Späte Brutzeit und Wegzug 2022 in Süd-Niedersachsen – nix wie weg?!

Hätte man die Option, nach dem Ableben von einem gnädigen Karma in einen Vogel verwandelt zu werden, fiele die Wahl der Art schwer: Soll man als gemütlicher Gimpel den Winter an einem Futterhaus verbringen oder als Nachtigall die wohlige Wärme am Rand des tropischen Regenwalds in Afrika genießen? Der positive Bestandstrend der Sangeskünstlerin deutet, wie auch bei etlichen anderen Weitstreckenziehern, darauf hin, dass die gefahrvolle Überquerung der Sahara sich immer noch lohnt – solange die Bedingungen im Brutgebiet stimmen. Wenn die Reinkarnation jedoch nicht so gut verläuft, könnte man Pech haben und als Stechmücke auf einem Campingplatz von einer holländischen Touristin erschlagen werden.
Die Sehnsucht, unseren unwirtlichen Gefilden mit all ihren haarsträubenden Krisen und Kalamitäten irgendwie zu entkommen, war bei einigen wohl noch nie so groß wie in dieser Zeit.

Abb. 1: Halsbandsittich in Göttingen-Grone. Foto: M. Siebner

Allen, die bei reduzierter Raumtemperatur und modifiziertem Duschverhalten ausharren, präsentieren wir im Folgenden ein Potpourri vogelkundlicher Wahrnehmungen aus den Monaten Juli bis November 2022. Zwar geht es im Grunde immer um die gleichen Arten, aber ab und an ist die eine oder andere Überraschung dabei, gleichsam als Salz in der faden Tagessuppe der Avifaunistik. Wir wünschen guten Appetit!

Das Wetter im Berichtszeitraum ist schnell erzählt: Einem sehr trockenen und sehr warmen Bilderbuchsommer (singuläre Göttinger Höchsttemperatur 38,7°C am 20. Juli) folgte ein trockener und warmer Herbst. Ein paar Regentage im September und Oktober reichten jedoch aus, um das dominierende Gelb wieder in ein zartes Grün zu verwandeln. Auch der Pegel der Leine fiel, anders als 2018, nicht so dramatisch. Am flachen Lutteranger bei Seeburg sank im sehr trockenen August der Wasserstand jedoch merklich und brachte die ausgesetzten Karpfen zum Japsen. Im Bergland fielen viele Bäche ganz oder teilweise trocken.
Unsere Agraringenieure, die schon wieder die fahlen Pferde der Apokalypse gesattelt hatten, konnten sich schnell wieder beruhigen. Die Ernten verliefen insgesamt zufrieden stellend. In der Osthälfte Niedersachsens gab es Einbußen bei Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais. Und jetzt geht’s los!

Zusätzlich zu den im Vorbericht genannten Bruten des Höckerschwans wurde auf der Weser bei Hann. Münden ein weiteres Paar mit vier Jungen entdeckt. Dem Schwanenpaar am Böllestau gingen bis Ende August alle Jungvögel vor dem Flüggewerden verloren, die Alttiere verblieben schlussendlich allein auf dem Gewässer. Am 10. September wurden maximal 26 Höckerschwäne an der Geschiebesperre Hollenstedt entdeckt.
Am 13. November rastete ein Singschwan an der Geschiebesperre Hollenstedt. Am 27. desselben Monats waren es dann zwei. Weiterhin wurden jeweils am 19. November ein Singschwan bei Seeburg und zwei bei Eberhausen nach Süden fliegend beobachtet.
Das aus dem letzten Jahr bekannte Schwarzschwanpaar auf dem Seeburger See war bis zum 4. August in trauter Zweisamkeit zu bestaunen. Am 16. August war nur noch ein Schwan zu sehen.

Nachdem die Kanadagans in diesem Jahr bereits im Leinepolder erfolgreich gebrütet hatte, wurde eine zweite erfolgreiche Brut an der Weser bei Bursfelde mit drei Jungen bekannt. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Besiedlung Süd-Niedersachsens durch dieses Neozoon in den folgenden Jahren weiterentwickelt.
Es ist wohl anzunehmen, dass es sich bei der Weißwangengans, welche von Juli bis Anfang September an der Geschiebesperre und den Seeburger Gewässern regelmäßig gesehen wurde, immer um denselben Vogel handelte. Aufgrund der Verpaarung mit einer Graugans und dem sehr frühen Beobachtungsdatum liegt die Vermutung nahe, dass es bei ihr entweder um einen entflogenen Volierenvogel ging oder um einen Brutvogel der stark anwachsenden niederländischen bzw. der kleineren nordwestdeutschen Population. Es ist weiterhin nicht ausgeschlossen, dass die Beobachtungen jeweils einer einzelnen Weißwangengans im Oktober und November an der Geschiebesperre Hollenstedt, nordöstlich von Drüber und dem Seeanger ebenfalls auf diesen Vogel zurückzuführen sind. Eindeutig andere Vertreter ihrer Art betreffen die Beobachtungen von fünf Vögeln am 10. Oktober bei Einbeck und eines Individuums am 9. November am Wendebauchstau.
Am 27. September wurden die ersten Tundrasaatgänse des Herbstes am traditionellen Übernachtungsgewässer, der Geschiebesperre Hollenstedt, entdeckt. 1.200 Vögel wurden am 21. November in der Feldmark nordöstlich von Iber gezählt.
Die ersten Blässgänse des Winters gelangten am 3. Oktober, und damit leicht verspätet, bei Einbeck und an der Geschiebesperre Hollenstedt vor die Optik. Am 10. November zogen innerhalb kurzer Zeit etwa 3.600 Individuen über Seeburg nach Südwesten.
1.700 Graugänse bevölkerten am 5. September die Geschiebesperre Hollenstedt. Am 18. Juli wurde die aus dem vergangenen Jahr bekannte Graugans mit dem gelben Halsring „D535“ an den Northeimer Kiesteichen beobachtet. Diese wurde am 20. Juni 2020 an den Schillerteichen bei Wolfsburg als Jungvogel beringt. Im Juli und August wurden weiterhin zwei Gänse mit gelben Halsringen „D353“ und „D545“ an der Geschiebesperre entdeckt. Die aus Tschechien stammende Gans mit der roten Halsmanschette und der Inschrift „I29“ wird seit 2014 in Süd-Niedersachsen beobachtet und war auch dieses Jahr wieder zu Besuch.
Noch nicht im Vorbericht genannte Bruten der Nilgans fanden am Seeburger See mit vier Jungen und im Göttinger Levin-Park mit zehn Jungen statt. Letztere sind erst Anfang Oktober geschlüpft. Über den Fortgang der Junggänse wird im nächsten Winterbericht aufgeklärt.

