Der Vogelwinter 2020/2021 in Süd-Niedersachsen: Arktische Kälte und mediterraner Vorfrühling im Wechselspiel

Abb. 1: Eisvogel vor dem Kälteeinbruch. Foto: M. Siebner

Gemessen an den Temperaturen der letzten Jahre gestalteten sich Dezember und Januar in den Landkreisen Göttingen und Northeim vergleichsweise winterlich. Anfang und Ende Dezember fiel Schnee, der in den Niederungen nicht lange liegen blieb. Im recht feuchten Januar schneite es in der Monatsmitte und zum Monatsende bei leichtem Nachtfrost; eine stabile Schneedecke konnte sich jedoch nur im Bergland behaupten. Einige Stillgewässer waren tageweise zu- oder angefroren.
Der Februar 2021 wird in die Annalen als extreme Temperatur-Wippe eingehen. Ab dem 6. brachte das Tief „Tristan“ ergiebige Schneefälle, die für eine geschlossene Schneedecke von ca. 35 cm Höhe auch in den Tieflagen sorgten. Dabei wehte ein eisiger Nordostwind mit kräftigen Böen. Die hintersinnige Frage junger Klimaaktivistinnen „Oma, was ist ein Schneemann?“ fand eine spektakuläre Antwort. Schneemänner standen fast so zahlreich in der Landschaft wie Corona-Ordnungshüter in der Fußgängerzone. Mit den Schneefällen ging eine Periode strengen Dauerfrosts einher, die in Tiefsttemperaturen von bis zu -23,8°C in Göttingen und bis zu -27,1°C (!) an der Domäne Wetze im Landkreis Northeim kulminierte. Sie dauerte neun Tage und sorgte für das komplette Zufrieren aller Stillgewässer. Auch der Göttinger Leinekanal, der Northeimer Freizeitsee und, bis auf den eigentlichen Leinelauf, die Geschiebesperre Hollenstedt waren mit Eis bedeckt. Nur am Seeburger See, im Pfuhl des Seeangers und an der Kiesgrube Reinshof existierten kleine Wasserlöcher. Auf der Leine trieben die ersten Eisschollen, die sich an den Wehren stauten. Selbst an schnell fließenden Gewässern wie der Garte südlich von Göttingen bildete sich ein Eisrand. Wie in früheren Jahren lag der Kältepol im südlichen Zipfel des Bundeslandes. Das nennt man wohl ein Abonnement auf die Tiefkühltruhe. Am 15. war das eisige Intermezzo vorbei und es setzte Tauwetter ein. Die Temperaturen stiegen binnen einer Woche auf 18,1°C. Ein Temperatursprung von 41,9°C in sieben Tagen soll seit 1880 noch nie gemessen worden sein. Krass! Interessanterweise führte das rasche Schmelzen der Schneemassen zu keiner dramatischen Hochwassersituation. Zwar entstanden im Leinetal auf vielen Feldern kleine Blänken, auch im Leinepolder standen große Flächen unter Wasser (darunter auch die zugefrorenen Anstauflächen), aber der erwartete Vollstau blieb aus. Der Sandweg in Göttingen war nur für einen Tag wegen Hochwassers gesperrt. Zu der entspannten Situation hat sicher auch das Ausbleiben von Niederschlägen beigetragen. Bis die größeren Gewässer wieder weitgehend eisfrei waren dauerte es trotz des warmen Wetters immerhin noch ca. zehn Tage, beim Seeburger See noch länger.

Wie üblich wenden wir uns zunächst den traditionell spärlichen bis seltenen Wintergästen unter den Singvögeln zu:

Die Feldlerche trat im Dezember und Januar bemerkenswert zahlreich in Erscheinung. Zunächst dominierten Einzelvögel oder kleine Trupps. Am 8. Januar gerieten in der Feldmark westlich des Leinepolders Salzderhelden bemerkenswerte 150 Ind. in den Blick. Ihnen folgten in der Feldmark Angerstein bis zu 130 Ind. am 17. Der Höchstwert von 300 Ind. wurde am 30. Januar ebenda erreicht. Ob es sich bei diesen Vögeln um Winterflüchter aus dem Nordosten oder frühe Heimzügler (im Südwesten Deutschlands war es anfangs sehr mild) gehandelt hat? Anfang Februar gab es immer noch Zugbewegungen, sogar Richtung Nordost. Mit dem Einsetzen starker Schneefälle stauten sich viele Feldlerchen in den Feldmarken Gö.-Geismar und Reinshof. Hunderte, eventuell sogar mehr als 1000 Ind. zogen am 7. im dichten Schneetreiben nach Westen, vermeintlich milderen Gefilden entgegen. Jeweils bis zu 200 Ind. harrten in den Folgetagen in der Feldmark Geismar und auf einer Brache nördlich von Gö.-Weende aus. Ein Gesamtbild, das auch Lerchenansammlungen in anderen Ecken der Region zu berücksichtigen hätte, kann hier aus Platzgründen bzw. wegen des überbordenden Beobachtungsmaterials (mit vielen Mehrfachmeldungen vermutlich identischer Vögel) nicht gezeichnet werden. Nach der Frostabschwächung zogen die Lerchen, trotz immer noch hoher Schneelage, bereits am 17. weiter; 1000 Ind. am Rand des Leinepolders am 19. können schon dem regulären Heimzug zugeordnet werden. Insgesamt erinnerte das Szenario aus erratischen Zug- und Ausweichbewegungen ein wenig an den berüchtigten „Märzwinter 2013“, nur lagen die Zahlen damals um einiges höher.

Abb. 2: Feldlerche in der tief verschneiten Feldmark Geismar. Foto: M. Siebner

Vom Zilpzalp gibt es rekordverdächtige 58 Beobachtungen (Mehrfachmeldungen eingeschlossen), die meisten aus dem Dezember. Lokale Maxima wurden am Göttinger Kiessee und am Northeimer Freizeitsee mit jeweils drei Ind. erreicht. Für das bemerkenswert zahlreiche Auftreten war vermutlich der warme November die Ursache, der zum Bummeln animierte. Im Januar gab es nur noch fünf Meldungen, darunter Einzelvögel mit Überwinterungsversuch am Freizeitsee. Im Februar gelangten zehn Ind. zu Gesicht/Gehör, sogar am 12. Februar auf dem Höhepunkt der Kältewelle am Freizeitsee. Die nächsten Meldungen erfolgten erst wieder am 20. und 21. Februar nahe dem Leinepolder. Diese Vögel könnten es geschafft haben…

Die Mönchsgrasmücke wurde dreimal festgestellt, am 9. und 16. Januar im Göttinger Forstbotanischen Garten (vermutlich dasselbe Männchen) sowie ein arg verfrorenes Weibchen am 8. Februar an einer Fütterung in der Herzberger Landstraße in Göttingen.

15 Winterbeobachtungen des Sommer­­­­gold­hähnchens sind ein Allzeitrekord. Bei Krebeck und auf dem Göttinger Stadtfriedhof waren sogar zwei Ind. präsent. Im letztgenannten Gebiet könnte es zu einer erfolgreichen Überwinterung gekommen sein.

