Kiessee. Foto: M. Siebner

Am Göttinger Kiessee schritt in diesem Jahr nur ein Paar zur Brut. Zwei von drei Kleinen wurden selbständig und waren schnell verschwunden. Das ist der niedrigste Wert seit Jahren. Weitere Paare mit Brutambitionen waren nicht präsent, dagegen, sehr merkwürdig, bereits am 8. Juni für kurze Zeit zwei flügge Jungvögel, die nicht vor Ort erbrütet worden waren. Woher sie stammten, ist völlig unklar, mit Sicherheit nicht aus der näheren Umgebung. Die brütenden Vögel verhielten sich ungewohnt scheu und suchten immer den Schutz der Ufervegetation. Das gelang ihnen so gut, dass die Brut erst nach dem Schlupf der Jungen am 22. Juli entdeckt wurde. Über die Gründe des Bestandseinbruchs kann man nur mutmaßen. Gibt es, wie von Anglern vor Ort behauptet, eine signifikante Veränderung der Fischfauna zu Lasten mittelgroßer Fische, die sich angeblich in einem starken Rückgang von Weißfischen manifestiert? Dem schien der ungewöhnlich hohe Rastbestand im Winter 2015 von bis zu 16 Vögeln zunächst zu widersprechen. Die Wegzug-Rastzahlen bis zum frühen Zufrieren des Gewässers Ende November könnten jedoch durchaus auf eine (durch Besatzmaßnahmen geförderte?) Änderung im Nahrungsangebot deuten. Haubentaucher und Gänsesäger waren in der Regel mit weit unter zehn Vögeln unterdurchschnittlich präsent, Kormorane dagegen in guter Zahl mit regelmäßig um die 80 bis 100 Vögel. Allerdings ist bei den Kormoranen ihr weiter Aktionsradius zu berücksichtigen; hinzu tritt, dass der Kiessee für sie ein sicheres Refugium darstellt, wo sie vor Abschüssen geschützt sind und sich entsprechend konzentrieren. Gegen eine signifikante Zunahme von Prädationsereignissen spricht der gute Bruterfolg aller anderen Wasservögel. Möglicherweise hat auch der natürliche Wegfall erfahrener Paare, die den aktiven Grundstock einer Lokalpopulation bilden, eine Rolle gespielt.

Schwarzhalstaucher lieferten Ende August am Seeburger See mit fünf Vertretern ein eher mageres Maximum. Recht optimistisch scheinen zwei ortsfeste Vögel ab dem 25. November an den Northeimer Kiesteichen zu sein.

Am Seeburger See rastete am 22. November ein Prachttaucher offenbar nur für kurze Zeit – bis die Anglerboote kamen.

Am 29. Oktober machte sich am Seeburger See eine Rohrdommel bemerkbar. Am 7. August konnte in der Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden eine diesjährige Zwergdommel, wohl auf dem frühen Wegzug, ausgemacht (und fotografiert) werden. Der Lebensraum ist für diese Art alles andere als suboptimal…

Am 21. Juli präsentiert an der Geschiebesperre Hollenstedt ein Silberreiher seine farbberingten Beine (links: oben rot, unten gelb; rechts: oben blau, unten rot). Wer nun gedacht hätte, dass dieser Vogel aus Ungarn stammt (wo Silberreiher beringt werden) oder gar aus der von Reihern wimmelnden Todeszone um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine, sah sich getäuscht: Er wurde am 2. Mai 2012 als Nestling am 1300 km entfernten Lac de Grand-Lieu nahe der französischen Atlantikküste markiert. Interessanterweise entstammten die beiden anderen Vögel, deren Herkunft in der Region durch Farbringablesung ermittelt werden konnte (Anfang Mai 2005 am Seeanger), ebenfalls dieser damals nur aus 15 bis 20 Paaren bestehenden Brutpopulation.