Abb. 2: Späte Nilgansbrut im Levin-Park. Foto: M. Siebner

Die bei vielen Vogelbegeisterten auf Grund ihres attraktiven Aussehens beliebte Rostgans (nur für die Schweiz, wo sie als schädlicher Eindringling gilt, trifft das nicht zu) wurde am 13. August mit drei Individuen am Seeanger beobachtet. Ein Duo hielt sich am 11. September an der Geschiebesperre Hollenstedt auf und weitere drei Vögel wurden am 22. Oktober an den Northeimer Kiesteichen entdeckt.
Wohl immer dieselbe Brandgans wurde am 8. Juli an der Geschiebesperre, am 10. des Monats am Denkershäuser Teich und am 11. an der Kiesgrube Reinshof beobachtet. Am 21. November rasteten fünf dieser Halbgänse auf dem Großen Northeimer Freizeitsee.
Hybriden unterschiedlicher Arten kommen bei Gänsen relativ häufig vor. Auch in diesem Herbst gab es wieder einige Mischlinge zu entdecken. Nachkommen der Elternkombination Grau- x Weißwangengans wurden am 10. August an der Geschiebesperre Hollenstedt und am 27. August am Wendebachstau gesehen. Ob es sich bei dem Vogel, welcher sich zwischen dem 7. und dem 22. September an den Northeimer Kiesteichen und der Geschiebesperre um den gleichen Vogel gehandelt hat, der hier bereits Anfang August unterwegs war, bleibt offen. Ein Hybrid aus Grau- x Kanadagans hielt sich am 1. September an der Geschiebesperre Hollenstedt auf. Ein Hybrid aus Kanada- x Höckergans wurde am 18. Juli an den Northeimer Kiesteichen gesehen.

Zwei Mandarinenenten, darunter ein weißes Exemplar, gaben sich ein kurzes Stelldichein auf dem Waldteich südlich Angerstein. Zwischen dem 20. und dem 27. September hielt sich ein Erpel bei Duderstadt auf und gleich vier Vögel, zwei Männchen und zwei Weibchen, schmückten am 30. November die Northeimer Kiesteiche.
Die aus dem Frühjahrsbericht bekannte männliche Brautente mit blauem Züchterring wurde am 25. September an der Kiesgrube Reinshof entdeckt. Sie folgte später dem Lauf der Leine und wurde anschließend am 18. Oktober und am 15. November im Levin-Park gesehen. Eine am 4. September bei Hemeln entdeckte Warzenente entstammte sicher der Haltung eines Geflügelzüchters.
Der traditionelle Winterrastplatz an der Rhume bei Northeim war mit 65 Pfeifenten am 11. November schon gut besucht. Die kleine Winterpopulation an der Leine in Göttingen machte sich ab Ende November wieder bemerkbar.

Abb. 3: Pfeifentenerpel zurück im Winterdomizil an der Leine in Göttingen. Foto: M. Siebner

Am Seeanger wurden auch in diesem Jahr wieder zwei Schnatterentenweibchen mit einem bzw. zwei Jungen gesehen. Am 19. November schwammen 57 Individuen auf dem Großen Freizeitsee.
200 Stockenten am 11. September am Seeanger und 220 Stockenten am 18. September auf dem Seeburger See stellen die höchsten Rastzahlen dieser Ente in diesem Herbst dar.
Das Durchzugsmaximum der Krickente fiel dieses Jahr mit 65 Individuen am 19. November auf dem Seeburger See eher gering aus.
32 Löffelenten am 11. November auf dem Seeburger See sind ebenfalls recht wenig.
Die letzte Knäkente des Jahres hielt sich am 3. Oktober am Seeanger auf.
Die erste Schellente auf dem Wegzug rastete am 11. September auf den Northeimer Kiesteichen. Das magere Maximum von sieben Vögeln wurde am 21. November an der Geschiebesperre Hollenstedt beobachtet.
Maximal 20 Tafelenten nutzten am 8. November die Northeimer Kiesteiche zur Rast.
Weibliche Reiherenten mit Jungvögeln wurden am Böllestau bei Hollenstedt (neun Pulli), an einem kleinen Fischteich nahe der Bölle nordwestlich vom Gut Wickershausen (fünf Pulli) und im Levin-Park (drei Pulli) gesehen. Der höchste Rastbestand für den Berichtszeitraum wurde an den Northeimer Kiesteichen am 6. November mit etwa 100 Vögeln erreicht, ein eher mageres Maximum.
Ein am 16. November entdecktes Kolbenentenpärchen hielt sich bis zum 19. dieses Monats auf dem Großen Freizeitsee bei Northeim auf.
Wie bereits aus den letzten Jahren bekannt, bevölkerten ab Mitte August flügge Gänsesägerjunge die Geschiebesperre. Als Brutgebiet dürfte sich die Leine in diesem Bereich wohl eignen, jedoch ist ein Einwandern aus der weiteren Umgebung nicht ausgeschlossen. Vom 28. August bis zum 1. September schwammen drei flügge Junge auf der
Leine in und nördlich von Göttingen. Interessant ist dahingehend, dass etwa sieben Kilometer nördlich des Beobachtungsorts am 31. Mai ein Gänsesäger auf der Leine bei Bovenden beobachtet wurde, ebenfalls ein durchaus geeignetes Bruthabitat.

Abb. 4: Junger Gänsesäger auf der Leine in Göttingen. Foto: M. Siebner

Am 18. November bevölkerten 34 Säger den Seeburger See.
Nur zwei Zwergsägerbeobachtungen gelangen bis Ende November in Süd-Niedersachsen. Am 19. und am 26. November schwamm jeweils ein weibchenfarbener Vogel auf dem Seeburger See.

Von Jägern zum späteren Abschuss ausgesetzte Jagdfasane treten in unserer Region immer mal auf. Zwei Hähne wurden am 14. Oktober nahe Weißenborn an der Landesgrenze zu Thüringen gesehen. Einer hielt sich am 6. November im Leinepolder auf.
43 Feststellungen der Wachtel wurden zwischen Mai und September gemeldet. Am Seeanger und im Leinepolder wurden Reviere besetzt. Acht Vögel sind ziehend registriert worden.

Bruten des Haubentauchers konnten an fünf Orten nachgewiesen werden. An den Thiershäuser Teichen führte ein Paar zwei Pulli, an der Kiesgrube Reinshof erbrüteten zwei Paare insgesamt sieben Junge. Weiterhin brachte ein Paar auf der Kiesgrube Angerstein drei Pulli zum Schlüpfen, vier Bruten fanden an den Northeimer Kiesteichen statt und mindestens acht Paare waren am Seeburger See mit insgesamt 13 Pulli erfolgreich. Am Göttinger Kiessee gab es, zum ersten Mal seit der Ansiedlung 1998, einen Totalausfall. Mit nur 16 nachgewiesenen Bruten verlief dieses Jahr eher schlecht für den Lappentaucher. Vor allem die geringe Anzahl von Bruten auf dem Seeburger See ist hierfür ausschlaggebend. Allerdings waren hier die Beobachtungsbedingungen coronabedingt stark eingeschränkt.