Mit 39 Winterbeobachtungen hatte sich der Hausrotschwanz mächtig ins Zeug gelegt, auch diese Zahl signalisiert einen neuen Rekord. In der behüteten Umgebung der JVA Rosdorf war er mit mindestens vier Ind. am 28. Dezember besonders gut vertreten. Dann kam für diese schneeempfindliche Art leider das böse Ende: Aus dem Februar liegt nur eine Beobachtung vom 17. aus der Göttinger Innenstadt vor…

Abb. 3: Überwinternder Hausrotschwanz am Ortsrand von Geismar. Foto: M. Siebner

Singulär sind auch 32 Dezember- und Januar­­beobachtungen (im Februar setzt der Heimzug ein) der Singdrossel. Die meisten Beobachtungen (19) stammen vom Northeimer Freizeitsee, wo bis zu vier Ind. angetroffen wurden. Im Januar gingen die Zahlen zurück; auch dies kann als Indiz für einen verzögerten Wegzug gewertet werden. Selbst wenn die Summe der involvierten Vögel erheblich kleiner war als die Beobachtungen suggerieren: Ein Allzeitrekord ist es allemal.

Bei den 57 Meldungen der Heckenbraunelle im Dezember und Januar (45 Meldungen im Vorjahr) hatten, in schiefer Metaphorik, die Ruderal- und Aufwuchsflächen am Northeimer Freizeitsee die Nase vorn.

Ein ähnliches Bild vermittelt auch der Wiesenpieper: Während von dieser Art im Hochwinter (Januar bis 15. Februar) des Vorjahrs elf Beobachtungen vorlagen, waren es 2021 bemerkenswerte 39. Darunter befanden sich bis zu 56 Ind. in einem Senffeld in der Feldmark Angerstein am 17. Januar.

156 Meldungen der Gebirgsstelze (darunter sicher Mehrfachmeldungen identischer Vögel) sind im Vergleich zum Vorjahr (59 Meldungen) deutlich mehr. Allerdings könnten (nur) 22 Meldungen (auch hier von teilweise identischen Vögeln) aus der ersten Februarhälfte Winterverluste anzeigen. Eine Suche am 13. Februar an der Leine vom Flüthewehr bis zum Klärwerk in der Göttinger Weststadt, wo sich in den letzten Wintern immer mehrere Ind. aufgehalten hatten, erbrachte keinen Nachweis. Weiter nördlich an der Leine scheinen im selben Zeitraum bis zu drei Ind. ausgeharrt zu haben, wurden aber am 17. nicht mehr gesehen.

Von der Bachstelze gibt es wahrhaft Spektakuläres zu berichten: Unter den 132 Meldungen (41 im Vorjahr), die eine deutliche Zunahme anzeigen, verbirgt sich ein Schlafplatz von bis zu 169 Ind. (!), die Anfang bis Mitte Januar in der Göttinger Weststadt auf einem Firmengelände einen Schlafplatz in Gestalt eines kleinen Buschs bezogen hatten. So etwas gab es bei uns im Winter noch nie! Was aus diesen Vögeln während des Kälteeinbruchs geworden ist muss offen bleiben.

Bachstelze  - Malte Georg
Abb. 4: Idyllischer Bachstelzen-Schlafplatz in der Göttinger Weststadt. Foto: M. Georg

In der Umgebung des Northeimer Freizeitsees versuchten zwei Girlitze zu überwintern. Ob mit Erfolg ist fraglich, denn sie wurden nach dem 7. Januar nicht mehr gemeldet. Das ehedem traditionelle Überwinterungsareal in Gö.-Weende war verwaist. Darüber hinaus gibt es nur noch die Meldung eines Vogels, der am 4. Februar rufend über Gö.-Nikolausberg flog.

Mit 75 Meldungen war auch die Rohrammer deutlich besser vertreten als in den Vorwintern. Zumeist handelte es sich um Einzelvögel. Das legendäre Senffeld in der Feldmark Angerstein beherbergte jedoch Mitte Januar bis zu 18 Vögel, was aus regionaler Sicht sehr bemerkenswert ist. Auch diese Vögel dürften später (hoffentlich) das Weite gesucht haben.

Fazit: Der Winter 2020/2021 war nicht nur wegen der extrem schwankenden Temperaturen bemerkenswert, sondern auch wegen der Rekordzahlen von Teil- und Kurzstreckenziehern. Dazu hat bei einigen Arten vor allem der verzögerte Wegzug im warmen November beigetragen, dem erst die Schneefälle Ende Dezember wieder die nötige Dynamik einhauchten. Bei der Feldlerche bildeten später Wegzug und (vermutlich) früher Heimzug eine schwer entwirrbare Gemengelage.   

Der Winterbestand des Singschwans setzte sich im Kern aus zwei Familien mit einem bzw. drei Jungvögeln zusammen. Einzelvögel oder erfolglose Paare erhöhten die Zahl auf (in der Regel) 17 Ind. Die Vögel flogen wie im Vorjahr zunächst ein Maisfeld in der Leineniederung bei Nörten an. Später machten sie es sich im Leinepolder Salzderhelden und auf angrenzenden Rapsfeldern bequem, mit Schlafplatz an der Geschiebesperre Hollenstedt. Ein Altvogel war metallberingt. Woher der Ring stammte (möglicherweise aus Lettland?) konnte nicht ermittelt werden.

Aus den Bruten von zwei Paaren des Höcker­­schwans am Seeanger erreichte letztlich nur ein Jungvogel das flugfähige Alter. Dieser stand am 13. Dezember mit seinen Eltern auf einem Rapsfeld nahe dem Brutgewässer als ein Jäger ihn, nach einem Fehlversuch, erschoss. Kurz darauf rannte ein Junge im knapp schulpflichtigen Alter, aber schon im Camouflage-Outfit, los und brachte den Vogel an sich. Die Altvögel machten einen geschockten Eindruck und flogen erst in letzter Sekunde auf. Das Kind drapierte sich mit der Beute für ein Selfie. Das Posieren mit getöteten Tieren um, bei wem auch immer, Eindruck zu schinden ist schlichtweg krank. Wenn Kinder dazu animiert werden – umso schlimmer. Zudem war der Abschuss wohl illegal, denn Höckerschwäne dürfen in Niedersachsen nur geschossen werden, wenn sie signifikante Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen verursachen. War das bei der kleinen Familie der Fall? Wohl kaum.
Der enge Familienzusammenhalt von Schwänen ist legendär und passt überhaupt nicht zum traditionellen Bild von Vögeln als gefühllosen Instinktmaschinen. Jüngstes Beispiel ist die Blockade der ICE-Strecke zwischen Kassel und Göttingen am 23. Dezember durch einen Höckerschwan, dessen Partner an der Oberleitung zu Tode gekommen war. Der trauernde Vogel saß auf dem Gleis und wich seinem Partner nicht von der Seite. Die „Totenwache“ konnte erst mit einem aufwendigen Feuerwehreinsatz zwangsweise beendet werden.