Im Spätherbst kam es um Seeburg zu einem, für den Landkreis Göttingen beispiellosen, Auftrieb der weißen Riesen. Bis zu (mindestens) 150 Vögel bevölkerten die Auemündung, den Röhrichtgürtel des Sees sowie Seeanger und Lutteranger. Dagegen fielen die Zahlen in der Leineniederung zwischen Northeim und Einbeck, die sich im niedrigen zweistelligen Bereich bewegten, stark ab. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass aussagekräftige Schlafplatzzahlen von dort nicht vorliegen. Das massierte Auftreten im Göttinger Ostkreis dürfte mit dem Nahrungsangebot zusammen hängen. Möglicherweise hat das schlechte Mäusejahr die Vögel gezwungen, sich wieder vermehrt dem Fischfang zu widmen.

Silberreiher - M. Siebner
Abb. 7: Silberreiher an der Auemündung. Foto: M. Siebner

Der Brutbestand der Göttinger Graureiher belief sich in diesem Jahr auf ca. 17 erfolgreiche Paare und näherte sich damit wieder den Zahlen vor dem sehr schlechten Jahr 2015 an. Am Levin-Park brüteten zehn Paare auf Schwarzerlen und Weiden am Ufer und (nur) eins auf der alten Inselweide. Auf der Insel im Kiessee waren zwei von drei Paaren mit zwei bzw. drei ausgeflogenen Jungvögeln erfolgreich. In der Gehölzreihe in der Nordostecke gab es vier beflogene Nester, in alten Hybridpappeln mit Misteln als Nestunterlage. Über den Nachwuchs aus diesen Bruten liegen keine genauen Angaben vor, weil die Nester in den hohen Bäumen kaum einsehbar waren. Ende August wurden noch Junge gefüttert, das ist für Graureiher recht spät.

Am 14. Juli versuchte sich ein Purpurreiher im Seeanger an der Mäusejagd, musste die Beute aber an einen dominanten Graureiher abtreten.

54 Fischadler wurden gemeldet, darunter etliche mehrtägig am Seeburger See und Seeanger rastende Vögel. Interessanterweise konnten sie in der Algensoße den einen oder anderen Fisch erbeuten.

Wespenbussarde erreichten am 21. September mit 23 (in acht Trupps bzw. einzeln) über Gö.-Nikolausberg ziehenden Vögeln ihr Tagesmaximum.

Bis dato liegen ganze sechs Beobachtungen von sieben Kornweihen vor, darunter ein recht früher Altvogel vom 20. August in der Feldmark Ellensen (Northeim). Alte Männchen der Wiesenweihe gerieten am 31. August in der Feldmark Groß Schneen und am 18. September über Gö.-Nikolausberg ins Blickfeld.

Am 13. November zogen eindrucksvolle 72 Rotmilane in mehreren Trupps über die Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden. Die Flügelmarken eines am 22. November in der Feldmark zwischen Weißenborn und Beienrode länger tot gefundenen Vogels zeigten, dass er am 16. Juni 2015 am Ettersberg bei Weimar nestjung beringt worden war. Die Todesursache muss offen bleiben. Das nächste Windrad ist mit 1,5 km recht weit entfernt.

Ein immaturer Seeadler, der am 21. September über die Geschiebesperre nach Osten flog, verursachte Panik in der Wasservogelwelt.

Am 15. November sorgten in der Feldmark Hollenstedt und über Diemarden einzeln ziehende Raufußbussarde für gebührende Aufmerksamkeit. Bei diesen Vögeln könnte es sich um reguläre Durchzügler oder (aus regionaler Sicht frühe) Schneeflüchtlinge aus dem Nordosten gehandelt haben.

Ziehende Merline wurden am 5. und 24. September exklusiv an der Geschiebesperre notiert.

Ein junger Rotfußfalke ließ sich am 31. August am Diemardener Berg fotografisch belegen.

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Abb. 8: Junger Rotfußfalke am Diemardener Berg. Foto: O. Henning

Der Wegzug der Kraniche setzte am 18. September (elf Vögel über Seeburg) recht früh ein, verlief danach aber erneut unspektakulär – kein Wunder, denn unsere Region liegt mittlerweile im toten Winkel zwischen den beiden Korridoren zur Diepholzer Moorniederung und zum Helmestau bei Kelbra. Die höchste Tagessumme wurde am 4. Oktober mit 1700 ziehenden Vögeln erreicht, ansonsten bewegten sich die Zahlen in der Regel im dreistelligen Bereich. Soll man jetzt auf Wetteranomalien hoffen, damit wir endlich wieder einen Massenzugtag erleben? Im Interesse der Vögel besser nicht…

Am 4. September machte sich an der Geschiebesperre Hollenstedt ein Tüpfelsumpfhuhn bemerkbar.