Abb. 5: Anzahl erfasster Haubentaucherbruten in Süd-Niedersachsen. Grafik: O. Henning

Vier Schwarzhalstaucher hielten sich am 7. Juli  auf dem Seeburger See auf. Bis zum 18. Juli reduzierte sich ihre Anzahl auf zwei. Dem Göttinger Kiessee stattete am 13. August ein diesjähriger Vogel einen Besuch ab. Trotz seines urbanen Flairs wird dieses Gewässer fast jährlich vom Schwarzhalstaucher als Rastgewässer gewählt.
Vom Zwergtaucher konnten insgesamt fünf Bruten mit Jungen nachgewiesen werden. Zwei Paare mit insgesamt sieben Jungen wurden im Husumer Tal bei Hammenstedt beobachtet, am Seeanger wurde mindestens ein Pullus gesehen und auf dem Lakenteich im Solling führten ebenfalls zwei Brutpaare insgesamt vier Junge.

Ein diesjähriger Sterntaucher rastete ab dem 28. November bis in den Dezember hinein auf dem Großen Freizeitsee bei Northeim.

Nachdem im letzten Jahr der regionale Erstnachweis für die Zwergscharbe im Seeanger gelang, wurde dieses Jahr ein weiteres Individuum dieses süßen Kormoranverwandten entdeckt. Vom 15. bis zum 18. August hielt sich ein Jungvogel im Leinepolder und an der Geschiebesperre Hollenstedt auf. Die Art weitet ihr Brutgebiet seit einiger Zeit nach Westen aus und brütete 2022 erstmals in Deutschland. Weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren sind damit auch in Süd-Niedersachsen keinesfalls ausgeschlossen.

Am 7. Juli, d.h. bemerkenswert früh, wurde ein diesjähriger Löffler (im Flug kenntlich an den schwarzen Spitzen der Handschwingen) westlich von Northeim nach Süden fliegend beobachtet. Dies geschah wenige Tage nach einem Ind. aus dem Juni 2022, das als Altvogel bestimmt wurde. Während Löffler auf dem Heimzug nicht alljährlich, aber doch hin und wieder in süd-niedersächsischen Feuchtgebieten eine Zwischenrast einlegen, sind Beobachtungen auf dem Wegzug sehr rar gesät.

Wer die Anmerkungen zu der folgenden Art im letzten Sammelbericht aufmerksam gelesen hat, war voller Hoffnung. Und siehe da, sie wurde nicht enttäuscht: An einem Kleingewässer nahe Northeim haben bis zu drei Paare der Zwergdommel gebrütet! Mindestens drei und fünf Jungvögel wurden flügge. Der letzte, eher vage Hinweis auf eine Brut in Gestalt eines Futter tragenden Männchens stammt aus dem Jahr 1997 vom Seeburger See. Der Wegzug erfolgte rasch, denn nach dem 18. August wurden die Vögel nicht mehr gesehen. Insgesamt verliefen die Fortpflanzungsaktivitäten vor dem Schlupf der Jungen eher unauffällig, zumal die Männchen bei der Balz nur sehr zögerlich (weil schnell verpaart?) ans Werk gingen – ein Phänomen, über das schon öfter berichtet wurde und das die Entdeckung von Bruten nicht einfach macht.
Kommen sie wieder? Die Annahme ist durchaus realistisch, denn ein neuer Brutplatz in Nordhessen war 2021 und 2022 in Folge besetzt.

Abb. 6: Männliche Zwergdommel in Göttingen. Foto: M. Siebner

Mindestens 24 Bruten des Weißstorches fanden dieses Jahr im Bearbeitungsgebiet statt, zwei davon betreffen Naturbruten auf abgebrochenen Bäumen. Diese Angabe ist mit Sicherheit unvollständig, denn Weißstorchbruten in den Dörfern werden bei ornitho.de immer nur vergleichsweise selten gemeldet.
Mehr Licht als Schatten gibt es vom Schwarzstorch zu vermelden (nach Angaben von J. Behling und J. Thiery, Nds. Landesforsten). Ein traditioneller Brutplatz auf dem Plateau des Bramwalds war nach vier Jahren Pause erfolgreich besetzt, der andere dagegen erneut verwaist. Im Kaufunger Wald konnte wieder keine Brut dokumentiert werden. Möglicherweise sind die Vögel nach Hessen (Habichtswald, Reinhardswald) umgezogen. Dort sind zahlreiche Windräder geplant. Zudem steht der Schwarzstorch seit dem fatalen „Osterpaket“ der Bundesregierung nicht mehr auf der Liste der windkraftsensitiven Arten, für deren Nester besondere Abstandskriterien gelten.
Das seit Mitte der 1990er Jahre präsente Paar im Reinhäuser Wald (mit dem ältesten durchgehend besetzten Brutplatz in Niedersachsen!) war diesmal leider ohne Schlupferfolg. Grund waren vermutlich marodierende Kolkraben, die für permanente Unruhe sorgten und vielleicht auch das Gelege geplündert hatten. Übrigens: Der im Bericht 2021 erwähnte zweite Brutplatz „im Reinhäuser Wald“ beruht auf einer Verwechslung. Vielmehr gab es im Beritt des Forstamts Reinhausen (17.700 Hektar betreute Waldfläche) eine Neuansiedlung. 2022 erhöhte ein weiteres Paar die Zahl auf vier. Mit dem Altkreis Osterode sind es rekordverdächtige acht. Ein traditionelles Brutpaar an der Göttinger Grenze zum Altkreis Osterode gilt seit einiger Zeit als „unbekannt verzogen“.

Abb. 7: Schwarzstorch in der Feldmark Landolfshausen. Foto: M. Siebner

Verglichen mit anderen Landesteilen, wo Prädation und Störungen durch Uhu, Seeadler und Waschbär den Vögeln zu schaffen machen, ist unsere Region fast ein Garten Eden. Der Ausfliegeerfolg von insgesamt acht Jungen (darunter ein anfangs am Schnabel verletzter Nestling) aus drei Paaren im Altkreis Göttingen war gut. Obwohl viele Bäche ganz oder teilweise trocken gefallen waren, konnten die Altvögel offenbar wieder ein Zeitfenster nutzen und Fische für den Nachwuchs erbeuten. Fragt sich nur, wie lange das noch gut geht.
Andererseits zeigt ein Blick auf die globale Verbreitung des Schwarzstorchs, dass er durchaus (teils als Felsbrüter) auch eher trockene Regionen besiedeln kann. Das Beispiel des früher wegen seiner Schmuckfedern gnadenlos verfolgten Silberreihers, der sich vom scheuen Fischfänger zum Mäusejäger im Offenland gemausert hat – beim Purpurreiher deutet sich eine ähnliche Entwicklung an -, belegt die hohe ökologische Plastizität einiger Vogelarten – wenn diese vom Menschen zugelassen wird. Kann man darauf auch beim Schwarzstorch, der bis ins 20. Jahrhundert ebenfalls unter vielfältigen Nachstellungen zu leiden hatte, hoffen? In Transkaukasien suchen Schwarzstörche zur Brutzeit auch im Offenland nach Nahrung und halten sich dabei nicht selten in der Nähe menschlicher Siedlungen auf. In Lettland sah es vor dem Bestandseinbruch (auf dessen Ursachen hier nicht eingegangen werden kann) ähnlich aus. Aus unserer Region gibt es, neben alljährlichen Heim- und Wegzugnachweisen abseits der Wälder, Beobachtungen lachhaft „zutraulicher“ (junger) Schwarzstörche, die auf Dorfstraßen spazieren oder in Vorgärten herumstehen. Ein Jungspund erkundete sogar mehrfach die Eingangshalle eines Hotels am Sollingrand und ließ sich mit Nacktschnecken füttern – bis er unsachgemäß in einen so genannten „Storchenhof“ in Sachsen-Anhalt verfrachtet wurde.