Die Rast von ca. 16 Kanadagänsen am 20. Februar an den Northeimer Kiesteichen war offenbar nur kurz. Der zweitgrößte Trupp aus fünf Vögeln hielt sich am 28. Februar im Leinepolder auf. Ansonsten trat die Art im Berichtszeitraum mit ein bis drei Ind. in Erscheinung.

Die kapriziöse Zwergkanadagans „Candy“ trotzte am Göttinger Kiessee Eis und Schnee. Nach dem Zufrieren des Gewässers zog sie an den nahen Flüthegraben bzw. an die Leine um. Als der Kiessee am 25. Februar weithin eisfrei war, konnte sie dort und in der näheren Umgebung nicht mehr ausgemacht werden, tauchte aber nach zwei Tagen wieder auf.

Abb. 5: „Candy“ sucht Streit. Foto: M. Siebner

Vermutlich war es immer dieselbe Weiß­­wangengans, die, je nach Wetterlage, zwischen Seeanger, Seeburger See und der Geschiebesperre Hollenstedt pendelte.

Mindestens 2000 Tundrasaatgänse rasteten am 3. Januar in der Feldmark südwestlich des Freizeitsees. Am 8. Januar hielten sich in der Feldmark Edemissen sogar 3000 Ind. auf, am 13. Januar ca. 2300 Ind. in der Feldmark Drüber nahe dem Leinepolder. Während der Schnee- und Kälteperiode harrten ca. 1000-1500 Vögel aus. Nach der Frostabschwächung Mitte Februar bevölkerten immer noch bis zu 1800 Ind. den Leinepolder und dessen Umgebung. Am 9. Februar konnte der Ring einer weiblichen Tundrasaatgans abgelesen werden, die am 3. Januar 2021 an der Kiesgrube Sachsendorf (Sachsen-Anhalt) markiert worden war. Offenkundig herrschte unter den Vögeln ein reges Kommen und Gehen. Am 30. Dezember konnte an der Geschiebe­­sperre Hollenstedt eine Waldsaatgans fotografisch belegt werden, vermutlich einer der drei aus dem Vorbericht bekannten Vögel.

Die bereits gemeldeten ein bis zwei Kurzschnabelgänse gelangten am 19. Dezember an der Geschiebesperre letztmalig zur Beobachtung. Ab dem 28. Februar hielt sich ein Ind. im Seeanger auf.

Bei der Blässgans lag das Maximum bei 2000 Vögeln am 2. Januar nahe der Geschiebesperre. Insgesamt waren deutlich weniger Bläss- als Saatgänse unterwegs, die Zahlen bewegten sich zumeist im zwei- oder dreistelligen Bereich. Die größte Ansammlung von Bläss- und Saatgänsen konnte am 4. Februar mit mindestens 4000 Ind. im Leinepolder notiert werden. Leider war die Sicht schlecht und die Vögel schliefen, so dass eine Differenzierung auf Artniveau nicht möglich war.

Eine vierstellige Zahl der Graugans wurde nur am 13. Februar auf dem Höhepunkt der Kältewelle mit 1250 Ind. an der Geschiebesperre erreicht. Am 30 Januar im Seeanger sowie am 20. Februar an der Geschiebesperre konnten die Halsringe (gelb, D 534 und D 535) von zwei männlichen Graugänsen abgelesen werden, die sie am 11. Juni 2020 am Schillerteich in Wolfsburg als Jungvögel erhalten hatten. Auch der anhängliche tschechische Gast I 29 konnte wieder ausgemacht werden.

Von den drei gemütlichen Pommerngänsen (Zuchtform der Graugans) an den Northeimer Kiesteichen ist jetzt nur noch eine da.

Nilgänse machten sich in diesem Winter fast schon rar, was für ein adaptiertes Wegzug- oder Ausweichverhalten spricht. Die Höchstzahl wurde Mitte Februar an der Geschiebesperre mit bis zu 40 Ind. erreicht. Am 20. Februar hielt sich ebenda ein mit einem Fußring (Signatur gelb, E6 C) geschmückter Vogel auf.

Bis zu zwei Brandgänse, in der Regel aber nur ein männlicher Einzelvogel, trieben sich im gesamten Berichtszeitraum auf den Gewässern der Region umher. Nur am letzten Tag des Berichtszeitraums, am 28. Februar, waren an der Geschiebesperre mit vier Ind. mehr zugegen.

Eine Rostgans stand am 22. Dezember an der Geschiebesperre. Am 28. Februar waren es im Leinepolder Salzderhelden doppelt so viele.

Schnatterenten waren in den üblichen zweistelligen Zahlen vertreten. Das Maximum von 44 Ind. stammt vom 30. Januar vom Seeburger See. Auch nach der Milderung ab Mitte Februar blieb es, diesmal im Leinepolder, bei dieser Größenordnung.

Das traditionelle, für das tiefe Binnenland un­­ge­­wöhnliche Überwinterungsareal an der Rhume in Northeim war am 17. Januar von 176 Pfeifenten wieder gut besucht. Später scheinen sich die Vögel weiter verteilt zu haben. Ebenfalls etabliert ist das kleine Wintervorkommen von vier bis fünf Ind. an der Leine in der Göttinger Südstadt.

Abb. 6: Pfeifenten in der Göttinger Südstadt. Foto: M. Siebner

Neben dem Leinepolder Salzderhelden ist der Seeanger ein wichtiges Rasthabitat für Krickenten, das auch in diesem Winter von mehr als 100 Ind. genutzt wurde. Am 26. Februar war das Gewässer buchstäblich vogelleer. Offenkundig waren so genannte „jagdliche Aktivitäten“ die Ursache, die in diesem Naturschutzgebiet skandalöserweise immer noch gestattet sind.

Wo sind nur all die Stockenten hin? Im Dezember/Januar lag die Maximalzahl am Seeburger See bei 272 bzw. 320 Ind. Nach der Eisschmelze wurden im Leinepolder und im Seeanger ebenfalls dreistellige Zahlen in dieser Größenordnung notiert. Vierstellige Zahlen waren im 20. Jahrhundert durchaus nicht ungewöhnlich. Am 12. Februar, also zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, führte auf dem JVA-Gelände in Rosdorf ein Weibchen acht frisch geschlüpfte Küken. Sie waren schnell verschwunden. Ob erfroren oder von Rabenkrähen erbeutet, machte für die Entchen keinen Unterschied.

Am 8. Januar gerieten an den Northeimer Kiesteichen 25 Spießenten in den Blick, eine bemerkenswert hohe Winterzahl. Ansonsten gaben sich in der Regel Einzelvögel die Ehre. Erst Ende Februar wurden zweistellige Zahlen im mittleren Bereich erreicht.

Am 28. Februar hatten sich auf dem Kiessee die ersten drei Knäkenten der Saison niedergelassen.

Das Maximum von 45 Löffelenten stammt vom 3. Dezember vom Seeburger See. Später harrten in diversen Gebieten nur noch ein bis drei Vögel aus. Am Kiessee (bei Eis am Flüthewehr) gelang einem Weibchen die komplette Überwinterung. Das ist für das Göttinger Stadtgebiet eine Premiere.