Am 17. September zogen fünf Kiebitzregenpfeifer über den Seeanger, Einzelvögel wenig später am 18. über die Geschiebesperre und am 21. über Gö.-Nikolausberg. Der einzige Goldregenpfeifer der Saison suchte am 10. November über Rosdorf das Weite.

Die Wegzug-Rastzahlen der von der „Energiewende“ (Mais statt Moor) besonders gebeutelten Kiebitze bewegten sich wieder einmal auf einem erbärmlich niedrigen Niveau. Im September wurden in der Feldmark Wollbrandshausen an drei Tagen bis zu 150 Vögel gezählt, an allen anderen waren es deutlich weniger. Das Maximum lieferten ca. 400 Vögel auf der Winterflucht, die am 11. November über dem Seeburger See umherflogen.

Am Northeimer Freizeitsee und an der Geschiebesperre kam es zu Spätbruten von insgesamt drei Paaren des Flussregenpfeifers. Am Freizeitsee gab es wohl Schlupferfolg. Ob die Kleinen selbständig werden konnten, ist in diesem vom Besucherandrang stark gebeutelten Gebiet sehr fraglich. Die Brut in der Sandgrube Meensen wurde aufgegeben.

Versnobte Mornellregenpfeifer, die es wiederum nicht für nötig befanden, einen Fuß auf unsere Region zu setzen, gerieten am 21. August zu dritt über dem Diemardener ins Blickfeld und (mindestens) einzeln am 24. August über Gö.-Nikolausberg sowie eine Nacht später über Hann. Münden in die Ohren.

Vom 19. bis 27. August rasteten bis zu drei Regenbrachvögel im Seeanger.

Am 7. August gelang im Hochsolling eine Beobachtung, die manchen sicher vor Neid erblassen lässt: Eine vierbeinige Waldschnepfe (d.h. mit einem Küken zwischen den Beinen) flog auf und ließ drei weitere Jungvögel zurück, die wenig später flott der Mutter folgten.

Waldschnepfe - SPaul
Abb. 9: Kleine Waldschnepfe im Solling. Foto: S. Paul

Im Kaufunger Wald bei Lutterberg bestand wieder Brutverdacht. Am 31. Oktober lag in Gö.-Geismar ein Vogel tot auf dem Rasen, vermutlich nach einem Scheibenanflug.
Am 28. August kreiselte ein junges Odinshühnchen auf dem Seeburger See.

Unter den traditionell (zumindest auf dem Wegzug) spärlich auftretenden Limikolen sind zwei Rotschenkel am 31. Juli am Seeanger zu vermelden, denen am 3. September an der Geschiebesperre Hollenstedt ein Einzelvogel folgte. Am 11. September beäugte ein junger Knutt den Rummel am Freizeitsee.

Der einzige Temminckstrandläufer der Saison ließ sich am 29. August an der Geschiebesperre blicken, wo am selben Tag auch zwei Zwergstrandläufer ihr Maximum erreichten. Von dort liegen aus dem Zeitraum vom 21. August bis 15. September fünf Beobachtungen von insgesamt sieben, zumeist diesjährigen Sichelstrandläufern vor (maximal drei Vögel am 14. und 15. September).

Schwarzkopfmöwen waren im Berichtszeitraum mit mindestens 15 Vögeln (darunter vier Altvögel und einige für mehrere Tage am Seeburger See und Seeanger verweilende Vögel) gut vertreten.

Gut dokumentiert ist eine junge Silbermöwe (bzw. eine Möwe mit hohem genetischen Anteil dieser Art) vom 29. August am Seeburger See. In unserer Region sind Silbermöwen nur sehr spärliche (Winter-)Gäste. Die Beobachtung fällt daher ziemlich aus dem Rahmen.

Silbermöwe - MSiebner
Abb. 10: Junge Silbermöwe am Seeburger See. Foto: M. Siebner

Am 30. Juli konnte ebenda eine junge Mittelmeermöwe identifiziert werden. Alt war hingegen am selben Gewässer eine Steppenmöwe am 6. November.