Insgesamt 83 Fischadlerbeobachtungen (Mehrfachmeldungen eingeschlossen), die meisten auf dem Wegzug, wurden zwischen Juli und November gemeldet. Dies ist die zweithöchste Anzahl von Meldungen auf ornitho.de für Süd-Niedersachsen nach dem Jahr 2014 mit 84 Beobachtungen. Spät dran war ein Fischadler, welcher am 12. November südlich von Göttingen nach Süden zog.
Am 4. September zogen 16 Wespenbussarde über Nikolausberg in südlicher Richtung. Recht spät wurde der letzte des Jahres am 20. Oktober über Ebergötzen beobachtet.
Nachdem bereits im Mai dieses Jahres sieben Gänsegeier über Hollenstedt gesichtet wurden, konnte am 31. Juli ein weiterer Vertreter dieser imposanten Vogelart nördlich Rengershausen fotografisch dokumentiert werden.
Eine männliche Rohrweihe westlich Denkershausen sowie ein Weibchen am Seeanger, beide am 3. Juli beobachtet, sind nur sehr vage Hinweise auf ein mögliches Brüten in der Umgebung. Nicht so spät wie im letzten Jahr, aber immer noch sehr spät dran war ein diesjähriger Vogel am 6. November an der Geschiebesperre Hollenstedt. An diesem Gewässer wurden bereits in den letzten beiden Jahren sehr späte Rohrweihen beobachtet.
35 Kornweihenbeobachtungen mit 51 Vögeln, Doppelmeldungen inbegriffen, wurden zwischen August und November in Süd-Niedersachsen gemeldet. Das ist die zweithöchste Anzahl an Beobachtungen nach 2014. Früh dran war ein Männchen, welches am 23. August nördlich Bodensee gesehen wurde. Nach zwei Beobachtungen Anfang September trat die Art im Oktober verhältnismäßig regelmäßig in Erscheinung. Am 21. Oktober zogen bei Barterode fünf Kornweihen, drei Männchen und zwei weibchenfarbene Vögel, gen Süden.
Drei Wiesenweihenbeobachtungen gelangen auf dem Wegzug. Am 16. August überflog ein diesjähriger Vogel die Feldmark östlich Bodensee. Am 24. August zeigt sich ein Männchen im Leinepolder und am 28. desselben Monats konnte ein Terzel an der Geschiebesperre Hollenstedt beobachtet werden.
Eine weibchenfarbene Steppen- oder Wiesenweihe zog am 23. August über Gö.-Weende nach Südwesten.
53 Seeadlerbeobachtungen wurden im Berichtszeitraum gemeldet. Dabei handelte es sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nur um zwei verschiedene Vögel. Ein immaturer Adler, welcher bereits aus dem Frühjahr bekannt war sowie ein Altvogel suchten immer wieder die Gewässer Süd-Niedersachsens auf und sorgten vielfach für Angst und Schrecken unter den Wasservögeln.

Abb. 8: Alter Seeadler an der Geschiebesperre Hollenstedt. Foto: M. Siebner

Insgesamt 61 Rotmilane suchten am 6. September auf einem gepflügten Acker nördlich Nörten-Hardenberg nach Nahrung. Das Maximum ziehender Vögel wurde am 3. Oktober erreicht. Hier zogen 83 „Gabelweihen“ über Hann. Münden in ihr westeuropäisches Überwinterungsgebiet.
Die letzten beiden Schwarzmilane flogen am 26. September über Salzderhelden.
Raufußbussarde verschlägt es im Winter nur selten bis nach Süd-Niedersachsen. Am 20. Oktober wurde ein solcher westlich Bischhagen nach Süden überfliegend beobachtet. Ein weiterer Vogel konnte vier Tage später südwestlich Bühle sogar fotografisch belegt werden. Der Raufußbussard wird häufig mit ähnlich gefärbten Mäusebussarden verwechselt, sodass Fotos der Tiere von hohem Wert sind.
Nachdem im letzten Jahr mit Kappenammer und Zwergscharbe zwei Vogelarten erstmals in Süd-Niedersachsen dokumentiert wurden, gab  es 2022 erneut einen, nicht gänzlich unerwarteten, Erstnachweis.
Vom 12. bis zum 22. September hielt sich ein Gleitaar, von P.H. Barthel entdeckt, im Leinepolder auf. Aufgrund seiner geschuppten Oberseite konnte er bemerkenswerterweise als Jungvogel bestimmt werden, wobei sich die Frage erhebt, woher er stammte. In der Regel ist die Altersbestimmung bei dieser Art recht schwierig. Trotz der mehrtägigen Verweildauer des Tieres hatten nur wenige Vogelbegeisterte das Glück, den Vogel zu betrachten. Erstaunlicherweise gelang am 6. November eine weitere Beobachtung dieser Greifvogelart über Gö.-Nikolausberg. Im Zuge einer starken, nach Norden weisenden Expansion ihres Brutareals, fallen auch in Deutschland seit einigen Jahren immer mehr Nachweise an.

Abb. 9: Junger Gleitaar im Leinepolder. Foto: V. Hesse

Der letzte Baumfalke des Jahres 2022 wurde am 16. Oktober über Hann Münden fliegend gesehen.
Vom größten dokumentierten Rotfußfalkeneinflug in das Baltikum und nach Finnland wurde Deutschland in diesem Jahr leider nur gestreift. Dennoch gelangen auch in Süd-Niedersachsen Beobachtungen dieses hübschen Greifvogels. Am 26. August konnte ein Jungvogel westlich Reinhausen für wenige Minuten auf einem Leitungsmast ruhend beobachtet werden. Ein weiterer diesjähriger Vogel hielt sich vom 12. bis zum 13. September im Leinepolder auf. Der letzte Rotfußfalke dieses Jahres, ebenfalls ein Jungvogel, überflog den Seeanger am 17. September.
18 Turmfalken am 13. September im Leinepolder sind ebenfalls eine Erwähnung wert.
Nachdem im letzten Herbst nur eine Beobachtung des Merlins gelang, konnten in diesem Jahr sechs Individuen auf dem Wegzug entdeckt werden. Der Erste wurde am 2. Oktober im Leinepolder gesehen, einen Tag später der Zweite bei Hann. Münden. Weiterhin gerieten am 8. Oktober am Seeanger, am 21. Oktober auf dem Kerstlingeröder Feld, am 9. November im Leinepolder und schlussendlich am 20. November bei Seeburg jeweils Einzelvögel in den Blick.