Abb. 7: Überwinternde Löffelente am Flüthewehr. Foto: M. Siebner

Am 26. Februar traf am Seeburger See ein Paar der Kolbenente ein, dem sich einen Tag später ein weiteres Männchen hinzugesellte, das am 28. wieder verschwunden war.

Massenhafte Winterflucht der Tafelente? Von wegen. Wie in den Vorjahren dümpelten die Zahlen im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich. Mit bis zu 25 Ind. kann der Kiessee mittlerweile als Rastgewässer von regionaler Bedeutung eingestuft werden…Die aus lokaler Sicht bemerkenswerte Höchstzahl von 72 Ind. am 28. Februar auf dem Seeburger See betraf wohl schon den Heimzug.

Auch die Reiherente war in eher mageren Zahlen vertreten. Im Dezember wurden an den Northeimer Kiesteichen bis zu 167 Ind. vermerkt. Auf dem Freizeitsee stiegen die Zahlen erst Ende Januar auf knapp über 100 Ind. Während der strengen Frostperiode ballten sich bis zu 200 Vögel an der Geschiebesperre und dürften damit den Gesamt-Winterbestand gut widergespiegelt haben.

Der aus den Vorjahren bekannte männliche Hybrid Tafel- x Reiherente, eine wahrhaft treue Seele, traf am 16. Januar am Northeimer Freizeitsee ein. Später wich er frostbedingt in den Leinepolder bzw. an die Geschiebesperre aus, von wo er letztmalig am 24 Februar gemeldet wurde.

Zwei Bergenten (Männchen und Weibchen jeweils diesjährig) machten sich ab dem 29. Dezember am Seeburger See bemerkbar. Der Erpel blieb dort bis zum 24. Januar. Am 30. Dezember hielt sich ein Männchen an den Northeimer Kiesteichen auf. Ihm folgte am 2. und 4. Januar ein Paar am Freizeitsee bzw. an den Northeimer Kiesteichen. Am 31. Januar tauchte am Freizeitsee ein vorjähriges Weibchen auf. Vom 20. bis 25. Februar schwammen und tauchten ein bis zwei vorjährige Weibchen im Leinepolder. Ab dem 26. Februar schmückte ein vorjähriges Männchen als lokale Seltenheit (erster Nachweis seit 2014) den Göttinger Kiessee, während am 27. und 28. wieder zwei Weibchen auf dem Freizeitsee und ein Männchen an der Geschiebesperre zugegen waren. Über die Gesamtzahl der Vögel kann man nur spekulieren.

Am 25. Dezember besuchte eine weibchenfarbene Trauerente den Northeimer Freizeitsee.

Am Seeburger See stieg die Zahl der aus dem Vorbericht bekannten Samtenten bis zum 4. Dezember auf bemerkenswerte zehn Ind. Ab dem 15. waren es nur noch drei, die nach Heiligabend verschwunden waren.

Am 11. Februar, auf dem Höhepunkt der Kältewelle, hielten sich an der Geschiebesperre Hollenstedt 45 Schellenten auf. Weil alle anderen Stillgewässer zugefroren waren, zeigten diese Vögel vermutlich den gesamten regionalen Winterbestand an.

Zwergsäger bevölkerten ihre winterliche Hochburg, den Seeburger See, mit bis zu 24 Ind. (14. Januar). An der Northeimer Seenplatte lagen die Zahlen zumeist im einstelligen Bereich. 15 Ind. zeigten am 16. Januar auf dem Freizeitsee das lokale Maximum an. Interessanterweise gab es nach dem Zufrieren des Seeburger Sees keinen nennenswerten Zuwachs.

Abb. 8: Schmuckes Zwergsägerpärchen an den Northeimer Kiesteichen. Foto: W. Vogeley

Das Auftreten von Gänsesägern bewegte sich wie im Vorjahr in eher engen Grenzen. Auf dem Seeburger See schwammen am 10. Dezember maximale 42 Ind., am Freizeitsee lag das Maximum Ende Januar/Anfang Februar bei 20 Ind. Die regionale Höchstzahl wurde mit 54 Ind. am 11. Februar auf der Weser bei Hann. Münden erreicht. An diesem Tag ballten sich an der Geschiebesperre 45 Vögel. Ein Zusammenhang mit der allgemeinen Vereisung liegt nahe. Am 25. Februar hielten sich auf dem weithin noch zugefrorenen Seeburger See wieder 43 Ind. auf.

Fazit bei den Entenvögeln: Trotz der Kältewelle waren die Zahlen bei fast allen Arten durchweg moderat. Das Zufrieren der Stillgewässer führte allenfalls zur Konzentration der auch vorher schon präsenten Vögel an wenigen eisfreien Stellen. Unklar bleibt das Ausmaß der Zugdynamik bei den Gänsen, das mit dem vorhandenen Datenmaterial nur partiell erfasst werden konnte.

An der Landesgrenze zu Thüringen nahe Duderstadt überlebten vier Fasane. Einer der offensichtlich gefütterten Vögel war handzahm, was den späteren Abschuss zu einer wenig „waidgerechten“ Angelegenheit machen dürfte….

Gab es bei den Rebhühnern Winterverluste? Mehr dazu im Folgebericht.

Die Zahlen des Zwergtauchers bewegten sich eher unter dem Durchschnitt. Auf dem Höhepunkt der Kältewelle tummelten sich zwölf Ind. an der Hochburg Geschiebesperre und (temporär) auf dem Freizeitsee. Auf der Weser in Hann. Münden waren es bis zu zehn. Anderswo waren die Zahlen durchweg einstellig. Auf der Leine scheint er deutlich seltener gewesen zu sein als in den Vorjahren.

Die Haubentaucher konzentrierten sich mit um die 100 Ind. auf die Northeimer Seenplatte. Am besten war der Freizeitsee mit bis zu 88 Ind. besucht. Damit war es nach dem 13. Februar, als auch dieses Gewässer zufror, vorbei. Am Seeburger See konnten, sehr merkwürdig, nur einstellige Zahlen vermerkt werden. Erst am 27. Februar wurde das lokale Maximum von 20 Vögeln erreicht.

Der aus dem Vorbericht bekannte skurrile Rothalstaucher auf der Werra unter der Hochbrücke der A7 hielt es dort bis zum 9. Dezember aus. Am Northeimer Freizeitsee ließ sich ab dem 6. Dezember die Überwinterung von bis zu vier (später nur noch drei) Ind. zunächst gut an. Nach dem 6. Februar (Wintereinbruch) waren die Vögel verschwunden.

Auch die beiden optimistischen Schwarzhalstaucher, die es sich seit dem 24. November ebenda gemütlich gemacht hatten, suchten nach dem 6. Februar das Weite.

Eine Rohrdommel über Einbeck am 4. Dezember ließ sich an ihrem Flugruf bestimmen. Am Northeimer Freizeitsee trat die Art als Neujahrsgast in Erscheinung. Am 11. Februar zog eine nachts über Gö.-Nikolausberg. Einen eher desolaten Eindruck machten Einzelvögel am 13. Februar an der Weser nahe der Kiesgrube Ballertasche sowie am letzten eisfreien Loch im Seeanger. Damit liegen klare Indizien für eine Winterflucht während der Kältewelle vor.