Am 5. und 6. Juli fischten bis zu fünf alte Flussseeschwalben am Seeburger See, am 12. des Monats waren noch einmal zwei zugegen.

Mindestens 3.841 Ringeltauben, die am 23. Oktober über dem Waldrand bei Gö.-Herberhausen gezählt wurden, zeigten für diese Art einen guten Zugtag an.
Sehr erfreulich sind bis zu 24 herbstliche Türkentauben in der Feldmark östlich von Rosdorf, für Göttingen und Umgebung sicher eine Maximalzahl der letzten Jahre.

Aus dem Solling bei Dassel liegt die Julibeobachtung einer balzenden Turteltaube vor. Darüber hinaus gab es nur noch einen Vogel am 1. August südlich von Northeim, der bereits dem Wegzug zugerechnet werden konnte. Erbärmlich, aber typisch.

Ein entflogener Gelbbrustara hielt Ende Juli für mehrere Tage Bovenden in Atem und schaffte es schnell in die Spalten der Tagespresse. Versuche, das schöne Tier mit hohem Marktwert wieder einzufangen scheiterten offenbar. Über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

Am 20. Oktober flog eine Schleiereule bei Eberhausen in Richtung der Papermühle, die erste hier seit sieben Jahren – eventuell ein Indiz dafür, dass diese zuvor von Kältewintern dezimierte Art wieder etwas Aufwind bekommt.

Nahe dem Feldbornberg bei Gö.-Nikolausberg zeigte ein am 12. Juli nachts fiepender Jungvogel eine erfolgreiche Brut der Waldohreule an. Damit liegen (vgl. den Vorbericht) nur zwei Brutnachweise vor, die ein, im Vergleich zum Vorjahr, eher schlechtes Nahrungsangebot indizieren.

Eine Sumpfohreule gab sich am 24. November im Stockhäuser Bruch die Ehre.

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Abb. 11: Sumpfohreule im Stockhäuser Bruch. Foto: M. Georg

Seinen Ehrenplatz als „Vogel des Jahres 2017“ untermauert ein Waldkauz, der im Göttinger Alten Botanischen Garten seit Ende Oktober ein Revier hält, sehr eindrücklich. An den Rand der Innenstadt hatten sich balzende Männchen zuvor nur ausnahmsweise und für kurze Zeit vorgewagt.

Sehr erfreulich ist, nach einer erfolgreichen Fortpflanzung am Fassberg im Göttinger Norden (vgl. den Vorbericht), ein weiterer Brutnachweis vom Wendehals abseits seiner bröckelnden Trutzburg auf dem Kerstlingeröder Feld: Am 6. Juli ließen sich an den Northeimer Kiesteichen ein Alt- und ein bettelnder Jungvogel ausmachen. Die einzige Wegzugbeobachtung gibt es vom 3. September an der Kiesgrube Ballertasche.

Am 19. August brachte ein überfliegendes Männchen des Pirols Farbe in den Seeanger.

65 Saatkrähen, die am 13. November über das Göttinger Ostviertel zogen, bildeten den größten Wegzugtrupp. In Weende wird das traditionelle Überwinterungsareal von bis zu fünf Vögeln bevölkert – vor 40 Jahren waren es noch mehr als 100. Ein seit dem 19. Jahrhundert bestehender Winterschlafplatz am Kleinen Hagen zwischen Leine und Grone im Göttinger Westen war bis in die 1960er Jahre sogar von bis zu 7.500 Vögeln besetzt. Die Gründe für den starken Rückgang der Winterzahlen dürften, neben klimatischen Veränderungen, auch im verbesserten Nahrungsangebot an den Deponien osteuropäischer Metropolen zu suchen sein, das den Krähen längere Zugwege erspart. In Deutschland wird der Wohlstandsmüll heutzutage thermisch vorbehandelt und der Rest nach kurzer Zeit abgedeckt, was die Attraktivität von Deponien für Vögel deutlich vermindert hat. Hinzu treten Grünlandschwund und chemische Sterilisierung potentieller Überwinterungsflächen im Agrarland.

Ein Trupp von mindestens zwölf ziehenden Beutelmeisen am 2. Oktober über dem Seeanger erinnert an die Zeit vor 30 Jahren, als Ansammlungen in dieser Größenordnung (bisweilen sogar mehr als 30 Vögel) keineswegs ungewöhnlich waren.