Der Wegzug der Kraniche machte sich ab Anfang Oktober bemerkbar. In der Regel dümpelte er vor sich hin, mit maximal dreistelligen Zahlen pro Tag. Nur am 19. Oktober (ca. 4000 Ind.) und am 19. November (allein ca. 2500 Ind. über den Leinepolder ziehend) heizten Kälteeinbrüche die Dynamik an.
Brutnachweise von mindestens zwei Paaren der Wasserralle liegen vom Seeanger und vom Seeburger See vor. Beobachtungen des Rohrferkels gab es zwischen dem 29. Juli und dem 26. November am Rückhaltebecken Gö.-Grone, an den „Wunderteichen“ bei Höckelheim (zwei Mal), am Stockhauser Bruch, an der Geschiebesperre Hollenstedt (zwei Mal), am Göttinger Kiessee (drei Mal), an den Thiershäuser Teichen, am Böllestau bei Hollenstedt, an der Werra bei Hann. Münden sowie am Denkershäuser Teich (drei Mal). Dies zeigt, dass fast jedes Feuchtgebiet der Region von der Art aufgesucht wurde.
Am 13. August zeigte ein diesjähriger Wachtelkönig im Leinepolder die erfolgreiche Reproduktion an. Hat sie dort auch stattgefunden? Am 31. Juli wurde in der Feldmark südlich von Diemarden ein weiterer Vogel wahrgenommen.
Vom Tüpfelsumpfhuhn liegt nur ein Nachweis vom 12. August am Seeanger vor.
Vom 19. bis 21. Juli bereicherte ein weibliches Kleines Sumpfhuhn die ohnehin beeindruckende Artenliste der „Wunderteiche“. Damit liegt für die Region schon der dritte rezente Nachweis dieser ehedem extremen Rarität vor, nach Beobachtungen in den Frühjahren 2019 und 2021 an der Kiesgrube Ballertasche bei Hann. Münden.

Der Aufenthalt eines Kiebitzregenpfeifers auf dem Gelände der JVA Rosdorf am 23. September war aus Sicht der Insassen beneidenswert kurz.
Fünf Goldregenpfeifer flogen am 11. Juli über die Geschiebesperre Hollenstedt. Das Datum ist für den Wegzug bemerkenswert früh. Ein Einzelvogel kreuzte am 25. September den Seeburger See. Zwölf Ind. zogen am 3. Oktober über Hann. Münden nach Süden.
Dreistellige Wegzugzahlen des Kiebitz’ wurden an nur zwei Tagen vermeldet: Am 2. November an der Geschiebesperre (145 Ind.) und am 7. November am Seeanger (105 Ind.) sowie am Northeimer Freizeitsee (mindestens 100 Ind.). Erbärmlich wie immer. Man darf gespannt sein, ob der „Niedersächsische Weg“ im Natur- und Artenschutz etwas daran ändert. Bis jetzt wurde lediglich das Personal der Ökologischen Stationen aufgestockt…
Am 11. Juli trippelte ein junger Flussregenpfeifer an der Kiesgrube Reinshof umher. Ob er in diesem völlig verrummelten Naherholungsgebiet erbrütet wurde, muss offen bleiben.Immerhin: Die im Vorbericht genannten vier Jungvögel auf einer Baustelle in Göttingen an der Kasseler Landstr. erlangten alle die Flugfähigkeit und trieben sich u.a. auf dem Flachdach eines Supermarkts herum.

Abb. 10: Junger Flussregenpfeifer an der Kiesgrube Reinshof. Foto: M. Siebner

Sandregenpfeifer traten zwischen dem 31. August und dem 28. September an neun Tagen einzeln oder zu zweit in Erscheinung, zumeist im Northeimer Raum, einmal auf einem Acker südlich von Göttingen.
Am Morgen des 25. August zog ein Mornellregenpfeifer über dem Wüsten Berg südlich von Göttingen seine Kreise. Kooperativer waren drei Ind. (ein Alt- und zwei Jungvögel) am 30. August in der Feldmark Wollbrandshausen – Gieboldehausen. Nahebei geriet am 12. September (mindestens) ein Vogel auf vergeblicher Rastplatzsuche inmitten von Wind“parks“ zu Gehör.
Kichernde Regenbrachvögel machten am 4. August am Seeburger See, am 9. und 17. August bei Gö.-Nikolausberg (jeweils nachts), am 17. August bei Jühnde (nachts) und am 19. August an der Geschiebesperre Hollenstedt auf sich aufmerksam.
Zwischen dem 11. Juli und dem 23. November gerieten an 23 Tagen Große Brachvögel ins Visier bzw. akustisch ins Ohr, zumeist einzeln oder zu zweit. Das klägliche Maximum von drei Vögeln stammt vom 11. Juli von der Geschiebesperre.
Zwischen dem 24. Oktober und dem 20. November wurden sieben Waldschnepfen dingfest gemacht. Probleme hatte nur ein Vogel, der sich am 19. November in der Kleingartenanlage „Lange Bünde“ in der Göttinger Südstadt im überspannten Auslauf eines Hühnerstalls verfangen hatte. Er konnte schnell wieder freigesetzt werden.
Eine Zwergschnepfe stolperte am 19. November an der Geschiebesperre Hollenstedt umher.
13 Bekassinen zeigten am 7. September an der Geschiebesperre das äußerst magere Wegzugmaximum für diese Art an. Die Gründe für das schwache Auftreten liegen sicher in der allgemeinen Trockenheit und, besonders am Seeanger, im eutrophierungsbedingten Vegetationsaufwuchs. Beide Faktoren machten den Stocherkünstlern das Leben schwer und beeinträchtigten ihre Wahrnehmung.