Abb. 9: Rohrdommel an der Weser. Foto: W. Vogeley

Eigentlich sind die bei uns überwinternden Silberreiher recht robust. Gleichwohl mussten erstmals seit dem Kältewinter 2008/2009 Verluste notiert werden. Mindestens vier Ind. wurden tot gefunden. Das Rastvorkommen konzentrierte sich zunächst auf den Seeburger See und Umgebung, wo bis in den Januar bis zu 52 Ind. leuchteten. Später trat der Northeimer Freizeitsee hinzu mit bis zu 60 Ind., die sich vermutlich in der Leineniederung verteilten. Nach der Kältewelle schrumpften die Zahlen auf einstellige Werte. Erst in der letzten Februardekade ging es im niedrigen zweistelligen Bereich wieder aufwärts. All dies deutet auf Winterflucht bzw. auf weitere (unentdeckte) Verluste.

Ob der regionale Brutbestand der Graureiher, die wie üblich deutlich spärlicher in Erscheinung traten als ihre weißen Vettern, Schaden genommen hat, wird sich in den kommenden Wochen erweisen. Am Göttinger Kiessee balzten Ende Februar wieder elf Paare, so dass zumindest hier der Bestand weithin stabil geblieben ist.

Wie im Vorjahr überwinterten etliche der ansässigen Brutpaare des Weißstorchs. Im Umfeld des Seeburger Sees (Seeanger, Seeburg, Bernshausen, Wollbrandshausen und Seulingen) harrten die Vögel aus und schliefen teilweise in den Nestern. Der Brutplatz in Gieboldehausen war Ende Februar wieder besetzt. Auch um den Leinepolder (Hollenstedt, Sülbeck, im Polder sowie an der Bahntrasse) waren die Brutvögel präsent. Ein Partner des Sülbecker Paares machte am 6. Februar am Boden liegend einen geschwächten Eindruck, konnte sich aber offenbar wieder berappeln. In Moringen nutzten bis zu drei Störche über Wochen Flutlichtmasten zum Übernachten. Derzeit ist die Datenlage noch eher dünn, deshalb werden erst die kommenden Wochen zeigen, ob der ein oder andere Nistplatz aufgrund von Verlusten verwaist geblieben ist.

Von der Kornweihe liegen beachtliche 74 Winterbeobachtungen vor, darunter immerhin 25 von adulten Männchen (Mehrfachmeldungen inbegriffen). Das lokale Maximum stammt aus der Feldmark Gö.-Geismar, wo bis zu drei Vögel auf die Kleinvogeljagd gingen (dazu später mehr). Am 15. Februar wurde in Diemarden eine weibchenfarbene Kornweihe beobachtet, die an den Straßen und Hausgärten des Dorfes patrouillierte, wohl auf der Suche nach Kleinvögeln an Futterstellen. So etwas ist bei hoher Schneelage auch von anderen Tag- bzw. Nachtgreifen bekannt, aber oft kein gutes Zeichen…

Beachtliche 13 Beobachtungen des Merlins gelangten zur Meldung. Normalerweise ist er bei uns ein seltener Wintergast. Dieser Status wurde auch diesmal bestätigt, denn die Beobachtungen beziehen sich wohl auf (nur) drei Männchen, von denen eines während der Kältewelle in der kleinvogelreichen Feldmark Gö.-Geismar auf die Jagd ging. Ein weiterer Merlin stellte am 11. Februar am Rand des Freizeitsees Feldlerchen nach. Der dritte zog am 14. Dezember über die Göttinger Südstadt.

Abb. 10: Merlin auf der Kleinvogeljagd. Foto: M. Siebner

Im Dezember und Januar gerieten kleine Kranich-Trupps mit zumeist unklarer Zugrichtung ins Visier. Anfang Februar setzte der reguläre Heimzug ein. Ab dem 8. ging es mit dem Beginn der Kälteperiode in die andere Richtung, nach West und Südwest. An diesen Umkehrzug waren bis zum 12. Februar ca. 2000 Ind. beteiligt. Auch Schneeflucht ausharrender Vögel im Nordosten könnte eine Rolle gespielt haben. So wie der Frost nachgelassen hatte flogen die Kraniche, trotz hoher Schneelagen und zugefrorener Rastgewässer, wieder nach Nordost. Es ist schon erstaunlich, wie robust diese Vögel sind. Massenzugtage mit mehr als 5000 Ind. gab es wohl nicht. Die zahlreichen Doppel- bis Vierfachmeldungen vermutlich identischer Vögel machen eine genauere Auswertung unmöglich.
Am 25. Februar ließ sich im Leinepolder ein Kranichpaar in einem geeigneten Bruthabitat beim Nestbau beobachten – aus gebührender Entfernung vom Bingo-Turm an der Westseite. Weitere Wahrnehmungen dazu gibt es offenbar nicht.

Am Seeburger See riefen im Dezember bis zu acht Wasserrallen, im Januar dort und am Seeanger bis zu drei Vögel. Als es kälter wurde traten in der Regel nur noch Einzelvögel in Erscheinung, am 31. Januar an einem vereisten Graben im Leinepolder sowie am 4. Februar an der Kiesgrube Reinshof. Am 12. und 13. Februar kämpften sich am vegetationsreichen Leinezulauf in den Kiessee nahe der „Meyerwarft“ ein bis zwei Ind. durch die Kälteperiode. Den Schlusspunkt setzten ein Ind. am 23. Februar im Leinepolder sowie Ende Februar bis zu zwei Ind. am Seeburger See.

Auf dem Höhepunkt der Kältewelle mit Eisbildung auf der Leine litten einige Teichhühner sichtlich. Neben Vögeln mit Eisklumpen im Gefieder wurden am Flüthewehr Bruchlandungen extrem geschwächter Ind. auf dem Eis beobachtet. Ein (gerade noch lebendiger) Vogel lag in einer Fahrspur neben der Kleingartenanlage „Am Wehr“. Ein größeres Sterben hat es aber wohl nicht gegeben, denn nach ein paar Tagen normalisierte sich die Lage wieder. Das war knapp!

Abb. 11: Teichhuhn in Not. Foto: B. Bartsch

Die meisten ausharrenden Blässhühner konnten wie gewohnt an den Northeimer Kiesteichen und am Freizeitsee notiert werden. Ihre Gesamtzahl dürfte im Dezember und Januar bei ca. 500 Ind. gelegen haben. Nach dem Zufrieren der Stillgewässer konzentrierten sich bis zu 200 Ind. an der Geschiebesperre Hollenstedt. Etliche wichen auf die Rhume aus. Am Seeburger See waren sie bis zum Zufrieren in zweistelliger Zahl präsent. An der Kiesgrube Reinshof wurde am 21. Februar das Maximum von 132 Ind. erreicht. Nach dem Tauwetter stiegen die Zahlen im Leinepolder Ende Februar schnell auf bis zu 150 Ind. an.