Die höchste Tagessumme von 57 ziehenden Heidelerchen wurde am 15. Oktober erreicht. Vom 2. bis 26. Oktober ließen weitere 45 Vögel ihren melancholischen Flugruf hören

An der Sandgrube Meensen sind fünf von ca. 15 Brutröhren der Uferschwalbe, darunter mindestens zwei beflogene, dem Abbau zum Opfer gefallen.

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Abb. 12: Uferschwalbe mit Rauchschwalben am Seeburger See. Foto: M. Göpfert

Gleichermaßen ungewöhnlich wie erfreulich sind drei Bruten von zwei Paaren der Rauchschwalbe am Göttinger Flüthewehr. Nester an Brücken und Wehren gibt es hin und wieder (im Landkreis Göttingen z.B. unter einer Weserbrücke), gleichwohl sind solche Standorte immer noch die Ausnahme. Für Göttingen ist die lokale Neuansiedlung besonders erwähnenswert, weil der städtische Bestand mittlerweile unter 100 Paaren liegt, die zumeist in den wenigen verbliebenen, für sie zugänglichen Großviehställen brüten (Ausnahme ist die Gerätehalle des Werderhofs an der Garte).
Am 8. November flog ein junger Spätnachzügler über die Geschiebesperre Hollenstedt. Bundesweit liegen in Ornitho für die vergangenen drei Jahre jeweils um die 20 Novemberbeobachtungen der Rauchschwalbe vor. Auch in der Vergangenheit gab es vereinzelt bis Mitte November solche Bummelanten. Passen sie in das Bild, das ein ehedem anerkannter Vogelexperte neulich im ZDF-Zweiteiler über Zugvögel zum Besten gegeben hat? Nach seiner „persönlichen Prognose“ wird es bis zum Ende des Jahrhunderts „keine Zugvögel mehr geben“ – weil sie alle wegen der globalen Erwärmung zu Standvögeln geworden sind! Namentlich erwähnt wurden die ausgeprägten Weitstreckenzieher Pirol, Mauersegler und Neuntöter, denen man dann wohl auf einem Neujahrsspaziergang bei ihrer Jagd nach Insekten begegnen kann. Gerade bei diesen drei Arten konnten aber bisher keine signifikanten Veränderungen des arttypischen Zugverhaltens festgestellt werden. Leider werden die meisten Zuschauer solche Prophezeiungen in sinistrer Nostradamus-Tradition für bare Münze genommen haben…

Heimliche Bartmeisen ließen sich, mindestens zu zweit, am 16. Oktober am Seeanger und am 30. Oktober am Seeburger See ausmachen.

Am 3. Juli sangen in der Rhumeaue bei Lindau noch zwei Schlagschwirle. Deutlich länger, nämlich bis zum 24. des Monats, orgelte einer in der Kiesgrube Ballertasche vor sich hin.

Gut dokumentiert sind Göttingens erste Gelbbrauen-Laubsänger (nach 2005 und 2013 der dritte Regionalnachweis). Bis zu zwei, von B. Koop (Plön) entdeckte Vögel wuselten vom 3. bis 4. Oktober sehr agil in den hohen Laubbäumen der Albert-Einstein-Straße im Ostviertel.

Gelbbrauenlaubsänger LSebesse
Abb. 13: Gelbbrauen-Laubsänger im Göttinger Ostviertel. Foto: L. Sebesse

Kein Nachweis wegziehender Ringdrosseln ist auch eine Erwähnung wert.

Erfolgreiche Spät- oder Zweitbruten des Schwarzkehlchens wurden vom Diemardener Berg (möglicherweise das Paar vom Kahlschlag jenseits der Garte) und aus der Feldmark nördlich Katlenburg bekannt. In der Rhumeaue westlich Elvershausen und nördlich Hammenstedt bestand Brutverdacht. Am vorjährigen Brutplatz in der Feldmark südlich Hollenstedt hielt sich am 23. November noch ein Paar auf, bei dem es sich aber auch um späte Wegzügler gehandelt haben kann.