Abb. 11: Bekassine am abgelassenen Leinelauf im Göttinger Süden, mit schönen Schlammflächen. Foto: M. Siebne

Flussuferläufer auf dem Wegzug traten typischerweise Mitte Juli gehäuft in Erscheinung. Am 15. gerieten ca. 20 Ind. am Northeimer Freizeitsee in den Blick, am 17. 19 Ind. auf dem großen Steg am Seeburger See, ihrem traditionellen Wegzug-Hotspot.
Drei Dunkle Wasserläufer am 6. und 7. September an der Geschiebesperre – mehr gab es nirgendwo.
Ebenfalls mau gestaltete sich das Auftreten des Rotschenkels: Am 17. Juli und am 28. August ließen sich Einzelvögel am Seeanger bzw. an der Geschiebesperre blicken.
Ähnlich sah es beim Grünschenkel mit maximal vier Ind. am 6. September an der Geschiebesperre aus.
Dagegen wirkten 14 Waldwasserläufer am 1. August im Seeanger fast schon wie ein Masseneinflug.
Neun Bruchwasserläufer als Maximum am 6. August im Seeanger – so wenige gab es auf dem Wegzug nur selten.
Die Höchstzahl von zwölf Kampfläufern am 25. August an der Geschiebesperre kontrastierte wie beim Bruchwasserläufer stark zum Heimzug, als der Leinepolder von beiden Arten in hoher dreistelliger Zahl geflutet wurde. Hauptgrund war sicher die allgemeine Trockenheit – und im langfristigen Nachwirken der Wegfall der Klärteiche an den damaligen Zuckerfabriken vor mehr als 30 Jahren. Dort, wo im Binnenland noch große Schlammflächen existieren wie am Helmestausee bei Kelbra (Sachsen-Anhalt/Thüringen) gibt es Wegzugzahlen etlicher Arten, von denen hiesige Watvögel-Aficionados nur träumen können.
Ein junger Sanderling verhielt sich vom 4. bis 5. September gegenüber den vielfältigen Störungen an der Kiesgrube Reinshof bemerkenswert dickfellig. Ob ein Ind. am 10. September ebenda dasselbe war, muss offen bleiben. Ebenfalls jung waren zwei Vögel am 24. September am „Rattenberg“ im Leinepolder.
Am 26. September wuselten zwei Zwergstrandläufer im Leinepolder, einen Tag später ein Einzelvogel an der Geschiebesperre.
Ein Temminckstrandläufer konnte am 6. und 7. September an der Geschiebesperre ausgemacht werden.
In manchen Jahren machen sich, je nach Bruterfolg in der sibirischen Heimat, Sichelstrandläufer deutlich häufiger auf dem Weg- als auf dem Heimzug bemerkbar. Allerdings nicht in diesem Herbst, denn es liegen nur vier Nachweise vor, vom 4. September an der Geschiebesperre (Altvogel), vom 6. September ebenda (Jungvogel), vom 9. September am Seeanger (ein Alt- und ein Jungvogel) sowie vom 2. Oktober an einer Ackerblänke südlich vom Göttinger Flüthewehr (ein Alt- und ein Jungvogel).
Der Alpenstrandläufer trat vergleichsweise (!) zahlreich in Erscheinung. Vom 8. August bis zum 20. November gab es Nachweise von insgesamt 51 Vögeln, mit der Höchstzahl von sieben Ind. am 24. September am Northeimer Freizeitsee.

Abb. 11: Junger Alpenstrandläufer an der Kiesgrube Reinshof. Foto: M. Siebner

Zwergmöwen machten sich rar: Am 3. und 9. September wurde am Seeburger See je (?) ein Jungvogel registriert.
Vom 1. Juli bis zum 26. September gab es neun Nachweise der Schwarzkopfmöwe, darunter wieder einen vom Göttinger Kiessee. Das Maximum von drei (Jung-)Vögeln stammt vom 21. August am Seeburger See.
Zehn Sturmmöwen zeigten am 26. November am Seeburger See die Höchstzahl für den Berichtszeitraum an.
Eine junge Silbermöwe, in der Region traditionell sehr spärlich, ergötzte sich ab dem 24. November am Seeburger See.
Der aus dem Vorjahr vom Northeimer Freizeitsee bekannte Hybrid Silber- x Steppenmöwe (Y XHLL, beringt am 7. Juni 2019 bei Braunsbedra/Sachsen-Anhalt) traf am 29. November am Seeburger See ein.
Steppenmöwen traten wiederum in zweistelliger Zahl auf, z.B. Mitte November mit zehn bis 13 Ind. am Seeburger See.

Zwischen dem 7. August und dem 18. September kurvten an sieben Tagen Trauerseeschwalben (zumeist) über dem Seeburger See. Mehr als zwei Vögel kamen nie zusammen.
Flussseeschwalben beehrten am 14. Juli den Northeimer Freizeitsee (zwei Ind.), am 8. August dasselbe Gewässer, am 18. September den Seeburger See (drei Ind.) sowie am 20. September den Göttinger Kiessee.

Dreistellige Zug- und Rastzahlen der Ringeltaube waren in diesem Herbst keine Seltenheit. Sehr bemerkenswert sind jedoch 11.455 Ind., die am 20. Oktober in vielen Trupps über Bischhausen nach Südwesten zogen, den Pyrenäenpässen mit ihren schießprügel- und stellnetzbewaffneten Bergbewohnern entgegen… Beachtlich waren auch 1.400 Ind. am 23. Oktober über Gö.-Weende.
Ziemlich sensationell ist das Maximum von (mindestens) 93 Türkentauben in der Feldmark Gö.-Geismar. Solche Zahlen waren lange nur noch aus dem Eichsfeld bekannt. Für Göttingen und Umgebung deutet einiges darauf hin, dass sich die etablierte Neubürgerin von ihrem Bestandstief zu erholen scheint.

Abb. 12: Zeitenwende? Ansammlung von Türkentauben südlich von Göttingen. Foto: M. Siebner

Komplett anders schaut es leider (wieder) bei der Turteltaube aus. Neben revierverdächtigen Vögeln im Bramwald und im Nörtener Wald im Juli gab es Wegzugbeobachtungen am 4. August in der Feldmark Gö.-Esebeck, am 15. August im Auschnippetal bei Eberhausen (zwei Ind.) sowie am 11. September nahe der Domäne Wetze (Northeim). Kläglicher geht es wohl kaum.

Ein weiblicher Halsbandsittich verzauberte Gö.-Grone vom 26. Juli bis zum 5. August in einem Bereich neben dem Stadtfriedhof. Vielleicht war es derselbe Vogel, der bereits im Vorjahr dort anwesend war, was auf eine lange Verweildauer schließen lässt. Damit nicht genug: Vom Bahnhof Northeim liegt ein interessanter Hinweis vor, wo am 31. Juli zwei Ind. (vermutlich) dieser Art in Platanen lärmten. Bei allen diesen Vögeln ist ein Entweichen oder Freisetzen aus Gefangenschaft anzunehmen.
In Köln fand im Oktober 2022 eine Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Erstansiedlung der jecken Krakeeler statt. Toll! Für Süd-Niedersachsen ist eine Einwanderung unwahrscheinlich. Grund: Das Klima ist hier um einiges rauer als im wintermilden Rheinland. Ob sich daran im Lauf der kommenden Jahrzehnte etwas ändert?
„Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft“. Dieses (gut gemeinte, aber letztlich bizarre) Motto christlicher Spendensammler würde der anpassungsfähige Globalist Halsbandsittich vermutlich unterschreiben – die allermeisten Vogelarten eher nicht…
Nicht weniger auffällig als die vorgenannte Art war ein Nymphensittich, welcher am 2. Oktober in der Göttinger Nordstadt seine neu entdeckte Freiheit bei einer großen amerikanischen Fast-Food-Kette genoss. Einige Tage später konnte er nochmals an der Norduni beobachtet werden.