Am 19. Dezember zeigte ein Goldregenpfeifer am Diemardener Berg späten Wegzug an. Bei insgesamt mindestens fünf Ind. am 6. Februar im Schneegestöber in der Leineniederung westlich und nördlich von Northeim ist der Status weniger klar: Waren es Schneeflüchter aus dem Norden/Nordosten oder schon frühe Heimzügler? Am 20. Februar läuteten die Vögel den regulären Heimzug ein mit acht ind. in der Feldmark bei Varlosen und mindestens 36 Ind. im Leinepolder. Diese Zahl wurde in der Folgewoche nirgendwo übertroffen.

An der Geschiebesperre waren um die fünf bis acht Kiebitze fest zur Überwinterung entschlossen. Am 10. Februar musste der letzte das Gebiet kälte- und eisbedingt räumen. Wegen des stimulierenden Wetters im Südwesten hatten sich die ersten Trupps bereits ab Ende Januar auf die Heimreise begeben (20 Ind. am 30. Januar im Seeanger). Am 5. und 6. Februar standen, neben kleineren Trupps anderswo, bereits 200 Vögel im Leinepolder bzw. flogen im Schneegestöber umher. Offenkundig verließen all diese Vögel die Region, um andernorts auszuharren. Aber schon ab dem 18. Februar waren sie, trotz Eis und Schnee auf weiten Flächen, wieder da. Am 19. Februar kletterten die Zahlen im Leinepolder auf 800 Ind. Erstaunlich!

Die ersten Sandregenpfeifer der Region machten sich ab dem 27. Februar mit zwei Vertretern im Leinepolder bemerkbar.

Am 30. Dezember zog ein Großer Brachvogel am Freizeitsee nach Süden.

Von der Waldschnepfe liegen elf Meldungen vor, zumeist aus Waldgebieten. Ein Vogel ging am 21. Januar am Lemmshäuser Berg bei Bilshausen im Offenland auf die Nahrungssuche und wurde bei einer Rebhuhnkartierung angefunzelt. Zehn Vögel (darunter vermutlich eine „Lagerschnepfe“ im Kaufunger Wald, die zweimal notiert wurde) sind leicht überdurchschnittlich, aber vor dem Hintergrund der starken Schneefälle und des strengen Frosts im Februar eher wenig. Zum Glück gab es keine Meldungen havarierter Schnepfen im Siedlungsbereich. Vielleicht hatten viele Vögel schon während der Schneefälle im Dezember und Januar unbemerkt das Weite gesucht.    

Im Januar hielten sich bis zu vier Zwergschnepfen in einem kleinen Feuchtbiotop im Göttinger Westen auf.

Überwinternde Bekassinen hielten in geringer Zahl (ein bis sechs Ind.) an der Geschiebesperre Hollenstedt und im Seeanger die Stellung, auch während der Kälteperiode. Einzelvögel wurden im Hochwinter am Göttinger Siekgraben, in der Leineniederung bei Bovenden, viermal an der Weser in bzw. bei Hann. Münden sowie in der Feldmark Gladebeck und im Göttinger Süden notiert.

Bekassine  - Frithjof Vogeley
Abb. 12: Bekassine an der Weser in Hann. Münden. Foto: F. Vogeley

An der Geschiebesperre überwinterten die üblichen ein bis zwei Waldwasserläufer. Sie wurden dort aber nach dem 6. Februar nicht mehr gesehen. Erst am 20. Februar und in den Folgetagen ließ sich im Leinepolder einer blicken

Am Seeanger trafen die ersten (fünf männlichen) Kampfläufer am 26. Februar ein, zwei Vögel waren es im Leinepolder.

Ordentlich früh dran waren zwei Alpenstrandläufer am 21. Februar im Leinepolder.

65 bzw. 66 Sturmmöwen am 10. und 12. Januar am Freizeitsee sind aus regionaler Sicht ein passables Maximum. Von einem großen Einflug, wie er vielleicht bei dem extremen Wetter mit Ostwind zu erwarten gewesen wäre, ist diese Zahl aber weit entfernt.

Am 20. Januar rastete am Freizeitsee eine Silbermöwe im 2. Kalenderjahr.

Am 25. Januar hielten sich ebenda drei Mittelmeermöwen (eine adulte, zwei immature) auf.

Von unserer mittlerweile häufigsten Großmöwe, der Steppenmöwe, liegen 37 Meldungen vor. Das Maximum von 14 Ind. am 13. Dezember stammt vom Seeburger See.

Gemessen an früheren Sammelberichten liegen aus dem Januar recht viele, nämlich fünf Meldungen der Schleiereule vor (zwischen Gieboldehausen und Elbingen, Oldenrode, Seeburg, Diemarden und Feldmark Geismar). Im Februar wurden keine mehr gesehen. Ob das auf Verluste hindeutet, die in anderen Landesteilen zu verzeichnen waren, muss offen bleiben.

Im Bramwald scheint sich ein Raufußkauz angesiedelt zu haben. Auch im Gillersheimer Forst ließ sich einer vernehmen.

Das Männchen des Steinkauz-Paares im LK Northeim konnte am 11. Februar lebend (sogar balzend) angetroffen werden. Hoffentlich haben er und seine Gattin überlebt.

Hinweise auf Reviere des Sperlingskauz’ gab es im Reinhäuser Wald (zwei), im Gillersheimer Forst (vier inklusive ein kopulierendes Paar) und an der Ahlsburg (ein Hinweis). Kontrollen im Nörtener Wald, wo 2019 ein Nachweis gelang, verliefen negativ, vermutlich weil der Wald nach dem Fällen vieler geschädigter Fichten zu licht geworden ist.

Erfreulich sind 24 Meldungen der Waldohreule allein im teils sehr kalten Februar, balzende Paare eingeschlossen. Allerdings zeigten Beobachtungen auf Balkonen in Gö.-Grone und in der Göttinger Innenstadt auf dem Höhepunkt der Kältewelle, dass es auch Vögel mit Problemen gab.

Eine Sumpfohreule klabasterte vom 12. bis 14. Februar am südlichen Göttinger Stadtrand. Wenn sie in einem Zwischenfruchtfeld saß, war sie unsichtbar. Am 17. Februar flog eine an der Bauschuttdeponie Richtung Diemardener Berg, wo am 21. Februar wieder ein Vogel gesehen wurde. Ob es immer dieselbe war muss offen bleiben. Den Schlusspunkt setzte am 28. Februar eine in der Feldmark Wollbrandshausen – Gieboldehausen im letzten Dämmerlicht. Immerhin: Auf diese charismatische Art mit ihrem sardonischen Gesichtsausdruck hatten viele gehofft…

Abb. 13: Sumpfohreule am südlichen Göttinger Stadtrand. Foto: M. Siebner

Am 11. Januar saß mal wieder ein Uhu auf dem Göttinger Stadtfriedhof. Noch spektakulärer ist, als kleiner Exkurs über den vogelkundlichen Tellerrand, die Beobachtung eines Baummarders durch M. Georg einen Tag später ebenda. Als Lebensraum ist die von Verkehrswegen und Siedlungen eingeschlossene Waldinsel durchaus geeignet. Nur: Wie ist das Tier dort hingelangt? Aus dem Göttinger Wald durch die Stadt und über die Leine? Oder aus einem der Wälder oberhalb des Leinetals westlich der A 7? Aufnahmen von Wildtierkameras haben belegt, dass auch obligatorische Waldbewohner sich im Offenland herumtreiben können. Aus der Feldmark Geismar und vom Leineufer südlich des Flüthewehrs liegen Aufnahmen von Wildkatzen vor und auch Luchse wurden schon im Offenland gesichtet. Gibt es auch wanderlustige Baummarder?