Die von M. Mooij verfertigte Tonaufnahme des Zugrufs eines am 2. Oktober über das Kerstlingeröder Feld ziehenden Piepers passt gut zum Waldpieper, eine für Süd-Niedersachsen neue Vogelart aus den Weiten Sibiriens. Das letzte Wort hat, wie immer bei großen Seltenheiten, die Deutsche Avifaunistische Kommission, bei der der Vogel bereits gemeldet wurde.

Am 27. August erfreuten am Diemardener Berg zwei Brachpieper die enthusiasmierten Teilnehmer des Göttinger Zugvogelfestivals, einen Tag später war dort noch einer präsent.

Brachpieper - VLipka
Abb. 14: Brachpieper am Diemardener Berg. Foto: V. Lipka

Am 28. August zog ein Rotkehlpieper vor einer herannahenden Gewitterfront über Ebergötzen.

Der erste Bergpieper (Altvogel mit Brutkleidresten) machte sich recht früh am 23. September an der Geschiebesperre bemerkbar. Ihm folgten bis dato (nur) fünf Artgenossen im Leinepolder und im Seeanger.

Der aus dem Vorbericht bekannte männliche Tahaweber vom Seeanger wurde am 19. August letztmalig gesehen. Mit einem gleichzeitig präsenten Pirol (s.o.) dominierte an diesem Tag Schwatz-Gelb. Leider waren wohl keine BVB-Fans zugegen, die das hätten genießen können.

Mindestens 4.386 Buchfinken zogen am 2. Oktober über das Kerstlingeröder Feld. Einer besonderen Erwähnung wert sind auch mindestens 1.761 Vögel am 15. des Monats über dem Kaufunger Wald.

Zehn Girlitze am 22. Oktober an der Otto-Hahn-Straße in Gö.-Weende waren der größte, immerhin zweistellige (!) Trupp, der auf dem Wegzug registriert werden konnte. Mit Ausnahme des Göttinger Westens, wo vier bis fünf Vögel zusammen gesehen wurden, gerieten sonst zumeist nur Einzelvögel ins Visier.

Eine Schneeammer, die am 22. November über den Seeburger See (ein luftiger Hotspot für diese Art) zog, konnte mit einer Tonaufnahme belegt werden.
Dies trifft auch auf einen Ortolan vom 8. September über Seulingen zu, dem ein Artgenosse vom 1. des Monats über Gö.-Nikolausberg voran geflogen war.

Damit schließt der Bericht, der nahezu ausschließlich auf Angaben in unserer Datenbank ornitho.de beruht.

Hans H. Dörrie

Der Verfasser bedankt sich bei den Melder/innen:

P.H. Barthel, B. Bartsch, R. Bayoh, S. Beisler, S. Böhner, M. Borchardt, S. Brockmeyer, G. Brunken, J. Bryant, J. Bunk, M. Cieslik, K. Dornieden, M. Drüner, H. Edelhoff, M. Fichtler, M. Georg, K. Gimpel, A. Goedecke, M. Göpfert, A. Görlich, E. Gottschalk, S. Grassmann, C. Grüneberg, W. Haase, H. Hartung, O. Henning, D. Herbst, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, S. Hohnwald, M. Jenssen, K. Jünemann, U. Jürgens, R. Käthner, H.-A. Kerl, P. Kerwien, P. Keuschen, J. Kirchner, F. Kleemann, G. Köpke, B. Koop, M. Kuschereitz, T. Langer, I. Lilienthal, V. Lipka, G. MacKay, T. Matthies, D. Mederer, T. Meineke, K. Menge, P. Mergel, H. Meyer, S. Minta, M. Mooij, M. Otten, S. Paul, C. Paulus, G. Pfützenreuter, B. Preuschhof, S. Racky, D. Radde, U. Rees, P. Reus, B. Riedel, H. Rumpeltin, H. Schmidt, P. Schmidt, D. Schomberg, D. Schopnie, L. Sebesse, M. Seifert, M. Siebner, D. Singer, L. Söffker, R. Spellauge, M. Sprötge, A. Stumpner, A. Sührig, D. Trzeciok, F. Vogeley, W. Vogeley, K. Wagner, C. Weinrich, D. Wucherpfennig und viele andere.

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Abb. 15: Männliche Spießente am Flüthewehr. Foto: M. Siebner