Wie erging es der Schleiereule während des schlechten Mäusejahres? Hierzu kann dieser Bericht leider keine Antwort geben. Vier Beobachtungen wirken geradezu viel im Vergleich zu vergangenen Berichten. Die regionale Bestandsentwicklung bleibt weiterhin schleierhaft.
Das bekannte Brutvorkommen des Steinkauzes in der Nähe von Moringen konnte am 7. Juli erneut bestätigt werden. Über den Bruterfolg des Paares ist allerdings wie schon im letzten Jahr nichts bekannt geworden.
Auch vom Sperlingskauz wenig Neues. Lediglich aus bekannten Vorkommen gelang je ein Nachweis im Solling und Reinhäuser Wald.
Anschließend zum Vorbericht konnten von der Waldohreule auch in der weiteren Brutzeit keine Brutnachweise in Form von fiependen Jungvögeln erbracht werden. Mit insgesamt nur vier Beobachtungen wurde die Art auch generell sehr spärlich nachgewiesen. Es ist zu hoffen dass sich der Bestand mit mehr Mäusen schnell wieder erholen wird.

Bemerkenswerte drei Wegzugbeobachtungen des Wiedehopfs liegen aus dem Berichtszeitraum vor. Somit war der Wegzug nur minimal schwächer ausgeprägt als der diesjährige Heimzug (vier Nachweise). Ein Vogel am 1. August auf einem Schotterweg nahe Jühnde und dem Großen Leinebusch machte den Einstand, gefolgt von je einem Individuum am 29. August westlich von Diemarden und am 13. September im Siedlungsbereich von Uslar-Eschershausen im Sollingvorland.

Vom Wendehals gelang ergänzend zum Vorbericht auf dem Kerstlingeröder Feld in zwei von drei Revieren ein Brutnachweis. Abseits der bekannten Reviere gab es ab dem 7. August Wegzugbeobachtungen von vier Vögeln. Ausgesprochen spät dran war dabei ein Wendehals am 3. Oktober auf dem Einzelberg bei Groß Schneen.
Der Mittelspecht hat sich mittlerweile zu einem regelmäßigen wenn auch spärlichen Vertreter im Göttinger Stadtgebiet gemausert. Beobachtungen vom Flüthewehr und Alten Botanischen Garten fügen sich in das Bild ein.

Abb. 13: Neuntöter-Weibchen mit Nachtfalter für den Nachwuchs. Foto: C. Dienemann

Die alljährlich durchgeführte Zählung der Neuntöter auf dem Kerstlingeröder Feld zeigte erneut einen ausgesprochen guten Brutbestand von etwa 25 Revieren an.  Somit liegt der Bestand erneut auf dem Rekordniveau des Vorjahrs.
Von der größeren Verwandtschaft, dem Raubwürger, gelang nach dem anfänglichen Optimismus nach wie vor kein Brutversuch auf den zahlreichen neu entstandenen Störflächen der regionalen Wirtschaftswälder. Der Zuzug der Art auf dem Wegzug begann mit dem 19. Oktober und verteilte sich auf acht Stellen. Eine längere Verweildauer wurde bisher nur vom Kerstlingeröder Feld festgestellt. Ob es an den übrigen Plätzen eventuell auch zu Überwinterungen kommt und wie es um die sonstigen Traditionsreviere bestellt ist, wird sich hoffentlich im Folgebericht zeigen.

Abb.14: Entwicklung des Brutbestands des Neuntöters auf dem Kerstlingeröder Feld. Grafik: M. Georg

Die Saatkrähe war auf dem Wegzug selbst für neuere Zeiten mager vertreten. Nur neun Meldungen von überwiegend einzelnen Vögeln. Maximal waren es 17 Ind. am 26. Oktober, welche den Seeanger zur Rast aufsuchten.
Hybriden aus Raben- x Nebelkrähen konnten im gewohnten Maße nur recht spärlich beobachtet werden. Jeweils ein Einzelvogel wurde aus der Feldmark Geismar, sowie Gieboldehausen bekannt.

Gleich 15 – angesichts des starken Rückgangs sehr bemerkenswerte – Beutelmeisen setzten am 24. September gemeinsam im Trupp an der Geschiebesperre Hollenstedt ihren Zug aktiv fort. Ansonsten liegen vom Wegzug lediglich vier weitere Beobachtungen vom Seeanger vor. Maximal waren es hier nie mehr als drei Individuen.

Abb.15: Beutelmeise knuspert genüsslich an Rohrkolben. Foto: M. Siebner

Ergänzend zum letzten Bericht ist ein erfreulicher Brutnachweis der Heidelerche zu vermelden. In einem der zwei Reviere auf dem Hühnerfeld im Kaufunger Wald deutete am 12. Juli ein Futter tragendes Paar auf die Anwesenheit von noch nicht-flüggen Jungvögeln hin. Der reguläre Wegzug dieser Art setzte dann ab dem 11. September bis 30. Oktober ein. In dieser Zeit wurden  an 20 Tagen insgesamt mindestens 273 zumeist überhinziehende Vögel registriert. Gute Zugtage mit über 50 Individuen waren am 29. und 30. September (54 und 52 Ind.), sowie 3. Oktober  (63. Ind.) zu verbuchen.

Eine phänologisch späte Rauchschwalbe am 3. November in Seeburg war ein Resultat anhaltender Südwinde und konstant milder Temperaturen zu dieser Jahreszeit.
Süd-Niedersachsens größte Mehlschwalben-Kolonie, welcher mittlerweile auch ein eigener Beitrag auf dieser Homepage gewidmet wurde, umfasste am 5. Juli 153 intakte Nester und  befindet sich somit auf dem Niveau des Vorjahrs. Der Bestand in der Göttinger Innenstadt konnte in dieser Brutzeit hingegen bedauerlicherweise nur unzureichend erfasst werden. Lediglich im Bereich Burgstraße/Ritterplan konnten sechs beflogene Nester registriert werden. Der Nistplatz im Grotefend-Areal an der Berliner Straße, das demnächst einem überdimensionierten Neubau weichen soll, wurde von nur einem Paar angeflogen. Die Nester am Kaufland-Gebäude in der Kurzen Geismarstraße sind augenscheinlich schon früh wieder verlassen worden.