Am schlimmsten getroffen hat es die regionale Population des Eisvogels: Beachtliche 209 Beobachtungen belegen, dass er eine vertraute Erscheinung war, auch im urbanen Göttinger Siedlungsbereich. Dann muss der Bestand in sehr kurzer Zeit zusammengebrochen sein, denn nach dem 10. Februar wurde keiner mehr gemeldet. Es ist ja nicht nur so, dass Nahrungsmangel nach Vereisung der Gewässer die Vögel verhungern lässt. Sie sterben bereits, wenn die Temperaturen unter ca. -15°C sinken. Festfrieren an Metallkonstruktionen und anschließendes Verhungern/Erfrieren ist nur eine der Todesursachen. Im Sammelbericht für den Kältewinter 2008/2009 findet sich die erhellende Geschichte eines Eisvogelfreunds, der die Vögel mit einem beheizten Teich voller Fische versorgte. Er fand bei extremen Niedrigtemperaturen einen im Schnee sitzenden Eisvogel, dessen Schnabel im Gefieder festgefroren war – und das neben einem reich gedeckten Buffet. Der arme Kerl wurde in einem Gewächshaus aufgewärmt und wieder neben den Teich gesetzt. Gleichwohl war er kurz darauf tot. Das zeigt, dass sehr niedrige Temperaturen für diese ursprünglich tropische Art eine reale Gefahr darstellen, unabhängig vom Nahrungsangebot. Zum Glück für den Arterhalt sind es vor allem die Altvögel, die sich solchen Unbilden aussetzen, die jüngeren können durchaus wegziehen und später die verwaisten Brutplätze übernehmen. So war es zumindest nach den letzten Kältewintern. Zudem scheinen die Verluste im Westen und Südwesten der Republik deutlich geringer gewesen zu sein als am niedersächsischen Kältepol.

Der Grünspecht hat Kältewelle und Schneemassen wohl recht gut überstanden. Warum das, anders als in früheren Jahren, so ist, kann man hier nachlesen.

Winterreviere des Raubwürgers waren besetzt an der Langen Bahn im Bramwald, am östlichen Bramwaldrand (möglicherweise zwei Reviere), bei Mollenfelde (teils auch auf hessischem Gebiet), an der Landesgrenze zu Thüringen bei Ischenrode, bei Landolfshausen, erstmals im Seeanger, auf dem Kerstlingeröder Feld (dort viele Störungen durch E-Biker) und im Gillersheimer Forst. Im Leinepolder tauchte er eher unregelmäßig auf. Einzelbeobachtungen gibt es von einer Windwurffläche im Kaufunger Wald, nahe dem Großen Leinebusch und dem Heisterholz (vielleicht derselbe) sowie nördlich von Bösinghausen am Weg nach Ebergötzen. Das langjährige Winterrevier am Grenzstreifen bei Ecklingerode war verwaist. Insgesamt war es ein guter Winter. Die zeitweise hohen Schneelagen konnte dieser robuste Geselle mit der Jagd auf Kleinvögel souverän bewältigen. Jetzt steigt die Hoffnung, dass bald das ein oder andere Brutpaar dingfest gemacht werden kann.

Abb. 14: Raubwürger im Seeanger. Foto: M. Göpfert

Ein Hauptleidtragender des zweiten Lockdowns ist – eine Elster. Dieses wunderliche Tier hält seit dem Herbst die Bewohner der nördlichen Göttinger Innenstadt in Atem. Wie die Eule der Minerva wird sie erst in der Dunkelheit aktiv und fliegt dann in Imbisse und Bäckereien, wo sie gebieterisch Futter fordert. Einen besonders hungrigen Eindruck macht sie aber in der Regel nicht. Ein anderes Interesse weckt eine Filiale des Billigheimers Tedi mit glitzerndem Tand in allen Variationen. Auch ein Fachgeschäft für Haushaltswaren scheint dieser auch von anderen Rabenvögeln bekannten Obsession entgegen zu kommen. Immer verhält sich der Vogel völlig furchtlos und dreist. Den alteingesessenen Geschäftsleuten ist das alles andere als geheuer, bisweilen ist ob der durchwühlten Auslagen von „Terror“ und „Tyrannei“ die Rede. Die zugewanderten Betreiber von Imbissen und einem Wettbüro reagieren weitaus gelassener („Vogel kommt, Vogel geht“). Über diese Elster kursieren bereits die tollsten Geschichten – so soll sie am Wall eine Frau hartnäckig verfolgt haben – und etliche Namen hat sie auch schon bekommen. Von den anstehenden Lockerungen kann sie nur profitieren. Woher dieses extrem abweichende Verhalten rührt, bleibt offen. Vermutlich hat sich der Vogel eine Zeitlang in menschlicher Obhut befunden und dabei jede Scheu abgelegt. Ebenso unklar bleibt, warum er nur nach Sonnenuntergang seinen Geschäften nachgeht.

Abb. 15: Elster vor der geschlossenen Tedi-Filiale. Foto: M. Siebner

Eine vom AGO koordinierte Zählung der Schlafplatzanflüge in der Göttinger Nordstadt unter Beteiligung von 20 Zählerinnen und Zählern erbrachte am 16. Januar 6394 Rabenkrähen. Das sind erheblich mehr als die Ergebnisse früherer Zählungen/Schätzungen von 3000 bis 4000 Ind.

Bei der Corvidenzählung wurden auch sehr beachtliche 808 Dohlen gezählt, mehr als doppelt so viele wie früher.

Saatkrähen traten zumeist in einstelliger Zahl auf. Ausnahmen bildeten 30 Ind. am 14. Februar bei Hardegsen sowie am 22. Februar 22 Ind. bei Rosdorf. Bei der Göttinger Corviden-Schlafplatzzählung wurde nur ein Einzelvogel gehört.

Immerhin zwei Nebelkrähen ließen sich bestimmen, am 16. Dezember bei Ellershausen und am 19. Februar in der Feldmark Geismar (mit Foto).

Heidelerchen traten durchweg in sehr geringen einstelligen Zahlen in Erscheinung, die erste bereits am 22. Januar in der Feldmark Angerstein. Den Höhepunkt der Kältewelle überstanden zwei Ind. auf der bereits erwähnten „Lerchenbrache“ bei Gö.-Weende. Das bisherige Maximum liegt bei vier Ind., die am 24. Februar über die Göttinger Innenstadt zogen.

Die bis zu sechs Bartmeisen vom Seeanger hielten bis zum 30. Januar durch. Der Besuch von mindestens zwei Ind. am 16. Januar an der Geschiebesperre war offenbar nur kurz.

Sehr gut dokumentiert ist ein „Taigazilpzalp“ (östliche Unterart des Zilpzalp) mit langer Verweildauer, der vom 3. bis 13. Dezember in den Ufergehölzen des Seeburger Sees nahe dem „Graf Isang“ herumwuselte. Ein weiterer Vogel, der auch rief, wurde am 10. Januar an der Weende bei Bovenden von zwei Beobachtern, unabhängig voneinander, ausgemacht. Über die Anerkennung wird die Avifaunistische Kommission Niedersachsen/Bremen (AKNB) entscheiden.

Abb. 16: Taigazilpzalp am Seeburger See Foto: M.Göpfert

Am 6. Dezember klingelte der einzige Seidenschwanz der Saison im Göttinger Ostviertel.

Singulär für die Region  ist der Überwinterungsversuch von gleich drei Schwarzkehlchen in einem Senffeld in der Feldmark Angerstein. Die Vögel mussten das Gebiet am 6. Februar wegen der starken Schneefälle verlassen. Zudem waren die Pflanzen schnell vertrocknet und daher auch für Insekten nicht mehr nutzbar.
Die ersten Brutvögel trafen ab dem 20. Februar wieder an ihren Nistplätzen ein, z.B. am Seeanger.

Vom Bergpieper existieren 43 Beobachtungen (Mehrfachmeldungen z.B. vom Seeanger und der Geschiebesperre inbegriffen), die zumeist Einzelvögel oder kleine Trupps von bis zu drei Vögeln betreffen. Die Höchstzahl stammt mit sechs Ind. vom 20. Februar aus dem Leinepolder.

Nordische Trompetergimpel wurden 25-mal wahrgenommen, immer Einzelvögel.

Wie im Vorjahr erwies sich die Feldmark Geismar mit Blühflächen, Zwischenfruchtanpflanzungen und einem großen Hanffeld als Magnet für Tausende Singvögel, darunter, neben den bereits erwähnten Feldlerchen, bis zu 900 Stieglitze und 900 Bluthänflinge. Am 11. Februar stiegen die Zahlen noch an, weil 700 Bergfinken eintrafen. Grünfinken und Feldsperlinge waren mit Zahlen im niedrigen dreistelligen Bereich schwächer vertreten. Kein Wunder, dass diese Ansammlungen auch den einen oder anderen Prädator anzogen. So kamen letztlich alle über die Runden, auch und gerade während der heftigen Schnee- und Frostperiode. Die Feldmark Geismar ist ein Kleinod, das (leider) weit und breit seinesgleichen sucht. Die Begeisterung über die Vogelmassen hat immer einen bitteren Beigeschmack, denn in der umliegenden Agraröde gibt es nichts mehr zu beißen. Bedauerlicherweise ist der Freizeitdruck auch hier sehr hoch: In der Hochphase des Winters tummelten sich zahlreiche Spaziergänger z.T. mit freilaufenden Hunden, während der hohen Schneelage auch Skifahrer mit Querfeldeindrang auf den Wegen und Feldern. Dies sorgte bei den Vogelmassen für erheblichen Stress.

Abb. 17: Stieglitze mit einigen Grünfinken, Bluthänflingen und einem Feldsperling in der Feldmark Geismar. Foto: M. Siebner

Der nordische Taigabirkenzeisig machte sich mit nur drei Beobachtungen rar. Am 22. Februar ließ sich im Gillersheimer Forst ein unterartreiner Trupp von ca. 25 Ind. ausmachen.

Die viel besuchte und -fotografierte, bereits in einem Spezialporträt vorgestellte weibliche Schneeammer harrte bis zum 26. Januar in der Feldmark Bovenden aus. Der mehr als zweiwöchige Aufenthalt ist für das tiefe Binnenland sehr bemerkenswert.

Auf einem nicht abgeernteten Getreidefeld am Ortsrand von Gö.-Weende hielten sich im Hochwinter bis zu 500 Goldammern auf. Diese Zahl wurde anderswo nicht einmal ansatzweise erreicht. Gäbe es doch nur mehr solcher Flächen! In der Feldmark Geismar lag das Maximum bei ca. 100 Ind.       

Hans H. Dörrie       

Dieser Bericht über einen bemerkenswerten Winter basiert auf 25.153 Einträgen in unserer Datenbank ornitho.de. Der Verfasser bedankt sich bei den Melderinnen und Meldern:

F. Arndt, R. Asch, P.H. Barthel, B. Bartsch, N. Bayer, T. Becker, K. Beelte, R. Behrens, L. Bergschmidt, C. Berroth, A. Bischoff, M. Bock, T. Böckenförde, P. Böhl, S. Böhner, S. Bologna, J. Bondick, R. Bonnier, M. Borchardt, D. Bordin, H. Brockmeyer, G. Brunken, J. Bryant, J. Burmeister, J. Clausen, M. Corsmann, J. Demmer, C. Dienemann, V. Dierschke, K. Dornieden, C. Frank, H. Dörrie, M. Drüner, L. Dumpe, G. und W. Dziergwa, Familie Fischer, M. Fichtler, J. Flessa, M. Flessa, C. Gall, T. Garczorz, T. Gawlig, M. Geb, K. Gehring, M. Georg, M. Göpfert, S. Groos, T. Großheim, P. Gründer, C. Grüneberg, E. Gottschalk, T. Gottstein, M. Harrer, A. Hartmann, S. Hartmann, G. Hasan, F. Heim, H. Henkel, O. Henning, D. Herbst, J. Hermann, V. Hesse, S. Hillmer, U. Hinz, F. Hirschauer, M. Hoffmann, S. Hohnwald, S. Jaehne, M. Jahn, M. Jenssen, K. Jünemann, R. Käthner, J. Kamp, J. Kallmayer, H. Karthäuser, D. Kemler, H.-A. Kerl, P. Keuschen, G. Klages, H. Köster, C. Kunze, A. Landau, V. Lipka, G. Mackay, U. Maier, D. Mederer, T. Meineke, H. Meyer, P. Motzkau, L. Müller, J. Myles, F. Nieporte, D. Nolte, D. Ochterbeck, J. Opitz, N. Ordax, S. Paul, G. Pfützenreuter, B. Preuschhof, J. Priesnitz, P. Pulsfort, A. Quell, K. Raab, D. Radde, J. Rauh, J.J. Reichelt, T. Reininghaus, O. Reuer, B. Riedel, T. Rohde, M. Röder, M. Rößner, M. Roth, H. Rumpeltin, T. Runge, L. Rüskaup, L. Sackers, L. Scheller, H. Schmaljohann, H. Schmidt, B. Schneidereit, R. Schnelle, D. Schomberg, C. Schröer, M. Schulze, J. Schumann, A. Schwickardi, J. Schwickardi, M. Siebner, D. Singer, L. Söffker, T. Seeler, T. Stahl, N. Stanik, J. Stehen, J. Steinmetz, A. Stumpner, A. Sührig, J. Temme, D. Teube, F. Vogeley, W. Vogeley, M. Vollstädt, M. Wagener, H. Weingart, J. Weiß (2 x), J. Weiss, C. Wenda, M. Wimbauer, D. Wucherpfennig, D. Zinner u.v.a

Abb. 18: Die zutrauliche Elster war meist am Abend unterwegs. Foto: B. Bartsch