Bartmeisen wurden auf dem Wegzug in drei verschiedenen Feuchtgebieten festgestellt. Am Denkershäuser Teich waren es am 16. Oktober vier Individuen. Eine erneute Beobachtung eines einzelnen Vogels gelang hier anschließend erst wieder am 13. November. Am Seeburger See wanderten am 16. und 28. Oktober maximal sechs Vögel in der ausgedehnten Verlandungszone entlang. Im nahe gelegenen Seeanger konnten Bartmeisen regelmäßig zischen dem 22. Oktober und 27. November gesehen bzw. gehört werden, mehr als drei Ind. waren es hier jedoch nie.

Das Rekordjahr des Drosselrohrsängers wurde bereits im Vorbericht ausführlich abgehandelt. Das Vorkommen an den „Wunderteichen“ bei Höckelheim, dem diesjährigen Hotspot der Art, konnte final auf elf Reviere beziffert werden. Solche konkreten Bestandszahlen sind in der Regel nicht mit den Zufallsbeobachtungen auf ornitho.de zu generieren, trotz allein 90 Meldungen des Drosselrohrsängers für dieses Jahr aus dieser Lokalität. Sie beruhen vielmehr auf der kontinuierlichen Zählleistung einzelner engagierter Personen.

Ein Drosselrohrsänger im Schilf mit einem Frosch im Schnabel.
Abb. 16: Drosselrohrsänger mit erbeutetem Wasserfrosch. Foto: B. Riedel

Jahreszeitlich spät dran war eine Gartengrasmücke am 3. Oktober in Ebergötzen.

Maximalzahlen spätsommerlicher Stare gelangen vor allem am Schlafplatz im Leinepolder Salzderhelden. Bis zu 20.000 Vögel konnten hier angereiste Beobachterinnen und Beobachter mit ihren beeindruckenden Flugschauspielen begeistern. Der Staren-Schlafplatz südlich des Göttinger Kiessees blieb in diesem Jahr verwaist.

Die Ringdrossel trat auf dem Wegzug mit zwei Einzelvögeln in Erscheinung. Einem ersten Vogel am 9. Oktober bei Ebergötzen folgte ein weiterer Vogel am 13. Oktober über Gö.-Nikolausberg.
Das Rastgeschehen des Braunkehlchens fiel gewohnt mager aus. Maximal waren es sechs Vögel am 4. September am Flüthewehr. Erwähnung finden soll der verhältnismäßig späte Abzug einzelner Vögel – so gelangen Anfang Oktober noch aus drei Gebieten (Flüthewehr, Leinepolder Salzderhelden, Geschiebesperre Hollenstedt) vermehrt Beobachtungen.
Vom Steinschmätzer liegen 25 Meldungen von zusammen 42 Ind. vom Wegzug vor. Maximal waren es fünf Vögel am 29. August auf dem Plateau des Wüsten Bergs.

Abb. 17: Braunkehlchen auf Ansitz. Foto: M. Jenssen

Brachpieper konnten zu gewohnter Jahreszeit zwischen dem 20. August und 7. September an sieben Tagen festgestellt werden. Die Anzahl ziehender und rastender Vögel hielt sich die Waage. Maximal waren es drei durch-/abziehende Brachpieper am 26. August auf dem Wüsten Berg.
Zu ähnlicher Jahreszeit kommt auch der Durchzug des Baumpiepers so richtig in Fahrt. Erwähnenswerte Zählergebnisse von Zugplanbeobachtungen liegen leider nicht vor, jedoch signalisiert eine Schätzung von 100 Ind. am 30. August zwischen Gieboldehausen und Bodensee innerhalb von 1,5 Stunden einen guten Zugtag für die Art.
Ebenfalls hier geriet auch ein durchziehender Rotkehlpieper am 22. September zu Gehör. Ihm folgte am 9. Oktober ein durchziehender Artgenosse in der Feldmark Behrensen.
Vom Bergpieper gelangen ab Oktober regelmäßig Beobachtungen vom Leinepolder Salzderhelden, Seeanger, Geschiebesperre Hollensedt, sowie dem Großen Freizeitsee bei Northeim. Die 14 Meldungen betrafen durchweg einstellige Anzahlen, maximal waren es sieben Ind. am 15. November an der Geschiebesperre. Zum Winterbestand gibt es wie gewohnt im Folgebericht hoffentlich mehr.
Eine Schafstelze am 25. Oktober in der Feldmark Behrensen war verhältnismäßig spät dran. Der rufend überfliegende Vogel hatte es offenbar auch noch nicht sonderlich eilig und zeigte noch keine Ambitionen abzuziehen.

Ausgesprochen rar machten sich in diesem Herbst „Trompetergimpel“. Kein einziger dieser Vögel machte durch sein charakteristisches „Tröten“ auf sich aufmerksam.
Für die letzten Jahre hingegen bemerkenswert ist eine Rastansammlung von mindestens 46 Girlitzen auf dem Wegzug. Der Trupp rastete am 3. Oktober auf einer Ruderalfläche auf dem Steinberg bei Seeburg.

Ein kleines Highlight des Herbstes waren gleich zwei Schneeammern, welche am 6. November den Leinepolder Salzderhelden beehrten.
Von der Grauammer gab es ergänzend zum Vorbericht auch im Juli noch Nachweise von jeweils einem singenden Männchen aus dem Leinepolder Salzderhelden (12. Juli) und dem Kerstlingeröder Feld (15. Juli). Am 27. August ließ sich noch ein weiterer Vertreter dieser Art  im Seeanger beobachten, auch hier reiht sich der Nachweis in den Trend der letzten Jahre ein. Den Abschluss machten gleich fünf Grauammern mit einer offenbar nur kurzen Verweildauer in der Feldmark Gö.-Geismar am 12. November.

Abb. 18: Grauammer in der Feldmark Geismar. Gut zu erkennen u.a. an unregelmäßigen dunklen Brustflecken. Foto: M. Siebner

Ortolane waren auf dem Wegzug verhältnismäßig gut vertreten. Den Auftakt machte ein rufender Vogel am 3. August bei Mingerode. Am 21. August folgte ein Nachweis über die Aufnahme des nächtlichen Vogelzugs (NocMig) über Gö.-Nikolausberg, sowie einem überhinziehenden Vogel am frühen Morgen ebenda. Auch am Folgetag gelangen zwei nächtliche Aufnahmen auf einem Recorder bei Gö.-Nikolausberg und in den Morgenstunden ein überhinziehendes Individuum auf dem Diemardener Berg. Rastende Ortolane wurden anschließend noch am 26. des Monats westlich von Drüber und am 6. September gleich zwei Individuen an der Rhume im Stadtgebiet von Northeim entdeckt.

Damit schließt der Bericht, der auf 23.568 Meldungen der Datenbank ornitho.de basiert. Gedankt sei den weit mehr als 150 Beobachterinnen und Beobachtern, welche ihren Beitrag zu dieser Datenmasse beigesteuert haben.

Hans H. Dörrie, Malte Georg, Ole Henning

Abb. 19: Am Flüthewehr frisch ausgeflogene Rauchschwalbe aus der Zweitbrut 2022. Foto: M. Siebner